Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.03.2011 – S 35 AS 237/09 – wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Aufwendungen zum Erwerb eines Genossenschaftsanteils in Höhe von 310,00 EUR nach § 22 Abs. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung bis zum 31.12.2010 (a.F.) als Zuschuss.
Im Jahr 2008 bezog die Klägerin zusammen mit ihren beiden minderjährigen Kindern Leistungen nach dem SGB II von der ARGE J.
Am 24.09.2008 unterzeichnete die Klägerin einen Mietvertrag über die Anmietung einer Genossenschaftswohnung in I, in dem sie sich u. a. verpflichtet, eine Mietkaution von 300,00 EUR zu stellen. Sie erklärte gleichzeitig ihren Beitritt zur Genossenschaft mit der Verpflichtung, einen Genossenschaftsanteil in Höhe von 310,00 EUR zu erwerben. Am 25.09.2008 zahlte sie diesen ein. Im Dezember 2008 zog die Klägerin mit ihren Kindern nach I um.
Mit Schreiben vom 05.09.2008 bestätigte die ARGE J, dass der Umzug aus sonstigen plausibeln, nachvollziehbaren und verständlichen Gründen notwendig i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II sei. Am 09.09.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Aufwendungen für eine Mietkaution von 300,00 EUR und eines Genossenschaftsanteils von 300,00 EUR. Durch Bescheid vom 16.01.2009 gewährte die Beklagte der Klägerin ein Darlehen für die Aufwendungen einer Mietkaution in Höhe von 300,00 EUR. Durch weiteren Bescheid vom 16.01.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Aufwendungen für den Erwerb eines Genossenschaftsanteils ab. Im Briefkopf des Bescheides ist vermerkt: "abgesandt am: 0000 – Frau T P -"
Mit Schreiben vom 31.03.2009, bei der Beklagten am 03.04.2009 eingegangen, legte die Klägerin gegen die Nichtübernahme der Aufwendungen für den Erwerb eines Genossenschaftsanteils Widerspruch ein. Durch Widerspruchbescheid vom 15.05.2009 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Erst nach Ablauf der Widerspruchfrist am 23.02.2009 sei der Widerspruch am 03.04.2009 erhoben wurden.
Am 18.06.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie hat die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Aufwendungen zum Erwerb eines Genossenschaftsanteils als Zuschuss begehrt. Es sei nach dem Inhalt der Verwaltungsakte nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte den Bescheid vom 16.01.2009 am 19.01.2009 zu Post aufgegeben habe.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass das von ihr verwendete Computerprogramm den Absendevermerk erstellt habe, weil der Bescheid mit Zentraldruck erstellt und abgesandt worden sei. Der Absendevermerk sei auf dem Bescheidausdruck vermerkt. Deshalb greife die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ein. Außerdem sei sie für die Übernahme der Aufwendungen zum Erwerb eines Genossenschaftsanteils nicht zuständig, da es sich nicht um eine Mietkaution, sondern um Wohnungsbeschaffungskosten i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F … Für deren Übernahme sei die ARGE J zuständig.
Durch Urteil vom 25.03.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 08.04.2011 zugestellt Urteil hat die Klägerin am 04.05.2010 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 31.05.2010 bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Die Klägerin begehrt die Übernahme der Aufwendungen zum Erwerb eines Genossenschaftsanteils in Höhe von 310,00 EUR
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist eine Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann
Im vorliegenden Fall sind die Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 SGG nicht gegeben.
Eine Divergenz i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nicht gegeben. Eine Divergenz i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG kommt nur dann in Betracht, wenn ein Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts nicht den Kriterien entspricht, die die obersten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet keine Divergenz i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG (vgl. BSG Beschluss vom 05.10.2010 – B 8 SO 61/10 B = juris Rn 11 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Vorliegend hat das Sozialgericht keinen von der Rechtsprechung der obersten Gerichte abweichenden abstrakten Rechtsgrundsatz aufgestellt. Vielmehr ist das Sozialgericht wie das Bundessozialgericht davon ausgegangen, dass die Frist für die Einreichung des Widerspruchs nach § 84 Abs 1 SGG mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts beginnt und ein Verwaltungsakt im Fall der Bekanntgabe mit einfachem Brief nach § 37 Abs. 2 SGB X mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (BSG Urteil vom 28.11.2006 – B 2 U 33/05 R = juris Rn 15). Es ist auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 28.11.2006 – B 2 U 33/05 R = juris Rn 15) davon ausgegangen, dass die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X nur dann eingreift, wenn der Tag der Aufgabe zur Post in den Behördenakten vermerkt wurde. In wieweit das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass der durch den Computer auf dem Bescheid erstellte Absendevermerk den Anforderungen an einen Abgabevermerk i. S. v. § 37 Abs. 2 SGB X erfüllt, ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht zu prüfen.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsache i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, wenn sie eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rn 28 f mit Rechtsprechungsnachweisen; Frehse in Jansen, SGG, 3.Aufl., § 144 Rn 17). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein. Eine solche ist klärungsbedürftig, wenn die Rechtsfrage sich nicht unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden ist (vgl. BSG Beschluss vom 15.09.1997 – 9 BVg 6/97 – zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 SGG). Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen hilfsweise ausgeführt, dass, auch wenn der Widerspruch rechtzeitig erhoben worden wäre, in der Sache keine andere Entscheidung haben ergehen könne, weil Aufwendungen für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen allenfalls als Darlehen von Grundsicherungsträger zu übernehmen seien. Bei den in diesen Erwägungen aufgeworfenen Rechtsfragen handelt es sich zwar um klärungsbedürftige Rechtsfragen. Es ist noch nicht in der Rechtsprechung geklärt, ob es sich bei den Aufwendungen für den Erwerb eines Genossenschaftsanteils um Wohnungsbeschaffungskosten i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der Fassung bis zum 31.12.2010 (a. F.) oder um eine Mietkaution i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II a. F. handelt (vgl. LSG NRW Beschluss vom 08.06.2011 – L 19 AS 958/11 B ER mit Zusammenfassung des Meinungstandes in Rechtsprechung und Literatur). Auch ist nicht geklärt, ob im Fall eines Umzuges nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II – wie im vorliegenden Fall von der ARGE J anerkannt – andere Wohnungsbeschaffungskosten als eine Mietkaution im Rahmen der Angemessenheitsprüfung (vgl. BSG Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R = juris Rn 14, wonach bei einem Umzug i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II die angemessenen Kosten zu übernehmen sind) in der Regel nur als Darlehen zu gewähren sind. Diese Rechtsfragen sind vorliegend aber nicht klärungsfähig. Klärungsfähig ist eine (konkrete ) Rechtsfrage nur dann, wenn sie in einem nach erfolgter Zulassung durchgeführten Berufungsverfahren entscheidungserheblich ist. Dies ist der Fall, wenn es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin in ihrem Sinne hätte ausfallen müssen. Daran mangelt es u. a., wenn die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts auf verschiedene Begründungen gestützt wird, die nicht alle von der aufgeworfenen Rechtsfrage betroffen sind (vgl. BSG Beschlüsse vom 23.02.2011 – B 4 AS 170/10 B – und vom 30.08.2004 – B 2 U 401/03 B zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 SGG). Dies ist vorliegend der Fall, da das Sozialgericht die Verwerfung des Widerspruchs der Klägerin wegen der Versäumung der Widerspruchfrist durch die Beklagte als rechtmäßig angesehen hat und damit an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Bescheides vom 16.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2009 gehindert gewesen ist.
Das Vorliegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG hat die Klägerin nicht gerügt.
Mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde wird das Urteil rechtskräftig, § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 01.09.2011
Zuletzt verändert am: 01.09.2011