L 7 B 158/08 AS
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 22.04.2008 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin in der Zeit vom 24.01.2008 bis 30.06.2008 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe der Regelleistungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen zu 1/3. Der Antragstellerin wird zur Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt P aus I beigeordnet.
Gründe:
Die Beschwerden der Antragstellerin sind zulässig. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz durch das Sozialgericht (SG) richtet, ist sie teilweise begründet. Soweit sich die Beschwerde gegen Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe für das Ausgangsverfahren richtet, ist sie begründet.
Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegen ab dem 24.01.2008 vor. Nach dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -).
Der Antragstellerin stehen bei der in Verfahren dieser Art gebotenen summarischen Prüfung Leistungen nach dem SGB II in Höhe der Regelleistung zu. Sie hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.
Zur Überzeugung des Senats liegen nach der gebotenen summarischen Prüfung die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vor. Insbesondere ist auch von einer Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin auszugehen. Gemäß § 9 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Antragstellerin selbst verfügt über keine Einkünfte, mit denen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Von einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn P kann unter Berücksichtigung der bisherigen Ermittlungen nicht ausgegangen werden.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr, wie vorliegend, zusammenleben (vgl. § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II).
Auch wenn noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Antragstellerin und Herrn P lediglich eine Wohngemeinschaft oder aber eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3a SGB II bilden, sprechen die eidesstattliche Versicherung vom 23.01.2008 sowie das Ergebnis des vom Ermittlungsdienst der Antragsgegnerin durchgeführten Hausbesuches eher gegen als für eine Bedarfsgemeinschaft. Dabei verkennt der Senat nicht, dass auch weiterhin Zweifel angebracht sind. Die Klärung dieser Zweifel muss jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Unter Berücksichtigung des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGB II und der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei nicht möglicher abschließender Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Folgenabwägung ist vorliegend der Erlass einer einstweiligen Anordnung gerechtfertigt, zumal die Antragsgegnerin der Antragstellerin seit Oktober 2007 keine Leistungen mehr gewährt. Zur Abklärung der noch bestehenden Zweifel wird u. a. von der Antragsgegnerin und dem SG zu erwägen sein, ob der jetzige Vermieter und der damalige Vermieter in der I1-straße 00 in I angeschrieben bzw. als Zeugen vernommen werden. Vorab müsste die Antragstellerin noch den vollständigen Namen und die Adresse des ehemaligen Vermieters (I1-straße 00 in I) und des jetzigen Vermieters dem SG und der Antragsgegnerin kurzfristig mitteilen.
Die Eilbedürftigkeit ergibt sich aus der von der Antragstellerin glaubhaft gemachten Mittellosigkeit und dem fehlenden Krankenversicherungsschutz.
Soweit die Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Kosten für Unterkunft und Heizung begehrt, fehlt es hingegen an einer Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit). Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass ihr ein Kündigungsschreiben oder gar eine Räumungsklage zugegangen ist. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.
Bei der Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht abzustellen. Durch eine einstweilige Anordnung soll in Verfahren dieser Art eine gegenwärtige Notlage behoben werden, wobei die Zeit des Eingangs des Antrages bei Gericht bis zu seiner (Beschwerde-)Entscheidung nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.01.2008, L 8 SO 88/07 ER). Die Dauer der Leistungen hat der Senat unter Berücksichtigung des Antrags der Antragstellerin bis zum Ende des Monats der Entscheidung begrenzt.
Die Beschwerde ist hinsichtlich der begehrten Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ausgangsverfahren erfolgreich, denn eine hinreichende Erfolgsaussicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren liegt, wie oben dargelegt, vor.
Soweit sich die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe für das Ausgangsverfahren richtet, werden Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO); im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 193 SGG. Bei seiner Entscheidung hat der Senat berücksichtigt, dass der Antragstellerin erst seit Eingang des Antrages beim SG und auch nur die Regelleistungen zuzusprechen waren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 18.06.2008
Zuletzt verändert am: 18.06.2008