Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 04.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2003 verurteilt, gem. § 9 Abs. 4 SGB VII den Kausalzusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz und dem Hautkrebs im Sinne der Nr. 5101 der Anlage zur BKV festzustellen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Der 1943 geborene Kläger begehrt die Feststellung, dass der bei ihm diagnostizierte Hautkrebs ursächlich im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) auf die schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz zurückzuführen ist.
Der Kläger erlernte den Beruf des Schlossers von 1958 bis 1961 und arbeitet in seinem Beruf bis heute.
Im August 2001 erstattete Dr. R, P, einen Hautarztbericht. Er äußerte den Verdacht, dass ein bei dem Kläger vorliegender chronischer Lichtschaden auf die UV- und Wärmestrahlen bei Schweißarbeiten zurückzuführen sei.
Die Beklagte holte Auskünfte von den Arbeitgebern des Kläger ein und zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei.
Nach einem Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes vom 05.03.2002 hat der Kläger von 1963 an überwiegend Schweißarbeiten ausgeführt. Der dabei entstandenen Strahlung von UV, IR und sichtbarer Strahlung sei er ausgesetzt gewesen, da in der Regel nicht ausreichende Schutzkleidung getragen worden sei.
Die Beklagte ließ den Kläger untersuchen und begutachten von Prof. Dr. T, Freudenberg. Prof. Dr. T kam in ihrem Gutachten vom 27.06.2002 zu dem Ergebnis, dass keine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV vorliege. Die Voraussetzungen hierfür seien nicht erfüllt. Es sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegen, dass der chronische Lichtschaden beruflich erworben worden sei. In Betracht käme auch ein in seiner Freizeit durch häufige Gartenarbeit und den damit verbundenen Aufenthalten im Freien verursachter Lichtschaden.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme von Dr. I, X, vom 02.10.2002 ein. Auch er kam zu dem Ergebnis, dass eine wesentlich berufliche Mitverursachung nicht hinreichend wahrscheinlich sei.
Die Beklagte zog noch verschiedene Aufsätze bei.
Mit Bescheid vom 04.12.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bei ihm eine erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut mit chronischem Lichtschaden in Form von pigmentierten aktinischen Keratosen vorläge. Dieser sei jedoch nicht als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV oder wie eine Berufskrankheit anzuerkennen. Es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit. Zudem lägen keine neuen medizinischen Erkenntnisse seit der letzten Ergänzung der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vor.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 04.12.2002 Widerspruch ein. Er führte aus, bei der Abwägung zwischen einer Sonneneinstrahlung im Freizeitbereich und einerseits ca. 40 Jahren verrichteten Schweißer-/Zusammenbauertätigkeit von 8 – 10 Stunden täglich mit der vom Technischen Aufsichtsdienst bestätigten schädigenden UV-Bestrahlung sei mehr als offenkundig, dass der berufliche Anteil die weitaus höhere Belastung darstelle. Zumindest liege eine wesentliche Teilursächlichkeit vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 12.08.2003 Klage erhoben. Er wiederholt das Vorbringen aus dem Vorverfahren. Im Übrigen ist er der Auffassung, dass er zwar noch schädigend tätig sei, aber ein besonderes Interesse an der Feststellung des Kausalzusammenhangs habe. Erst wenn feststünde, dass die Leistungspflicht der Beklagten bestünde, sei er in der Lage, die schädigende Arbeit aufzugeben.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 04.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2003 die Beklagte zu verurteilen, gemäß § 9 Abs. 4 SGB VII den Kausalzusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz und dem Hautkrebs im Sinne der Nr. 5101 der Anlage zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. T1, P1, vom 30.03.2004. Prof. Dr. T1 hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass zusammengefasst unter medizinischen Aspekten die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV erfüllt seien, jedoch wegen der juristischen Gegenargumente eine Anerkennung nicht in Betracht käme. Auf den Inhalt des Gutachtens wird verwiesen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die bei dem Kläger vorliegende Hauterkrankung könnte nicht unter Nr. 5101 der Anlage zur BKV subsumiert werden. Eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit käme nicht in Betracht. Es sei keine sogenannte BK-Reife anzunehmen. Denn es sei nicht absehbar, dass der Verordnungsgeber diese Erkrankung mit in die BKV aufnehmen würde bei der nächsten Änderung. Obwohl diese Problematik seit geraumer Zeit bekannt sei, sei der Verordnungsgeber auch bei der letzten Änderung vom 01.10.2002 nicht entsprechend tätig geworden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 30.04.1986 (Az.: 2 RO 35/85) ausgeführt habe, dass der Begriff Haut weit auszulegen sei. Unter Berücksichtigung des in diesem Urteil aufgezeigten Schutzzweckes liege hier eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV vor. Desweiteren hat der Kläger darauf verwiesen, dass ein Kälteschaden den Begriff der Hauterkrankung im Sinne der geltend gemachten Berufskrankheit erfüllt.
Das Gericht hat ein Urteil des Sozialgerichtes München vom 02.10.2002 beigezogen. Das Sozialgericht München hatte eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 17.12.2001 eingeholt. Danach sei nicht mit einer kurzzeitigen Änderung der BKV zu rechnen.
Desweiteren hat das Gericht eine Stellungnahme von dem Nachfolger des verstorbenen Prof. Dr. T1, Prof. Dr. K, eingeholt. Dieser hat unter dem 11.01.2005 auf die Literaturstelle Nr. 37 verwiesen. Eine Kopie dieser Literaturstelle hat er zugelegt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die den Kläger betreffende Akte der Beklagten lag dem Gericht vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 04.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2003 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn dem Kläger steht gemäß § 9 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches Sieben – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) ein berechtigtes Interesse auf Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen den schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz und der bei ihm entstandenen Hautkrankheit zu. Auch ist ein solcher Zusammenhang unter der Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV zu fassen. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung als Berufskrankheit bezeichnet werden. Ausdrücklich benannt ist eine Hautkrebserkrankung unter der Nr. 5102 der Anlage zur BKV. Darin heißt es, dass als Berufskrankheit Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaphin, Teer, Anthracen, Pech oder ähnliche Stoffe anerkannt werden. Unter der Nr. 5101 der Anlage zur BKV sind schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, aufgeführt.
Unstreitig liegt bei dem Kläger keine Berufskrankheit nach Nr. 5102 der Anlage zur BKV vor, da er den in dieser Berufskrankheitennummer aufgeführten Stoffen nicht ausgesetzt war. Entgegen der von Prof. Dr. T1 zitierten und von Prof. Dr. K übersandten Literaturstelle Nr. 37 (Brandenburg, S. (2003): Unfallversicherungsrechtliche Grundlagen. in: T1, H.-J. et al.: Gutachtendermatologie. Steinkopff, Darmstadt: 139 – 166) vertretenen Auffassung, dass – da die BKV in Gestalt der Nr. 5102 einen gesonderten Tatbestand für Hautkrebserkrankungen enthält, es aus systematischen Gründen ausgeschlossen sei, eine Hautkrebserkrankung unter dem Allgemeintatbestand der Nr. 5101 zu erfassen, sofern die speziellen Expositionsvoraussetzungen der Nr. 5102 nicht erfüllt sind, vertritt die Kammer die Auffassung, dass die Berufskrankheit nach Nr. 5102, die spezielle Einwirkungen für die Entstehung des Hautkrebses voraussetzt, nicht die Subsumierung des Hautkrebses unter Nr. 5101 der Anlage zur BKV ausschließt. Mit dem Bundessozialgericht (Urteil vom 28.04.2004, Az.: B 2 U 21/03 R) ist die Kammer der Auffassung, dass angesichts des unterschiedlichen und vielfältigen Begriffs Inhalts des Wortes Haut im Sprachgebrauch davon auszugehen ist, dass die Auslegung des Begriffs "Hauterkrankung" vom Schutzzweck der Norm her zu erfolgen hat und dieser für eine weite Auslegung spricht. Es ist nicht gerechtfertigt, den Begriff der Hauterkrankung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV nur aus einem allgemeinen oder medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch heraus zu deuten und seine eigentliche Funktion, nämlich die Absicherung gegen die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen des Einflusses schädlicher Arbeitsstoffe und die dadurch erzwungene Aufgabe der beruflichen Tätigkeit in den im Hintergrund zu drücken. Da die Entstehung des Hautkrebses vielfältige Ursachen haben kann ist eine Subsumierung auch unter Nr. 5101 der Anlage zur BKV geboten. Für den Fall, dass ein Hautkrebs durch die in Nr. 5102 der Anlage zur BKV aufgeführten Stoffe entstanden ist, gilt dann die Beweiserleichterung der Nr. 5102 der Anlage zur BKV. Diese setzt nämlich – im Vergleich zu Nr. 5101 der Anlage zur BKV nicht voraus, dass eine wiederholt rückfällige oder schwere Hauterkrankung vorliegt. Zudem verlangt die Nummer 5102 der Anlage zur BKV auch nicht die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit, wie sie in Nr. 5101 gefordert wird. Insofern gilt zwar die Nummer 5102 der Anlage zur BKV als "Lex spezialis", jedoch nur dann, wenn der Versicherte den in Nr. 5102 aufgeführten Stoffen augesetzt war. Für den Fall, dass eine Hautkrebserkrankung vorliegt, der Versicherte jedoch nicht den Einwirkungen im Sinne von Nr. 5102 der Anlage zur BKV ausgesetzt war, ist – allerdings unter den verschärften Bedingungen der Nr. 5101 der Anlage zur BKV – nicht ausgeschlossen, diese auch unter Nr. 5101 der Anlage zur BKV zu subsumieren. Denn ein solcher Ausschluss verbietet bereits – wie oben dargelegt – der Sinn und Zweck der Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV.
Die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV liegen – mit Ausnahme der Aufgabe der Tätigkeit – auch vor. Die krankheitsauslösende UV-Exposition am Arbeitsplatz ist durch den Technischen Aufsichtsdienst gesichert. Sie war für Schweißerarbeitsplätze ungewöhnlich hoch, und dies über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren. Auch haben sich charakteristische Hautveränderungen, wie sie bei Schweißern beobachtet werden, eingestellt. Ferner haben sich Hautveränderungen, wie sie bei chronischer UV-Exposition entstehen, nur in beruflich exponierten Arealen eingestellt. Insofern kann die Kammer auch nicht dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Prof. Dr. T folgen. Zwar ist davon auszugehen, dass der Kläger in seiner Freizeit auch bei der Gartenarbeit einer gewissen UV-Exposition ausgesetzt war, jedoch ist bei Arbeitnehmern davon auszugehen, dass sie gerade die schädigende Mittagssonne am Arbeitsplatz verbringen und lediglich in den Abendstunden bzw. am Wochenende sich im Freien außerberuflich bewegen. Zudem haben sich die chronischen UV-Expositionen in beruflich exponierten Arealen eingestellt.
Da – mit Ausnahme der Aufgabe der schädigenden Tätigkeit – alle übrigen Voraussetzungen der Nr. 5101 der Anlage zur BKV erfüllt sind, hat die Beklagte den Kausalzusammenhang auch festzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Erstellt am: 14.09.2006
Zuletzt verändert am: 14.09.2006