Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 07.08.2013 aufgehoben. Der Antrag auf vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des Eilrechtsschutzes.
Die am 00.00.1989 geborene Antragstellerin ist rumänische Staatsangehörige. Am 28.05.2013 stellte sie bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Sie gab an, seit drei Jahren in der Bundesrepublik Deutschland zu leben. Sie habe in einem Privathaushalt ohne Anmeldung zur Sozialversicherung gearbeitet. Nun sei sie schwanger und benötige Hilfe.
Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.05.2013 unter Hinweis auf den Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab. Auf einen erneuten Antrag vom 04.07.2013, dem die Antragstellerin eine ärztliche Bescheinigung über den errechneten Geburtstermin (22.08.2013) und über eine Reiseunfähigkeit beifügte, verwies der Antragsgegner mit Schreiben vom 08.07.2013 auf seinen Bescheid vom 29.05.2013.
Die Antragstellerin hat am 17.07.2013 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Köln (SG) gestellt. Ihr Freund habe sich unmittelbar nach Bekanntwerden der Schwangerschaft von ihr getrennt. Im laufenden gerichtlichen Verfahren hat sie weiter vorgetragen, nunmehr obdachlos geworden zu sein, weil sie bei einem Bekannten, bei dem sie untergekommen sei, jetzt nicht mehr leben könne. Einen Betrag von 400,00 Euro, den sie vom Verein Donum Vitae erhalten habe, habe sie teilweise für Schwangerschaftsbekleidung ausgegeben bzw. anderweitig verbraucht. Der Verein Donum Vitae unterstütze sie nicht regelmäßig, gegebenenfalls könne sie einen weiteren Betrag in Höhe von 100,00 EUR nach der Geburt des Kindes erhalten.
Das SG hat die Stadt L, Amt für Soziales und Senioren, mit Beschluss vom 19.07.2013 zum Verfahren beigeladen.
Mit weiterem Beschluss vom 07.08.2013 hat das SG dem Eilantrag der Antragstellerin insofern stattgegeben, als es die Beigeladene verpflichtet hat, der Antragstellerin ab 01.08.2013 bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, längstens bis zum 31.10.2013 vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 382,00 Euro monatlich nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Eilantrag im Interesse der Antragstellerin, welche auch bei der Beigeladenen einen Leistungsantrag gestellt habe, auch auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII gerichtet sei. Dieser Antrag sei nach Folgenabwägung für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis 31.10.2013 begründet. Gegenüber dem Antragsgegner bestehe kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Für den Zeitraum vom 17.07.2013 bis 31.07.2013 sei die Antragstellerin im Hinblick auf die Zahlung des Vereins Donum Vitae nicht hilfebedürftig.
Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II sei gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Die Kammer, die sich in mehreren Hauptsacheentscheidungen bereits der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2012, Az. L 3 AS 1477/11, angeschlossen habe und auch im vorliegenden Fall keine Veranlassung sehe, von ihrer Auffassung abzuweichen, halte den Leistungsausschluss auch nicht für europarechtswidrig.
Der Antragstellerin seien jedoch vorläufig für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 31.10.2013 Leistungen nach Maßgabe der Regelung des § 27 a SGB XII zu gewähren. Zwar hätten Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, sowie deren Familienangehörige keinen Anspruch auf Sozialhilfe, vgl. § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII. Es bestünden jedoch Bedenken, die Antragstellerin, deren Aufenthalt in der Bundesrepublik rechtmäßig sei und die auf Grund einer vorliegenden Schwangerschaftserkrankung nicht in ihr Heimatland ausreisen könne, von staatlichen Leistungen auszuschließen, sofern hierdurch untragbare Verhältnisse entstünden. In derartigen eng begrenzten Fällen könne eine Mindestsicherung nach dem SGB XII bzw. dem Asylbewerberleistungsgesetz im Wege der Rechtsfolgenanwendung in Betracht kommen (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.11.2012, Az. L 7 AS 2109/11 B ER). Dies treffe auf den vorliegenden Fall zu. Die Antragstellerin sei auch hilfebedürftig.
Die Leistungsgewährung sei längstens bis zum 31.10.2013 zu befristen, da das Gericht davon ausgehe, dass die Antragstellerin und ihr Kind nach dessen Geburt spätestens nach Ablauf des Mutterschutzes entsprechend der Regelung des § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz wieder reisefähig sein würden. Da eine Ausreise in das Heimatland dann voraussichtlich möglich sei, bestehe für Zeiträume ab 01.11.2013 aus jetziger Sicht kein Grund, der Antragstellerin weiterhin Leistungen zur Sicherstellung einer Mindestsicherung zu gewähren.
Die Beigeladene sei nicht zur Erbringung von Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 35 SGB XII zu verpflichten, weil diese für die nach ihrer Auskunft obdachlose Antragstellerin nicht anfielen.
Gegen den ihr am 08.08.2013 zugestellten Beschluss hat die Beigeladene am 28.08.2013 Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerin gehöre dem Grunde nach zu den Leistungsberechtigten nach dem SGB II, für die § 21 SGB XII die eindeutige Regelung treffe, dass diese Personen keinen Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII hätten. Unabhängig hiervon sei der Leistungsausschluss zum Zweck der Arbeitssuche in § 23 Abs. 3 SGB XII und § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II in beiden Gesetzen identisch geregelt. Daneben trage der Beschluss des SG nicht dem Bedarf der Antragstellerin an den erforderlichen Leistungen für die Krankenversorgung Rechnung, da der Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII anders als der Leistungsbezug nach dem SGB II keine Pflichtversicherung nach § 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auslöse. Unklar sei auch, ob sich die Antragstellerin – wie vom SG unterstellt – tatsächlich zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalte. Sie habe sich weder arbeitssuchend gemeldet noch bekanntermaßen eine wenn auch nur geringfügige Beschäftigung aufgenommen. Sei nicht die Arbeitssuche der alleinige Grund für die Aufenthaltsnahme in Deutschland, sei die Leistungsversagung nach dem SGB II rechtswidrig.
Im Hinblick auf den bevorstehenden Geburtstermin hat die Beigeladene Leistungen für den Monat August an die Antragstellerin in bar ausgezahlt. Auch der Antragsgegner hat nach eigenen Angaben – irrtümlich – Leistungen in Form der Regelleistung für diesen Monat gezahlt. Folgezahlungen hat die Antragstellerin nicht in Anspruch genommen. Ein für den Monat September vom Antragsgegner ausgestellter Barscheck ist von der Antragstellerin nicht eingelöst worden. Nach ihren Angaben gegenüber dem Antragsgegner ist sie zu einem Freund, nach Angaben der Beigeladenen zum Vater ihres Kindes, gezogen.
Die Beigeladene beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 07.08.2013 aufzuheben und den Antragsgegner zur Leistung zu verpflichten.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat keinen Antrag gestellt und sich auch im Übrigen trotz Anschreibens durch den Senat nicht (mehr) zur Sache geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen; dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Beschwerde der Beigeladenen ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat die Beigeladene zu Unrecht vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin Hilfe zum Lebensunterhalt für die Monate August bis Oktober 2013 zu zahlen.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (Anordnungsgrund). Der geltend gemachte Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO).
Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sowohl gegenüber der Beigeladenen hinsichtlich einer Leistungsgewährung nach dem SGB XII als auch gegenüber dem Antragsgegner nach dem SGB II nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Eilbedarf hinreichend glaubhaft gemacht, da sie eine tatsächliche Hilfebedürftigkeit im streitigen Zeitraum von August bis Oktober 2013, die sowohl gem. § 27 SGB XII als auch gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II unabdingbare Grundvoraussetzung für den Bezug der begehrten Leistungen ist, nicht einmal überhaupt nur dargelegt hat. Begründete Zweifel an der Hilfebedürftigkeit ergeben sich dabei vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin offenkundig (doch) von dritten Personen, anscheinend zumindest wohl dem Vater des gemeinsamen Kindes, unterstützt wird, keine Leistungen mehr in Anspruch genommen hat und das Eilverfahren sowie wohl auch das Hauptsacheverfahren nicht mehr betreibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 09.01.2014
Zuletzt verändert am: 09.01.2014