Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.02.2011 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Frage, ab wann bei der Klägerin die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen ist.
Die 1950 geborene Klägerin stellte am 06.08.2007 erstmals einen Feststellungsantrag nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) u.a. wegen Rückenschmerzen und depressiver Beschwerden. Das zuständige Versorgungsamt L stellte mit Bescheid vom 27.11.2007 bei der Klägerin einen Gesamt-Grad der Behinderung (Gesamt-GdB) von 40 fest. Die zu Grunde liegende versorgungsärztliche Stellungnahme ging von einem Einzel-GdB von 40 für die Depressionen der Klägerin sowie von einem Einzel-GdB von 10 jeweils für ihren Bluthochdruck und für ein degeneratives Wirbelsäulenleiden aus.
Auf den am 18.06.2009 gestellten Änderungsantrag, den die Klägerin u. a. mit Rücken- und Nacken- sowie Gelenk- und Kopfschmerzen begründete, schlug der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten weiterhin einen Gesamt-GdB von 40 vor. Dabei bewertete er die psychischen Störungen der Klägerin nur noch mit einem Einzel-GdB von 30, ihr chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 20 sowie ihre Fingerpolyarthrose, ihre Handgelenksarthrose, ihren Hüftgelenksverschleiß und die Blasenschwäche jeweils mit einem Einzel-GdB von 10.
Mit Bescheid vom 06.10.2009 hob der Beklagte daraufhin den Bescheid vom 27.11.2007 auf und stellte ab dem 18.06.2009 bei der Klägerin einen Gesamt-GdB von 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit fest.
Ihren rechtzeitig eingelegten Widerspruch ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten damit begründen, insbesondere ihre Depression sei bislang nicht ausreichend gewürdigt. Dasselbe gelte für die Beeinträchtigung ihrer Greiffähigkeit.
Mit Bescheid vom 31.03.2010 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 23.02.2010 einen Antrag auf Rente für Schwerbehinderte gleichzeitig mit ihrem Antrag auf Altersrente für Frauen gestellt. Sie bezieht seit Juni 2010 Altersrente für Frauen.
Mit ihrer am 26.04.2010 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ab Juni 2009 weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten auf psychiatrischem, orthopädischem und internistischem Gebiet.
Der Psychiater Dr. E stellte bei der Klägerin eine wiederkehrende depressive Störung mit einer gegenwärtig mittelgradigen Episode fest, für die er einen Einzel-GdB von 30, wie im Bescheid vom 06.10.2009 zu Grunde gelegt, vorschlug.
Der Orthopäde Dr. X stellte in seinem Gutachten vom 31.10.2010 die Diagnosen:
– radiale Handwurzelarthrose sowie Daumengelenksarthrose rechts stärker als links mit Störung der Greiffunktion
– degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit deutlicher Störung der lumbalen Beweglichkeit und beginnender Arthrose beider Hüftgelenke.
Für die Arthrose der Hand- und Daumengelenke schlug er einen Einzel-GdB von 20 und für die Einschränkung der Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule ebenfalls einen Einzel-GdB von 20 vor.
Der um einen Vorschlag für die Bildung des Gesamt-GdB gebetene internistische Sachverständige Dr. L stellte, bezogen auf das eigene Fachgebiet, keine relevanten Funktionseinschränkungen fest. Zum Zusammenspiel der Funktionsbeeinträchtigungen führte er aus, die psychischen Beeinträchtigungen und Beschwerden von Seiten des Halte- und Bewegungsapparates der Klägerin könnten sich als eine negative Rückkopplung der empfundenen Schmerzauswirkungen aufgrund der psychischen Beeinträchtigungen auswirken. Jedoch seien die strukturellen Störungen im Bereich der Wirbelsäule und der oberen Extremitäten gesondert zu werten. Ein Gesamt-GdB von 50 lasse sich unter Berücksichtigung der Zusatzgutachten nicht begründen.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 28.02.2011 hat das Sozialgericht Köln die auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen. Es ist dabei von einem Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem Psyche, sowie von einem Einzel-GdB von je 20 für das Funktionssystem Wirbelsäule und für das Funktionssystem Arme ausgegangen. Wegen der nur leichten Funktionsbeeinträchtigung an Rumpf und Armen sei es gerechtfertigt, den Einzel-GdB von 30 für das System Psyche um 10 auf insgesamt 40 zu erhöhen. Eine Schwerbehinderung der Klägerin sei dagegen nicht festzustellen.
Mit ihrer gegen das am 28.03.2011 zugestellte Urteil am 12.04.2011 eingelegten Berufung rügt die Klägerin, schon aufgrund der vom Sozialgericht zu Grunde gelegten Einzel-GdB-Werte sei eine Schwerbehinderung festzustellen. Die Bildung des Gesamt-GdB durch das SG verkenne die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW). Danach sei aus einer Gesundheitsstörung mit einem Einzel-GdB von 30 sowie zusätzlich zwei Gesundheitsstörungen mit Einzel-GdB von 20, die unabhängig nebeneinander stünden, ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden. Wie sich zudem aus dem Aufsatz von Benz (Die Sozialgerichtsbarkeit – SGb – 2011, S. 625 ff.) ergebe, seien die überkommenden Regeln für die Bildung des Gesamt-GdB seit Erlass der Versorgungsmedizin-Verordnung nicht mehr anwendbar. Vielmehr müssten sich nebeneinander stehende Einzel-GdB stets erhöhend auswirken.
Schließlich ergebe sich aus den vom behandelnden Orthopäden Dr. I übersandten Befundberichten, dass die Klägerin schon im Juni 2009 an anhaltenden Nacken- und Halswirbelsäulenschmerzen gelitten habe und daher bereits in diesem Zeitpunkt ein Einzel-GdB von 30 allein für ihre Halswirbelsäule angemessen gewesen sei.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.02.2011 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.10.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2010 zu verurteilen, bei der Klägerin einen GdB von mindestens 50 ab Antragstellung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen festzustellen,
2. hilfsweise darüber Beweis zu erheben, inwieweit nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) eine Unterteilung der Einzel-GdB-Werte in schwache, mittlere und starke zulässig ist und bei der Bildung der Gesamt-GdB eine solche weitere Unterteilung berücksichtigt werden darf durch Einholung einer Auskunft beim Verordnungsgeber,
3. weiter hilfsweise den vom erkennenden Senat gehörten Gutachter L zu befragen, aufgrund welcher sozialmedizinischer Erfahrung gemäß A 3. b) der gemeinsamen Grundsätze der VersMedV er Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen vermag, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind,
4. weiter hilfsweise darüber Beweis zu erheb, welche konkreten sozialmedizinischen Erfahrungen im Sinne von A 3. b) der VersMedV erforderlich sind, um Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind, durch Nachfrage beim Versorgungsgeber bzw. dem Sachverständigen Beirat Versorgungsmedizin beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer weiteren Stellungnahme des Internisten Dr. L zur Frage des Gesamt-GdB sowie von Befundberichten des behandelnden Orthopäden Dr. I. Dr. L ist in seiner Stellungnahme vom 22.07.2011 bei seiner Bewertung des Gesamt-GdB der Klägerin mit 40 geblieben, weil es an einer Vergleichbarkeit der Klägerin mit Behinderten fehle, für deren Leiden ein Einzel-GdB von 50 anzusetzen sei.
Dr. I hat mit Schreiben vom 15.05.2012 mitgeteilt, wenn überhaupt klinisch möglich sei bei der Klägerin von einer deutlichen Beschwerdezunahme an der Halswirbelsäule zum März 2011 zu sprechen.
Der Beklagte hat in der mündlichen Senatsverhandlung vom 29.06.2012 einen Gesamt-GdB der Klägerin von 50 ab Juni 2011 anerkannt. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Soweit der Rechtsstreit ursprünglich auch die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin über den Juni 2011 hinaus zum Inhalt hatte, hat er sich nach § 101 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Hauptsache erledigt, weil die Klägerin das entsprechende Teilanerkenntnis des Beklagten in der mündlichen Senatsverhandlung angenommen hat.
Im Übrigen, soweit die Klägerin mit ihrer Berufung darüber hinaus die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bereits ab Stellung ihres Änderungsantrages im Juni 2009 begehrt, ist die Berufung zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte bereits ab diesem Zeitpunkt bei ihr die Schwerbehinderteneigenschaft feststellt. Der Bescheid des Beklagten vom 06.10.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2010 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 54 Abs. 2 SGG.
Der Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung eines höheren GdB als durch den Bescheid vom 27.11.2007 festgestellt bestimmt sich nach § 48 Abs. 1 SGB Zehntes Buch (X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt aufzuheben entweder mit Wirkung für die Zukunft (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) oder unter den Vorrausetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 SGB X vom Zeitpunkt dieser Veränderung. Zur Überzeugung des Senats lässt sich aber nicht feststellen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin und damit die tatsächlichen Verhältnisse, die dem Bescheid vom 27.11.2007 als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu Grunde lagen, bezogen auf den Gesamt-GdB bereits vor Juni 2011 im Zeitpunkt des Änderungsantrags bzw. des Rentenantrags im Februar 2010 wesentlich im Sinne der Schwerbehinderung verschlechtert hat.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden festgestellt, § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 SGB IX (in der für den streitbefangenen Zeitraum einschlägigen Fassung vom 21.12.2007). Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für diese Feststellung die Maßstäbe der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG (seit 01.07.2011 § 30 Abs. 16 BVG) erlassenen Rechtsverordnung (VersMedV vom 10.12.2008) und insbesondere ihrer Anlage 2 (Versorgungsmedizinische Grundsätze – VG) entsprechend. Die Bemessung des (Gesamt-)GdB ist dabei in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (BSG, Beschl. v. 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 b, juris Rn. 5 m.w.N.). In einem ersten Schritt sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann, in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche (Gesamt-)GdB zu bilden (BSG, Urt. v. 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R, juris Rn. 18 m.w.N.). Außerdem sind nach Teil A Nr. 3 b VG bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der VG feste GdB-Werte angegeben sind (BSG, Urt. v. 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R, juris Rn. 25).
Die führende Gesundheitsstörung, von der nach den genannten Grundsätzen bei der Bildung des Gesamt-GdB auszugehen ist, bestand bei der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum im Funktionssystem Psyche und war mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten.
Nach Teil B Nr. 3.7 VG sind stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wie z.B. ausgeprägte depressive Störungen mit einem Einzel-GdB von 30-40 zu bewerten. Nach der für den Senat im Ergebnis überzeugenden und von den Beteiligten auch nicht infrage gestellten Einschätzung des vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen Dr. E war bei der Klägerin deshalb für das Funktionssystem Psyche ein Einzel-GdB von 30 anzusetzen. Der Sachverständige hat bei der Klägerin eine wiederkehrende depressive Episode mit mittelgradigen Ausprägungen festgestellt, die zu Interessenverlust, Freudlosigkeit, erhöhter Ermüdbarkeit und Schlafstörungen führte. Dem entsprach die Beschwerdeschilderung der Klägerin, nicht mehr lebenslustig zu sein, kaum noch Freude empfinden zu können und an eingeschränktem Antrieb und Konzentration zu leiden sowie nachts schlecht zu schlafen. Allerdings deutet der vom Sachverständigen erhobene Befund nicht auf eine besonders schwerwiegende Einschränkung der Erlebnisfähigkeit der Klägerin hin. Er fand sie nämlich im psychischen Bereich zwar in gedrückter Stimmung, allerdings auch gut auslenkbar und auflockerbar. Die Schwingungsfähigkeit erschien ihm erhalten.
Auch die Gestaltungsfähigkeit der Klägerin war, wenn auch eingeschränkt, jedenfalls teilweise erhalten. Die Klägerin hat beim Sachverständigen angegeben, wie schon in der Zeit seit 2009 eine demenzkranke Nachbarin zu pflegen und dreimal in der Woche stundenweise gegen die Zahlung von Pflegegeld als Putzfrau in einer Apotheke zu arbeiten. Außerdem hat sie beim Sachverständigen als Hobby Radfahren sowie soziale Kontakte mit ihrem über eine Zeitungsannonce gefundenen Stammtisch und zu ihrer Schwägerin sowie zu ihren Söhnen angegeben. Angesichts dieser jedenfalls teilweise erhaltenen Gestaltungsfähigkeit erscheint die Annahme einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, wie sie für die Vergabe eines Einzel-GdB von 30 erforderlich ist, durch den Sachverständigen vertretbar, aber durchaus nicht kleinlich. Der stärkere Wert von 40 für eine psychische Störung kommt angesichts der erhaltenen Ressourcen der Klägerin dagegen ersichtlich nicht in Betracht.
Für die Gesundheitsstörungen der Klägerin im Funktionssystem Rumpf war für den streitbefangenen Zeitraum insgesamt ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen. Nach Teil B Nr. 18.9 VG sind Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem Einzel-GdB von 20, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem Einzel-GdB von 30-40 zu bewerten. Der Wert für den Einzel-GdB ergibt sich dabei primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Verformung und Instabilität der Wirbelsäule sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Danach war bei der Klägerin nur ein Einzel-GdB von 20 festzustellen, weil bei ihr mittelgradige funktionelle Auswirkungen in nur einem Wirbelsäulenabschnitt, an der Lendenwirbelsäule, vorlagen. Denn dort fand der Sachverständige die Rückneige vollständig aufgehoben und die Seitneige sowie Rotation seitengleich um ¾ gegenüber der Norm eingeschränkt. Die im Röntgenbild aus dem Oktober 2009 dokumentierte mäßiggradige Arthrose der Lendenwirbelsäule äußerte sich bei der Klägerin in Schmerzen, die über das Gesäß in die Beine bis zu den Füßen ausstrahlten und mit einem Kribbelgefühl in den Waden verbunden waren.
Dagegen waren die funktionellen Auswirkungen der Schäden an der Halswirbelsäule der Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitraum noch nicht als mittelgradig einzustufen. Bei seiner Untersuchung im August 2010 fand der orthopädische Sachverständige die im Alltag vor allem maßgebliche Dreh-Beweglichkeit der Halswirbelsäule nur gering eingeschränkt. Ebenso wenig stellte er motorische oder sensible radikuläre Ausfälle fest. Da nach Teil A Nr. 2 j) VG die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen sowie auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände mit einschließen, rechtfertigten allein die von der Klägerin anamnestisch angegebenen Schmerzen verbunden mit Kopfschmerzen und Schwindelattacken noch keine Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung seitens der Halswirbelsäule als mittelgradig, wie es den Darlegungen von Dr. X entspricht.
Soweit sich die Klägerin demgegenüber auf den im Berufungsverfahren übersandten Befundbericht ihres behandelnden Orthopäden Dr. I vom 22.10.2011 und dem darin schon im Juli und August angegebenen "persistierenden Halswirbelsäulen- und Nackenschmerz" beruft, verkennt sie den ausführlichen Behandlungsbericht desselben Arztes vom 15.05.2012. Darin heißt es, kausal für die Beschwerden der Nacken- und oberen Extremitäten der Klägerin seien die durch eine CT-Untersuchung der Halswirbelsäule erstmals im Juni 2011 verifizierten Veränderungen der Halswirbelsäule in Gestalt einer Unkarthrose (Arthrose der Halbgelenke an der Halswirbelsäule) mit Foranimal-Stenose (Einengung der Nervenausgänge der Wirbelsäule) C 3 / C 4 und C 4 / C 5 rechts. Derselbe Arzt hat zudem angegeben, es sei von einer deutlichen Beschwerdezunahme frühestens zum März 2011, durch bildgebende Diagnostik im Juni 2011 bestätigt, auszugehen. Dieser Verschlechterung des Gesundheitszustandes hat der Beklagte mit seinem Teilanerkenntnis auch ausreichend Rechnung getragen. Die Annahme einer mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigung der Halswirbelsäule schon zu dem von der Klägerin angestrebten früheren Zeitpunkt lässt sich dagegen auf der Grundlage der genannten Arztberichte des behandelnden Orthopäden und des Befundes der erstinstanzlichen Begutachtung im August 2010 nicht begründen.
Ein weiterer Einzel-GdB von 20 war im streitbefangenen Zeitraum für das Funktionssystem Arme anzusetzen. Nach Teil B Nr. 18.13 VG ist die Versteifung eines Daumengelenks in günstiger Stellung mit einem Einzel-GdB von 0-10, die Versteifung beider Daumengelenke und des Mittelhandwurzelgelenks in günstiger Stellung mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Die vom Sachverständigen Dr. X festgestellte Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit mit ausgeprägter Druckempfindlichkeit sowie die Schwellung im Daumensattelgelenk beidseits rechtfertigte auch nach Einschätzung des Senates im Wege einer – großzügigen – Analog-Bewertung zu den genannten Werten des Teil B Nr. 18.13 VG wegen der vergleichbaren Einschränkung der Greiffunktion und der beidseitigen Betroffenheit einen Einzel-GdB von 20.
Die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen, die jeweils mit einem GdB von nur 10 zu bewerten waren, fallen bei der Gesamt-GdB-Bildung nach Teil A Nr. 3 d) ee) Satz 1 VG von vornherein nicht ins Gewicht, da einer der von der Verordnung genannten oder ein vergleichbarer Ausnahmefall einer besonderen Verstärkung bereits bestehender Leiden durch diese Gesundheitsstörungen ersichtlich nicht vorliegt.
Auf der Grundlage der genannten Einzel-GdB-Werte war bei der Klägerin für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 VG ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden.
§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchtigungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammenschau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrachtungsweise festzustellen (vgl. BSG, Urt. vom 11.03.1998 – B 9 SB 9/97 R, juris Rn. 10 mwN). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG, Urt. v. 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R, juris Rn 25).
Die wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin betrafen im streitbefangenen Zeitraum zum ersten ihre Psyche, zum zweiten ihre Wirbelsäule und zum dritten ihre Hände. Die Auswirkungen dieser Funktionsbeeinträchtigungen überschnitten sich zu einem gewissen, wenn auch geringen Teil. So schränkten bereits die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin ihre Gestaltungsfähigkeit im geschilderten Umfang ein. Weil bereits dadurch ihr Aktivitätsniveau generell gemindert war, konnten sich ihre Wirbelsäulenbeeinträchtigungen sowie die Gesundheitsstörungen ihrer Hände weniger stark auswirken. Auch soweit die Klägerin wegen ihrer Beschwerden an der Lendenwirbelsäule nur eingeschränkt heben und tragen konnte, ergaben sich (geringfügige) Überschneidungen mit der Einschränkung ihrer Greiffähigkeit. Die andererseits vom Sachverständige Dr. L in seinem erstinstanzlichen Gutachten für möglich gehaltene Verstärkung des seelischen Leidens der Klägerin durch ihre Schmerzen sieht der Senat dagegen als vernachlässigbar an. Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, waren wesentliche Ursache für den Ausbruch bzw. die zeitweise Verschlechterung des seelischen Leidens der Klägerin jeweils äußere Umstände wie der Tod des Ehemanns, der Verlust ihres Arbeitsplatzes oder ihrer Wohnung. Eine wesentliche Rolle der Schmerzen der Klägerin für ihr seelisches Leiden hat dagegen insbesondere der psychiatrische Sachverständige Dr. E nicht angenommen.
Im Übrigen standen die genannten Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne von Teil A Nr. 3 d) aa) VG weitgehend unabhängig nebeneinander und betrafen verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens. Anders als die Klägerin unter Bezugnahme auf den Aufsatz von Benz (SGb 2011, S. 625, 627) meint, gibt es aber keinen Erfahrungssatz und auch keine rechnerische oder logische Regel, die verlangen würden, alle mit einem Einzel-GdB von 20 bewerteten Gesundheitsbeeinträchtigungen bei der Bildung des Gesamt-GdB stets erhöhend zu berücksichtigen, soweit sie sich nicht überschneiden oder decken (wohl a. A. auch LSG Berlin, Urt. v. 25. Mai 1993 – L 13 Vs 61/91, Leitsatz in juris).
Dies folgert der Senat zum einen aus der Vorschrift des Teil A Nr. 3 d) ee) Satz 2 VG, die das Gericht als Rechtsverordnung unmittelbar bindet (vgl. BSG, Urt. v. 23.04.2009 – B 9 SB 3/08 R, juris Rn. 27). Danach ist es bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (BSG, Urt. v. 11.03.1998 – B 9 SB 9/97 R, juris Rn. 11), obwohl das weitgehend beziehungslose Nebeneinander verschiedener Gesundheitsstörungen bei der Bestimmung des Gesamt-GdB eine häufige, wenn nicht die häufigste Konstellation darstellt (vgl. Losch, MedSach 2008, 236, 237). Es mag sogar Einiges dafür sprechen, solche 20er Werte überhaupt nur dann steigernd zu berücksichtigen, wenn sie das vorhandene Leiden besonders verstärken (Knittel, SGB IX Kommentar, Rn. 73), weil ansonsten solche leichten Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. BT-Drs. 10/5701, S. 9) für sich genommen die allgemeine Leistungsfähigkeit allenfalls gering beeinträchtigen (vgl. Götz, KOV 1966, 102). Dies kann hier aber dahinstehen.
Den Ausschlag gibt für den Senat vor allem der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit jeher aufgestellte Grundsatz, dass bei der Feststellung des Gesamt – GdB weder mathematische Formeln noch feste Rechenregeln angewendet werden dürfen (so schon BSG, Urt. v. 07.11.1979 – 9 RVs 12/78, juris Rn. 13 m.w.N.). Durch das Zusammenspiel verschiedener Gesundheitsstörungen können sich einzelne Störungen stärker auswirken als bei einem bis auf die einzelne Störung gesunden Menschen. Andererseits ist es auch möglich, dass sich das Maß der Behinderung insgesamt durch hinzutretende Leiden nicht vergrößert (BSG, a.a.O.; ebenso Teil A Nr. 3 d) dd) VG). Die von der Klägerin verlangte generelle Rechenregel – 30 + 20 + 20 = 50 – kann der Senat den gesetzlichen Vorschriften daher in keiner Weise entnehmen.
Er sieht sich mit dieser Rechtsansicht dabei auch nicht im Widerspruch zu der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung anderer Senate des LSG NRW. Der Senat teilt vielmehr die etwa im Urteil des 6. Senats vom 31.03.2009 (L 6 SB 110/08, juris Rn. 22) geäußerte Ansicht, dass Einzel-GdB von 20, die sich in verschiedenen Lebensbereichen auswirken, geeignet sind, das Gesamtausmaß der Behinderung zu steigern. Aus Einzelgraden der Behinderung von 30 und zweimal 20 kann daher im Einzelfall ein Gesamt-GdB von 50 gebildet werden (vgl. LSG NRW, Urt. v. 28.06.2007 – L 7 SB 152/04, juris Rn. 24; Urt. v. 14.04.2005 – L 7 SB 158/02, juris Rn. 16). Ob dies indes auch im konkreten Fall gerechtfertigt ist, hängt jeweils vom Verhältnis der einzelnen, nebeneinander bestehenden Gesundheitsstörungen ab.
Diese gebotene Einzelfallbetrachtung lässt bei der Klägerin für den streitbefangenen Zeitraum die Feststellung der Schwerbehinderung, die einen GdB von 50 erfordert (§ 2 Abs. 2 SGB IX), nicht zu. Führende Gesundheitsstörung war bei der Klägerin ihre seelische Beeinträchtigung, die, wie ausgeführt, mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten war. Durch die Funktionsbeeinträchtigungen infolge der Beschwerden an der Lendenwirbelsäule und der Einschränkung der Greiffähigkeit erfolgt jedoch keine Steigerung auf einen Gesamt-GdB von 50. Denn wie ausgeführt verblieben der Klägerin trotz ihrer psychischen Erkrankung noch eingeschränkte, aber nicht unerhebliche Ressourcen in den Bereichen Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (Pflege- und stundenweise Putztätigkeit, Hobby, Kontakt zu Stammtisch und Verwandten). Zudem ergeben sich zwischen den Gesundheitsstörungen die dargelegten, wenn auch geringen Überschneidungen.
Vor allem aber lässt sich das Gesamtausmaß der Behinderung der Klägerin insgesamt nicht mit einem einzelnen Gesundheitsschaden vergleichen, für den die VG einen festen GdB-Wert von 50 angeben, wie es Teil A Nr. 3 b) VG vorschreibt. Der Senat hält diesen Gesamtvergleich auf der Grundlage der für ihn bindenden Vorgaben der VG sowie der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 02.12.2010 – B 9 SB 4 / 10 R juris Rn. 25 m.w.N.; Beschl. v. 16.05.1995 – 9 BVs 38/94, juris Rn. 4; Urt. v. 16.03.1993 – 9 RVs 6/93, juris Rn. 13; ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 18.08.2011 – L 7 SB 106/07, juris Rn. 75; Bay LSG, Urt. v. 16.11.2010 – L 15 SB 53/09, juris Rn. 46) und mit der vorherrschenden Ansicht in der Literatur (Dau, SGB IX, § 69 Rn. 24; Knittel, SGB IX Kommentar, Rn. 73; Straßfeld, SGb 2003, 613, 616 mwN.; Losch, a.a.O.; Rauschelbach, MedSach, 1980, 90/91; a.A. Benz, a.a.O.; Schimanski, GK-SchwbG, 2. Aufl. 2000, § 4 Rn. 97) grundsätzlich für erforderlich. Der Vergleich ist dabei prinzipiell auch in solchen Konstellationen möglich, in denen bei einem behinderten Menschen Gesundheitsstörungen aus verschiedenen Funktionssystemen zusammenkommen (Losch, aaO; Rauschelbach, aaO; a. A. Benz, aaO, 628; Schimanski, aaO). Denn auch wenn die Gesundheitsstörungen verschiedene Organe bzw. Funktionssysteme betreffen, so können zumindest ein Teil ihrer Auswirkungen auf das tägliche Leben, die für die Feststellung des Gesamt-GdB entscheidend sind, in demselben oder zumindest in verwandten Lebensbereichen auftreten (vgl. BSG, Urt. v. 16.03.1994 – 9 RVs 6/93, juris Rn. 12). Der Senat verkennt dabei nicht, dass der von den VG geforderte Gesamtvergleich im Einzelfall schwer fallen oder nicht überzeugend durchgeführt werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 18.12.1996 – 9 RV 17/95, juris Rn. 13; Straßfeld, a.a.O., 617). In solchen Fällen kann das Ergebnis des Vergleichs für die Bildung des Gesamt-GdB möglicherweise nicht herangezogen werden. Indes lässt sich der Gesamtvergleich jedenfalls in der hier vorliegenden, nicht ungewöhnlichen Konstellation durchaus noch zufriedenstellend ziehen, in der zu einem seelischen Leiden, das die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einschränkt, noch verschiedene Leiden des Haltungs- und Bewegungsapparats treten, die sich zusätzlich negativ auf die Mobilität, Beweglichkeit, Kraft und Geschicklichkeit auswirken.
Der Senat teilt insoweit die Einschätzung des Sachverständigen Dr. L, dass die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nicht mit einem Menschen zu vergleichen war, der an einer einzelnen Gesundheitsstörung leidet, für die nach den VG ein Tabellenwert von 50 anzusetzen ist. Eine vergleichbar erhebliche Funktionsbeeinträchtigung (vgl. BSG, Urt. v. 16.03.1993 – 9 RVs 6/93, juris Rn. 13) lag bei ihr insgesamt nicht vor. Anders etwa als bei einem Menschen mit einer schweren psychischen Störung wie einer schweren Zwangskrankheit, die zu mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten führt (vgl. Teil B Nr. 3.7 VG), war nach den Feststellungen des Sachverständigen bei der Klägerin durchaus noch ein geordneter Tagesablauf darstellbar. Denn die zu ihrer psychischen Erkrankung hinzutretenden relativ leichten Einschränkungen von Seiten des Haltungs- und Bewegungsapparats schränkten ihre Lebensführung nicht so nachhaltig ein. So war etwa ihre Manualfunktion hinsichtlich spezieller Griffarten, aber nicht generell und damit nicht wesentlich eingeschränkt. Entsprechend diesem verbliebenen Restleistungsvermögen – bezogen auf die gesamte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft – konnte die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum wie bereits dargelegt noch gegen Zahlung von Pflegegeld eine demenzkranke Nachbarin pflegen und einer Tätigkeit als Putzfrau auf Stundenbasis nachgehen, ihr Hobby Fahrradfahren ausüben und einen Stammtisch besuchen sowie Kontakt zu ihrer Schwägerin und ihren Söhnen aufrechterhalten. Ein derartiges Ausmaß von Aktivitäten und einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben könnte ein schwer Zwangskranker nicht entfalten.
Ebenso wenig lässt sich die Klägerin hinsichtlich ihrer Teilhabebeeinträchtigung mit einem Behinderten vergleichen, bei dem ein Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren Auswirkungen, wie z. B. die Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, vorliegt, der nach Teil B Nr. 18.9 VG mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten ist. Eine vergleichbare Einschränkung der Beweglichkeit und Mobilität und damit der gesellschaftlichen Teilhabe lag bei der Klägerin auch unter zusätzlicher Berücksichtigung ihrer seelischen Erkrankung nicht vor, wie sich aus dem bereits dargelegten Umfang der ihr noch möglichen Teilhabeaktivitäten ergibt.
Der Senat hat dabei keine Bedenken, für den Gesamtvergleich auf die Feststellungen des dazu von ihm erneut befragten Sachverständigen Dr. L zurückzugreifen. Über die Kompetenz desjenigen Sachverständigen, dem die Gesamtbeurteilung des GdB bei mehreren unterschiedlichen Behinderungen obliegt, lassen sich keine unverrückbaren Rechtsgrundsätze oder auch nur Richtlinien aufstellen. Entscheidend sind auch insoweit vielmehr die Gegebenheiten des Einzelfalls (vgl. BSG, Urt. v. 15.3.1979 – 9 RVs 16/78, juris Rn. 15). Danach verfügte der Sachverständige Dr. L hier über ausreichende Sachkunde und Erfahrung zur Einschätzung des Gesamt-GdB der Klägerin, mag er auch in der ersten Instanz nur ein Gutachten auf internistischem Gebiet über die Klägerin erstattet haben. Denn andererseits hatte er in diesem Gutachten schon einen – allerdings noch unzureichend begründeten – Vorschlag für die Einschätzung des Gesamt-GdB unterbreitet. Vor allem aber konnte der Sachverständige als Facharzt für Psychotherapie die führende Gesundheitsstörung der Klägerin im Gesundheitssystem Psyche selbst ebenso kompetent beurteilen wie er als Arzt für Chiropraktik, Rheumatologie und Akkupunktur auch die hinzutretenden orthopädischen Beeinträchtigungen der Klägerin einzuschätzen vermochte.
Lässt sich somit ein Gesamt-GdB von 50 für den streitbefangenen Zeitraum nicht rechtfertigen, so ist die Berufung im Hauptantrag zurückzuweisen.
Auch die hilfsweise gestellten, als Beweisanträge bezeichneten Anträge der Klägerin sind abzulehnen.
Der Antrag zu 2. enthält schon kein zulässiges Beweisthema. Unter Beweis gestellt werden können nur Tatsachen (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, Vor § 284 Rn.10). Ein Beweisantrag muss daher eine hinreichend substantiierte Tatsachenbehauptung enthalten (BSG, Urt. v. 19.10.2011 – B 13 R 33/11 R, juris Rn. 24). Die von der Klägerin formulierte Frage, inwieweit nach der VersMedV eine Unterteilung der Einzel-GdB-Werte in schwache, mittlere und starke zulässig ist und bei der Bildung des Gesamt-GdB eine solche Unterteilung berücksichtigt werden darf, behauptet keine beweisbare Tatsache, sondern wirft eine Rechtsfrage auf. Das unterscheidet sie etwa von der Frage nach dem Fortbestand einer bestimmten Einzel-GdB-Bewertung in den VG, zu deren Beantwortung medizinischer Sachverstand erforderlich sein kann (vgl. BSG, Beschl. v. 9.12.2010 – B 9 SB 35/10 B, juris). Unabhängig davon kommt es auf die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage für die Entscheidung über ihre Berufung auch nicht an, weil der Senat die Unterscheidung zwischen so genannten schwachen, mittleren und starken Einzel-GdB seiner Entscheidung ohnehin nicht zu Grunde legt. Der Antrag zu 2. ist daher auch wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit abzulehnen.
Soweit die Klägerin unter 3. beantragt hat, den Sachverständigen Dr. L zu befragen, aufgrund welcher sozialmedizinischer Erfahrung er Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen vermag, für die in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind, so ist dieser Antrag auf Anhörung des Sachverständigen bereits verspätet gestellt. Denn ein solcher Antrag muss rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung gestellt werden, damit der Sachverständige geladen und eine Vertagung vermieden werden kann (BSG SozR 3- 1750 § 411 Nr. 1; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 128 Rn.12e). Im Übrigen ergibt sich die Antwort auf die Frage nach den sozialmedizinischen Erfahrungen des Sachverständigen zum einen aus dem Inhalt seiner überzeugenden schriftlichen Stellungnahme in der Berufungsinstanz, zum anderen aus seiner bereits im Einzelnen beschriebenen ärztlichen Qualifikation auf verschiedenen, für den Fall der Klägerin bedeutsamen ärztlichen Fachgebieten.
Der zu 4. gestellte Antrag der Klägerin betrifft ebenso wie derjenige zu 2. eine Rechtsfrage, und zwar nach der Auslegung des Begriffs sozialmedizinische Erfahrung in der VersMedV. Er stellt somit ebenfalls keine Tatsachenfrage dar, die einem Beweis zugänglich wäre. Überdies liegt die Antwort auf diese Rechtsfrage auf der Hand: Erforderlich sind alle sozialmedizinischen Erfahrungen, die für den Gesamtvergleich im konkreten Fall benötigt werden. In diesem Sinn hat auch das BSG die genannte Rechtsfrage bereits beantwortet, indem es ausgeführt hat, dass sich über die Kompetenz desjenigen Sachverständigen, dem die Gesamtbeurteilung des GdB bei mehreren unterschiedlichen Behinderungen obliegt, keine unverrückbaren Rechtsgrundsätze oder auch nur Richtlinien aufstellen lassen (BSG, Urt. v. 15.3.1979 – 9 RVs 16/78, juris Rn. 15). Auch der Antrag zu 4. ist daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Trotz des Teilanerkenntnisses des Beklagten hatte er keine Kosten zu tragen, weil er der eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin sofort durch ein Vergleichsangebot Rechnung getragen hat (Rechtsgedanke des § 93 ZPO, vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193, Rn. 12c m.w.N.).
Anlass zur Revisionszulassung hat der Senat nicht gesehen, weil er der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zumisst. Entscheidend ist die Bewertung der Behinderung der Klägerin im Einzelfall. Die zu Grunde gelegte Rechtsauffassung zur Auslegung der VG entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG.
Erstellt am: 03.06.2013
Zuletzt verändert am: 03.06.2013