Der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.01.2015 wird geändert. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt und Rechtsanwalt A beigeordnet. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 17.12.2014 bis zum 16.06.2015 vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 1200 EUR monatlich, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu zahlen Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt A bewilligt.
Gründe:
Die Antragsteller begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Der im Jahr 1977 geborene Antragsteller zu 1), seine 1981 geborene Partnerin (Antragstellerin zu 2)) und die 1994 und 2000 geborenen gemeinsamen Töchter (Antragstellerinnen zu 3) und 4)) sind bulgarische Staatsbürger. Sie leben seit Februar 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Der Antragsteller zu 1) hatte zunächst eine geringfügige Arbeit als Helfer gefunden. Diese übte er bis zum 20.05.2014 aus.
Auf ihren Antrag von April 2014 wurden zunächst nur dem Antragsteller zu 1) Leistungen bewilligt. Nach Widersprüchen und einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren wurden dann in der Folge auch den beiden Töchtern und später auch der Lebenspartnerin des Klägers Leistungen zuerkannt. Auf diese wurde anfänglich Kindergeld, das (noch) nicht gezahlt wurde, angerechnet. Seit April 2014 wurden mindestens zehn Änderungsbescheide und entsprechende Nachzahlungen erforderlich.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 12.09.2014 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 25.09.2014 Leistungen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.10.2014 bis zum 20.11.2014. Mit Schreiben vom 12.11.2014 stellte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller einen Antrag auf Korrektur des Bescheides vom 25.9.2014 mit der Begründung, es sei nicht ersichtlich sei, warum die Leistungen nur bis zum 20.11.2014 bewilligt worden seien. Den Antrag wertete der Antragsgegner als Antrag nach § 44 SGB X ein und lehnte ihn durch Bescheid vom 19.12.2014, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 18.2.2015 ab. Hiergegen ist ein Klageverfahren anhängig.
Am 17.12.2014 haben die Antragsteller beim SG Dortmund den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Dazu haben sie Kontoauszüge vorgelegt, aus denen sich eine Nachzahlung am 17.09.2014 i.H.v. rund 3246 EUR ergab, weitere in den Monaten Juli bis Oktober 2014. Den Auszug mit der Nr. 13, der auf die Nachzahlung vom 17.09.2014 folgte, haben sie zunächst nicht vorgelegt. Nach Erinnerung an die Übersendung des Auszuges hat das Sozialgericht wenige Werktage später mit Beschluss vom 07.01.2015 beide Anträge mit der Begründung abgelehnt, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, da der fehlende Kontoauszug nicht vorgelegt worden sei.
Gegen den am 08.01.2015 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 06.02.2015 Beschwerde erhoben. Sie tragen vor, aus dem fehlenden Kontoauszug gehe lediglich hervor, dass das Geld aus den Nachzahlungen abgehoben worden sei. Diese Barabhebungen seien erfolgt, um die Darlehen zurückzuzahlen, die die Bedarfsgemeinschaft im Mai und Juni zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und zur Zahlung der Miete von Freunden und Bekannten erhalten hätten. Der Antragsteller zu 1) übe seit dem 09.12.2014 wieder eine geringfügige Beschäftigung aus. Aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich, dass die Beschäftigung befristet ist. In dem Arbeitsvertrag sind Regelungen zur Urlaubs- und Weihnachtsvergütung sowie zur Probezeit enthalten. Die Regelungen bei Krankheit und Unfall verweisen auf die gesetzlichen Bestimmungen. Der Antragsteller zu 1) hat im Dezember 2014 179,14 EUR, im Januar 2015 237,51 EUR und im März 2015 206,41 EUR verdient. Eine weitere Nachzahlung von SGB II-Leistungen in Höhe von ca. 1200 EUR erfolgte während des laufenden ER-Verfahrens im Februar 2015.
Für die Zeit ab 01.04.2015 hat die Bedarfsgemeinschaft einen neuen Leistungsantrag gestellt.
In der mündlichen Verhandlung sind die Antragsteller zu 1) und 2) mit Hilfe einer Dolmetscherin persönlich angehört worden. Sie haben übereinstimmend erklärt, dass der Antragsteller zu 1) weiterhin bei demselben Arbeitgeber geringfügig beschäftigt sei, die Antragstellerin zu 3) einen Deutschkurs besuche, die Antragstellerin zu 4) die Schule besuche. Sie haben sich damit einverstanden erklärt, dass die bis April aufgelaufenen Schulden durch Zahlung seitens des Antragsgegners unmittelbar an Vermieter, Gas- und Stromversorger beglichen werden.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.01.2015 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen für die Zeit vom 17.12.2014 bis zum 16.06.2015 längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 1200 EUR monatlich zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers sei nur für die Dauer von 6 Monaten nach Aufgabe der Beschäftigung – also bis zum 20.11.2015 – anzuerkennen. Seit diesem Zeitpunkt greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners und der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Dortmund S 35 AS 2514/14 ER Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller sind begründet. Das SG hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO -).
Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht.
Der Senat kann offen lassen, ob schon die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II deshalb nicht erfüllt sind, weil sich das Aufenthaltsrecht der Antragsteller (zu 1) und 2)) über die Schulausbildung der Antragstellerin zu 4) und deren Recht auf Zugang zur Ausbildung ableiten lässt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-67/14; Pressemitteilung des Gerichtshofes der Europäischen Union Nr. 35/15 vom 26.03.2015) oder weil seine geringfügige Tätigkeit nach Umfang und vertraglicher Gestaltung entgegen der Auffassung des Antragsgegners doch seine Arbeitnehmereigenschaft sowohl nach nationalem als auch nach Gemeinschaftsrecht zu begründen vermag (vgl zur Höhe des Entgelts auch LSG NRW Beschluss vom 22.05.2012 – L 6 AS 413/12 B – ). Ebenso kann offen bleiben, ob § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform ist oder ob die Vorschrift nach der vom Senat vertretenen Auffassung deshalb nicht greift, weil der Ausschluss in dieser umfassenden Form wegen Verstoßes gegen EU-Recht nicht anwendbar ist (s. LSG NRW Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris). Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nicht gegeben sind, gründet sich der Anordnungsanspruch auf §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 – 4; 8, 9 SGB II; die Leistungsvoraussetzungen zum Alter, zur Erwerbsfähigkeit, zum gewöhnlichen Aufenthalt und zur Hilfebedürftigkeit erachtet das Gericht für die Antragsteller zu 1) bis 3) als glaubhaft gemacht. Sind die einfachgesetzlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II hingegen erfüllt, stehen den Antragstellern die beantragten vorläufigen Leistungen jedenfalls auch nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu (im Ergebnis ebenso LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 27.05. 2014 – L 34 AS 1150/14 B ER – juris, mwN).
Nach der über § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II anwendbaren Vorschrift des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III kann über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist.
Die Ablehnung von Leistungen für die Zeit ab dem 21.11.2014 durch Bescheid vom 25.09.2014 steht der Bewilligung vorläufiger Leistungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III nicht entgegen.
Die ablehnende Entscheidung als solche lässt den Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III nicht bereits aus rechtssystematischen Gründen entfallen. Einer entsprechenden in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung (LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.03.2014 – L 29 AS 514/14 B ER – juris; vom 17.03.2014 – L 20 AS 502/14 B ER – juris; Aubel in jurisPK-SGB II, § 40 Rz. 61.1) schließt sich das Gericht nicht an.
Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach Leistungsbescheide über vorläufige Leistungen (vorläufige Leistungsbescheide) durch die endgültige Festsetzung (endgültige Leistungsbescheide) ersetzt werden und sich dann auf sonstige Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigen (BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R – juris; vgl. auch LSG NRW Urteil vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11 – juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.03.2014 – L 29 AS 514/14 B ER – juris; vom 17.03.2014 – L 20 AS 502/14 B ER – juris, Aubel in jurisPK-SGB II aaO). "Auf andere Weise erledigen" kann sich ein vorläufiger Leistungsbescheid in diesem Zusammenhang aber nur dann, wenn die Voraussetzungen für seinen Erlass nicht mehr vorliegen (vgl BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R – juris; LSG NRW Urteil vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11 – juris). Dem folgend entfällt der Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III bei Erlass eines Ablehnungsbescheides erst dann, wenn kein Vorlageverfahren mehr anhängig ist. Denn § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III ermächtigt dazu, eine "Zwischenregelung" zu treffen, bis die Rechtsfragen, die zu Grund, Höhe oder Dauer des Anspruchs entscheidungserheblich sein müssen, geklärt sind (vgl etwa Düe in Brand SGB III 6. Aufl. § 328 Rdnrn 2, 12). Gerade wenn der Leistungsträger nach einfachgesetzlicher Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, ein Anspruch bestehe nicht, nicht in dieser Höhe oder nicht in diesem zeitlichen Umfang, beginnt der Anwendungsbereich des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III. Denn der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift eine Handhabe bieten wollen, die Leistungen für den Berechtigten kurzfristig verfügbar zu machen und Härten zu vermeiden, die mit längeren Bearbeitungs- oder Zeiten der Unsicherheit über die Rechtslage verbunden sind (Düe aaO Rdnr 2, 5). Für die Dauer des Vorlageverfahrens bleibt jedenfalls, solange der Ablehnungsbescheid nicht bestandskräftig geworden ist, Raum für eine Ermessensentscheidung, ob und ggfs in welcher Höhe dennoch Leistungen gewährt werden. Im Unterschied zu § 42 SGB I setzt § 328 Abs. 1 Nr. 1 (und im Übrigen auch Nr. 2) SGB III nicht voraus, dass der Anspruch (dem Grunde nach) besteht. Gerade die durch Vorlageverfahren zu klärende Unsicherheit über entscheidungserhebliche Rechtsfragen (Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht) macht den selbstständigen Anwendungsbereich der Vorschrift aus, der einer Erledigung nach § 39 Abs. 2 SGB X entgegen steht. Anwendungsbereich des und Anspruch aus § 328 Abs. 1 Nr. 1 SGB III werden nicht dadurch eingeschränkt, dass der Leistungsträger seine – nach einfachgesetzlicher Rechtslage dann auch regelmäßig zutreffende – Auffassung durch einen Ablehnungsbescheid bereits verlautbart hat. Folgt man dieser Ansicht nicht, hätte der Leistungsträger es in der Hand, bei gleichgelagerter Bedarfs- und Interessenlage die Möglichkeit, vorläufige Leistungen in Anspruch zu nehmen, zu steuern.
Der Umstand, dass der Ablehnungsbescheid vom 25.09.2014 anscheinend bestandskräftig geworden ist, steht unter Berücksichtigung des Verfahrensganges im Übrigen dem Anspruch nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ebenfalls nicht entgegen. Denn im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X steht jedenfalls nach Erteilung des ablehnenden Bescheides vom 19.12.2014, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 18.02.2015, im laufenden Klageverfahren der Leistungsanspruch der Antragsteller bis zum 31.03.2015 im Streit; über den Weiterbewilligungsantrag hat der Antragsgegner nach Aktenlage bislang nicht entschieden. Damit steht nicht fest, dass den Antragstellern Leistungen nicht zustehen.
Mit dem "Korrekturantrag" vom 12.11.2014 noch in dem davon betroffenen Leistungszeitraum bis zum 31.03.2015, spätestens aber mit dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 17.12.2014 haben die Antragsteller auch die Gewährung vorläufiger Leistungen beantragt. Sie haben hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich in einer wirtschaftlichen Notsituation befinden, die eine unmittelbare Leistungsbewilligung erforderlich macht. Mit dem Antrag im Eilverfahren haben unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie kurzfristig zumindest die Bewilligung vorläufiger Leistungen begehren. Über diesen Antrag, der der Sache nach eine zeitnahe Entscheidung verlangt (vgl. auch §§ 42 Abs. 1 letzter Halbsatz, 43 Abs. 1 letzter Halbsatz SGB I), hat der Antragsgegner noch nicht entschieden. Die Leistungsvoraussetzungen nach Maßgabe der §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 – 4; 8, 9 SGB II zum Alter, zur Erwerbsfähigkeit, zum gewöhnlichen Aufenthalt und zur Hilfebedürftigkeit erachtet das Gericht für die Antragsteller zu 1) bis 3) als glaubhaft gemacht.
Wenn In der Person der Antragsteller zu 1) bis 3) die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfüllt sind, ist es für den Anordnungsanspruch von entscheidungserheblicher Bedeutung, ob die Vorschrift europarechtskonform ist. Die Vereinbarkeit dieses Leistungsausschlusses mit europäischem Gemeinschaftsrecht ist Gegenstand der Vorlage des BSG gemäß Art. 267 AEUV (BSG Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – ZFSH/SGB 2014, 158-164). Die Fragen, die das BSG dem EuGH zur Europarechtskonformität bzw zur Europarechtswidrigkeit dieses Ausschlusses vorgelegt hat, sind auch nach dem Urteil des EuGH vom 11.11.2014 – C 333/13 (in Sa. Dano) weiterhin von entscheidungserheblicher Bedeutung. So hat das BSG durch Beschluss vom 11.02.2015 – B 4 AS 9/13 R – das Verfahren lediglich bezogen auf die Vorlagefrage I.1. für erledigt erklärt, da sie durch die Entscheidung vom 11.11.2014 geklärt worden sei. Im Übrigen betraf die Entscheidung des EuGH mit einer Antragstellerin, die nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts und des EuGH keine Arbeit suchte, eine andere Fallgestaltung; sie enthält Ausführungen zur Anwendbarkeit der VO 883/2004 und der URL (s auch Senatsurteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 103/13), nicht aber zur Europarechtskonformität des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Bei dem hier in Rede stehenden Arbeitslosengeld II handelt es sich um eine (Geld-) Leistung, auf die bei zutreffender Beurteilung des Ermessens nach Maßgabe des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III ein Rechtsanspruch besteht.
Unabhängig von der Zielrichtung der Geldleistungen dürfte es schon regelmäßig pflichtwidrig sein, bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 und 2 SGB III jegliche vorläufige Leistung abzulehnen (so auch Düe in Brand, SGB III, 6. Auflage 2012, § 328 Rn 18). Angesichts des existenzsichernden Charakters des Arbeitslosengeldes II sowohl in Gestalt der Regelleistung als auch der Kosten der Unterkunft und des aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfG Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris Rn. 62) wird nach Überzeugung des Senats der Ermessensspielraum weiter eingeengt und im Ergebnis auf Null reduziert, so dass ein Anspruch auf die vorläufige Bewilligung des Arbeitslosengeldes II in voller Höhe besteht (vgl. Eicher aaO; s auch LSG Thüringen Beschluss vom 25.04.2014 – L 4 AS 306/14 B ER – juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 27.05.2014 – L 34 AS 1150/14 B ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Halle/Saale Beschluss vom 30.05.2014 – S 17 AS. 2325/14 ER – juris, mwN jeweils zur Ermessensreduzierung auf Null bei existenzsichernden SGB II-Leistungen).
Für den Anspruch des Antragstellerin zu 4) gilt: Sie ist nicht erwerbsfähig, hat aber gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift nicht.
Für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung der Leistungen besteht auch ein Anordnungsgrund. Den Antragstellern drohen ohne eine einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewendet werden können.
Hinsichtlich des Regelbedarfs folgt dies für die in der Vergangenheit hingenommenen und für die in Zukunft abzuwendenden Beeinträchtigungen schon aus dem unmittelbaren Grundrechtseingriff (Art. 1 Abs. 1 GG), der durch die Verweigerung der zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel entsteht. Die in den Monaten Juli bis Oktober auf dem Konto der Antragsteller zu 1) und 2) eingegangenen Nachzahlungen (Kindergeld und Nachzahlungen des Antragsgegners aus dem Leistungszeitraum April bis September 2014) waren jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Sozialgericht offensichtlich verbraucht und standen der Bedarfsgemeinschaft nicht mehr zur Verfügung.
Im Kern gilt dies auch für den Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten der Unterkunft. Der Auffassung, ein Anordnungsgrund sei regelmäßig erst mit der Erhebung der Räumungsklage anzunehmen, da erst dann konkret Wohnungslosigkeit drohe, die in einem bestimmten Zeitfenster des Klageverfahrens durch die vorläufige Gewährung (auch) von Kosten der Unterkunft (vgl. §§ 543 Abs. 2 S. 2; 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) abgewendet werden könne (vgl LSG NRW Beschlüsse vom 19.05.2014 – L 19 AS 805/14 B ER – ; vom 14.08.2014 – L 2 AS 1229/14 B ER – ; vom 13.05.2015 – L 12 AS 47/15 B ER – ) folgt der Senat nicht mehr. Schon zu einem früheren Zeitpunkt können wesentliche Nachteile zu gewärtigen sein, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lassen.
Neben der andauernden Beeinträchtigung wegen fehlender Kosten der Unterkunft als Teil der ein menschenwürdiges Existenzminimum sichernden Leistung (Alg II) (Art. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 1 GG) (vgl. BVerfG Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris Rn. 62)) kann die Wohnung schon früher als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet und damit das Grundrecht aus Art. 13 GG so beeinträchtigt sein, dass eine Regelungsanordnung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang den Blick auf die Erhebung der Räumungsklage zu fokussieren, hält der Senat nicht mehr für ausreichend. Wenn auch die Zahlung von Unterkunftskosten zur Abwendung der außerordentlichen Kündigung noch nach Erhebung der Räumungsklage möglich ist, gilt dies doch nicht mit vergleichbar zuverlässiger Vorhersehbarkeit für die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Durch die Nachzahlung der Rückstände wird die Kündigung nicht unwirksam, da §§ 543 Abs. 2 S. 2, 569 Ab. 3 Nr. 2 BGB im Rahmen dieser Kündigung nicht anwendbar ist (BGH Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12). Die danach entscheidende Frage, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, indem er in einem zur fristlosen Kündigung berechtigendem Ausmaß mit der Mietzahlung deshalb in Verzug ist, weil die Kosten der Unterkunft nicht (rechtzeitig) vom Jobcenter gezahlt worden sind, wurde schon bislang – soweit ersichtlichj – in der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht einheitlich behandelt (vgl. hierzu etwa AG Lichtenberg Urteil vom 19.12.2013 – 17 C 33/13 – Rdnr 22; BGH Urteil vom 21.10.2009 – VIII ZR 64/09 – juris; LSG NRW Beschluss vom 19.05.2014 – L 19 AS 805/14 B ER – juris mwN; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 22.07.2014 – L 10 AS 1393/14 B ER – juris), ist aber jüngst vom BGH in ähnlichem Zusammenhang dahingehend beantwortet worden, dass das Ausbleiben existenznotwendiger Sozialleistungen dem Verzug des Mieters nicht entgegensteht (Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14). Angesichts der regelmäßig kurzen Kündigungsfrist nach § 573c Abs. 1 BGB droht hier bereits innerhalb weniger Wochen ein Wohnungsverlust. Die Rechtsverteidigung gegenüber einer Räumungsklage ist zudem dadurch erschwert, dass die dort beklagten Antragsteller grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe erhalten können, da der Zahlungsrückstand ja besteht. Der Leistungsträger dürfte sich aber regelmäßig nicht in der Pflicht sehen, die Kosten der Rechtsverteidigung zu übernehmen. Ist damit die Gefahr des Wohnungsverlustes nicht abgewendet, wird hier auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie unter dem Blickwinkel der eigenbestimmten Gestaltung von Rechtsverhältnissen gefährdet.
Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten, den wesentlichen Nachteil als Anordnungsgrund unabhängig von einem bestimmten Zeit- und Verfahrensfenster unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können nicht nur Umstände im Zusammenhang mit dem Verlust der alten Wohnung, sondern auch nicht zuletzt finanzielle Aspekte bei der Beschaffung neuen Wohnraums von Bedeutung sein, wie etwa die allgemeine Situation auf dem örtlichen Wohnungsmarkt, finanzielle Nachteile in Form von Mahnkosten und Zinsen direkt aus dem Mietverhältnis und Versorgungsverträgen, die fortwirkende Störung des Vertrauensverhältnisses bezogen auf das Miet- als Dauerschuldverhältnis, Kosten der (einer) Räumungsklage, Umzugskosten ggfs Einlagerungskosten, Verlust von sozialen Bindungen uVm (LSG NRW Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER).
In der Gesamtwürdigung hält der Senat hier den Anordnungsgrund für gegeben. Angesichts der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller sowie der gegenüber dem Vermieter, dem Gasversorger und dem Stromversorger aufgelaufenen Schulden ist es glaubhaft, dass die Wohnung als Lebensmittelpunkt der Familie konkret gefährdet ist. Sie haben zudem durch ihre Zustimmung zur Direktzahlung der Schulden durch den Antragsgegner an die Gläubiger zum Ausdruck gebracht, dass sie ein ganz erhebliches Interesse am Erhalt ihrer Wohnung haben. Weitere Umstände, die neben der Ablehnung jeglicher Leistung durch den Antragsgegner seit Ende November 2014 zum Zahlungsverzug der Antragsteller geführt haben könnten, sind nicht ersichtlich.
Das Gericht hat den Antragstellern Leistungen in Höhe von 1200 EUR monatlich zuerkannt, da ihnen nach überschlägiger Berechnung jedenfalls dieser Betrag auch unter Anrechnung des vom Antragsteller erzielten Einkommens und des Kindergeldes zustehen dürfte. Vorläufige Leistungen ab Antragstellung beim Sozialgericht hat er zuerkannt um sicherzustellen, dass auch die Miet-, Strom- und Heizkostenrückstände beglichen werden. Nur so kann vermieden werden, dass die Nachteile des Zahlungsverzugs in der Zukunft weiter wirken.
Den Antragstellern war gem. § 73 a SGG iVm § 114 ZPO für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 11.06.2015
Zuletzt verändert am: 11.06.2015