Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.03.2006 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über Ansprüche des Antragstellers zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) – hier insbesondere um Leistungen der angemessenen Kosten für die Unterkunft, Mehrbedarf bei Behinderung und die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen für die Zeit ab 01.01.2005.
Der am 00.00.1954 geborene Antragsteller ist seit mehreren Jahren arbeitslos und erhält seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Er ist alleinstehend und schwerbehindert (Merkzeichen "G" mit einem Grad der Behinderung von 60 %). Nach einer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bescheinigung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ist er von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit.
Der Antragsteller bezog aufgrund des Bescheides vom 16.03.2005 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 748,- Euro. Diese Leistungen teilten sich folgendermaßen auf: 345,- Euro Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, 325,- Euro Kosten für Unterkunft und Heizung sowie 78,- Euro Zuschuss zu den Beträgen zur Rentenversicherung. Ab Juli 2005 erhielt der Antragsteller zunächst keine Leistungen mehr, sie wurden ihm mit Schreiben vom 14.09.2005 wegen fehlender Mitwirkung entzogen. Der Antragsteller legte Widersprüche ein mit der Begründung, dass ihm aufgrund seiner Behinderung ein Mehrbedarf zur Regelleistung zustehe, und zwar 120,75 Euro. Zudem beanspruchte er die Übernahme der tatsächlichen Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 797,62 Euro. Des Weiteren verlangte er, dass die Rentenversicherungsbeiträge unmittelbar an das Versorgungswerk der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen abgeführt würden.
Der Antragsteller wohnt in einer 93,36 qm großen Wohnung. Vermieter sind, wie der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren inzwischen angegeben hat, Verwandte, und zwar Frau F O und Herr I O. Bei seiner Antragstellung hatte der Antragsteller angegeben, dass die Kaltmiete 613,55 Euro betrug. Bereits im März 2005 war der Antragsteller in einem persönlichen Gespräch darüber informiert worden, dass die von ihm innegehaltene Wohnung unangemessen groß sei. Mit Schreiben vom 08.08.2005 wurde der Antragsteller von der damalig für ihn zuständigen Agentur für Arbeit in E ebenfalls darauf hingewiesen, dass für eine alleinstehende Person 45 bis 50 qm als Wohnungsgröße angemessen seien und dass bei einer Gehbehinderung unter Umständen die Wohnungsgröße max. 60 qm betragen könne.
Auf die Aufforderung der Antragsgegnerin, eine Mietbescheinigung vorzulegen, weigerte sich der Antragsteller, weil er der Meinung war, es würde gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, wenn er den Namen des Vermieters nennen müsse. Ferner legte der Antragsteller einen Darlehensvertrag vor, in dem der Name des Darlehensgebers geschwärzt war. Zweck des Darlehensvertrags sei es, die Bestreitung der Lebenshaltungskosten zu sichern, so lange die Agentur für Arbeit mit den Zahlungen nicht nachkomme. Aus dem Darlehensvertrag wurden dem Antragsteller fortlaufend Gelder gewährt. Die Darlehenssumme betrug im November 8.700,- Euro. Im Dezember zahlte der Antragsteller 4.000,- Euro aus nachträglich bewilligten Leistungen an den Kreditgeber zurück. Er hatte nämlich, weil die Antragsgegnerin ihren Einstellungsbescheid wegen der mangelnden Mitwirkung aufgehoben hatte, für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.12.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 748,- Euro rückwirkend erhalten. Im Januar 2006 erhielt er darlehensweise weitere 700,- Euro. Gegen den Bewilligungsbescheid vom 12.12.2005 legte der Antragsteller Widerspruch ein. Mit weiterem Schreiben vom 12.12.2005 wurde der Antragsteller von der Antragsgegnerin erneut aufgefordert, bis zum 27.12.2005 eine Mietbescheinigung, Kreditnachweise mit Benennung des Kreditgebers und die lückenlosen Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen. Der Antragsteller wurde auf die möglichen Folgen einer mangelhaften Mitwirkung nach §§ 60, 66 SGB I hingewiesen. Hierzu erklärte der Antragsteller, dass er über keinen aussagekräftigen Mietvertrag verfüge. Er könne keinen Nachweis über die gezahlte Miete vorlegen, da er ein Darlehen des Vermieters erhalten habe und er die Miete gezahlt habe. Zur Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge sei er aus Datenschutzgründen nicht bereit. Für den Bewilligungszeitraum 01.01.2006 bis 30.06.2006 wurden mit Bescheid vom 30.12.2005 Leistungen in Höhe von 423,- Euro monatlich bewilligt (Regelleistung 345,- Euro, 78,- Euro zu den Beiträgen zur Rentenversicherung). Die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung wurden ab diesem Zeitpunkt mit der Begründung nicht mehr bewilligt, dass diesbezüglich eine Entscheidung der Antragsgegnerin abzuwarten sei. Auch hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.
Bereits mit Schreiben vom 13.11.2005, Eingang am 14.11.2005, hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er ist der Auffassung, dass ihm die vollen Mietkosten zuständen, dass Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 78,- Euro an das Versorgungswerk der Architektenkammer abzuführen seien und dass er Anspruch auf einen Mehrbedarf habe. Ferner macht er datenschutzrechtliche Gründe gegen die Vorgehensweise der Antragsgegnerin geltend.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
1.
ihm für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2005 monatlich 515,37 Euro nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit dem jeweiligen Monatsanfang zu zahlen,
2.
ihm für die Zeit seit 01.01.2006 840,37 Euro nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit Monatsanfang bis Zahlungseingang zu zahlen,
3.
ihm für die Zeit vom 01.01.2006 bis 28.02.2006 Zinsen in Höhe von 5 % über den Basiszinssatz aus 423,- Euro zu zahlen,
4.
die Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 78,- Euro an das Versorgungswerk der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen abzuführen,
5.
sicherzustellen, dass die Bearbeiter der Antragsgegnerin nicht im Personalunion über die Eingliederung an Arbeit und Sicherung des Lebensunterhalts entscheiden dürften.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist darauf, dass der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei und dass rückwirkende Leistungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich seien.
Das Sozialgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 21.03.2006 den Antrag abgelehnt und im Wesentlichen ausgeführt, dass hinsichtlich der Geldleistung für die Vergangenheit bis zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht keine gegenwärtige Notlage vorliege. Aber auch für die Zeit ab Antragstellung seien wesentliche Nachteile, die ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht rechtfertigen würden, nicht gegeben. Der Antragsteller erhalte aufgrund des Bescheides vom 12.12.2005 Leistungen nach dem SGB. Im Übrigen sei nicht auszuschließen, dass er seinen Lebensunterhalt durch die Gewährung des Darlehens vorläufig sicherstellen könne. Ferner sei unklar, ob der Antragsteller tatsächlich die von ihm geltend gemachten Mietzahlungen leiste. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Mehrbedarf wegen Behinderung nach § 21 Abs. 4 SGB II liege ebenfalls kein Anordnungsanspruch vor. Er habe diesen Anspruch im Antragsformular nicht geltend gemacht und zudem beweiskräftige Unterlagen nicht vorgelegt. Des Weiteren erhalte der Antragsteller monatlich 78,- Euro Zuschuss zu den Rentenversicherungsbeiträgen, da er von der Versicherungspflicht befreit sei. Insofern bestehe kein Anordnungsanspruch, diese Beträge unmittelbar an das Versorgungswerk der Architektenkammer abzuführen. Hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Fragen sei dem Antragsteller zuzumuten, das Hauptverfahren abzuwarten. Die Voraussetzungen für eine Verzinsung der von ihm begehrten Leistungen seien nicht gegeben.
Gegen den am 24.03.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 27.03.2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 04.03.2006 nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller vertieft im Beschwerdeverfahren seine datenschutzrechtlichen Bedenken und weist darauf hin, dass er seinen Mitwirkungspflichten in vollem Umfang nachgekommen sei. Die Sachlage sei gegeben, da der ihm gewährte Kredit aufgrund der ihm zustehenden nicht gewährten Leistungen nicht zurückgezahlt werden könne und auch weiterhin Zinsen fällig würden. Die Zahlungsbereitschaft des Kreditgebers beruhe auf Freiwilligkeit, und er habe darauf hingewiesen, dass seine Kreditgeber eine schnelle Rückzahlung verlangten. Ferner weist er darauf hin, dass ihm ein Mehrbedarf wegen Behinderung zustehe. Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde des Antragstellers entgegen getreten und verteidigt den angefochtenen Beschluss. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht Düsseldorf hat zu Recht die vorläufige Bewilligung von Leistungen an den Antragsteller versagt. Die Voraussetzungen der begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Der Erlass einer solchen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein Anordnungsanspruch (das Bestehen das materiellen Anspruchs) sowie ein Anordnungsgrund (Umstände, die die besondere Eilbedürftigkeit der Entscheidung begründen) glaubhaft gemacht sind. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass ein Anordnungsgrund für die geltend gemachten Leistungen nicht besteht, die den Zeitraum vor dem 14.11.2005, dem Tage der Antragstellung bei Gericht, betreffen. Es entspricht einer gefestigten Rechtsprechung des Senats, für derartige Fälle einen Anordnungsgrund zu verneinen, es sei denn, es ginge insbesondere um Mietschulden, die zum jetzigen Zeitpunkt die Unterkunft des Antragstellers gefährden könnten. Hierfür vermag der Senat keinerlei Anhaltspunkte zu sehen. Für die Zeit von Januar bis Juni 2005 hat der Voreigentümer der Wohnung "I1, Am S" keinerlei Schritte unternommen, um evtl. Mietrückstände des Antragstellers zum Anlass einer Kündigung zu nehmen. Auch die jetzigen Vermieter haben dem Antragsteller bestätigt, dass er in der Zeit von Juli bis November 2005 Mietzahlungen erbracht hat. Aber auch für die Zeit ab Dezember 2005 haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass die Unterkunft des Antragstellers wegen aufgelaufener Mietschulden gefährdet sein könnte.
Aus der erwähnten Mietbescheinigung ergibt sich, dass der Antragsteller die Miete bis zum Februar 2006 bezahlt hat. Es fehlt an Nachweisen darüber, dass die Vermieter – der Antragsteller räumt ein, dass es sich um Verwandte handelt – mit einer Kündigung gedroht, geschweige denn eine Kündigung ausgesprochen haben. Der Antragsteller hat noch einmal mit Schriftsatz vom 27.04.2006 bestätigt, dass seine Mietverpflichtungen zur Zeit gestundet würden. Auch spricht nach Auffassung des Senats mehr dafür, dass die Vermieter, F und I O, aufgrund der offenbar engen verwandtschaftlichen Beziehung zu dem Antragsteller nicht die Absicht haben, alsbald gegen den Antragsteller mit einer Räumungsklage vorzugehen. Ungeachtet dessen ruft der Vortrag des Antragstellers zu den Mietzahlungen Zweifel hervor, wie diese Mietzahlungen bis Januar 2006 erfolgt sind. Nach der Mietbescheinigung drängt sich der Eindruck auf, dass der Antragsteller Mietzahlungen vorgenommen hat. Ob diese Mietzahlungen in bar, per Überweisung oder aber durch Verrechnung mit dem zeitgleich gewährten Kredit einbehalten worden sind, bedarf einer weiteren Klärung im Hauptverfahren. Insoweit weist der Senat, ohne dass es hier einer Entscheidung bedarf, darauf hin, dass an dem von der Antragsgegnerin eingeschlagenen Weg, den Antragsteller nach §§ 60, 66 SGB I zur Mitwirkung hinsichtlich seiner Mietzahlungen aufzufordern, Bedenken bestehen könnten, weil der Antragsteller inzwischen Name und Adresse seiner Vermieter offenbart hat und sich die Antragsgegnerin damit an die Vermieter zur weiteren Aufklärung der von ihr benötigten Erkenntnisse zu Mietvertrag und zu den Mietzahlungen wenden kann. Soweit der Antragsteller geltend macht, die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass die Kredite nicht auf Dauer angelegt seien, vermag der Senat daraus einen Anordnungsgrund nicht abzuleiten. Dass die Kreditgeber – es handelt sich auch um die Vermieter des Antragstellers – ernsthaft auf die Rückzahlung des Kredits drängen, ist bisher auch nach dem insoweit unpräzisen Sachvortrag des Antragstellers nicht erkennbar geworden. Auch spricht die verwandtschaftliche Nähe zwischen dem Antragsteller und den Kreditgebern, Herrn und Frau O, eher gegen eine derartige Annahme. Dass diese wirtschaftlich nunmehr auf die Rückzahlung angewiesen sein könnten, ist eher unwahrscheinlich, da sie die bisher kreditierten Mietzahlungen gestundet haben. Für den vom Antragsteller geltend gemachten Mehrbedarf liegen die Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 SGB II nicht vor. Die Gewährung eines derartigen Mehrbedarfs ist nicht ausschließlich von einer Behinderung abhängig, sondern davon, dass dem Hilfebedürftigen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben erbracht werden. Das ist hier nicht der Fall. Die weiteren vom Antragsteller geltend gemachten Ansprüche (Abführung der Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 78,- Euro, die dem Antragsteller gewährt werden, der geltend gemachte Zinsanspruch und die datenschutzrechtlichen Abwehransprüche) bedürfen keiner Entscheidung im Eilverfahren, weil keine Nachteile erkennbar geworden sind, die ein Zuwarten auf das Hauptverfahren nicht mehr rechtfertigen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 22.05.2006
Zuletzt verändert am: 22.05.2006