Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 18.05.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgemäße Beschwerde des Antragstellers vom 09.06.2015, eingegangen am 12.06.2015, gegen den ihm am 18.05.2015 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 18.05.2015, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Anträge des Antragstellers,
1.) der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig im Hinblick auf die Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren aufzugeben, ihm dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß den §§ 112 ff. SGB III für seine Teilnahme am Rehabilitationsvorbereitungslehrgang und die anschließende Umschulung zum Automobilkaufmann beim Berufsförderungswerk E zu gewähren und
2.) die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 18.03.2015 gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 16.03.2015 anzuordnen,
zu Recht abgelehnt.
Der Senat nimmt zur Begründung und zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes – (SGG) auf die ausführlichen Gründe der angefochtenen Entscheidung, die er in jeder Hinsicht für zutreffend erachtet, Bezug.
1.) Das Sozialgericht hat das Begehren des Antragstellers (§ 123 SGG) zu Recht hinsichtlich des Antrags zu 1) als solches auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG und den Antrag zu 2) als solchen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 16.03.2015 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ausgelegt, weil die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16.03.2015 den Antrag auf Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben "dem Grunde nach" (§§ 112 Abs. 1 SGB III, 33 Abs. 1 SGB IX) abgelehnt und mit Aufhebungsbescheid vom gleichen Tage die zwischenzeitlich ergangene Bewilligung von Lehrgangskosten für die Zeit vom 16.03.2015 bis 21.06.2015 sowie vom 22.06.2015 bis 21.06.2017 (Bescheid vom 05.03.2015) aufgehoben hat. Damit kann der Antragsteller eine – vorläufige – Gewährung von Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben für die Teilnahme am Rehabilitationsvorbereitungslehrgang und die anschließende Umschulung zum Automobilkaufmann beim Berufsförderungswerk (BFW) E nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG nur über eine einstweilige (Regelungs-)Anordnung erreichen (Antrag zu 1), während sein Rechtsschutzziel hinsichtlich der Bewilligung von Lehrgangskosten in einem etwaigen Hauptsacheverfahren auf die Kassation des Aufhebungsbescheids vom 16.03.2015 und des damit verbundenen Wiederauflebens des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 05.03.2015 gerichtet ist. Dementsprechend bezieht sich der Antrag zu 2) statthaft auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 18.03.2015 nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, weil der Widerspruch aufgrund der mit der Aufhebung der Bewilligung von – monatlichen und damit wiederkehrenden – Lehrgangskosten verbundenen Entziehung einer laufenden Leistung mit Wirkung für die Zukunft nach § 336a Satz 2 SGB III i.V.m. § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. zum Begriff des "Entziehens einer laufenden Leistung" eingehend Senat, Beschl. v. 17.02.2012 – L 9 AL 370/11 B ER -, juris Rn. 7 u. Beschl. v. 15.12.2014 – L 9 AL 264/14 B ER -, juris Rn. 6).
2.) Hinsichtlich des Antrags zu 1) hat das Sozialgericht zutreffend bereits die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs, also des Dartuns der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens des materiell-rechtlichen Anspruchs gegen die Antragsgegnerin, für den Erlass der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) verneint. Die nach Maßgabe der §§ 22 Abs. 4 Satz 3 SGB III, 88 Abs. 1 und 2 SGB X (i.V.m. der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Jobcenter Kreis Unna und der Agentur für Arbeit Hamm zur Durchführung der Leistungsverpflichtung aus § 16 Abs. 1 SGB II für den Personenkreis erwerbsfähiger hilfebedürftiger Rehabilitanden) sowohl als (beauftragte) Leistungsträgerin als auch Rehabilitationsträgerin (§ 6a SGB IX) zuständige Antragsgegnerin hat die Förderung der Teilhabe des Antragstellers am Arbeitsleben in Form der Teilnahme am Rehabilitationsvorbereitungslehrgang und die anschließende Umschulung zum Automobilkaufmann beim BFW E mangels persönlicher Eignung des Antragstellers für diese berufsfördernde Leistung (§ 112 Abs. 2 SGB III) zu Recht abgelehnt, insbesondere von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 39 Abs. 1 SGB I). Das Sozialgericht und die Antragsgegnerin haben die fehlende Eignung des Antragstellers hinsichtlich der Umschulungsmaßnahme zum Automobilkaufmann zu Recht daraus hergeleitet, dass der Antragsteller zeitnah nach dem anvisierten Abschluss der Umschulungsmaßnahme im Jahr 2017 aufgrund der mit seiner Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betruges zwangsläufig verbundenen Eintragung dieser Vorstrafe in ein persönliches Führungszeugnis (§ 32 Abs. 1 Satz 1 des Bundeszentralregistergesetzes – BZRG) keine dauerhafte Einstellung als Automobilkaufmann finden kann und deshalb eine berufliche Eingliederung des Antragstellers auf Dauer bei diesen Umschulungsberuf ausscheidet. Das Sozialgericht konnte sich hierbei zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stützen, wonach der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer im Rahmen der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses (insbesondere beim Vorstellungsgespräch) Informationen zu Vorstrafen einholen darf, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies "erfordert", d.h. bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt (BAG, Urt. v. 20.03.2014 – 2 AZR 1071/12 -, juris Rn. 29 m.w.N.), und die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen kann, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war (BAG, a.a.O. -, juris Rn. 28). Ebenso hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass den Arbeitnehmer aus § 241 Abs. 2 BGB die Pflicht zur Vorlage eines Führungszeugnisses treffen kann und die Anforderung eines solchen Führungszeugnisses gerade bei der Einstellung in kaufmännische Berufe auch durchaus üblich ist. Dass eine Vorstrafe wegen gewerbsmäßigen Betruges negative Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit für die Pflichterfüllung im Arbeitsverhältnis gerade als Automobilkaufmann zulässt, weil diese Tätigkeit den Umgang mit nicht unerheblichen Vermögenswerten und potentiellen Käufern von Kraftfahrzeugen, die auf die Lauterkeit, Ehrlichkeit und Seriosität ihres Geschäftspartners angewiesen sind, mit sich bringt, bedarf an sich keiner weitergehenden Begründung mehr. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein potentieller Arbeitgeber den Antragsteller bei (berechtigter) Kenntnis seiner einschlägigen Vorstrafe in diesem kaufmännischen Beruf einstellen würde, tendiert nach Auffassung des Senats gegen Null. Da die Strafe des Antragstellers gemäß der fünfjährigen Regelfrist des 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BZRG erst ab dem 05.08.2019 nicht mehr in das Führungszeugnis aufzunehmen wäre, ist dem Antragsteller eine Bezeichnung als unbestraft (§ 53 Abs. 1 BZRG) und die Berufung auf das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG bis weit nach Abschluss der geplanten Umschulungsmaßnahme im Jahre 2017 verbaut.
Auch das hierauf bezogene Beschwerdevorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, eine für ihn günstigere Entscheidung herbeizuführen. Soweit er geltend macht, dass er im Jahre 2019 erst 30 Jahre alt und damit jung genug wäre, um in "seinem" Beruf erfolgreich sein zu können, selbst wenn er bis 2019 keine Anstellung finden würde, handelt es sich um eine reine Spekulation. Jedenfalls wäre ein solcher Verlauf angesichts seiner Vorstrafe derart ungewiss, dass die Antragsgegnerin hierauf die (positive) Prognose einer dauerhaften Wiedereingliederung des Klägers in den Arbeitsmarkt mit einer Tätigkeit als Automobilkaufmann schlechterdings nicht stützen kann. Das Gleiche gilt für das Argument des Antragstellers, dass er im Zeitraum zwischen 2017 und 2019 gegebenenfalls weitere Weiterbildungsmaßnahmen durchführen könnte, um spätestens im Jahr 2019 mit entsprechender guter Qualifizierung eine Arbeitsstelle finden zu können. Auch dies stellt sich angesichts seiner einschlägigen Vorstrafe nicht anders als eine reine Spekulation dar, die die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in dem vom Antragsteller erstrebten Ausbildungsberuf keinesfalls zu rechtfertigen vermag.
Soweit der Antragsteller die Ablehnung der von ihm begehrten Leistungen als mit dem Rehabilitationsgedanken i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ansieht, verkennt er, dass die Vorschriften des BZRG u.a. über die Aufnahme von Verurteilungen in das Führungszeugnis, die Tilgungsreife und Tilgung von Registereintragungen sowie das hiermit zusammenhängende "Verschweigerecht" gerade eine Konkretisierung des Rechts auf Resozialisierung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) darstellen, weil der Verurteilte auf diese Weise vom Strafmakel befreit und seine Resozialisierung gefördert oder manifestiert werden soll. Dieses Verbot erfasst alle Bereiche des Rechtslebens und ist auch im privatrechtlichen Bereich zu achten (BAG, Urt. v. 20.03.2014 – 2 AZR 1071/12 -, juris Rn. 42; s. auch grdl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.1973 – 2 BvL 12/72, 2 BvL 3/73 -, juris Rn. 46). Hieraus folgt im Umkehrschluss aber auch, dass – wie hier – bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen der Verurteilte keinen Anspruch darauf hat, mit seinem im Register und Führungszeugnis dokumentierten Verurteilungen nicht konfrontiert zu werden oder ihn vor beruflichen Nachteilen zu bewahren. Ansonsten würden diese "aktiven" Eintragungen, die u.a. auch potentielle (öffentliche und private) Arbeitgeber davor schützen sollen, materielle oder sonstige Schäden durch Einstellung einschlägig vorbestrafter Arbeitnehmer zu erleiden, erkennbar keinen Sinn ergeben.
3.) Das Sozialgericht hat auch den Antrag zu 2) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG) auf der Grundlage des von ihm zutreffend dargestellten Entscheidungsmaßstabes bei der Abwägung des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu Recht abgelehnt, weil der Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.03.2015 über die Aufhebung der ihm bewilligten Lehrgangskosten für die Zukunft auf der Grundlage von § 45 SGB X (die Berufung der Antragsgegnerin auf § 48 SGB X ist als bloßes Begründungselement unschädlich, vgl. BSG, Urt. v. 29.06.2000 – B 11 AL 85/99 R -, juris Rn. 20 f.) bei fehlender Eignung des Antragstellers für die begehrte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (s.o.) offensichtlich rechtmäßig ist, der Antragsteller sich insbesondere wegen bereits fehlenden Verbrauchs der Leistungen und mangels einer Vermögensdisposition nicht auf Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X berufen kann. Der Senat nimmt insoweit wiederum auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Lediglich ergänzend weist er noch darauf hin, dass der Aufhebungsbescheid auch nicht deshalb (offensichtlich) rechtswidrig ist, weil die Antragsgegnerin den Antragsteller vor dessen Erlass nach Aktenlage nicht gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört hat. So spricht bereits viel dafür, dass die Antragsgegnerin angesichts des unmittelbar bevorstehenden Beginns des Rehabilitationsvorbereitungslehrgangs, bei dem unweigerlich Kosten angefallen wären, von einer Anhörung des Antragstellers nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X hat absehen können, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Ansonsten kann die Anhörung gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens und damit erst recht auch im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden, so dass deren Unterlassen vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs führen kann (s. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 04.02.2009 – L 23 B 310/08 SO ER -, juris Rn. 25; LSG NRW, Beschl. v. 17.07.2013 – L 11 KA 101/12 B ER -, juris Rn. 64).
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
5.) Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 16.07.2015
Zuletzt verändert am: 16.07.2015