Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.05.2009 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller die Regelleistung nach § 20 SGB II für den Zeitraum vom 16.04.2009 bis zum 30.06.2009 ungekürzt und nicht nur in Höhe von 70 % zu gewähren. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers dem Grunde nach.
Gründe:
Das Sozialgericht (SG) hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 15.05.2009 verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 16.04.2009 (Beantragung des einstweiligen Rechtsschutzes bei Gericht) bis zum 30.06.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ausgehend von den Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,20 EUR (angemessene Kaltmiete 223,30 EUR, Nebenkosten 120,- EUR, Heizkosten 59,- EUR) und von einer Regelleistung in Höhe von 70 % von 351,- EUR (245,70 bzw. 139,23 EUR) zu gewähren. Die weitergehenden Anträge, Leistungen bereits ab dem 01.03.2009 zu zahlen und "seiner Vermieterin alle verursachten Kosten zu erstatten", hat das SG abgelehnt.
Der Antragsteller begehrt mit seiner Beschwerde die Zahlung von Grundsicherungsleistungen bereits ab März 2009, die Berücksichtigung der ungekürzten Regelleistung und die Zahlung der Kosten incl. Anwaltskosten, die die Vermieterin gegenüber dem Antragsteller geltend macht aus dem Mietverhältnis seitens der Antragsgegnerin.
Die zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als das SG die Höhe der Regelleistung auf 70 % begrenzt hat. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
Soweit der Antragsteller Leistungen nach dem SGB II bereits ab März 2009 begehrt, ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Beschluss, die er sich nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Ergänzend betont der Senat, dass im Hauptsachverfahren geklärt und endgültig entschieden werden muss, ob der Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen für den Zeitraum vom 01.03.2009 März bis zum 15.04.2009 hat.
Für den Zeitraum vom 16.04.2009 bis zum 30.06.2009 ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass dem Antragsteller ab 16.04.2009 die Regelleistung zusteht. Insoweit sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Jedoch steht dem Antragsteller für April 2009 anteilig ab 16.04.2009 sowie für Mai und Juni 2009 die ungekürzte Regelleistung zu. Entgegen der Auffassung des SG kommt eine Begrenzung der Regelleistung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf 70 % unter Hinweis auf eine ansonsten eintretende Vorwegnahme der Hauptsache nach der Rechtsprechung des Senats bei Vorliegen eines glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs nicht in Betracht (Beschluss des erkennenden Senats vom 14.05.2009 – L 7 B 72/09 AS ER; ebenso LSG NRW, Beschluss vom 02.05.2007 – L 20 B 310/06 AS ER; LSG NRW, Beschluss vom 29.09.2006 – L 9 B 87/06 AS ER). Ein Abwarten auf das Hauptsacheverfahren ist im Hinblick auf den existenzsichernden Charakter der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II und des Bedarfsdeckungsgrundsatzes nicht zumutbar. Es ist Bestandteil des effektiven Rechtsschutzes, dass, wenn ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wird, die notwendigen Leistungen zeitnah zur Verfügung stehen sollen. Denn jede Einschränkung der Leistungshöhe auf einen Betrag unterhalb der ungekürzten Regelleistung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren stellt einen erheblichen Eingriff dar. Würde insoweit einstweiliger Rechtsschutz nicht umfassend gewährt, käme es auch zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Fallgestaltungen nach § 86b Abs. 1 SGG.
Daraus folgt, dass dem Antragsteller für die Monate Mai und Juni 2009 die Regelleistung in Höhe von 351,- EUR und für April 2009 ab 16.04.2009 anteilig jeweils abzüglich des durch Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.05.2009 ausgewiesenen Betrages in Höhe von je 245,70 EUR für Mai und Juni 2009 bzw. 139,23 EUR für April 2009 zusteht.
Soweit der Antragsteller einen Anspruch "auf Übernahme der der Vermieterin verursachten Kosten durch die Antragsgegnerin" geltend macht, hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Zur Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen des SG im angegriffenen Beschluss, die er sich nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass aus dem Vortrag des Antragstellers im Verfahren erkennbar ist, dass es sich um Kosten im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis, dem beim Amtsgericht (AG) Bochum anhängigen Verfahren (47 C 163/09) und den Anwaltskosten handelt. Bedenken gegen die Bejahung eines Anordnungsgrundes bestehen auch deshalb, weil der Antragsteller zum Teil nur auf eine Anwaltsrechnung aus Februar 2009 (546,69 EUR) verweist und ansonsten die Verpflichtung der Antragsgegnerin, noch nicht bezifferte Anwaltskosten aus dem zivilrechtlichen Klageverfahren begehrt. Ein Anordnungsanspruch ist auch nicht glaubhaft gemacht, da nicht ersichtlich ist, aus welchem Rechtsgrund die Antragegenerin insoweit zur Tragung der Anwaltskosten verpflichtet sein soll.
Sollte das Rechtsschutzbegehren des Antragsteller auf die Übernahme der Mietschulden nach 22 Abs. 5 SGB II gerichtet sein, so bedarf es zunächst einer entsprechenden Beantragung bei der Antragsgegnerin. Für eine sofortige Inanspruchnahme des Gerichts fehlt es in diesen Fällen am Rechtsschutzbedürfnis.
Einer einstweiligen Regelung durch den Senat für den Zeitraum ab Juli 2009 bedurfte es nicht. Denn die Antragsgegnerin hat im Schriftsatz vom 05.06.2009 Bereitschaft signalisiert, auf der Grundlage der Entscheidung ab Juli 2009 Leistungen zu erbringen, wenn der Antragsteller einen entsprechenden Antrag stellt. Hierauf ist der Antragsteller vom Senat hingewiesen worden.
Im Hinblick auf den Antrag des Antragstellers, Prozesskostenhilfe unter seiner persönlichen Beiordnung zu gewähren, da er "keinen eigenen Beitrag zu den entstehenden Verfahrenskosten leisten könne", weist der Senat darauf hin, dass nach § 183 SGG das Verfahren vor den Sozialgerichten für Leistungsempfänger kostenfrei ist, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger bzw. wie vorliegend als Antragsteller beteiligt sind. Daraus folgt, dass für den Antragsteller keine Kosten zu zahlen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 16.07.2009
Zuletzt verändert am: 16.07.2009