NZB erledigt durch Rücknahme
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.01.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege der Kannversorgung die Gewährung von Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen eines impfbedingten Chronic Fatigue Syndrom (CFS).
Die 1968 geborene Klägerin, die als Flugbegleiterin beschäftigt war, erhielt am 28.10.1997 eine Influenzaimpfung. Am 13.11.1997 suchte die Klägerin unter Angabe von Ohrenschmerzen den Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. C auf, der für die Zeit vom 13.11. bis 14.11.1997 Arbeitsunfähigkeit wegen eines Tubenkatarrhs attestierte. Nachdem die Klägerin am 16.11.1997 ihre Arbeit verrichtet hatte, konsultierte sie am 17.11.1997 den Internisten Dr. S, der einen Nasen-Nebenhöhleninfekt mit Tubenkatarrh diagnostizierte und für die Zeit vom 17.11. bis 25.11.1997 Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Weitere Gesundheitsstörungen wurden damals weder festgestellt noch von der Klägerin angegeben (Befundbericht von Dr. S vom 20.10.1998). Am 19.01.1998 begab die Klägerin sich zunächst wieder in Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Behandlung und stand alsdann in der Folgezeit wegen einer ausgeprägten Schmerzsymptomatik im Bereich des gesamten Rückens, der linken Schulter, Herzbeschwerden, Hitzewallungen, Schüttelfrost sowie Abgeschlagenheit in laufender ärztlicher Behandlung.
Im Oktober 1998 stellte die Klägerin beim Versorgungsamt N einen Antrag auf Gewährung von Versorgungsleistungen wegen eines Impfschadens. Sie gab an, vor der am 28.10.1997 erfolgten Influenzaimpfung sei sie gesund gewesen. 5 Tage nach der Impfung sei es zu ersten Krankheitserscheinungen in Form von Kopf-, Hals-, Glieder- und Ohrenschmerzen sowie erhöhter Temperatur gekommen. Das Versorgungsamt N zog daraufhin umfängliche medizinische Unterlagen der behandelnden Ärzte ein und ließ diese durch seinen ärztlichen Dienst auswerten. Mit Bescheid vom 12.04.1999 lehnte das Versorgungsamt N den Antrag ab, da sich weder ein zeitlicher noch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung und den von der Klägerin geschilderten Beschwerden begründen lasse. Den hiergegen eingelegten Wiederspruch, ,mit dem die Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom geltend machte, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2000 als unbegründet zurück. Das bei der Klägerin bestehende diffuse Schmerzsyndrom sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als abnormale Impfreaktion anzusehen.
Die hiergegen von der Klägerin vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhobene Klage (S 36 (36,18) VJ 196/00) wurde nach Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. E, Leiter der Neurologischen Klinik der Medizinischen Hochschule I, eines Gutachtens auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Prof. Dr. I, Internist/Nephrologie/Umweltmedizin und Vorlage eines Privatgutachtens von Dr. I1 seitens der Klägerin durch Urteil vom 20.10.2006 abgewiesen, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der Influenzaimpfung und dem bei der Klägerin bestehenden CFS fehle. Die Sachverständigen hätten übereinstimmend ausgeführt, dass die Ursache des CFS in der wissenschaftlich-medizinischen Lehrmeinung nicht geklärt sei, sondern kontrovers diskutiert werde. Über die in Betracht kommende Kannversorgung sei nicht zu entscheiden, da es insoweit an einer überprüfbaren Verwaltungsentscheidung mangele.
Am 01.12.2006 hat die Klägerin die Gewährung von Leistungen im Wege der Kannversorgung beantragt.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.02.2007 ab, da die Voraussetzungen für eine Kannversorgung nicht vorlägen. Es sei trotz allen Bemühens nicht gelungen, eine unübliche Impfreaktion zu objektivieren und zu beweisen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. C1 durch Widerspruchsbescheid vom 05.11.2007 als unbegründet zurück.
Am 16.11.2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen, die Existenz der Erkrankung CFS sei international wissenschaftlich anerkannt und bei ihr gesichert; über die Ursache dieser Erkrankung bestehe Ungewissheit.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. E1, Facharzt für Innere Medizin, Mikrobiologie/Epidemiologie. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.08.2012 nebst ergänzender Stellungnahme vom 16.11.2012 dargelegt, beim Krankheitsbild der Klägerin sei es gerechtfertigt von einem CFS-Verdacht zu sprechen. Die Ursachen des CFS seien bislang nicht geklärt. Es sei von einer multifaktoriellen Ätiologie auszugehen. Es sei mithin nicht wahrscheinlich, dass das CFS durch die Influenzaimpfung hervorgerufen worden sei. Beim gegenwärtigen Stand des Wissens sei auch die gute Möglichkeit des Kausalzusammenhanges zu verneinen.
Durch Urteil vom 21.01.2013, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegen das ihr am 25.03.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.04.2013 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, der Zusammenhang zwischen dem bei ihr bestehenden CFS und der erfolgten Influenzaimpfung sei nach aktueller wissenschaftlicher Auffassung weiterhin nicht wahrscheinlich aber möglich.
Die Klägerin beantragt,
dass Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.01.2013 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2007 zu verurteilen, ihr im Wege der Kann-Versorgung wegen des als Folge der Impfung vom 28.10.1997 anzuerkennenden CFS Leistungen nach dem IfSG in Verbindung mit dem BVG zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. E1 eingeholt sowie Prof. Dr. E1 und Dr. I1 in einem Erörterungstermin als Sachverständige gehört; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die ergänzende Stellungnahme vom 26.06.2013 und die Sitzungsniederschrift vom 02.07.2013 verwiesen. Auf Antrag der Klägerin ist gemäß § 109 SGG ein Gutachten von PD Dr. H, Ärztin für Innere Medizin, Immundefektambulanz der D, C eingeholt worden. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 25.03.2015 nebst ergänzender Stellungnahme vom 19.11.2015 dargelegt, der Auffassung von Prof. Dr. E1 könne man nichts entgegen setzen. Es bestehe kein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen dem CFS und einer Influenzaimpfung. Es sei jedoch denkbar, dass eine Influenzaimpfung ein CFS auslösen könne. Allerdings müsse diese Beurteilung im Hinblick auf eine neue Studie, die im Oktober 2015 veröffentlicht worden sei (P. Magnus et al, Vaccine. 2015), sicher relativiert werden. Hier sei die gesamte norwegische Bevölkerung in einer großen epidemiologischen Studie von Oktober 2009 bis Dezember 2012 auf das Auftreten eines CFS infolge einer Influenza oder infolge einer Impfung gegen Influenza untersucht worden. Nach der Impfung sei das Risiko, an einem CFS zu erkranken, unverändert gewesen, während sich das Risiko für Menschen, die an einer Influenza erkrankt gewesen seien, verdoppelt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und der Akten des Verfahrens S 36 (36,18) VJ 196/00 (Sozialgericht Düsseldorf) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die als Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässige Klage (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 07.04.2011 – B 9 VG 2/10 R, juris Rn 31: Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage; Urteil vom 29.04.2010 – B 9 VS 2/09 R, juris Rn 32: Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, wenn (nur) die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen begehrt wird; anders Urteil vom 17.07.2008 – B 9/9a VS 5/06 R, juris Rn 15: Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage) zu Recht abgewiesen, da diese zwar zulässig, aber unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Schädigungsfolge und Zahlung einer Rente nach dem IfSG i.V.m. dem BVG.
Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Rentenleistungen wegen eines Impfschadens sind §§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 61 Satz 2 IfSG i.V.m. §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 BVG.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 … wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes … Gemäß § 2 Nr. 11 IfSG ist Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Der Anspruch setzt demnach eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, den Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine – dauerhafte – gesundheitliche Schädigung, also einen Impfschaden, voraus. Zwischen den jeweiligen Anspruchsmerkmalen muss ein Ursachenzusammenhang bestehen. Maßstab dafür ist die im sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung. Danach ist aus der Fülle aller Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne diejenige Ursache rechtlich erheblich, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägen ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist. Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – im sogenannten Vollbeweis – feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus, § 61 Satz 1 IfSG. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 07.04.2011 – B 9 VJ 1/10 R, juris Rn 36 ff.).
Alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, sind auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten. Hierzu konnten die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) herangezogen werden, die als antizipierte Sachverständigengutachten angesehen wurden. Seit den AHP 2008, die mittlerweile durch die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (Versorgungsmedizinische Grundsätze – VMG) ersetzt wurden, sind darin aber keine detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen mehr enthalten. Im Zusammenhang mit der Streichung der betreffenden Teile der AHP wurde darauf hingewiesen, dass die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete Ständige Impfkommission (STIKO) Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden) entwickelt. Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 07.04.2011 – B 9 VJ 1/10 R, juris Rn 39 ff.).
Bei der hier streitigen Impfung gegen Influenza handelte es sich für die als Flugbegleiterin beschäftigte Klägerin um eine öffentlich empfohlene Impfung, was auch von dem Beklagten nicht in Abrede gestellt wird.
Unabhängig davon, dass die hier geltend gemachte Leistung im Wege der Kannversorgung grundsätzlich keinen eigenen Streitgegenstand verkörpert (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1995 – 9 RV 17/94, juris Rn 9) und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, wie sämtliche Sachverständige übereinstimmend dargelegt haben, eine unübliche Impfreaktion nicht erwiesen ist, scheitert das Begehren der Klägerin auf Feststellung des CFS als Impfschaden und Gewährung einer Rentenleistung jedenfalls daran, dass zwischen der streitgegenständlichen Impfung gegen Influenza und dem CFS ein Kausalzusammenhang weder wahrscheinlich ist noch die Voraussetzungen für die so genannte Kannversorgung erfüllt sind.
Es ist, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, im vorliegenden Fall weder nachgewiesen noch kann es wahrscheinlich gemacht werden, dass das CFS durch die Impfung gegen Influenza verursacht wurde. Sämtliche im Verfahren gehörten Sachverständigen haben hier, ebenso wie in dem vorangegangenen Klageverfahren (S 36 (36, 18) VJ 196/00) dargelegt, dass die Ätiologie des CFS wissenschaftlich weitgehend ungeklärt ist und die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs deshalb nicht gegeben ist.
Das Begehren der Klägerin hat, entgegen ihrer Auffassung, auch auf der Basis von § 61 S. 2 IfSG keinen Erfolg. Danach kann, wenn die zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne von § 60 Abs. 1 IfSG erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 anerkannt werden (sog. Kannversorgung); die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
Die Frage der Kausalitätsvoraussetzungen stellt sich für die Kannversorgung ebenso wie für einen Rechtsanspruch. Zwischen beiden bestehen bezüglich der Kausalität lediglich graduelle Unterschiede (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.1981 – 9 RVi 5/80, juris Rn 27). Die Möglichkeit des Kausalzusammenhangs reicht, was die Klägerin verkennt, auch im Rahmen des § 61 S. 2 IfSG nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt. Die Verwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs – die so gut wie nie widerlegt werden kann – ausreichen zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, 9/9a RV 41/92, juris Rn 19). Zur Gewährung der Kannversorgung muss nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang bestehen, sondern nach wenigstens einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen Belastungen und der festgestellten Erkrankung sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine "gute Möglichkeit", die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1995 – 9 RV 17/94, juris Rn 19). Die einschlägigen Regelungen der AHP bzw. der VMG übernehmen und konkretisieren diese rechtlichen Anforderungen (vgl. Nr. 39 AHP, Teil C Nr. 4 VMG).
Im Hinblick auf die streitgegenständliche Impfung der Klägerin gegen Influenza fehlt es an wenigstens einer fundierten, einen generellen Ursachenzusammenhang bejahenden medizinischen Lehrmeinung. Dies haben sämtliche Sachverständigen bestätigt. Prof. Dr. E1, Dr. I1 und auch PD Dr. H haben in ihren Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen übereinstimmend dargelegt, dass es keine wissenschaftliche Lehrmeinung gibt, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt. Zwar wurde es in der medizinischen Wissenschaft vereinzelt für theoretisch möglich gehalten, dass die Influenzaimpfung das CFS ebenso wie eine Infektion auslösen könne. Die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs wurde jedoch, wie die Sachverständigen übereinstimmend betont haben, nicht vertreten, denn es fehlte stets an Erkenntnissen, die für einen generellen durch wissenschaftliche Fakten belegten Zusammenhang sprachen. In ihrer ergänzenden Stellungnahme hat PD Dr. H zudem deutlichgemacht, dass nach der aktuellsten im Oktober 2015 veröffentlichten Studie (P. Magnus et al, Vaccine. 2015, 17; 33(46):6173-7.doi: 10.1016/j.vaccine.2015.10.018. Epub 2015 Oct 17) selbst die theoretische Möglichkeit eines Zusammenhangs relativiert werden müsse, denn entsprechend dieser epidemiologischen Studie, bei der von Oktober 2009 bis Dezember 2012 die gesamte norwegische Bevölkerung auf das Auftreten eines CFS infolge einer Influenzainfektion oder infolge einer Impfung gegen Influenza untersucht wurde, ist das Risiko an einem CFS zu erkranken nach einer Impfung unverändert, während bei einer Erkrankung an einer Influenza eine Verdopplung des Risikos gegeben ist. Soweit die Klägerin meint, die Impfung müsse gleichwohl als Ursache angesehen werden, da der Zusammenhang eines CFS mit der Impfung nach wie vor ungewiss sei, verkennt sie die oben aufgeführten rechtlichen Voraussetzungen der Kannversorgung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.
Erstellt am: 08.11.2017
Zuletzt verändert am: 08.11.2017