Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.11.2005 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, der Antragstellerin vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II – für den Zeitraum von November 2005 bis einschließlich März 2006 in Höhe von 388,60 EUR monatlich zu erbringen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 08.12.2005), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Antragstellerin nach Maßgabe des im Tenor klargestellten Umfanges zu Recht durch Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – verpflichtet, da sowohl der hierfür erforderliche Anordnungsgrund im Sinne einer Eilbedürftigkeit der Angelegenheit als auch der erforderliche Anordnungsanspruch im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches auf Leistungen nach §§ 20, 22 SGB II nach dem sich aus § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO – ergebenden Maßstab glaubhaft gemacht sind.
Die Eilbedürftigkeit ergibt sich aus der Mittellosigkeit der Antragstellerin, die nur über Kindergeld in Höhe von 154,- EUR monatlich und sonst keine weiteren Einkünfte verfügt.
Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderliche Anordnungsanspruch im Sinne eines materiellrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach § 20, 22 SGB II ohne Berücksichtigung der Einkünfte des Herrn G ergibt sich (derzeit) aus dem Umstand, dass die Antragstellerin mit dem Genannten keine zur Anrechnung seiner Einkünfte führende Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB III bildet.
Denn Herr G gehört nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin als die Person, die im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II mit ihr in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt.
Unter einer eheähnlichen Gemeinschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87 – BVerfGE 78, 234 ff.) eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn G ist derzeit bereits deshalb nicht anzunehmen, weil keine Feststellung möglich ist, dass es sich um eine Lebensgemeinschaft handelt, die auf Dauer angelegt ist.
Bei der Feststellung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft kommt der Dauer der Beziehung eine wesentliche, wenn auch nicht ausschließliche Bedeutung zu (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.06.1999 – 5 B 119/98 -; Tegethoff, ZFSH/SGB 2001, Seite 643, 645). Das Zeitkriterium ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil sich das Moment der "Anlage einer Beziehung auf Dauer" gegen den Willen der Beteiligten meist nur für die Vergangenheit feststellen lässt, wenn also die Beziehung bereits einige Zeit besteht (Winkler in: Info also 2005, Seiten 251ff. 252 m.w.N.)
Das BSG hat insoweit – diesen Gedanken konkretisierend – eine dreijährige Dauer der Beziehung gefordert, um die genügende Ernsthaftigkeit und Kontinuität zu bezeugen (Urteil vom 29.04.1998 – B 7 AL 56/97 R – SozR 3-4100 § 119 AFG Nr. 15). Allerdings hat das BSG später klargestellt, dass diese Grenze nicht als absolute zeitliche Mindestgrenze zu verstehen sei (BSG, Urteile vom 17.10.2002 – B 7 AL 96/00 R – SozR 4100 § 119 AFG Nr. 26 sowie B 7 AL 72/00 R – SozR 4300 § 144 SGB III Nr. 10 -).
Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung mit Beschluss vom 17.02.2006 ( – L 19 B 85/05 AS ER -) angeschlossen und erst die Dauer des Zusammenlebens von regelmäßig drei Jahren als Hinweistatsache für das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft im Sinne der eheähnlichen Gemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II angesehen, soweit nicht gewichtige andere Hinweistatsachen eine andere Gesamtwürdigung bedingen. Als gewichtige andere Hinweistatsachen kommen langfristige gemeinsame Vermögensdispositionen der Partner oder die Betreuung gemeinsamer Kinder in einem gemeinsamen Haushalt in Betracht, was hier aber ausscheidet.
Die Antragsgegnerin hat keine das Zusammenleben der Antragstellerin mit Herrn G betreffende Umstände von solchem Gewicht angeführt, dass die Ersetzung des vor-liegend nicht erfüllten Zeitkriteriums möglich erschiene. Die Antragstellerin lebte im Antragszeitraum seit dem 01. Januar 2004 und daher deutlich weniger als 3 Jahren zusammen. Gemeinsame Vermögensdispositionen größeren Umfangs sind ebenso wenig ersichtlich, wie die Befugnis der Antragstellerin und des Herrn G, wechselseitig über Vermögensbestandteile zu verfügen.
Der im Schreiben der Antragsgegnerin vom 08.03.2006 enthaltene Hinweis auf die Intention des Zusammenzuges seitens der Antragstellerin hilft nicht weiter, da diese Intention mit dem ihr von der Antragsgegnerin offensichtlich beigemessenen Sinn überhaupt nicht bekannt ist. Alle Äußerungen der Antragstellerin, des Herrn G und der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin sprechen zunächst gegen eine auch nur anfänglich bestehende Absicht der Antragstellerin, eine eheähnliche Lebensgemeinschaft im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung einzugehen.
Die faktische Erbringung von Unterstützungen in dem Zeitraum, in dem die Antragsgegnerin zunächst keine Leistungen an die Antragstellerin erbracht hat, kann zumindest derzeit nicht als Argument für das Bestehen einer Einstandsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn G verwendet werden. Denn hinsichtlich der unterbliebenen Mietzahlung durch die Antragstellerin hat Herr G einen Rückzahlungsanspruch geltend gemacht. Ob und ggf. in welchem Umfang Herr G der Antragstellerin auch Unterstützungsleistungen zwecks Sicherung ihres Unterhaltes erbracht hat, ist – insbesondere auch der Antragsgegnerin – ebenso unbekannt wie die sich anschließende Frage, ob diese mögliche Unterstützungsleistung auf einer Darlehensvereinbarung beruht hat, falls sie stattgefunden hat.
Wegen Nichterfüllung des Zeitkriteriums für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II besteht keine Notwendigkeit, auf die vom Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung angesprochenen weiteren Gesichtspunkte einzugehen.
Der Senat hat den Zeitraum, für den die Antragsgegnerin zur einstweiligen Erbringung von Leistungen verpflichtet wird, entsprechend dem Grundgedanken des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, einer gegenwärtigen Notlage abzuhelfen, auf den Zeitraum von Antragstellung beim Sozialgericht bis zur Entscheidung des Senats begrenzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.
Diese Entscheidung ist endgültig, § 177 SGG.
Erstellt am: 21.03.2006
Zuletzt verändert am: 21.03.2006