Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 20.02.2015 geändert. Die Antragsgegnerin wird einstweilig verpflichtet, den Antragstellern Regelleistungen nach dem SGB II auf der Berechnungsgrundlage monatlicher Ansprüche der Antragsteller zu 1) und 2) von 360,00 EUR sowie der Antragstellerin zu 3) von 302,00 EUR abzüglich anrechenbarer Einkünfte für den Zeitraum vom 09.02.2015 bis 30.03.2015 zu gewähren. Die darüber hinausgehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt 2/3 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Der am 00.00.1971 geborene Antragsteller zu 1) und die am 00.00.1978 geborene Antragstellerin zu 2) sind Eltern der am 00.00.1999 geborenen Antragstellerin zu 3) und allesamt rumänische Staatsbürger. Nach ihren Angaben halten sie sich seit August 2014 in der Bundesrepublik Deutschland auf, mieteten am 15.12.2014 eine Wohnung im örtlichen Bereich der Antragsgegnerin an und meldeten sich dort an.
Am 16.12.2014 beantragten sie die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen. Der Antragsteller zu 1) habe den Beruf des Schlossers und Autolackierers gelernt und wolle schnellstmöglich in Deutschland Arbeit finden. Die Antragstellerin zu 2) habe eine nicht abgeschlossene schulische Ausbildung im Chemiebereich und in den letzten 10 Jahren als ungelernte Schneiderin gearbeitet. Die Antragstellerin zu 3) sei schulpflichtigen Alters. Sie sprächen kein Deutsch.
Mit Bescheid vom 28.01.2015 lehnte die Antragsgegnerin den Leistungsantrag mit der Begründung ab, die Antragsteller hielten sich alleine zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik auf und seien daher von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieser Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2015 (W 2015/0932) ist mittlerweile Gegenstand des Klageverfahrens S 32 AS 985/15.
Am 09.02.2015 haben die Antragsteller beim Sozialgericht die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II beantragt. Mit Beschluss vom 20.02.2015 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt mit der Begründung, die Antragsteller hielten sich alleine zur Arbeitsuche im Bundesgebiet auf und seien daher von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieser Leistungsausschluss sei zwar umstritten, letztlich jedoch durch das Urteil des EuGH vom 11.11.2014 – C 333/13 E auch in seiner Anwendbarkeit auf tatsächlich Arbeit Suchende bestätigt worden.
Gegen den am 24.02.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom selben Tag, mit der sie ihre Ansprüche auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen weiterverfolgt haben unter Hinweis auf europarechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des Leistungsausschlusses.
Auf Anforderung des Senats haben die Antragsteller Auflistungen von Firmen vorgelegt, bei denen sie sich beworben haben, eine Bescheinigung über den Schulbesuch der Antragstellerin zu 3) und eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zu 1), wonach sie am 23.08.2014 mit Bargeld im Umfang von ca. 800,00 EUR eingereist waren, von einer Bekannten in Voerde zunächst 800,00 EUR für den Lebensunterhalt und weitere 500,00 EUR dann darlehensweise für die Miete erhalten hätten. Von einem Schwager würden sie durch Zuwendung von Lebensmitteln unterstützt. Im Übrigen seien keine Mittel vorhanden. Der Antragsteller zu 1) gab weiter an, ab dem 23.03.2015 auf Minijob-Basis in einer Lackiererei beschäftigt zu sein. Die Antragstellerin zu 2) werde ab dem 01.04.2015 eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft aufnehmen. Sie seien dringend auf Leistungen angewiesen.
Nachdem die Antragsteller durch Vorlage von Anmeldungen zur Sozialversicherung und Belegen erzielter Einkünfte die tatsächliche Aufnahme von Tätigkeiten im angegeben Umfang nachgewiesen hatten, hat die Antragsgegnerin ihnen mit Bescheid vom 26.05.2015 ab dem 01.04.2015 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ergänzend zu den geringfügigen Einkünften der Antragsteller zu 1) und 2) sowie des für die Antragstellerin zu 3) bezogenen Kindergeldes bis zum 30.09.2015 bewilligt.
Auf Anfrage des Senats, ob das Verfahren daraufhin für erledigt erklärt werde, hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 12.06.2015 angegeben, die Antragsteller hätten in der Zwischenzeit laufende Rechnungen und insbesondere auch ihre Miete nicht zahlen können. Nach der bekannten Rechtsprechung des LSG NRW stünden Leistungen zumindest zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum von der Antragstellung am 09.02.2015 bis zum 30.03.2015 zu.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
Den Antragstellern steht für den Zeitraum von der Antragstellung im Eilverfahren beim Sozialgericht am 09.02.2015 bis zur Bewilligung von Grundsicherungsleistungen ergänzend zu geringfügigen Einkünften ab dem 01.04.2015 ein Anspruch auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Regelleistungen nach dem SGB II zu, der im Wege der Folgenabwägung zuzuerkennen ist (A). Ein Anspruch auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung auch von Leistungen für Unterkunft und Heizung i.S.v. § 22 SGB II besteht nicht (B). Entsprechend ist die Antragsgegnerin anteilig überwiegend zur Übernahme der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu verpflichten (C).
A. Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn dem Antragsteller der zu sichernde Hauptsacheanspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung des Widerspruchs bzw. der Klage in der Hauptsache nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.08.2014 – 1 BvR 1453/12 – SGb 2015, 175, m.w.N. und vom 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12 – BVerfGK 20, 196) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010 – 1 BvR 216/07 – BVerfGE 126, 1 (27 f.), m.w.N.; vgl. zur Prüfungsdichte von rechtlichen Fragen: BVerfG, Beschluss vom 27.05.1998 – 2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR 1999, 217). Dabei ist eine weitergehende tatsächliche und rechtliche Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs von Verfassungs wegen dann erforderlich, wenn dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten droht, die durch eine nachträgliche Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12, a.a.O.). Ist einem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen.
Nach diesen Maßgaben entscheidet der Senat auf Grund einer Folgenabwägung, weil nach dem derzeitigen Sachstand ein Obsiegen der Antragsteller in der Hauptsache offen ist.
Die Antragsteller haben das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II glaubhaft gemacht. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung BSG, Beschluss vom 07.04.2011 – B 9 VG 15/10 B -; BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
Die Antragsteller haben das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II. Die Antragsteller gelten auch als erwerbsfähig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II. Als Staatsangehörige eines EU-Mitgliedsstaates haben die Antragsteller genehmigungsfreien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.
Bei der im Rahmen des Eilrechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Antragsteller im Februar und März 2015 auch hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II gewesen sind. Sie haben nachvollziehbar dargetan, von welchen Mitteln sie ihren Lebensunterhalt seit Einreise in die Bundesrepublik bestritten haben. Hierbei hat es sich um knappe Mittel gehandelt. Dies in Verbindung mit den vorgelegten Kontoauszügen sowie der namentlich und ladungsgeeigneten Benennung einer Darlehensgeberin lässt die Notlage der Antragsteller glaubhaft erscheinen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsteller vor Aufnahme ihrer geringfügigen Tätigkeiten in Verbindung mit den Leistungen der Antragsgegnerin ab April 2015 über bedarfsdeckendes anderweitiges Einkommen oder Vermögen verfügt hätten.
Soweit die Auffassung vertreten wird, dass die in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II normierten Leistungsvoraussetzungen um die ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung des Bestehens eines (materiellen) Aufenthaltsrechts zu erweitern sei (so das LSG Hessen, Beschluss vom 11.12.2014 – L 7 AS 528/14 B ER), folgt der Senat dem nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 20.03.2015 – L 19 AS 116/15 B ER).
Ob die Antragsteller vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sind, kann der Senat nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht abschließend beurteilen.
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländer und Ausländerinnen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, vom Leistungsanspruch ausgenommen. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II fordert eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe des Aufenthaltsrechts am Maßstab des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) und ggf. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG; vgl. BSG, Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R m.w.N). Es muss positiv festgestellt werden, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik zusteht (BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – BSGE 113, 60, m.w.N.).
§ 2 Abs. 3 FreizügG/EU greift zu Gunsten der Antragstellers nicht ein. Gleichfalls sind die Tatbestände der §§ 3, 4, 4a FreizügG/EU nicht gegeben. Auch können die Antragsteller sich nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU i.V.m. den Vorschriften des AufenthG berufen, denn Anhaltspunkte für das Bestehen eines weitergehenden Aufenthaltsrechts nach dem AufenthG sind nicht ersichtlich.
Die Antragsteller haben jedoch ein materielles Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche, auf dessen konkrete Feststellung im Einzelfall es für die Prüfung des hieran anknüpfenden Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ankommt.
Der Senat folgt insoweit nicht der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, wonach die Formulierung in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II "deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt" nicht auf das Bestehen eines materiellen Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche abstellt sondern im Sinne des einzig denkbaren Grundes für ein Aufenthaltsrecht zu verstehen und dieses Aufenthaltsrechts vor Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu vermuten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20.03.2015 – L 19 AS 196/15 B ER; siehe zur identischen Vorschrift des § 23 Abs. 3 S. 1 2 Alt. SGB XII: BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R; a.A. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2014 – L 8 SO 202/14 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.12.2014 – L 20 AS 2697/14 B ER; LSG Bayern, Beschluss vom 14.04.2015 – L 7 AS 225/15 B ER; Greiser in jurisPK-SGB XII , Anhang zu § 23 SGB XII Rn. 15.5).
Das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche ist in § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ab dem 09.12.2014 (Gesetz vom 02.12.2014, BGBl I, 1922 – n.F.) konkretisiert worden. Danach haben Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, ein Aufenthaltsrecht bis zu sechs Monaten und darüber hinaus solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist besteht ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche damit nur dann, wenn ein Unionsbürger nachweisen kann, dass er ernsthaft und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei dies objektivierbar nach außen hin zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. EuGH, Urteile vom 23.03.2004 – C-138/02 – D, vom 20.02.1997 – C-344/95 und vom 26.02.1991 – C-292/89 – B; OVG Sachsen, Beschluss vom 07.08.2014 – 3 B 507/13 m.w.N.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.06.2014 – 4 LB 22/13; VGH Bayern, Beschluss vom 11.02.2014 – 10 C 13.2241). Zur Glaubhaftmachung eines solchen Aufenthaltsrechts genügt damit nicht allein, dass ein Unionsbürger erklärt, sich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik aufzuhalten; vielmehr sind ernsthafte Bewerbungsbemühungen über eine Antragstellung beim Grundsicherungsträger hinausgehend sowie eine begründete Erfolgsaussicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu belegen bzw. zu konkretisieren.
Dies ist hier geschehen. Beide erwachsenen Antragsteller haben auf Nachfrage des Senats konkret angegeben, bei welchen in Betracht kommenden Arbeitsstätten sie sich beworben haben. An der Ernsthaftigkeit dieser Bewerbungsbemühungen besteht schon im Hinblick auf die bald zustande gekommenen geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse kein Zweifel. Die Antragsteller zu 1) und 2) hielten sich daher im zu entscheidenden Zeitraum nicht nur – wegen fehlender Verlustfeststellungen nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügEU – formal rechtmäßig in der Bundesrepublik auf, sondern verfügten darüber hinaus über ein materielles Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche im Sinne des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.
Weiterhin offen jedoch ist, ob dieser Leistungsausschluss mit den unionsrechtlichen Vorschriften vereinbar ist Entgegen der dem angefochtenen Beschluss zu entnehmenden Rechtsauffassung sieht der Senat die Rechtmäßigkeit des Leistungsausschlusses (auch) für tatsächlich Arbeit suchende Unionsbürger nicht als durch das Urteil des EuGH vom 11.11.2014 – C 333/13 E geklärt an. Die Aussagen in diesem Urteil beschränken sich vielmehr auf den Personenkreis der tatsächlich nicht Arbeit Suchenden, dem auch die Klägerin im dort entschiedenen Fall angehörte. Die Unionsbürger mit materiellem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche betreffende Problematik des Leistungsausschlusses besteht fort (vgl. z.B. die Sicht des Generalanwalts X in seinem Schlussantrag C 67/14 B vom 26.03.2015, zugänglich unter http://curia.europa.eu/juris/document; Schreiber, info also 2015, S. 3 f., m.w.N.).
Im Hinblick auf die in der Rechtsprechung vielfältig vertretenen und kontrovers diskutierten Auffassungen zur Anwendung und Auslegung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sowie dessen Vereinbarkeit mit unionsrechtlichen Vorschriften sowie der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 GG (vgl. hierzu BVerfG, Urteile vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 und vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – BVerfGE 132, 134; Kirchhof, Die Entwicklung des Sozialverfassungsrechts, NZS 2015, 1, 4) sieht der Senat den Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen an. Es besteht die gute Möglichkeit, dass die Antragsteller im Hauptsachverfahren obsiegen.
Im Hinblick auf die Bedeutung der durch den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II betroffenen grundrechtlichen Belange der Antragsteller – Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums – hält der Senat es deshalb für gerechtfertigt, im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller und das Interesse der Antragsgegnerin an einer Verhinderung rechtswidriger Mittelvergabe berücksichtigt.
Bei dieser Abwägung tritt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, d.h. bei ungeklärter Rechtslage keine finanziellen Aufwendungen an die Antragsteller zu erbringen, hinter das Interesse der Antragsteller zurück. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass es sich um eine faktische Vorwegnahme der Hauptsache handelt. Jedoch dienen existenzsichernde Leistungen – wie die des SGB II – nach ihrer Konzeption dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beseitigen. Die spätere, nachträgliche Erbringung von existenzsichernden Leistungen verfehlt insoweit ihren Zweck. In die Abwägung hat der Senat weiter die Überlegung mit eingestellt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im nationalen einstweiligen Rechtsschutz sicherzustellen ist, dass bis zur Klärung einer europarechtlichen Frage im Vorabentscheidungsverfahren die betroffenen europarechtlichen Normen vorrangig gelten, wenn "unter Umständen" innerstaatliche Vorschriften entgegenstehen (EuGH, Urteil vom 19.06.1990 – C-213/89), also der Vollzug eines nationalen Gesetzes ausgesetzt wird (vgl. zu den Anforderungen an eine Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betreffend die Nichtanwendung eines Gesetzes: BVerfG, Beschluss vom 17.02.2009 – 1 BvR 2492/08 – BVerfGE 122, 342). Das BSG hat als letztinstanzliches Gericht i.S.d. Art. 267 Abs. 3 AEUV den EuGH um eine Vorabentscheidung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ersucht (Vorlagebeschluss des BSG vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R, Verfahren des EuGH C-67/14 – B). Dies ist bei der Folgenabwägung mit zu berücksichtigen.
B. Hinsichtlich ihres ohne ausdrückliche Begrenzung des Antrages zu unterstellenden Begehrens, die Antragsgegnerin auch zur einstweiligen Gewährung von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu verpflichten, haben die Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (§§ 86b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 2 ZPO).
Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages, dass baldige Wohnungs- und Obdachlosigkeit drohen. Eine derart konkrete Gefährdung der Unterkunft haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, vielmehr nur Mietschulden behauptet. Dies genügt nicht, weil diesem Vortrag weder eine konkrete noch gar aktuell drohende Gefährdung ihrer Unterkunft zu entnehmen ist.
Der Senat folgt hierbei nicht der Auffassung, wonach sich ein Anordnungsgrund bereits angesichts auflaufender Mietschulden ergibt, weil schon die Nichtgewährung der benötigten Mittel einen Grundrechtsverstoß darstelle (LSG NRW, Beschluss vom 07.05.2015 – L 7 AS 586/15 B ER m.w.N.). Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II dienen der Bedarfsdeckung unter Sicherung einer menschenwürdigen Existenz (§ 1 Abs.1 SGB II) mit dem Ziel, den Leistungsempfänger zur Existenzsicherung aus eigenem Erwerbseinkommen zu befähigen. Sie sind dagegen nicht dazu bestimmt, den Empfänger in die Lage zu versetzen, seinen privatrechtlichen Verbindlichkeiten nachzukommen, zielen vielmehr alleine auf eine Deckung der Bedarfe nach §§ 19 ff. SGB II ab (z.B. Urteil des BSG vom 27.02.2008 – B 14/11b AS 55/06 R m.w.N. zum Verbot der indirekten Übernahme von Unterhaltsverpflichtungen des Leistungsempfängers gegenüber Dritten).
Schutzgut der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II ist daher nicht die Schuldenfreiheit, sondern die Deckung des elementaren Bedarfes, eine Unterkunft zu haben. Der "Anordnungsgrund" bei der einstweiligen Zuerkennung von unterkunftsbezogenen Grundsicherungsleistungen nach § 86b Abs.2 SGG ergibt sich demzufolge weder aus der Vermeidung von Mietschulden/ Mehrkosten noch aus dem Risiko einer im Zeitablauf schwieriger werdenden Abwendung eines Wohnungsverlustes, sondern aus der konkret und zeitnah drohende Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit. Ein Anordnungsgrund ist damit im Regelfall erst bei Nachweis der Rechtshängigkeit einer Räumungsklage gegeben. Selbst eine fristlose Kündigung reicht für die Bejahung der Eilbedürftigkeit regelmäßig nicht aus (LSG NRW, Beschlüsse vom 19.05.2014 – L 19 AS 805/14 B ER – ; vom 14.08.2014 – L 2 AS 1229/14 B ER – ; vom 13.05.2015 – L 12 AS 47/15 B ER – ).
Dies ist im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Schutzmechanismus zur Abwendung eines drohenden Wohnungsverlustes wegen Mietrückständen auch verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.07.2007 – 1 BvR 535/07 unter Hinweis auf § 22 Abs. 5 S. 1 und 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, seither § 22 Abs. 9 SGB II; vgl. auch §§ 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
Dem kann nicht bereits grundsätzlich entgegengehalten werden, das Risiko baldigen und unabwendbaren Unterkunftsverlustes ergebe sich aus der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung wegen Mietrückstandes, deren Abwendung durch nachträgliche Begleichung von Mietschulden nicht gesetzlich geregelt sei und zu der uneinheitliche Rechtsprechung der Zivilgerichte bezüglich einer Verschuldenszurechnung bei verspäteter Zahlung der Leistungsträger nach dem SGB II existiere (so LSG NRW, Beschluss vom 10.06.2015 – L 6 AS 853/15).
Denn die ordentliche Kündigung setzt nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs ein Verschulden des Mieters voraus. Während der Mieter grundsätzlich, insbesondere auch bei Zahlungsverzug als Voraussetzung der außerordentlichen Kündigung, für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat und sich bei Geldmangel nicht auf § 286 Abs. 4 BGB berufen kann, entlastet ihn im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit. Bei der Prüfung der schuldhaften und nicht unerheblichen Pflichtverletzung i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind die Gesamtumstände im Zusammenhang mit dem Zahlungsverhalten zu berücksichtigen. Damit begünstigt § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB den Mieter bei einer ordentlichen Kündigung und eröffnet ihm im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen. Im Rahmen des Verschuldens kann zudem eine nachträgliche Zahlung des Mieters innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, weil sie ein etwaiges Eigenverschulden in einem milderen Licht erscheinen lässt (BGH, Urteile vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12 und 16.05.2005 – VII ZR 6/04 m.w.N.; Beschlüsse des Senats vom 29.05.2012 – L 19 AS 957/12 B ER und 10.04.2014 – L 19 AS 471/14 B ER, vom 19.05.2014 – L 19 AS 805/14 B ER; Weidenkaff in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 573 Rn. 16 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen schuldhaften Verhaltens nach dem Maßstab des § 276 BGB trifft – sowohl bei behauptetem Eigenverschulden des Mieters als auch bei behauptetem zurechenbaren Fremdverschulden – jeweils den kündigenden Vermieter (Rolfs in Staudinger, BGB, Stand 2014 § 573 Rn. 41 ff. nach juris).
Soweit einer jüngeren Entscheidung des BGH (Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14) eine Verschärfung der Verschuldenszurechnung im Rahmen der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges zu Lasten des Mieters entnommen wird (LSG NRW, Beschluss vom 10.06.2015 – L 6 AS 853/15), teilt der Senat diese Besorgnis nicht, weil sich das Urteil des BGH – nur – zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund wegen Zahlungsverzuges (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr.3 BGB) verhält und in Abgrenzung zu vorheriger Rechtsprechung (Urteil des BGH vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 64/09) besagt, dass eine Abwägung nach § 543 Abs.1 S.2 BGB unter Berücksichtigung des Verschuldens der Vertragsparteien bei der Prüfung der außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr.3 BGB zu unterbleiben hat. Eine Aussage zum Prüfungsmaßstab selbst noch gar zur Verschuldensprüfung bei der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB enthält das Urteil nicht.
Das Urteil des BGH vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14 gibt darüber hinaus keinen Anlass, die Aktualität der vom Senat deshalb weiterhin zugrundegelegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.07.2007 – 1 BvR 535/07) in Frage zu stellen, wonach der im Recht der Grundsicherung nach dem SGB II vorgesehene Schutzmechanismus (§ 22 Abs. 5 S. 1 und 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, seither § 22 Abs. 9 SGB II; vgl. auch §§ 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) ein Abwarten der Räumungsklage regelmäßig erlaubt. Denn das Urteil betrifft den von dieser Rechtsprechung denknotwendig nicht erfassten Fall der wiederholten außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges binnen 2 Jahren nach Abwendung der ersten Kündigung wegen Zahlungsverzuges durch Nachzahlung. Die wiederholte Abwendung der Kündigung in diesem Fall ist kraft gesetzlicher Regelung ausgeschlossen (§ 569 Abs.3 Nr.2 S.2 BGB).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG. Die Kostenquote berücksichtigt das Teilunterliegen der Antragsteller hinsichtlich ihres ohne ausdrückliche Antragsbegrenzung zu vermutenden Begehrens, die Antragsgegnerin auch zur einstweiligen Erbringung von Leistungen für Unterkunft und Heizung zu verpflichten, sowie das gewissermaßen "sofortige" Anerkenntnis der Antragsgegnerin nach Nachweis der Aufnahme geringfügiger Beschäftigungen durch die Antragsteller zu 1) und 2).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 01.07.2015
Zuletzt verändert am: 01.07.2015