Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.11.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin bezieht seit Jahren von der Antragsgegnerin Sozialhilfeleistungen. Bereits im Jahre 2004 beantragte sie die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen folgender Erkrankung: ischämische Herzkrankheit, Aortensklerose, Hypercholesterinämie. Dieser Antrag wurde nach Einschaltung des Gesundheitsamtes mit Bescheid vom 24. Februar 2005 abgelehnt. Zur Begründung führt die Antragsgegnerin aus, dass durch das Gesundheitsamt des S-Kreises O festgestellt worden sei, dass das Attest der Gemeinschaftspraxis Q vom 10.11.2004 keine Erkrankung beinhalte, die einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung entsprechend den Richtlinien des Kreises O rechtfertige. Hiergegen legte die Antragstellerin unter dem 16.03.2005 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Richtlinien des Kreises O im juristischen Sinne illegitim seien. Es sei Aufgabe der Sozialhilfe dem Empfänger der Hilfe die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen. Dies sei durch die Ablehnung der Mehrbedarfs nicht gewährleistet. Den Widerspruch der Antragstellerin wies der Landrat des S-Kreis O mit Bescheid vom 27.07.2005 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Gesetzgeber bewusst nicht bezeichne, welche Krankheiten im Einzelnen eine kostenaufwändige Ernährung erforderten und in welcher jeweiligen Höhe ein Mehrbedarf zu bewilligen sei. Die Entscheidung sei in das Ermessen des Sozialhilfeträgers gestellt. Die Sozialhilfeträger orientierten sich bei ihrer Entscheidung an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, um in der Praxis eine weitestgehende Vereinheitlichung zu erreichen. Die Empfehlungen seien auf der Grundlage verschiedener anerkannter Gutachten entwickelt und bildeten die Grundlage für eine sachgerechte Entscheidung des Sozialhilfeträgers. Das eingereichte ärztliche Attest sei einem Amtsarzt vorgelegt worden. Entsprechend der bereits vorliegenden amtsärztlichen Stellungnahme rechtfertigten die bestehenden Erkrankungen unter Berücksichtigung der vorgenannten Empfehlungen keine Bewilligung eines Mehrbedarfs für eine kostenaufwändige Ernährung. Die Antragstellerin hat daraufhin Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben (S 35 SO 197/05). Unter dem 17.08.2005 hat sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und geltend gemacht, dass sie die empfohlene Diät einhalte und dadurch der Cholesterinwert erheblich gesunken sei. Zudem verweist sie auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins, nach denen bei Hyperlipidämie und natriumdefinierter Kost bei Hypertonie die Anerkennung eines Mehrbedarfs empfohlen werde.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab August 2005 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache einen Mehrbedarfszuschlag für eine kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 86,91 Euro monatlich zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist auf die Stellungnahme des Amtsarztes, wonach ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung entsprechend den Richtlinien des Kreises O nicht gerechtfertigt sei. Das Sozialgericht Düsseldorf hat Beweis unter anderem darüber erhoben, in welcher Höhe ein Mehrbedarf anzuerkennen ist. Die mit der Begutachtung beauftragte Ärztin Dr. C hat in ihrem Gutachten vom 09.11.2005 ausgeführt, dass die Antragstellerin unter einer arteriellen Hypertonie, einer ischämischen Herzerkrankung, Aortensklerose, einer Hypercholesterinämie, degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen mit Fußheberlähmung sowie nicht näher klassifizierter depressiver Störung und Schmerzsymptomatik leide. Nach den Begutachtungsleitfragen des Landschaftsverbandes X gehörten die bescheinigten Erkrankungen der Antragstellerin nicht zu denen, die mit einer kostenaufwändigen Ernährung einhergingen. Bei den ärztlich attestierten Erkrankungen sei keine besondere Krankenkostform erforderlich. Dieses Gutachten wurde den Beteiligten am 14. November 2005 zur Kenntnis übersandt. Mit Schriftsatz vom 13.03.2006 wird Frau Dr. C von der Antragstellerin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Mit Beschluss vom 21.11.2005 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es bestehe kein Anordnungsanspruch der Antragstellerin auf die begehrte Leistung (Mehrbedarf). Das Gericht entnehme dem Gutachten der Sachverständigen Dr. C, dass die Antragstellerin im Wesentlichen an Bluthochdruck, einer Herzerkrankung, einer Aortensklerose, einer Hypercholesterinämie und an orthopädischen Erkrankungen leide. Das Gericht folge der Auffasssung der medizinischen Sachverständigen Dr. C, dass diese Behinderungen keinen Ernährungsmehrbedarf bedingen würden. Insoweit könne dahinstehen, ob hier dem Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten X oder den Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe gefolgt werde, denn nach beiden denkbaren Beurteilungskriterien komme für die Erkrankung der Antragstellerin ein Mehrbedarf nicht in Betracht. Gegen den am 28.11.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 29.11.2005 Beschwerde erhoben. Sie macht geltend, dass das Sozialgericht gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen habe. Das gelte, wenn das Gericht gutachterliche Äußerungen ohne weitere Auseinandersetzung mit wesentlichen abweichenden Stellungnahmen der Beteiligten übernimmt. Zudem verweist die Antragstellerin auf die von ihr vorgelegten ärztlichen Gutachten sowie die Rechtsprechung der Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte, in denen ein Mehrbedarf wegen Hyperlipidämie anerkannt worden sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.11.2005 aufzuheben und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte einschließlich der Akte des LSG NRW L 11 AR 207/05 AB verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 02.12.2005 nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat bisher einen Anordnungsanspruch (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) nicht glaubhaft gemacht. Anspruchsgrundlage für den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ist für die Zeit bis zum 31.12.2004 § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und für die Zeit danach § 30 Abs. 5 Sozialgesetzbuch (SGB) 12. Buch (XII – Sozialhilfe (SGB XII). Nach beiden Vorschriften wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändige Ernährung bedürfen, anerkannt. Teilweise berufen sich auch Sozialgerichte (vgl. z.B. Sozialgericht Aurich, Beschluss vom 09.06.2005, Az. S 25 AS 78/05 ER; Sächsisches Landessozialgericht Beschluss vom 26.01.2006, Az. L 3 B 299/05 AS ER) bei ihrer Entscheidung, ob im konkreten Einzelfall ein Hilfeberechtigter einen Anspruch auf einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung hat, uneingeschränkt auf die Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (Kleinere Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 2. Aufl. 1997). Es finden sich aber auch differenzierende Stimmen, wie z.B. die des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 24.11.2005, Az. L 9 B 259/05 SO PKH). Das schleswig-holsteinische Landessozialgericht vertritt die Auffassung, dass für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Krankenkostzulage nicht ausschließlich die neueren Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Gewährung von Krankenkostzulage in der Sozialhilfe heranzuziehen sind. Diese Empfehlungen gäben als antizipiertes Sachverständigengutachten sowohl den Gerichten als auch den Sozialämtern verlässliche Informationen zwecks einheitlicher Verwaltungshandhabung. Von diesen sollte nur abgewichen werden, wenn die dort zugrundegelegten Annahmen durch neue Erkenntnisse erschüttert und die dort festgelegten Mehrbeträge aufgrund der Preisentwicklung überholt seien. Ob die Richtlinien des S-Kreis O zum Mehrbedarf, die auf Empfehlungen der Arbeitsgruppe aus Ärztinnen und Ärzten der Gesundheitsämter Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen beruhen, und die unter 7.2 für die Krankheiten der Antragstellerin keinen Mehrbedarf vorsehen, neuere Erkenntnisse sind, die ein Abweichen von den Empfehlungen des Deutschen Vereins zulassen, kann letztlich der Hauptsachenentscheidung vorbehalten bleiben. Zwar sehen die Empfehlungen des Deutschen Vereins für lipidsenkende Kost bzw. natriumdefinierte Kost Regelwerte vor. In den Erläuterungen des Deutschen Vereins heißt es jedoch zu den Herz- und Kreislaufkrankheiten, dass die einzuhaltenden Ernährungsprinzipien durch die Verwendung geeigneter Lebensmittel aus dem üblicherweise zur Verfügung stehenden Nahrungsangebot einzuhalten seien (Empfehlungen des Deutschen Vereins, S. 103).
Die Möglichkeiten einer ausgewogenen Ernährung mit reduzierter Energieaufnahme führten zu einer Senkung der Lebensmittelkosten. Mit einer Verteuerung der Ernährungskosten sei somit bei der Mehrzahl kardiovaskulärer Krankheiten nicht zu rechnen (Empfehlungen, S. 104). Der Senat hat den Erläuterungen des Deutschen Vereins Rechnung getragen und bereits in seinem Beschluss vom 20.01.2006 (L 20 (9B) 34/05 SO ER) ausgeführt, dass es bei einer Hyperlipidämie es eher wahrscheinlich sei, dass die Einhaltung einer von der Antragstellerin einzuhaltenden Kostform nicht zu Mehrkosten führe. Auch durch die von der Antragstellerin vorgelegten ärztlichen Gutachten ist ein Mehrbedarf nicht glaubhaft gemacht worden. Die die Antragstellerin behandelnde Ärztin K aus der Gemeinschaftspraxis Q hat in ihrem Attest vom 10.11.2004 die Erkrankungen der Antragstellerin aufgeführt und daran lediglich die Bitte um Überprüfung angeschlossen, ob ein Mehrbedarf bestehe. Aus der ärztlichen Bescheinigung vom 30.09.2005 ergibt sich lediglich, dass der Cholesterinwert gesunken ist und dass dies bei fehlender medikamentöser Therapie auf das Einhalten der empfohlenen Diät zurückzuführen sei. Irgendwelche Ausführungen, dass mit dieser Diät Mehrkosten verbunden sind, sind auch dieser ärztlichen Bescheinigung nicht zu entnehmen. Ohne dass es auf das von der Antragstellerin angegriffene Gutachten von Frau Dr. C ankommt, war deshalb die Beschwerde aus den dargestellten Gründen zurückzuweisen. Selbst wenn man sich die Ansicht der Antragstellerin, das Sozialgericht habe sich kritiklos dem Gutachten Dr. C angeschlossen, zu eigen machen sollte, könnte sich daraus ein Anordnungsanspruch auf die von ihr beantragten Leistungen nicht ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 12.07.2006
Zuletzt verändert am: 12.07.2006