Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 05.09.2011 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22.06.2011 wird angeordnet. Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab 27.09.2011 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt M, P, beigeordnet.
Gründe:
I.
Die am 00.00.1991 geborene Antragstellerin bezieht in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem am 00.00.2007 geborenen Sohn Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) -.
Mit Bescheid vom 22.06.2011 stellte der Antragsgegner "gemäß § 31 SGB II" den Entfall des Arbeitslosengeldes II der Antragstellerin für die Zeit vom 01.07.2011 bis 30.09.2011 fest und hob die Leistungsbewilligung sowohl bzgl. der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II als auch der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II für den genannten Zeitraum auf. Die Antragstellerin habe – vor dem Hintergrund einer bereits festgestellten Pflichtverletzung – die in der Eingliederungsvereinbarung vom 06.05.2011 festgelegte Teilnahme an einer Maßnahme zur Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterlassen, ohne für dieses Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Unter der Überschrift "ergänzende Sachleistung" heißt es in diesem Bescheid "Auf Antrag können Ihnen in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen – insbesondere in Form vom Lebensmittelgutscheinen in Höhe von 5,10 EUR täglich ab Tag der Antragstellung – gewährt werden".
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 08.07.2011 Widerspruch eingelegt und mit am 27.07.2011 bei dem Sozialgericht gestelltem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehrt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22.06.2011 anzuordnen und eine etwa bereits erfolgte Vollziehung rückgängig zu machen.
Im Hinblick auf eine bei einer Vorsprache am 21.06.2011 vereinbarte Maßnahme vom 04.07.2011 bis 15.07.2011, an der die Antragstellerin teilgenommen hat, hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 11.08.2011 seine Bereitschaft erklärt, ab dem 04.07.2011 Leistungen nach § 22 SGB II wieder zu erbringen.
Mit Beschluss vom 05.09.2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin hat gegen den am 07.09.2011 zugestellten Beschluss am selben Tag Beschwerde eingelegt, für deren Durchführung sie Prozesskostenhilfe beantragt. Auf die Begründung sowohl des Beschlusses als auch der Beschwerde der Antragstellerin wird Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22.06.2011 ist auf der Rechtsgrundlage von § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – anzuordnen, weil deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 22.06.2011 bestehen und das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin daher das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiegt.
Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes alleine möglichen Prüfungsdichte kann angenommen werden, dass der Bescheid vom 22.06.2011 schon deswegen rechtswidrig ist und auf den Widerspruch der Antragstellerin hin aufzuheben sein wird, weil der Antragsgegner § 31a Abs. 3 S. 2 SGB II in der am 01.04.2011 in Kraft getretenen Fassung der Änderung durch Gesetz vom 24.03.2011 (BGBl I 453) nicht beachtet hat.
§ 31a Abs. 3 S. 2 SGB II lautet: "Der Träger hat Leistungen nach Satz 1 (ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen in angemessenem Umfang) zu erbringen, wenn Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben." Für die vom Sozialgericht vorgenommene Interpretation in dem Sinne, es sei weiterhin eine Ermessensentscheidung zu treffen, sieht der Senat angesichts der Formulierung im Imperativ und des erkennbaren Gesetzeszweckes keinen Raum. Die Regelung soll verhindern, dass minderjährige Kinder dadurch übermäßig belastet werden, dass das Alg II ihrer Eltern oder Elternteile wegen Pflichtverletzungen abgesenkt wurde (BT-Dr. 17/4095, 34). Mit der Rechtsänderung ist die bisherige Regelpflicht, bei Mitbetroffenheit von Kindern ergänzende Leistungen zu erbringen, als eigenständige, bindende Verpflichtung ausgestaltet worden, die mit einem entsprechenden Anspruch dem Grunde nach korrespondiert (Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 31a Rn. 50 m.w.N.). Diesem Gesetzeszweck entsprechen auch die Handlungsempfehlungen der BA zu § 31a Abs. 3 S. 2 SGB II. Dort heißt es (a.a.O., 31.53) "für den Fall, dass der erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt lebt, hat das Jobcenter in den Grenzen des § 31a Abs. 3 S. 2 ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen, um zu verhindern, dass minderjährige Kinder dadurch übermäßig belastet werden, dass das Arbeitslosengeld II ihrer Eltern oder Elternteile wegen Pflichtverletzungen abgesenkt wurde. In diesen Fällen sind ergänzende Sachleistungen auch dann zu gewähren, wenn die zu sanktionierende Person diese, auch nach Hinweisen in der Anhörung, nicht ausdrücklich begehrt."
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Prozesskostenhilfe steht der Antragstellerin nach §§ 73a SGG, 114 f. der Zivilprozessordnung (ZPO) ab Vorlage ihrer Erklärung nach § 117 Abs. 1 ZPO zu.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Erstellt am: 26.10.2011
Zuletzt verändert am: 26.10.2011