Auf die Berufung der Beigeladenen zu 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.04.2010 abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) und die Gerichtskosten für Klage- und Berufungsverfahren. Weitere Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladene zu 1) bei dem Kläger seit 01.01.2002 sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.
Der Kläger ist Inhaber des Einzelunternehmens C (Fenster, Türen, Tore). Im September 1987 mietete er nach eigenen Angaben für die Ausstellung von Grabmalen knapp 3 km entfernt vom Betriebssitz eine Betriebsnebenstätte, die mit den dortigen Aufbauten und den Erlösen aus Steinmetzarbeiten in der Betriebsbilanz gesondert erfasst wurde.
Ab 01.01.1988 beschäftigte er sodann seine Ehefrau, die 1959 geborene Beigeladene zu 1), die im Dezember 1984 die Meisterprüfung im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk bestanden hatte. Arbeitsvertraglich wurde zunächst für die 18 Stunden wöchentlich in der Betriebsnebenstätte auszuübende Tätigkeit eine Vergütung i.H.v. monatlich 1.000,00 DM Brutto vereinbart. Weiter sah der "Arbeitsvertrag für Ehegatten" u.a. vor: "Die Arbeitszeit regelt sich nach den betrieblichen Verhältnissen und soll nach Möglichkeit während der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit des Betriebes abgeleistet werden" (§ 2). "Dieser Vertrag ist unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen kündbar. Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis, insbesondere den Urlaubsanspruch, ebenfalls die gesetzlichen Bestimmungen" (§ 4).
In Ausführung der Vereinbarung führte der Kläger für die Beigeladene zu 1) ab Vertragsbeginn Steuern und Gesamtsozialversicherungsbeiträge ab; seit 01.01.2002 erfolgte die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge aufgrund der geänderten Mitgliedschaft der Beigeladenen zu 1) nunmehr an die Beklagte als Einzugsstelle. Das Gehalt wurde durchgehend als Betriebsausgabe verbucht.
In der Folgezeit übernahm die Beigeladene zu 1) mehrfach Bankbürgschaften zur Sicherung von Ansprüchen gegenüber dem Kläger, u.a. im Juli 1998 eine selbstschuldnerische Bürgschaft über einem Betrag bis zu 600.000,00 DM, im Juni 2003 über einen Betrag bis zu 365.000,00 EUR und im Oktober 2005 über einen Betrag bis zu rund 110.000,00 EUR. Nach den Angaben des Klägers wurde Anfang des Jahres 2003 die Betriebsnebenstätte geschlossen und die Ausstellung auf das Betriebsgrundstück verlegt. Seit 01.06.2003 pflegt die Beigeladene zu 1) ihren Ehemann, der an Morbus Bechterew mit völliger Versteifung der gesamten Wirbelsäule erkrankt ist, gemäß der ihm von der beigeladenen Pflegekasse anerkannten Pflegestufe I.
Im September 2005 umschrieb der Kläger – gemeinsam mit der (ebenfalls unterzeichnenden) Beigeladenen zu 1) – in dem ihm von der Beklagten zugesandten "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses ( …)" die von der Beigeladenen zu 1) seit 1988 ausgeübte Tätigkeit mit den Worten "Verkauf, Beratung, Angebot, Kalkulation, Rechnungs- und Mahnwesen". Sie beantworteten die folgenden Fragen mit "Ja":
– Wird die Tätigkeit aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt?
– Ist der mitarbeitende Angehörige in dem Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert und wird die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt?
– Hätte ohne die Mitarbeit des Angehörigen eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen?
– Kann der mitarbeitende Angehörige seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten?
– Wirkt der mitarbeitende Angehörige bei der Führung des Betriebes – z.B. aufgrund besonderer Fachkenntnisse – mit?
– Ist die Mitarbeit – aufgrund familienhafter Rücksichtnahmen – durch ein gleichbe- rechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt?
– Wird das Arbeitsentgelt regelmäßig ( …) bezahlt?
und die folgende Frage mit "Nein":
– Ist der mitarbeitende Angehörige an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit gebunden und wird das Weisungsrecht tatsächlich ausgeübt?
Des Weiteren gaben sie an, Urlaubsanspruch und Kündigungsfristen bestünden gemäß den gesetzlichen Bestimmungen. Das Arbeitsentgelt in Höhe von (mittlerweile) 1.800,00 EUR Brutto für 32 Stunden/Woche bei variabler Arbeitszeit würde bei Arbeitsunfähigkeit für sechs Wochen fortgezahlt.
Mit der Absichtsbekundung, das Beschäftigungsverhältnis rückwirkend ab 1988 versicherungsfrei beurteilen zu wollen, übersandte die Beklagte den ausgefüllten Prüfbogen im Wege eines Amtshilfeverfahrens an den Rentenversicherungsträger (Beigeladener zu 2) mit der Bitte um Stellungnahme. Im Anschluss an die gegenteilige Auffassung des Beigeladenen zu 2) (Schreiben vom 21.12.2005) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 11.01.2006 gegenüber dem Kläger fest, dass seit dem 01.01.1988 ein abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe, das dem Grunde nach der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege, da sie
– in den Betrieb des Klägers wie eine fremde Kraft eingegliedert,
– anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt sei,
– ein der Arbeitsleistung angemessenes regelmäßiges Arbeitsentgelt erhalte,
– sie am Betriebsvermögen sei nicht beteiligt sei,
– sie einen Gehaltfortzahlungs- sowie ein Urlaubanspruch nach den gesetzlichen Bestimmungen habe,
– eine nur eingeschränkte Wahl der Arbeitszeit habe,
– am Betriebssitz des Arbeitgebers arbeite,
– die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel nutze und
– kein Unternehmerrisiko trage.
Hinzu komme, dass das Vertragsverhältnis 18 Jahre lang als abhängiges Beschäftigungsverhältnis gelebt worden sei; so seien
– ein Arbeitsvertrag geschlossen,
– Meldungen zur Sozialversicherung erfolgt,
– Beiträge als Betriebsausgabe steuerlich geltend gemacht und,
– Lohnsteuer an das zuständige Finanzamt abgeführt worden und
– die Einzugsstelle nicht zur Klärung von Zweifel an der Beitragspflicht gebeten worden.
Zweifel seien auch nicht bei Betriebs- oder Lohnsteueraußenprüfungen geäußert worden. In der Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles seien die Voraussetzungen und Merkmale für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung erfüllt.
Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen diese Entscheidung. Die Beigeladene zu 1) sei nicht weisungsgebunden und könne sich ihre Arbeitszeit selbst einteilen. Zudem wies er auf von der Beigeladenen zu 1) gewährte Darlehen, Bürgschaften und Sicherheiten von insgesamt 523.000,00 EUR hin, weshalb sie mehr "als andere Arbeitnehmer am Wohle des Unternehmens" interessiert sei. An der Führung des Unternehmens wirke die Beigeladene zu 1) aufgrund ihrer besonderen Fachkenntnisse mit. Sie leite ihren Unternehmensbereich, arbeite sowohl im Bereich des Steinmetzbetriebes als auch im Bereich der Bauelemente selbständig und sei überdies berechtigt, eigenständig Personal einzustellen, zu entlassen sowie Lehrlinge auszubilden. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2007 zurück. Die Übernahme von Bürgschaften etc. könne zwar als ein Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gesehen werden, da jedoch im Fall der Beigeladenen zu 1) keine weiteren entscheidungserheblichen Aspekte für eine Mitunternehmerschaft sprechen würden, werde allein dadurch ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht ausgeschlossen.
Der Kläger hat am 09.02.2007 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass die Beigeladene zu 1) keinerlei Weisungen unterliege, in der Gestaltung der Arbeitszeit frei sei und zudem aufgrund der von ihr geleisteten Sicherheiten in erheblichem Umfang ein wirtschaftliches Risiko trage. So hätte sie 1993 zur Rückführung des Kontokorrent bei der Volksbank ihren halben Anteil an einem Grundstück veräußert. Ihr Anteil am Verkaufserlös i.H.v. 127.165,00 DM sei in den Geschäftsbetrieb geflossen und dort wertmäßig verblieben. Sie sei von Anfang an aufgrund ihrer gleichwertigen Qualifikation in die Geschäftsleitung eingebunden gewesen. Das von der Beigeladenen zu 1) bezogene Gehalt liege zudem ca. 50 % unter dem eines "nicht familienangehörigen Arbeitnehmers". Der Steinmetzbetrieb würde ausschließlich durch die Beigeladene zu 1) geführt, da nur sie über das entsprechende Fachwissen verfüge. Er – der Kläger – sei aufgrund seines Gesundheitszustandes seit 2002/2003 nur noch stundenweise im Büro tätig. Die Leitung des Unternehmens erfolge somit im Wesentlichen durch die Beigeladenen zu 1). Schwierige und wesentliche Entscheidungen würden von ihnen gemeinsam getroffen. Die Beigeladene zu 1) habe entgegen den eingereichten Jahresmitteilungen ihr Gehalt nur unregelmäßig erhalten. Soweit die finanzielle Lage des Unternehmens es nicht zugelassen habe, seien vorab andere Verbindlichkeiten, insbesondere Löhne an andere Arbeitnehmer bezahlt worden. Die Beigeladene zu 1) trage mit ihm das Unternehmerrisko.
Die Beigeladene zu 1) hat sich den Ausführungen des Klägers vollinhaltlich angeschlossen und zur weiteren Erläuterung erklärt, sie sei Alleineigentümerin eines Mehrfamilienhauses, das die Grundlage der von ihr gegebenen Sicherheiten bilde.
Nachdem die Beklagte, den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben hat, als sie hinsichtlich des Zeitraums, in dem die Beigeladene noch nicht bei ihr versichert gewesen war (01.01.1988 bis 31.12.2001) eine Entscheidung getroffen hat, haben der Kläger und die Beigeladene zu 1) beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 11.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2007 festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) ab 01.01.2002 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 4) haben beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat unter Wiederholung ihrer Argumentation weiterhin die Ansicht vertreten, die Beigeladene zu 1) sei abhängig beschäftigt und ergänzend ausgeführt, der fest umrissene Aufgabenkreis im Betrieb des Klägers spreche eher für die Eingliederung in den betrieblichen Organisationsprozess. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Angehörigen im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt sei und daher das Weisungsrecht mit gewissen Einschränkungen ausgeübt werde. Der Einwand des Klägers, dass die Beigeladene zu 1) teilweise keine oder verminderte Bezüge erhalten habe, stehe im Widerspruch zu den monatlichen Beitragsabrechnungen und den Jahresmeldungen, die ein gleichbleibendes jährliches Gehalt i.H.v. 21.600,00 EUR (2003 bis 2006) auswiesen. Unter Zugrundelegung der Angabe des Klägers, die Beigeladene sei von Anfang an in die Geschäftsleitung eingebunden gewesen, sei es nicht verständlich, dass dennoch ein Arbeitsvertrag geschlossen worden sei. Eine versicherungsfreie Beschäftigung liege zumindest nicht bereits seit 1988 vor, da die überwiegende Anzahl der Merkmale der Tätigkeit für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und damit für Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung spreche.
Die Beigeladenen zu 2), 3) und 4) haben sich der Rechtsauffassung bzw. den Ausführungen der Beklagten angeschlossen.
Die Beigeladene zu 2) hat ergänzend ausgeführt: Sie halte es nicht für schlüssig, dass der Kläger die Ergebnisse der Betriebsprüfungen jahrelang nicht beanstandet habe. Es dränge sich auch aufgrund der geschilderten Qualifikation der Beigeladenen zu 1) als Steinmetz einerseits und der tatsächlichen kaufmännischen Tätigkeit andererseits nicht unbedingt ein gleichberechtigtes Nebeneinander im Betrieb auf.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat der Klage mit Urteil vom 29.04.2010 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Kammer sei aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände davon überzeugt, dass die Beigeladene zu 1) jedenfalls in der Zeit ab 01.01.2002 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Kläger gestanden habe und gegenwärtig stehe. Insbesondere verfüge die Beigeladene zu 1) aufgrund der Ablegung der Meisterprüfung im Steinmetz- und Steinbildnerhandwerk über die fachliche Qualifikation, um nicht von Weisungen des Klägers abhängig zu sein. Weiterhin habe der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er aufgrund seiner Erkrankung und der damit verbundenen Behinderung seit 2002 nur noch stundenweise im Büro tätig sei und die wesentliche unternehmerische Tätigkeit seitdem von der Beigeladenen zu 1) ausgeübt werde. Darüber hinaus spreche wesentlich gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, dass die Beigeladene zu 1) zusammen mit dem Kläger das Unternehmerrisiko trage. Insoweit sei zumindest von einer mitunternehmerischen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) auszugehen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Zahlung ihrer Vergütung jeweils von der wirtschaftlichen Situation des Betriebes abhängig mache. Jedenfalls entspreche die im streitigen Zeitraum vereinbarte monatliche Vergütung unter Berücksichtigung der Qualifikation, der Leitungsfunktion und der Verantwortung der Beigeladenen zu 1) nicht einer Vergütung, die mit einem familienfremden Dritten unter marktüblichen Bedingungen vereinbart werde. Unter Berücksichtigung der von der Beigeladenen zu 1) gewährten Sicherheiten halte es die Kammer für ausgeschlossen, dass die tatsächlichen Verhältnisse ihrer Beschäftigung denen einer abhängigen Beschäftigung entspreche.
Die Beigeladene zu 2) hat gegen das ihr am 17.05.2010 zugestellte Urteil am 15.06.2010 Berufung eingelegt. Der Feststellung des Sozialgerichts könne nicht gefolgt werden. Die Manipulationsmöglichkeiten bei der Beschäftigung von Familienangehörigen und die Undurchsichtigkeit familiärer Beziehungen sei ein sachgerechter Grund, an den Nachweis eines Beschäftigungsverhältnisses strengere Anforderungen als üblich zu stellen. In einem Einzelunternehmen hafte ausschließlich der Einzelunternehmer. Ihm obliege auch allein die Geschäftsführung. Das gelte selbst dann, wenn – wie vorliegend – der Inhaber der Firma Frührentner und pflegebedürftig sei und daher nur noch eingeschränkt selbst für das Unternehmen tätig sein könne. Die Beigeladene zu 1) habe nicht die Rechtsmacht, weisungsfrei im Unternehmen ihres Ehemannes tätig zu sein. Sie sei weder am Unternehmen beteiligt noch als Mitinhaberin des Betriebes in die Handwerksrolle eingetragen, so dass sie auch aus diesem Grund nicht als selbständig Tätige in diesem Betrieb angesehen werden könne. Eine von den zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geschlossenen vertraglichen Regelungen abweichende Beurteilung sei nicht gerechtfertigt. Es fehle an tatsächlichen Anhaltspunkten, dass die entsprechenden Willenserklärungen rechtlich nicht ernst gemeint gewesen seien. Insofern vermöge die Behauptung, der Vertrag sei so nicht gelebt worden, nicht durchzugreifen. Würden die Bezüge – wie vorliegend – nicht als Privatentnahmen, sondern als Betriebsausgaben verbucht und lohnversteuert, so brächten die Beteiligten damit auch für den Bereich des Steuerrechts eindeutig zum Ausdruck, dass sie ihre Beziehungen auf die Grundlage eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses stellen. Werde steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, gelte dies regelmäßig auch für den Bereich der Sozialversicherung. Sei überdies nach den äußeren Erscheinungsformen von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, so lasse sich dies auch nicht mehr durch Aussagen der Beteiligten über das angebliche Fehlen der Weisungsgebundenheit des mitarbeitenden Angehörigen ausräumen. Weisungsgebundenheit könne bei Beschäftigungen von Verwandten naturgemäß in sehr abgeschwächter Form auftreten und sei wegen der Undurchsichtigkeit der familiären Beziehungen ohnehin kaum messbar. Die Beteiligten könnten insoweit stets die ihrer jeweiligen Interessenlage entsprechende Aussagen machen, ohne die tatsächlichen Arbeitsbedingungen preiszugeben oder ändern zu müssen. Im Übrigen sei die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen sei. Ob der Inhaber der Einzelfirma das ihm zustehende Weisungsrecht gegenüber seiner Ehefrau tatsächlich ausübe oder nicht, sei insoweit nicht relevant. Soweit das Sozialgericht zu der Überzeugung gelangt sei, die Versicherte trage u.a. wegen der Übernahme von Bürgschaften und Gewährung von Darlehen ein Unternehmerrisiko, so stehe das nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG). Ein Unternehmerrisiko trage danach nur, wer eigenes Kapital zur Erzielung eines im Zeitpunkt des Einsatzes ungewissen Unternehmererfolgs einsetze oder bei dem der Erfolg des Einsatzes der Arbeitskraft ungewiss sei. Die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft spreche nur dann für Selbständigkeit, wenn eine größere Freiheit bei der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der Arbeitskraft gegenüberstehe oder diese zu höheren Verdienstchancen führte. Diese Voraussetzungen erfülle die Beigeladene zu 1) indes nicht. Es werde bezweifelt, dass sie wegen der Gewährung und Übernahme von Darlehen, Bürgschaften und Sicherheiten größere Freiheiten bei der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft habe. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass Unternehmerehegatten von Geldinstituten häufig als Sicherungsnehmer in Anspruch genommen würden, um einen Vermögensübergang zwischen den Ehegatten auszuschließen. Dieser Umstand sei zwar arbeitnehmeruntypisch, spreche aber nicht in überwiegendem Maße für eine Mitunternehmerschaft.
Der Beigeladene zu 2) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.04.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 4) schließen sich dem Antrag des Beigeladenen zu 2) an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen zu 4) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beigeladenen zu 2), die keiner Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig. Als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung ist sie durch die Entscheidung des Sozialgerichts, dass u.a. keine Rentenversicherungspflicht bestehe, beschwert und damit befugt, dagegen das Rechtsmittel der Berufung einzulegen (vgl. BSG, Urteile vom 28.09.2011 – B 12 KR 15/10 R – und vom 01.07.1999 – B 12 KR 2/99 R – m.w.N.).
Die Berufung ist begründet, denn die Beigeladene zu 1) oblag aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses zum Kläger während ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten der Sozialversicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung -, § 20 Abs.1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung -, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – und §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung -). Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf gegenteilige Feststellung.
Beschäftigung ist nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Danach ist Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit stellt das wesentliche Merkmal des Beschäftigungsverhältnisses dar und bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit sind demgegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu bestimmen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (ständige Rechtsprechung u.a. BSG, Urteil vom 14.12.1999 – B 2 U 48/98 R – m.w.N.). Deshalb kann eine an sich bestehende rechtliche Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheidet (BSG, Urteil vom 17.05.2001 – B 12 KR 34/00 R -), andererseits ist die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist, die Rechtsmacht also noch besteht, selbst wenn von dieser tatsächlich kein Gebrauch gemacht wird (BSG, Urteil vom 08.08.1990 – 11 Rar 77/89 -). Bei der rückwirkenden Betrachtung eines Versicherungsverhältnisses ist zudem zu berücksichtigen, dass eine in die Vergangenheit zielende Umwandlung eines jahrelang mit Billigung der Beteiligten bestehenden Versicherungsverhältnisses grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen und bei eindeutiger Fehleinschätzung vorzunehmen ist (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.06.2011 – L 1 KR 145/10 -; Bayerisches LSG, Urteil vom 23.04.2009 – L 4 KR 118/07).
Nach diesen Kriterien richtet sich auch, ob die Tätigkeit im Unternehmen eines Ehegatten ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellt. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Eheleuten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 21.04.1993 – 11 Rar 77/89 -). Auch die Ausübung leitender Tätigkeiten in einem Familienunternehmen steht der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Selbst wer Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, kann als leitender Angestellter bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (BSG, Urteil vom 06.03.2003 – B 11 AL 25/02 R -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen. Es ist eine Würdigung erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17.12.2001 – B 7 AL 34/02 R -).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat es bei der Bejahung der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) im streitbefangenen Zeitraum zu verbleiben.
Die Parteien des Arbeitsvertrages haben vor Beginn der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) in rechtlich eindeutiger und einer anderweitigen Auslegung nicht zugänglicher Weise vereinbart, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin ihres Ehemannes in einem regulären Arbeitsverhältnis tätig werden soll. Die Parteien haben den Vordruck eines "Arbeitsvertrages für Ehegatten" benutzt, nach dessen Inhalt der Beigeladenen zu 1) ein festes monatliches Entgelt (ohne Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligung) für eine fest zeitlich und inhaltlich umrissene Tätigkeit zusteht und für Kündigung und ("insbesondere") auch den Urlaubsanspruch auf die gesetzlichen Regelungen verwiesen. Der vorgelegte Vertrag wurde zwar – wie sich aus der Angabe der 5-stelligen Postleitzahl, die erst zum 01.07.1993 in Deutschland eingeführt wurde und der Angabe des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am18.04.2012, ergibt – neugefasst und rückdatiert, die Vereinbarungen hatten aber nach wie vor Gültigkeit. Der Vertrag, der in jeder Hinsicht arbeitnehmertypische Vereinbarungen enthält, wurde weder schriftlich noch mündlich gekündigt noch maßgeblich – abgesehen von der Höhe des monatlichen Entgelts und des Einsatzortes – abgeändert. Die Vertragsparteien haben damit in rechtlich eindeutiger und einer Auslegung nicht zugänglicher Weise zum Ausdruck gebracht, dass die Beigeladene zu 1) als Arbeitnehmerin ihres Ehemannes tätig ist. Daran haben sie auch bei der neuen Ausfertigung des Vertrages (nach eigenen Angaben im Termin ungefähr im Jahr 2000) festgehalten. Dass die Angaben im Vertrag seinerzeit völlig unzutreffend waren, wird auch von dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) nicht geltend gemacht.
Entsprechend der arbeitsvertraglichen Verpflichtung ist auch die äußere Abwicklung erfolgt. Der Kläger hat die Personalausgaben für die Beigeladene zu 1) als Betriebsausgabe verbucht und damit die steuerlichen Vorteile genutzt, sowie Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge etc. entrichtet, wodurch die Beigeladene zu 1) eine entsprechende soziale Absicherung erfahren hat. Das Gehalt wurde – wie im Frageborgen der Beklagten angegeben – auf ein gesondertes privates Konto oder bar gezahlt. Diese Umstände sind starke Indizien für eine abhängige Beschäftigung. Lohnsteuerpflicht und Beitragspflicht in der Sozialversicherung beruhen auf dem gleichen Rechtsbegriff des "entgeltlichen" Beschäftigungsverhältnisses. Wesentlich für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist deshalb die Art der Verbuchung und Versteuerung der Bezüge der Verwandten. Werden die Bezüge nicht als Privatentnahmen, sondern als Betriebsausgaben verbucht und lohnversteuert, so haben die Beteiligten damit für den Bereich des Steuerrechts eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Beziehungen auf die Grundlage eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses gestellt haben. Wird steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, so wird regelmäßig auch für den Bereich der Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 21.04.1993 – B 11 RAr 67/92 -).
Soweit der Kläger angegeben hat, seine Ehefrau habe ihr Gehalt nur unregelmäßig erhalten, steht dies nicht nur im Widerspruch zu seinen wiederholten Angaben gegenüber dem Finanzamt und der Beklagten. Unabhängig von den – dem entgegenstehenden – regelmäßigen Gehaltsmeldungen, haben Kläger und Beigeladene zu 1) noch im September 2005 die Frage, ob das Arbeitsentgelt regelmäßig bezahlt wird, mit "Ja" beantwortet. Belege für die nunmehr behauptete unregelmäßige – nach jeweiliger Wirtschaftslage des Betriebes angepasste – Vergütung, hat der Kläger nicht erbracht.
Auch der Einwand des Klägers, das von der Beigeladenen zu 1) bezogene Gehalt liege ca. 50 % unter dem eines "nicht familienangehörigen Arbeitnehmers" ist nicht relevant. Unabhängig davon, dass diese (wiederholte) Formulierung darauf hinweist, dass der Kläger selbst die Beigeladene zu 1) weiterhin als (familienangehörige) Arbeitnehmerin sieht, kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung des Ehegatten die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG, Urteile vom 12.09.1996 – 7 RAR 120/95 – und vom 17.12.2002 – B 7 AL 34/02 R -).
Auch die Art der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) lässt nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit schließen. Nach Maßgabe des Arbeitsvertrages wurde die Beigeladene zu 1) als "Fachl./Techn./Angestellte" beschäftigt. Sie und der Kläger beschrieben diese Tätigkeit im September 2005 "aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung" wie folgt: "Verkauf/Beratung, Angebot, Kalkulation, Rechnungs- und Mahnwesen". Diese Tätigkeitsinhalte enthalten ein größeres Spektrum kaufmännischer Tätigkeiten, die auch abhängigen Beschäftigungsbildern mit typischer Eingliederung in den Betrieb zuzuordnen wären. Hinzu kommt, dass nach den eigenen Angaben der Eheleute (im Fragebogen der Beklagten) die Beigeladene zu 1) eine fremde Arbeitskraft ersetzt, was ebenfalls als Abgrenzungskriterium gegen eine selbständige Beschäftigung spricht (vgl. LSG Hessen, Urteil vom 27.10.2011 – L 8 KR 338/09 -).
Die Tätigkeit als Steinmetz findet sich indes in der Arbeitsbeschreibung (aber auch im aktuellen Internetauftritt der Firma) nicht wieder. Selbst wenn die Ehefrau des Klägers, wofür ihre Ausbildung und ihre eigenen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung sprechen, die Tätigkeit als Steinmetz zeitweilig ausübt und aufgrund ihrer Fachkenntnisse, wie es in der Widerspruchsbegründung heißt, "ihren" Unternehmensbereich leitet, spricht dies schon dem eigenen Vortrag nach gegen eine – auf den gesamten Handwerksbetrieb des Klägers bezogene – Mitunternehmerschaft.
Soweit der Kläger behauptet, er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes seit 2002/2003 nur noch stundenweise im Büro tätig, weswegen die Leitung des Unternehmens im Wesentlichen durch die Beigeladene zu 1) erfolge, ist auch dies nicht geeignet, die von ihm begehrte Feststellung zu erreichen. Abgesehen davon, dass die o.a. Tätigkeitsbeschreibung aus dem Jahr 2005 keine Hinweise auf eine Tätigkeit im Bereich der Geschäftsführung enthält, erscheint auch zweifelhaft, dass der Kläger gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, die Geschäftsleitung selbst wahrzunehmen. Unbestritten leidet der Kläger seit weit über 20 Jahren an Morbus Bechterew, ist in seiner Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt und bedarf mehrmals täglich (nach den unwidersprochenen Feststellungen der Beigeladenen zu 4) unter 14 Stunden wöchentlich) Hilfe bei der Körperpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung. Dies hat aber nach den Feststellungen der Gutachterin im Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Gutachten vom 05.03.2004) keine Auswirkungen auf seine geistigen, seelischen, sozialen und kommunikativen Fähigkeiten, die für eine Geschäftsleitung im Vordergrund stehen.
Es kann unterstellt werden, dass – wie der Kläger vorträgt – schwierige und wesentliche Entscheidungen von den Eheleuten gemeinsam getroffen werden, dies ist indes unter Eheleute nicht unüblich und drängt sich vor dem Hintergrund der umfangreichen Bürgschaften etc. und dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft vorliegend auf, ohne für sich Merkmal einer selbständigen Beschäftigung zu sein. Der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) jedenfalls außerhalb ihres handwerklichen Tätigkeitsbereichs keine wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen hat, deutet ebenfalls auf eine abhängige Beschäftigung hin.
Schließlich ist die Beigeladene zu 1) auch nicht am Unternehmensrisiko der Einzelfirma ihres Ehemannes beteiligt. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 12 KR 13/07 R -). Die Beigeladene zu 1) ist nicht rechtsförmlich am Unternehmen ihres Ehemannes – des Klägers – beteiligt. Das Einzelunternehmen wird allein von dem Kläger betrieben. Rechtlich hätte daher nur er (vorrangig) von Gläubigern der Firma in Anspruch genommen werden können. Insofern reicht auch die Übernahme z.B. einer Bürgschaft unter Eheleuten nicht aus, um eine nach außen hin durchweg als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis dokumentierte Tätigkeit eines Ehegatten im Betriebe des anderen Ehegatten als unternehmerische Tätigkeit einzustufen. Durch die finanzielle Unterstützung des Klägers hat die Beigeladene zu 1) keine Befugnisse erhalten, die Geschicke des Betriebes zu beeinflussen. Hieraus entsteht auch kein Betriebsrisiko, denn die Tragung dieser Risiken findet ihre Rechtfertigung in den zugrundeliegenden ehelichen Beziehungen. Eheleute haben in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens eines der Ehegatten. Zudem werden selbstschuldnerische Bürgschaften üblicherweise von Kreditinstituten bei der Kreditgewährung an verheiratete Schuldner verlangt (LSG Hessen, Urteile vom 27.10.2010 – L 8 KR 338/09 – und vom 25.02.2010 – L 8 KR 49/08 -). Die Gewährung von Darlehen bzw. Sicherheiten unter Familienangehörigen ist mit der Gewährung durch einen fremden Arbeitnehmer, der Nichtangehöriger des Unternehmensinhabers ist, nicht zu vergleichen (ebenso LSG Saarland, Urteil vom 15.02.2012 – L 2 KR 73/11 -, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2010 – L 1 KR 140/10 -, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.08.2010 – L 11 KR 2460/09 – und Beschluss vom 24.08.2010 – L 11 KR 140/10 -).
Die alleinige Rechtsmacht hat der Kläger als Firmeninhaber. Sie entfällt nicht dadurch, dass "in guten Zeiten" von Arbeitgeberrechten (u.a. Weisungsrecht) gegenüber familienangehörigen Mitarbeitern faktisch kein Gebrauch gemacht wird. Im Konfliktfall, z.B. wenn es zu einer familiären Trennung kommt und die familiären Rücksichtnahmen ein Ende haben, kann auf die vertraglich niedergelegten Befugnissen jederzeit wieder zurückgegriffen werden, so etwa auch auf ein Weisungs- und Kündigungsrecht. Es ist daher konsequent und im Hinblick auf größtmögliche Rechtssicherheit geboten, eine von Anfang an latent vorhandene Rechtsmacht auch dann als ein für abhängige Beschäftigung sprechendes Kriterium zu berücksichtigen, wenn von ihr konkret (noch) kein Gebrauch gemacht wird. (LSG Hessen, Urteil vom 27.10.2011 – L 8 KR 338/09 – m.w.N.). Ob bei dazu bestehender Rechtsmacht tatsächlich von ihr Gebrauch gemacht wurde, ist auch deshalb unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung dann wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht der Rechtsmachtinhaber beanstandungsfrei ausgeübt wurde. Dies kann jedoch kein rechtlich entscheidendes Kriterium zur Unterscheidung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sein (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.03.2010 – L 16 (5) KR 190/08). Zurückhaltende Weisungen sind zudem unter Familienangehörigen typisch und stehen als typische Begleiterscheinungen der Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ehepartner nicht entgegen. Ansonsten würde die Entscheidung des Gesetzgebers, Ehegatten-Arbeitsverhältnisse zuzulassen, faktisch unterlaufen. Derartige Umstände bei Ehepartnern und engen Verwandten sind nämlich so gut wie immer anzutreffen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.06.2011 – L 1 KR 145/10 – m.w.N.).
Zusammenfassend überwiegen somit die Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Das Ergebnis dieser Beurteilung wird schließlich getragen von der Auffassung, dass Versicherungsverhältnisse grundsätzlich nicht nachträglich verändert werden sollen (BSG, Urteil vom 08.12.1999 – B 12 KR 12/99 R -). Nur ausnahmsweise sollte in extremen Fällen rückwirkend in ein jahrelang von den Beteiligten gewolltes und gelebtes Sozialversicherungsverhältnis eingegriffen werden und dieses rückabgewickelt werden kann. Solche Extremfälle wären gegeben im Falle der Praktizierung eines Sozialversicherungsverhältnisses trotz offensichtlicher schwerwiegender Fehler, Ungereimtheiten oder im Falle der Erschleichung eines Versicherungsschutzes. Danach müssen klare Beweise vorliegen, um ein Sozialversicherungsverhältnis bei der Beschäftigung unter Angehörigen rückabzuwickeln. Dies gilt vor allem dann, wenn die Beschäftigung von allen Beteiligten gebilligt und diese auch steuerlich und in sonstiger Weise als Arbeitsverhältnis behandelt wurde. Der Eintritt eines "Sinneswandels", weil nunmehr für in der Vergangenheit liegende Zeiten die familienhafte Mithilfe oder eine Mitunternehmerschaft mit der Folge der Beitragserstattung attraktiver zu sein scheint, vermag eine Rückabwicklung nicht zu rechtfertigen (ebenso LSG Hessen, Urteil vom 27.10.2011 – L 8 KR 338/09 -, LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.06.2010 – L 5 KR 174/09 -; LSG Bayern, Urteile vom 11.12.2008 – L 4 KR 97/08 – und – L 4 KR 55/07 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der obsiegenden Beigeladenen zu 3) und 4) ist nicht geboten, da sie sich nicht maßgeblich am Verfahren beteiligt haben (§ 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 26.07.2012
Zuletzt verändert am: 26.07.2012