Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) und die Anschlussbeschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 13.12.2013 geändert: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, den Antragstellern ab 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) zur Gewährung von Hilfe bei Krankheit wird bis 31.01.2014 befristet. Im Übrigen werden Beschwerde und Anschlussbeschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren zu ½. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin U, L, ab 05.03.2014 bewilligt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. Sie erhielten im Rahmen einer vorläufigen Regelung von der Beigeladenen zu 1) zurückliegend Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts und zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach dem SGB XII. Die Absicherung im Krankheitsfall erfolgte zunächst über eine bulgarische Versicherung. Abgerechnet wurde über die Beigeladene zu 2). Zumindest ab Herbst letzten Jahres konnten die Antragsteller einen Krankenversicherungsschutz über die bulgarische Versicherung nicht mehr in Anspruch nehmen, da sich ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik verfestigt hatte. Daher war eine ausreichende Absicherung insbesondere der Antragstellerin zu 3), die wegen einer schweren Erkrankung dauerhafter Behandlung bedarf, nicht mehr gegeben.
Dies nahmen die Antragsteller im Oktober 2013 zum Anlass, bei dem Sozialgericht erneut einstweiligen Rechtsschutz zu begehren, mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Den Antrag hat das Sozialgericht Köln mit Beschluss vom 13.12.2013 im Wesentlichen abgelehnt. Aktuell gebe es keinen Anlass, eine einstweilige Regelung bezüglich des Begehrens der Antragsteller zu treffen. Sie seien durch die Leistungsgewährung der Beigeladenen zu 1) ausreichend abgesichert. Über die tatsächliche Leistungsgewährung hinaus sei die Beigeladene zu 1) lediglich zu verpflichten, der Antragstellerin zu 3) vorläufig Hilfe bei Krankheit zu gewähren.
Gegen den Beschluss hat die Beigeladene zu 1) am 10.01.2014 Beschwerde eingereicht und schließlich ihre Leistungsbewilligung zum 31.01.2014 vollumfänglich eingestellt.
Die Antragsteller haben am 05.03.2014 Anschlussbeschwerde eingelegt. Sie begehren den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II einschließlich Leistungen zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Die vorläufige Leistungsgewährung sei notwendig, da den Antragstellern seit Einstellung der Leistungen durch die Beigeladene zu 1) abgesehen von Kindergeld keine Mittel mehr zuflössen. Sie könnten auch die Miete der von ihnen bewohnten Wohnung nicht mehr zahlen. Aktuell bestehe ein Mietrückstand i.H.v. 678,20 EUR. Sie seien bereits angemahnt worden.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen zu 1) und die Anschlussbeschwerde der Antragsteller sind in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG liegen vor, soweit die Antragsteller begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988, 2 BvR 174/88). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) von dem jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden, §§ 86b SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B). Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des Grundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtsuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Vorverlagerung der Entscheidung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen soll. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Soweit es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen bzw. wenn dies nicht möglich ist, auf der Basis einer Folgenabwägung auf Grundlage der bei summarischer Prüfung bekannten Sachlage entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, 830ff mit weiteren Nachweisen, Keller in Mayer Ladewig u.a., SGG, 10. Auflage, § 86b Rn. 29a). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den einschlägigen Antrag (vgl z.B. Keller in Meyer-Ladewig u.a., 10.Aufl., § 86b Rn 42).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind im tenorierten Umfang glaubhaft gemacht. Anspruchsgrundlage ist § 7 SGB II iVm § 22 SGB II.
Insbesondere hat der Senat aktuell keine Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller. Solche sind für die Beigeladene zu 1) während der Bearbeitung der Angelegenheit in den zurückliegenden Jahren nicht aufgekommen. Sie werden von dem Antragsgegner auch nicht behauptet.
Darüber hinaus kann der Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend prüfen, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II rechtmäßig und anzuwenden ist, insbesondere mit europäischem Recht im Einklang steht. Angesichts vielfältiger Rechtsprechung der Instanzgerichte mit einem kaum noch überschaubaren Meinungsspektrum, mehrerer noch anhängiger Revisionsverfahren zur genannten Rechtsfrage (B 4 AS 64/13 R; B 14 AS 16/13 R; B 14 AS 51/13 R) und insbesondere zweier Vorlagen nach Art. 267 Abs. 1, 3 AEUV (Vorlagebeschluss SG Leipzig vom 3.6.2013, S 17 AS 2198/12 = EuGH C-333/13; Vorlagebeschluss des BSG vom 12.12.2013, B 4 AS 9/13 R) darf das Ergebnis als völlig offen gelten (vergleiche insoweit auch Senat, z.B. Beschlüsse vom 13.03.2013, L 12 AS 1023/13 B ER und vom 20.12.2013, L 12 AS 2265/13 B ER).
Bei der daher anzustellenden Folgenabwägung überwiegt das Interesse der Antragsteller auf Gewährung des Regelbedarfs nach dem SGB II abzüglich des Einkommens aus Kindergeld. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts sind die Antragsteller auf die entsprechende vorläufige Leistungsbewilligung angewiesen, um in Menschenwürde leben zu können. Der Senat berücksichtigt in diesem Zusammenhang auch, dass die Antragstellerin zu 3) mit einem schweren Herzfehler geboren wurde und sich bereits mehreren Operationen unterziehen musste. Die finanziellen Belange des Antragsgegners müssen insofern zurückstehen.
Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der glaubhaft gemachten Mittellosigkeit der Antragsteller für die Zeit ab 01.02.2014, nachdem die Beigeladene zu 1) zum 31.01.2014 ihre Leistungen eingestellt hat.
Ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung ist jedoch nicht gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes insofern erst dann erfolgreich sein, wenn unmittelbar Obdachlosigkeit droht (vgl. z.B. Senat Beschluss vom dran 23.10.2013, L 12 AS 1449/13 B ER, juris). Hierzu wird regelmäßig zumindest gefordert, dass eine entsprechende Räumungsklage anhängig ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall, das Mietverhältnis ist nicht einmal gekündigt, eine Kündigung auch nicht angedroht.
Für die Zeit bis 31.01.2014 verbleibt es bei der Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) zur Gewährung von Hilfe bei Krankheit nach dem SGB XII. Insbesondere die Versorgung der Antragstellerin zu 3), die schwer erkrankt ist, gilt es sicherzustellen. Insofern wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Ab 01.02.2014 sind die Antragsteller während des Leistungsbezugs nach dem SGB II nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V pflichtversichert; einer weiteren Absicherung bedarf es nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG. Dabei verbleibt es für das Verfahren in der ersten Instanz bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts. Die Entscheidung ist auf der zum Zeitpunkt der Entscheidung am 13.12.2013 gegebenen Tatsachengrundlage nicht zu beanstanden. Im Übrigen wird berücksichtigt, dass die Antragsteller mit ihrem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen auch vorläufig Leistungen zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren, nicht durchdringen.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren erfolgt nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 114ff ZPO.
Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss findet nicht statt (§177 SGG).
Erstellt am: 20.03.2014
Zuletzt verändert am: 20.03.2014