Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.05.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die teilweise Rücknahme und die Erstattung von Arbeitslosengeld in Höhe von 1.716,65 EUR.
Die am 00.00.1971 geborene Klägerin ist Türkin und verfügt über einen deutschen Hauptschulabschluss. Sie spricht fließend Deutsch. Nach der Schule und einem kurzen Türkeiaufenthalt arbeitete sie zunächst als Montiererin bei O vom 27.03.1990 bis 31.05.1999. Diese Tätigkeit wurde durch zwei Erziehungszeiten unterbrochen. Ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 26.05.1999 wurde mit Bescheid vom 10.08.1999 für die Zeit ab 01.06.1999 für eine maximale Anspruchsdauer von 360 Tagen entsprochen. Bezüglich des Bemessungsentgelts, welches die Beklagte zunächst mit 480,00 DM angesetzt hatte, legte die Klägerin selbst Widerspruch ein mit dem Ziel, ein höheres Bemessungsentgelt zu berücksichtigen. Diesem Widerspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.1999 insoweit ab, als das Bemessungsentgelt ab 20.08.1999 auf 840,00 DM festgesetzt wurde. Wegen der Zeit bis 19.08. führte die Klägerin wegen der Höhe des Bemessungsentgelts einen Rechtsstreit – Sozialgericht Dortmund S 37 (1) AL 163/99 -, der am 06.02.2001 mit einem Anerkenntnis der Beklagten endete. Die Klägerin erhielt nachträglich auch für die Zeit vom 01.06. bis 19.08.1999 Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von 840,00 DM.
Seit dem 07.02.2000 nahm die Klägerin an einer Bildungsmaßnahme teil, die die Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau zum Ziel hatte. Die Klägerin absolvierte diese bis zum 31.12.2001 dauernde Maßnahme mit Erfolg. Während der Maßnahme erhielt die Klägerin statt Arbeitslosengeld Unterhaltsgeld in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes nach einem Bemessungsentgelt von anfangs 840,00 DM und zuletzt von 940,00 DM in Höhe von zuletzt 393,54 DM wöchentlich im Dezember 2001.
Nach Beendigung der Ausbildung meldete sich die Klägerin am 03.01.2002 erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte ihr ab 01.01.2002 Arbeitslosengeld für eine Restanspruchsdauer von 95 Tagen nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 945,00 EUR nach Leistungsgruppe A/1 in Höhe von wöchentlich 327,39 EUR (Bescheid vom 19.03.2002). Bei dieser Bewilligung rechnete die Beklagte aufgrund eines Berechnungsfehlers das zuletzt im Jahr 2001 maßgebliche Bemessungsentgelt nicht von DM in Euro um. Die Bewilligung erfolgte somit ab 01.01.2002 nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 945,00 EUR statt richtigerweise von 480,00 EUR. Die Klägerin erhielt somit im Anschluss an das im Dezember 2001 bezogene Unterhaltsgeld in Höhe von 393,54 DM ab Januar 2002 Arbeitslosengeld in Höhe von 327,39 EUR, jeweils wöchentlich. Bei einer routinemäßigen Überprüfung fiel der Beklagten dieser Fehler im Februar 2003 auf.
Nach Anhörung der Klägerin nahm die Beklagte die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 06.06.2003, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005, teilweise für die Zeit vom 01.01.2002 bis 05.04.2002 in Höhe von wöchentlich 126,49 EUR zurück und verlangte die Erstattung von 1.716,65 EUR. Zur Begründung führte sie aus, dass aufgrund eines Berechnungsfehlers das der Leistung zugrunde liegende Bemessungsentgelt nicht von DM-Beträgen in Euro-Beträge umgerechnet worden sei, so dass der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 327,39 EUR anstelle von 200,90 EUR bewilligt worden sei. Die Klägerin hätte leicht erkennen können, dass die ab Januar 2002 bewilligte Leistung viel zu hoch gewesen sei, so dass sie sich auf Vertrauen nicht berufen könne. Pro Tag seien 18,07 EUR zuviel überwiesen worden, so dass sich bei einem Leistungsbezug von 95 Tagen ein Erstattungsbetrag von 1.716,65 EUR ergebe. Als Rechtsgrundlage wurde § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III genannt.
Gegen den am 15.11.2005 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 19.12.2005, einem Montag, Klage beim Sozialgericht in Dortmund erhoben. Sie hat vorgetragen, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, den Fehler zu erkennen. Auch die Lektüre des Merkblattes hätte nicht weiter geholfen, da eine Kontrolle der Leistungshöhe anhand des Merkblattes nicht möglich sei. Das Geld habe sie im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Bewilligung verbraucht.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 06.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2005 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 16.05.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es wörtlich Folgendes ausgeführt:
"Die Beklagte hat die Leistungsbewilligung zu Recht für die Zeit vom 01.01.2002 bis 05.04.2002 teilweise zurückgenommen und die Erstattung von Arbeitslosengeld in Höhe von 1.716,65 EUR verlangt.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) rechtswidrig ist, darf er gemäß § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1.er den Verwaltungakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Die Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 19.03.2002 liegen vor. Bei diesem Bescheid handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der rechtswidrig ist. Bei der Weiterbewilligung des Arbeitslosengeldes hätte die Beklagte das ungerundete Bemessungsentgelt (942,74 DM) der zuvor bezogenen Leistung in Euro umrechnen müssen, so dass die Klägerin einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 480,00 EUR hatte (vgl. §§ 132, 133 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III). Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Demnach hatte die Klägerin einen Leistungsanspruch in Höhe von wöchentlich 200,90 EUR. Gezahlt worden sind jedoch wächentlich 327,39 EUR.
Auch die einschränkenden Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X für eine Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit liegen vor. Die Klägerin kann sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen, da sie in Folge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrig-keit der Leistungsbewilligung nicht erkannt hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X dann vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Der Betroffene muss einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb dasjenige nicht beachtet haben, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Es ist insoweit auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen des Begünstigten sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen und ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.1997 – Az.: 11 RAr 89/96). Die Klägerin hätte aufgrund einfachster und ganz nahe liegender Überlegungen bei Erhalt des Bescheides vom 19.03.2002 erkennen können, dass ihr ab dem 01. Januar 2002 eine zu hohe Leistung bewilligt worden ist. Es war allgemein bekannt, dass die Umstellung von DM- auf Euro-Beträge im Verhältnis von ungefähr 2 zu 1 (2 DM = 1 Euro) erfolgt ist. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür finden können, dass die Klägerin dieses Wissen nicht hatte. Weiterhin war der Klägerin bekannt, dass ihr Unterhaltsgeld in gleicher Höhe gezahlt worden ist wie zuvor das Arbeitslosengeld. Insofern wusste sie bzw. hätte wissen müssen, wenn sie nahe liegenste Überlegungen angestellt hätte, dass das Arbeitslosengeld in Höhe des Unterhaltsgeldes gezahlt wird. Da sie wusste, dass sie bis Dezember 2001 Unterhaltsgeld in Höhe von wöchentlich 292,54 DM erhalten hat, hätte ihr auffallen müssen, dass das Arbeitslosengeld ab Januar um cirka ein Drittel höher liegt als das Unterhaltsgeld. Dieser Fehler ist so augenfällig, dass er der Klägerin hätte auffallen müssen. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass sie die Überzahlung nicht verursacht hat und sie grundsätzlich nicht gehalten ist, zu Gunsten der Fachbehörde einen Bewilligungsbescheid des Näheren auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Aber auch Leistungsempfängern, die richtige und vollständige Angaben gemacht haben, ist grobe Fahrlässigkeit dann vorzuwerfen, wenn der Fehler geradezu "in die Augen springt" (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2001 – Az.: B 11 AL 21/00 R). Dies ist, wie bereits dargelegt, vorliegend der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach ihren subjektiven Erkenntnismöglichkeiten nicht in der Lage gewesen ist, die offensichtliche Fehlerhaftigkeit zu erkennen, liegen nicht vor.
Selbst wenn die Klägerin den Bescheid vom 19.03.2003 nicht gelesen haben sollte, kann dies nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, sondern wäre ihr im Sinne grober Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Denn auch wenn dies nicht ausdrücklich gesetztlich geregelt ist, besteht eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2001 – Az.: B 11 AL 21/00 R).
Der Umstand, dass die Klägerin kein Verschulden an der Überzahlung traf, ist nicht zu berücksichtigen. Dem hätte nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung Rechnung getragen werden können, die jedoch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gemäß § 330 Abs. 2 SGB III ausgeschlossen ist (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 20.10.2004 – Az.: L 6 AL 65/03).
Die Beklagte hat zu Recht einen Betrag in Höhe von 1.716,65 EUR erstattet verlangt. Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungs-akt aufgehoben worden ist. Im Aufhebungszeitraum hat die Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 1.716,65 EUR zuviel erhalten. Diesen Betrag muss sie zurückzahlen."
Gegen dieses ihr am 31.05.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.06.2006 eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Voraussetzungen für die Rücknahme der fehlerhaften Entscheidung der Beklagten nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht vorlägen. Ebensowenig wie die Beklagte habe sie nicht erkannt, dass eine Umrechnung von DM-Beträgen in Euro-Beträge nicht erfolgt sei und ihr infolge dieses Fehlers eine zu hohe Leistung bewilligt worden sei. Die Arbeitslosengeldbewilligung sei im Anschluss an die Zahlung von Unterhaltsgeld nach einer beruflichen Qualifikation erfolgt. Nach ihrer Vorstellung hätte es durchaus Sinn gemacht, aufgrund ihrer nunmehr höheren Qualifikation auch höheres Arbeitslosengeld zu zahlen. Die Berechnungsgrundlagen für die Bemessung des Arbeitslosengeldes seien ihr im Einzelnen nicht bekannt gewesen. Das Merkblatt der Beklagten lasse eine Überprüfung nicht zu. Sie habe sich vielmehr auf die Sachkunde der Mitarbeiter der Beklagten verlassen. Im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Bewilligung habe sie den gesamten Leistungsbetrag zur Bestreitung ihres Lebens-unterhaltes und ihrer Kinder verbraucht. Ein Fehler, der im Sinne der vom Sozialgericht zitierten Rechtsprechung des BSG geradezu in die Augen springen müsse, habe nicht vorgelegen. Zwar habe sie den Bescheid nicht gründlich gelesen, das Nichtlesen eines Bescheides führe jedoch nicht zum Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Es könne von ihr nicht erwartet werden, dass sie Fehler der Arbeitsagentur erkenne. Nicht jede Auffälligkeit führe bereits zur grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit, denn es sei grundsätzlich nicht Sache des Arbeitslosen, bei jeder Entscheidung, die er sich nicht im Einzelnen erklären könne, bei der Arbeitsagentur rückzufragen. Der Bewilligungsbescheid vom 15.03.2002 sei in sich schlüssig und die Unrichtigkeit ergebe sich insbesondere nicht aus dem Bescheid selbst. Sie habe auf die Rechtmäßigkeit vertrauen dürfen.
Aber selbst wenn man einmal die Auffassung des Sozialgerichts teilen würde, so scheitere eine Aufhebung jedenfalls an § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X. Die Beklagte habe die Jahresfrist für die Aufhebung nicht eingehalten. Bereits bei Erlass des Bescheides vom 19.03.2002 seien der Beklagten alle für eine Rücknahme des dieses Bescheides maßgeblichen Umstände bekannt gewesen. Selbst wenn man noch eine Anhörung bezüglich der subjektiven Seite für erforderlich halte, so müsse diese Anhörung jedenfalls innerhalb eines Jahres nach Kenntnis aller objektiven Umstände erfolgen müssen. Die Beklagte habe die Klägerin aber erst mit Schreiben vom 03.04.2003 angehört, so dass bei dieser Anhörung die Jahresfrist bereits überschritten gewesen sei. Die Beklagte könne somit den Betrag von 1.716,65 EUR nicht erstattet verlangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.05.2006 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und nimmt hierauf Bezug.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungakte der Beklagten mit der Kundennummer 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.01. bis 05.04.2002 teilweise zurücknehmen und einen Betrag von 1.716,65 EUR zurückfordern durfte. Der Senat nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochenen Urteils, die er nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage für überzeugend erachtet. Von einer Wiederholung der Ausführungen des SG wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen.
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass der Fehler, der zu der Überzahlung führte, allein in der Sphäre der Beklagten liegt und dem dateneingebenden Bediensteten ebenfalls grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, so vermag dies die Klägerin nicht zu entlasten. Entscheidend ist allein, dass auch der Klägerin grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, was der Senat mit dem SG bejaht. Eine Abwägung der Schwere der beider-seitigen Fahrlässigkeit im Sinne einer Minderung der Erstattungsverpflichtung findet nicht statt.
Mit dem LSG Berlin (Urteil vom 20.10.2004 – L 6 AL 65/03 -) und dem LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 12.09.2006 – L 13 AL 1070/05 -) geht der Senat davon aus, dass die Umstellung von DM- auf Euro-Beträge zum Jahreswechsel 2002 im Verhältnis etwa 2 zu 1 allgemein bekannt war. Auch der Klägerin war dies bekannt, wie sie selbst nicht in Abrede stellt. Einem Bezieher von Arbeitslosenhilfe, dem die Bedeutung des Bemessungsentgeltes für die Berechnung er Leistung bekannt ist, muss das im Verhältnis von 1 zu 1 auf Euro-Beträge umgestellte Bemessungsentgelt sofort als fehlerhaft ins Auge springen im Sinne der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil des BSG vom 08.02.2001 – B 11 AL 21/00 R – und die zitierten Urteile des LSG Berlin und des LSG Baden-Württemberg). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der persönlichen Situation der Klägerin, denn das Maß der Fahrlässigkeit ist nach der persönlichen Urteils- und Kritik-fähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Betroffenen sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen. Die Klägerin spricht fließend Deutsch und hat den Beruf einer Reiseverkehrskauffrau erlernt, in welchen gerade der genaue Umgang mit Zahlen und verschiedenen Tabellen gefordert wird. Anhaltspunkte für ein eingeschränktes Einsichtsvermögen konnte der Senat bei der Klägerin nicht feststellen. Der Klägerin war zudem bekannt, dass zuvor das Unterhaltsgeld in Höhe des zuvor gezahlten Arbeitslosengeldes gezahlt wurde. Auch die Bedeutung des Bemessungsentgelts war ihr bekannt. Bei der Bewilligung des Arbeitslosengeldes im Jahre 1999 hat sie eine fehlerhafte – zu niedrige – Festsetzung des Bemessungsentgeltes erkannt und erfolgreich beanstandet, wie ihr Schreiben vom 20.08.1999 (Blatt 14 Verwaltungsakte) belegt. Dies hätte sie dann auch bei der viel gravierenderen Fehlberechnung Anfang 2002 erst recht erkennen müssen. Es entlastet sie nicht, dass sie den Bescheid nur flüchtig gelesen und dann im Vertrauen auf die Richtig-keit zur Seite gelegt haben will, denn sie hat die Obliegenheit, einen Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (BSG a.a.O.). Die Klägerin hätte schon bei einer einfachen überschlägigen Berechnung erkennen können und müssen, dass das im Anschluss an das Unterhaltsgeld gezahlte und (lediglich) wiederbewilligte Arbeitslosengeld aus der früheren Bewilligung nicht fast doppelt so hoch sein konnte, wie das zuvor bezogene Unterhaltsgeld. Ein Bemessungsentgelt von zuletzt 940,00 DM konnte sich auch unter Berücksichtigung einer Anpassung zum 01.01.2002 nicht auf 945,00 EUR erhöhen. Dies hätte die Klägerin sofort erkennen können und müssen. Wenn sie dies nicht tut, so liegt hierin grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG.
Auch die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten. Diese läuft nicht ab dem Tage, an dem der Fehler der Beklagten unterlaufen ist, hier also etwa im März 2002, sondern sie beginnt erst zu laufen, wenn die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass die Klägerin die teilweise Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem die Behörde aufgrund des ermittelten Sachverhaltes Kenntnis von der Bösgläubigkeit der Klägerin hatte. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist die den Beginn der Jahresfrist bestimmende Kenntnis dann anzunehmen, wenn mangels vernünftiger, objektiv gerechtfertigter Zweifel eine hinreichend sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung notwendigen Tatsachen besteht (vgl. BSG, Urteil vom 27.07.2000 – B 7 AL 88/99 R -). Diese Kenntnis lag hier frühestens mit dem Eingang des Schreibens der Klägerin vom 10.04.2003 (Blatt 84 Verwaltungsakte der Beklagten) vor, so dass mit dem Bescheid vom 06.06.2003 die Jahresfrist gewahrt worden ist.
Ob etwas Anderes gilt, wenn die Behörde nach Erkennen des Fehlers die Aufklärung der subjektiven Seite in vorwerfbarer Weise verzögert (so wohl die von der Klägerin zitierten Urteile des SG Gießen und des SG Aurich), kann hier dahinstehen. Aus der Akte der Beklagten (Blatt 64) ist nicht erkennbar, dass die Beklagte ihren Fehler vor März 2003 erkannt hat oder dass ein ordentlich arbeitender Bediensteter ihn vorher hätte erkennen können.
Die Beklagte durfte somit die Bewilligung von Arbeitslosengeld teilweise zurückehmen und den überzahlten Betrag in Höhe von 1.716,65 EUR, der der Höhe nach zutreffend berechnet worden ist, wie sich aus Blatt 65/66 der Verwaltungsakte ergibt, nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückfordern. Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Bei der Beurteilung der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Beurteilung des Tatbestandes im Einzelfall.
Erstellt am: 05.07.2007
Zuletzt verändert am: 05.07.2007