Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 17.08.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Anrechnung von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit als Einkommen.
Die Kläger stehen bei der Beklagten im Leistungsbezug. Der Kläger war von Juni 2006 bis Dezember 2007 als Lader bei der Firma E GmbH im Flughafen E und von Februar bis Juni 2008 als Helfer bei der Firma S GmbH & Co. KG beschäftigt. Der Kläger erhielt monatliche Zuschläge vom Arbeitgeber für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Wegen der Einzelheiten wird auf die Arbeitsverträge vom 13.06.2006 und 22.02.2008 sowie aufgrund der Bezugnahme auf den Tarifvertrag zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZV) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit verwiesen. Die Beklagte rechnete die Zuschläge unter Berücksichtigung der Freibeträge gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 SGB II als Einkommen auf den Bedarf der Kläger an.
Am 20.01.2009 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bei der Beklagten mit der Begründung, in den Bescheiden vom 24.07.2006, 23.08.2006, 25.09.2006, 20.10.2006, 22.11.2006, 19.12.2006, 24.01.2007, 21.02.2007, 26.03.2007, 23.04.2007, 24.05.2007, 25.06.2007, 25.07.2007, 27.08.2007, 24.09.2007, 24.10.2007, 26.11.2007, 18.12.2007, 24.01.2008, 25.03.2008, 23.04.2008, 26.05.2008, 23.06.2008 und 23.07.2008 seien zu Unrecht die Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge als Einkommen angerechnet worden. Es ergebe sich ein weiterer Zahlungsanspruch von 1708,50 EUR als Summe der steuerfreien und damit anrechnungsfreien Beträge für den Zeitraum von Juni 2006 bis Juni 2008. Wegen der Berechnung des Betrages wird auf die Auflistung im Schreiben von 20.01.2009 verwiesen.
Mit Bescheid vom 02.02.2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien nicht gegeben. Da Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge demselben Zweck wie das SGB II dienen würden, seien diese nach § 11 Abs. 1 SGB II anzurechnen.
Den Widerspruch vom 10.02.2009 begründeten die Kläger mit der Entscheidung des Sozialgerichts Lüneburg (Urteil vom 26.10.2007 – S 28 AS 1055/07). Die Beklagte erteilte am 08.05.2009 einen Teilabhilfebescheid und gewährte wegen fehlerhafter Einkommensanrechnung eine Nachzahlung von 121,77 EUR (im April 2008 von 59,81 EUR, im Juni 2008 von 61,96 EUR). Soweit der Kläger die Auszahlung der als Einkommen berücksichtigten Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge begehrte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2009 als unbegründet zurück. Dem SG Lüneburg sei entgegen zu halten, dass Arbeitnehmer nicht für die Selbstverpflegung täglich einkaufen gehen müssten und Mahlzeiten in Kantinen auch an Wochenenden zu den gleichen Preisen erhältlich seien. Zudem sei der Kläger von Juni 2006 bis Dezember 2007 am Flughafen tätig gewesen. Soweit dort das Einkaufen nicht möglich gewesen sein sollte, sei davon auszugehen, dass der Kläger selbstgemachte Speisen verzehrt habe. Auf das Argument der Steuerfreiheit komme es indes nicht an.
Die Kläger haben am 19.05.2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und ihr Begehren weiter verfolgt.
Die Kläger haben beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Bescheide vom 24.07.2006, 23.08.2006, 25.09.2006, 20.10.2006, 22.11.2006, 19.12.2006, 24.01.2007, 21.02.2007, 26.03.2007, 23.04.2007, 24.05.2007, 25.06.2007, 25.07.2007, 27.08.2007, 24.09.2007, 24.10.2007, 26.11.2007, 18.12.2007, 24.01.2008, 25.03.2008, 23.04.2008, 26.05.2008, 23.06.2008 und 23.07.2008 abzuändern und den Klägern weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 1708,50 EUR für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.06.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Der SG Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 17.08.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Anrechnung der Zuschläge für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht als Einkommen sei rechtmäßig. Der in Rechtsprechung und Literatur wohl mehrheitlich vertretenen Ansicht, Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge als zweckbestimmte und daher nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II anzusehen, sei, da Arbeit in der Nacht oder an Sonn- und Feiertagen den Menschen physisch stärker beanspruche und zusätzliche Mahlzeiten und besondere Aufwendungen erfordere (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 08.03.2005, L 7 AS 112/05 ER; SG Chemnitz, Urteil vom 20.06.2008, S 22 AS 4269/07; SG Lüneburg, Urteil vom 25.10.2007, S 28 AS 1055/07; Brühl, in: LPK-SGB 11, 2. Aufl. 2007, § 11 Rn. 54; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: VII 1/08, § 11 Rn. 231; Zeitler/Dauber, in: Mergler/Zink, SGB II, Stand: Oktober 2008, § 11 Rn. 89; Zweifel äußernd vgl. Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rn. 39; Hänlein, in: Gagel, SGB II/SGB III Stand: Januar 2009, § 11 SGB II Rn. 61a), nicht zu folgen. Der Zuschlag für Nachtarbeit stelle im Wesentlichen einen Anreiz dafür dar, nachts zu arbeiten und die Kompensation etwaiger Mehraufwendungen stehe dagegen nicht im Vordergrund. Das Argument des LSG Thüringen, der Verpflegungsaufwand während Sonn- und Feiertagen sei höher, müsse angesichts geänderter Ladenöffnungszeiten als zweifelhaft eingestuft werden. Auch im konkreten Fall habe der Kläger erklärt, während der Nachtschichten oder den Schichten an Sonn- und Feiertagen, wie üblich, in der Kantine des Flughafens gegessen zu haben. Dies sei nur dann nicht der Fall gewesen, wenn die Kantine geschlossen gewesen sei, was üblicherweise nur bei den Nachtschichten der Fall war. Dann habe er sich seine Verpflegung von daheim mitgebracht oder in Lebensmittelgeschäften gekauft. Das SG stützte sich bei seiner Einschätzung zudem auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Steuerfreiheit von Nachtzuschlägen, wonach durch die Steuerfreiheit dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen, die mit dieser Arbeit verbunden sind, gewährt werden solle. Hier werde also durchaus eine Ausgleichsfunktion erwähnt. Sie werde jedoch nicht den Nachtzuschlägen, sondern der Steuerfreiheit zugeschrieben, die einen zusätzlichen Anreiz zur Leistung von Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit bieten solle. Die Zuschläge selbst seien ein Entgelt für Arbeiten an besonders ungünstigen Zeiten. Dafür, dass die Nachtzuschläge im Wesentlichen einen Leistungsanreiz für das Arbeiten zu besonders ungünstigen Zeiten und nicht in erster Linie eine Aufwandsentschädigung darstellten, spreche auch die Tatsache, dass es sich hierbei um pauschale Zuschläge handele, die auf den Einkommensbescheinigungen nicht als Aufwandsentschädigungen ausgewiesen werden würden. Die demnach im Vordergrund stehende Anreizfunktion stehe dem generellen "Zweck" von Arbeitseinkommen so nah, dass ein Anrechnungsausschluss nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II nicht gerechtfertigt sei. Das Argument, Nachtarbeit sei besonders anstrengend, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch dann, wenn ein Arbeitnehmer tariflich höher eingestuft sei, weil er eine als anstrengender bzw. härter angesehene Arbeit verrichte, werde der aus der Höhereinstufung resultierende Mehrverdienst nicht als zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II angesehen. Auch das Argument der Benachteiligung eines Leistungsempfängers nach dem SGB II gegenüber einem Arbeitnehmer, der nicht im Leistungsbezug steht, sei nicht überzeugend. Handele es sich bei der Steuererhebung um Eingriffsverwaltung, so handelt es sich bei der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II um Leistungsverwaltung. In diesem Bereich, in dem der Arbeitnehmer vom Leistungsträger Unterstützung zum Lebensunterhalt erhalte, kann sich dieser nicht auf die gleichen Privilegien berufen, die ein Arbeitnehmer genieße, der keine Unterstützung erhalte.
Des Weiteren habe die Beklagte zu Recht das "Verpflegungsgeld" als anrechenbares Einkommen zugrunde gelegt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Bei dem Verpflegungsentgelt handele es sich um Einnahmen in Geld.
Gegen das den Klägern am 05.09.2009 zugestellte Urteil haben diese am 20.09.2009 Berufung eingelegt. Die Kläger verfolgen ihr Begehren weiter.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 17.08.2009 zu ändern, die Bescheide der Beklagten vom 02.02.2009 und 08.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Bescheide vom 24.07.2006, 23.08.2006, 25.09.2006, 20.10.2006, 22.11.2006, 19.12.2006, 24.01.2007, 21.02.2007, 26.03.2007, 23.04.2007, 24.05.2007, 25.06.2007, 25.07.2007, 27.08.2007, 24.09.2007, 24.10.2007, 26.11.2007, 18.12.2007, 24.01.2008, 25.03.2008, 23.04.2008, 26.05.2008, 23.06.2008 und 23.07.2008 abzuändern und ihnen weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 1708,50 EUR für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.06.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen des SG und die des Bundessozialgerichts (BSG).
Am 09.03.2010 hat der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten das Verfahren bis zur Entscheidung des BSG in den Verfahren B 4 AS 9/09 R, B 4 AS 90/09 R und B 4 AS 91/09 R zum Ruhen gebracht. Am 19.10.2010 hat der Senat das Verfahren auf Antrag der Kläger, die eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beantragt haben, wieder aufgenommen. Die Beklagte hat einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt und die Verwaltungsakten des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage auf Gewährung von Grundsicherung ohne Anrechnung der Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 02.02.2009 und 08.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2009 sind rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung von weiteren 1708,50 EUR. Denn die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen nicht vor.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG erfüllen die Kläger im streitigen Zeitraum dem Grunde nach die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Grundsicherung. Die Kläger waren insbesondere hilfebedürftig i.S. des § 9 Abs. 1 SGB II. Hilfebedürftig nach § 9 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs 2 Satz 3 SGB II). Da die Kläger in Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 3 Nr. 1a SGB II) muss sich die Klägerin das nach Maßgabe des § 11 SGB II zu berücksichtigende Einkommen des Klägers zurechnen lassen.
Die Beklagte hat die Höhe der Leistungsansprüche der Kläger zutreffend errechnet. Auf den Inhalt der Bescheide der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2009 und des Teilabhilfebescheides vom 08.05.2009 wird insoweit verwiesen.
Entgegen der Ansicht der Kläger sind die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit von der Beklagten als Einkommen zu berücksichtigen. Die Leistungsbescheide der Beklagten sind damit nicht rechtswidrig. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen, Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit unterfallen keiner der in § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II genannten Ausnahmen. Sie sind auch nicht als zweckbestimmte Leistungen i.S. des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II von der Einkommensberücksichtigung auszunehmen.
Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit dienen dem gleichen Zweck wie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, weil sich ein abweichender Verwendungszweck nicht feststellen lässt (BSG, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 89/09 R Rn. 15 ff. juris; Dr. Reichel, jurisPR-SozR 22/2010 Anm. 1; zum bisherigen Meinungsbild: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.3.2010 – L 32 AS 1771/09; Dau jurisPR-SozR 3/2010 Anm 1; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 Rn. 39; Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, Stand Dezember 2009, § 11 RdNr 61a; a.A. Thüringer LSG, Beschluss vom 8.3.2005 – L 7 AS 112/05 ER – NZS 2005, 662; Brühl LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 11 Rn. 68; Söhngen jurisPK, 2. Aufl 2007, § 11 Rn. 58; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VIII/08, § 11 Rn. 231). Der Senat gibt seine bisherige Auffassung auf und schließt sich der Ansicht des BSG an (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.1.2010 – L 7 AS 81/09; BSG, B 14 AS 45/10 R – Erledigung am 19.05.2011 durch Klagerücknahme).
Die an den Begriff der zweckbestimmten Einnahmen zu stellenden Anforderungen ergeben sich aus der Systematik des § 11 SGB II und dem Sinn und Zweck der Regelung. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II enthält den Grundsatz, dass als Einkommen alle eingehenden geldwerten Leistungen, unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrem Rechtscharakter zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 R, BSGE 99, 240 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr. 8, jeweils Rn. 16). Nur unter engen Voraussetzungen ist die Nichtberücksichtigung von Einnahmen möglich, wobei der Gesetzgeber im SGB II die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen an die Sozialhilfe und nicht an die Arbeitslosenhilfe angleichen wollte (BSG, Urteil vom 28.10.2009 – B 14 AS 64/08 R, Rn. 17). Nach sozialhilferechtlichen Vorschriften sollte es bei der Einkommensberücksichtigung verbleiben, wenn eine Zweckidentität mit Sozialhilfeleistungen festgestellt oder die andere Leistung ohne ausdrückliche Nennung eines Zwecks "zweckneutral" gewährt wurde (BVerwG, Urteil vom 12.4.1984 – 5 C 3/83 – FEVS 33, 353, 356; OVG NRW, Urteil vom 10.1.1989 – 8 A 1753/87 – FEVS 39, 338 ff). Sinn des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II ist es vor diesem Hintergrund zu verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch ihre Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen des SGB II verfehlt wird bzw. für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (BSG, Urteil vom 5.9.2007 – B 11b AS 15/06 R, BSGE 99, 47 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, jeweils Rn. 28; BSG, Urteil vom 6.12.2007 – B 14/7b AS 62/06 R, Rn. 24).
Die Zweckbestimmung wird sich regelmäßig aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ergeben (BSG, Urteil vom 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 R, BSGE 99, 240 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 8, jeweils Rn. 16), jedoch können auch zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage hierunter fallen (BSG, Urteil vom 3.3.2009 – B 4 AS 47/08 R, BSGE 102, 295 ff, Rn. 2; BSG, Urteil vom 27.2.2008 – B 14/7b AS 32/06 R, BSGE 100, 83 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 6, jeweils Rn. 49), jedoch muss eine Vereinbarung vorhanden sein, aus der sich objektiv erkennbar ergibt, dass die Leistung von dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Zweck verwendet werden (BSG, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 89/09 R Rn. 15 ff. juris).
Bezogen auf die hier streitigen Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit lässt sich aus den vorliegenden Arbeitsverträgen des Klägers bzw. dem Tarifvertrag keine privatrechtliche Vereinbarung herleiten, aus der sich deren Nichtberücksichtigung als Lohnbestandteil für den allgemeinen Lebensunterhalt des Empfängers unmittelbar ableiten lässt. Mit der Zahlung der Zuschläge ist arbeitsvertraglich ein konkreter, von dem Arbeitgeber vorgegebener Verwendungszweck nicht verbunden. Es verbleibt daher bei dem Grundsatz der Berücksichtigung dieser Einnahmen als Einkommen.
Aus den die Zuschläge betreffenden Normen des Steuer- und des Arbeitsrechts kann eine besondere Zweckbestimmung nicht hergeleitet werden. Insoweit ist zwar das BSG 1962 davon ausgegangen, dass bei der Anrechnung von Einkommen auf eine Ausgleichsrente des Versorgungsamts Zuschläge für Nachtarbeit unberücksichtigt bleiben sollten, weil Nachtarbeit mit besonderen Aufwendungen, insbesondere zusätzlichen Mahlzeiten, verbunden sei (BSG, Urteil vom 21.8.1962 – 11 RV 1056/60; zustimmend BSG, Urteil vom 21.3.1990 – 7 RAr 86/87 – SozR 3-4100 § 138 Nr. 2; BSG, Urteil vom 11.1.1990 – 7 Rar 128/88 – BSGE 66, 134). Es kann mit dem BSG dahingestellt bleiben, ob dieser den damaligen Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterstellte Verwendungszweck unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Bemessung der steuerfreien Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit nach § 3b Abs. 1 EStG nicht an konkreten Mehraufwendungen für Verpflegung, sondern an einem festgelegten prozentualen Verhältnis zum Grundlohn noch Geltung beanspruchen kann. Auch kommen als weitere Motive für die steuer- und arbeitsrechtlichen Regelungen zur Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit ein Ausgleich der hiermit verbundenen immateriellen Beeinträchtigungen des biologischen bzw. kulturellen Lebensrhythmus des Arbeitnehmers (BVerfG, Urteil vom 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/01, BVerfGE 85, 191, 208; BVerfG, Beschluss vom 2.5.1978 – 1 BvR 174/78 – DB 78, 2002; BT-Drucks 12/5888 S 52) und eine Verteuerung der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 11.2.2009 – 5 AZR 148/08; BAG, Urteil vom 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – BAGE 115, 372 Rn. 16) in Betracht. Unabhängig davon fehlt es schon an von der Rechtsprechung des BSG notwendigen Bestimmung hinsichtlich der Verwendung der vereinnahmten Mittel.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Erstellt am: 26.03.2012
Zuletzt verändert am: 26.03.2012