Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.04.2018 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt auch im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Zusicherung nach § 34 Abs. 1 SGB X streitig.
Die am 00.00.1977 geborene Klägerin ist gelernte Hotelkauffrau und war in diesem Beruf bis 2010 tätig. Die Ausübung des Berufes ist der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich.
Seit dem 09.08.2012 ist die Klägerin an der Hochschule für Gesundheit in B für den Studiengang Bachelor of Science Ergotherapie immatrikuliert. Es handelt sich um ein Vollzeitstudium. Die Regelstudienzeit beträgt sieben Semester. Die Studienordnung sieht vor, dass die Studierenden im 6. oder 7. Semester die staatliche Prüfung zum Ergotherapeuten ablegen und an der Hochschule den Bachelor of Science als Abschluss erwerben. Die Klägerin befindet sich im 13. Semester. Mit Bescheid vom 25.04.2012 lehnte das Amt für Ausbildungsförderung den Antrag der Klägerin auf Ausbildungsförderung ab.
Im Jahr 2012 bezog die Klägerin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 02.08.2012 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie zum Wintersemester 2012 ein Studium zur Ergotherapeutin an der Hochschule für Gesundheit in B beginnen wolle. In dem Schreiben führte sie aus:
"Eine Umschulung zur Ergotherapeutin durch die Agentur für Arbeit wird leider nicht unterstützt. Frau C vom Fallmanagement B-Süd und Frau T von der beruflichen Rehabilitation der Bundesagentur für Arbeit B-Mitte haben mir geraten für meinen beruflichen Weg alle Möglichkeiten im Betracht zu ziehen und diesen zu verwirklichen. Ich selbst habe nach einer Möglichkeit, diesen Beruf erlernen zu können, gesucht und stieß auf die Hochschule für Gesundheit in B. Im letzten Jahr bestand die Möglichkeit zur Einschreibung, wie in der beiliegenden Zulassung vom 2011 deutlich wird. Allerding fehlte mir für die Immatrikulation das 4-wöchige Praktikum, das Zulassungsvoraussetzung für das Studium ist. Aufgrund der Unklarheiten seitens des Jobcenters war es mir leider nicht möglich, das dringend erforderliche Praktikum zu absolvieren. Allerdings bestand zum Wintersemester 2011 die Möglichkeit Bafög in Anspruch zu nehmen.
Zum jetzigen Zeitpunkt steht mir Bafög aufgrund der Altersgrenze, Studienbeginn nach dem 30. Lebensalter, nicht mehr zu. Mein Antrag auf Ausbildungsförderung beim BAföG-Amt wurde somit am 30.07.2012 abgelehnt. Meine Tochter M. B. hat am 00.00.2011 ihr 10. Lebensjahr vollendet und ich habe mein 35. Lebensjahr am 00.00.2012 vollendet.
Für das Wintersemester 2012 erfülle ich alle Zugangsvoraussetzungen. Das 4-wöchige Praktikum habe ich im April absolviert mit dem Einverständnis des Jobcenters. Die gesetzlichen Bestimmungen für "Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung" haben sich ab dem 01.04.2012 geändert. Da ich alleinerziehende Mutter einer 10-jährigen Tochter bin, bin ich auf die finanzielle Unterstützung angewiesen, um das Studium zu absolvieren zu können. Ich habe alle Möglichkeiten einer anderen Finanzierung in Erwägung gezogen. Jedoch ohne Erfolg. Für mich besteht die Möglichkeit die letzten 3 Semester des Bachelor Studiengangs durch ein Darlehen der abzudecken. Während der ersten vier Semester bin ich auf eine andere Finanzierung angewiesen. Ein Kredit oder Darlehen wird mir von den Banken nicht gewährt. Aus diesen Gründen bitte ich sie, mir Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen eines Darlehens ab dem 01.09.2012 zu bewilligen."
Mit Schreiben vom 15.08.2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit: "Bezüglich ihrer Anfrage vom 02.08.2012 teile ich Ihnen mit, dass das Jobcenter B für die Zeit Ihrer Ausbildung weiterhin Leistungen nach dem SGB II als Beihilfe zahlt. Gibt es einen schriftlichen Bescheid über die Ablehnung des Bafögs? Reichen Sie bitte zu gegebener Zeit eine Schulbescheinigung ein."
Die L-Bank bewilligte der Klägerin auf ihren Antrag vom 14.03.2013 einen Studienkredit für die Zeit vom 01.06.2013 bis 30.09.2013 i.H.v. 303,00 EUR monatlich und danach für höchstens 48 Monate (30.09.2017) i.H.v. maximal 650,00 EUR monatlich. Ab dem 01.10.2013 belief sich der Darlehensbetrag auf 597,00 EUR monatlich.
Der Beklage bewilligte der Klägerin für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 30.11.2014 Grundsicherungsleistungen. Die Klägerin legte in den Jahren 2012 und 2013 dem Beklagten Studienbescheinigungen vor.
Im Juni 2014 zog die Klägerin innerhalb B zu. In Folge des Umzuges wurde ein anderer Standort des Beklagten für die Klägerin zuständig. Zum 01.10.2014 zog die am 04.04.2001 geborene Tochter bei der Klägerin ein.
Auf den Fortbewilligungsantrag der Klägerin vom 02.12.2014 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 02.12.2014, adressiert an die Klägerin, ihrer Tochter Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.12.2014 bis 31.05.2015. Die Gewährung von Grundsicherungsleistungen an die Klägerin lehnte der Beklagte unter Berufung auf § 7 Abs. 5 SGB II ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Beschluss vom 14.01.2015 verpflichtete das Sozialgericht Dortmund, S 37 AS 5245/14 ER, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung, der Klägerin vorläufig Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 12.12.2014 bis 31.12.2014 in Höhe vom 29,64 EUR und vom 01.01.2015 bis zum 31.05.2015 i.H.v. monatlich 54,72 EUR zuzahlen. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Mit Änderungsbescheid vom 11.12.2014 bewilligte der Beklagten der Klägerin einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung i.H.v. 43,92 EUR für Dezember 2014 sowie i.H.v. 47,88 EUR monatlich für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.05.2015. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2015 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage, S 37 AS 1514/15.
Mit Bescheid vom 04.05.2015 bewilligte der Beklagte auf den Fortbewilligungsantrag der Klägerin deren Tochter Grundsicherungsleistungen vom 01.06.2015 bis 31.05.2016 sowie der Klägerin einen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Gegen die Höhe der bewilligten Leistungen legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Beschluss vom 01.09.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 07.09.2015 verpflichtete das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 7 AS 1144/ 15 B ER, den Beklagten, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung der Zahlungen aus dem L-Studienkredit für die Zeit vom 01.06.2015 bis zur Beendigung des Studiums "Bachelor Ergotherapie" an der HSG B, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu zahlen.
Die Klägerin erhält ab dem 01.06.2015 durchgehend Grundsicherungsleistungen.
Mit Bescheid vom 19.12.2014 nahm der Beklagte die Zusicherung vom 15.08.2012 unter Berufung auf § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB X mit Wirkung ab dem 03.12.2014 zurück. Die Zusicherung sei ohne rechtliche Grundlage erteilt worden. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil die ausstellende Behörde eine Entscheidung ohne zugrundeliegende Rechtsnorm getroffen habe und damit einen Fehler begangen habe. Hiervon sei die Klägerin durch den ablehnenden Bescheid vom 02.12.2014 spätestens unterrichtet worden. Mithin lägen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X vor. Unter Abwägung des Interesses der Klägerin am Fortbestehen der rechtswidrigen Entscheidung und dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufhebung von Verwaltungsakten, die nicht hätten ergehen dürfen, sowie dem weiteren Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler, das rein steuerfinanzierte Leistungen rechtmäßig in der gesetzlichen Höhe dem berechtigten Empfänger zugehen und nicht rechtswidrige Leistungen weiterhin gezahlt werden, überwiege das Interesse der Allgemeinheit und der Gemeinschaft der Steuerzahler das Interesse der Klägerin.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte aus, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X nicht vorlägen. Auch eine rechtswidrig erteilte Zusicherung dürfe nicht zurückgenommen werden, wenn die Begünstigte auf dem Bestand vertraut habe und dieses Vertrauen schutzwürdig sei. Sie habe auf die erteilte Zusicherung vertraut und eine Vermögensdisposition getroffen, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbarer Nachteilen rückgängig machen könne. Sie habe ein Studium begonnen und für die Zeit ab dem 01.06.2013 zur ergänzenden Finanzierung dieses Studiums einen Studienkredit bei der L-Bank aufgenommen. Für die Frage der "Kenntnis" i.S.v. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X komme ausschließlich auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des rechtswidrigen Bescheides an. Durch nachträgliche Belehrungen oder Bescheide könne die Verwaltung den gesetzlichen Vertrauensschutz nicht aushebeln. Auch die Ermessensausübung des Beklagten werde als unzureichend beanstandet. Des Weiteren sei die Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X zum Zeitpunkt der Rücknahme der Zusicherung bereits abgelaufen gewesen. Da der Zusicherung, für die Zeit der Ausbildung weiterhin Leistungen nach dem SGB II als Beihilfe zu zahlen, Dauerwirkung zukomme, sei eine Rücknahme nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist nicht mehr möglich. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 16.04.2015 hat die Klägerin Klage erhoben.
Mit Urteil vom 25.04.2018 hat das Sozialgericht Dortmund den Bescheid vom 19.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2015 aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Rücknahme der Zusicherung nach § 34 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 45 SGB X lägen nicht vor. Die Zusicherung vom 15.08.2012 sei nicht nichtig i.S.v. § 40 Abs. 1 SGB X. Der Rücknahme der Zusicherung stehe die Zwei-Jahres-Frist nach § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X entgegen. Bei der Zusicherung vom 15.08.2012 handele es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die Kammer verstehe die Zusicherung vom 15.08.2012 dahingehend, dass – soweit keine Änderung in den Verhältnissen eintrete – die Klägerin für den Zeitraum des Studiums (Regestudienzeit zunächst sieben Semester) Grundsicherungsleistungen beziehen könne, ohne dass sei wegen des Studiums hiervon ausgeschlossen sei. Daher entfalte dieser Verwaltungsakt der Zusicherung über seine Bekanntgabe hinaus Wirkung und schaffe ein Rechtsverhältnis, das bei Änderung der Rechtslage rechtswidrig werden könne. Auch könne sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X lägen nicht vor. Auf die weiteren Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 07.06.2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14.06.2018 Berufung eingelegt.
Er vertritt die Auffassung, dass es sich bei einer Zusicherung nach § 34 Abs. 1 SGB X nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt. Sie bedürfe ihren Wesen nach immer zu ihrer Umsetzung weiterer Regelungsakte. Daher könne eine Zusicherung niemals einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellen. Die Ausführungen des Sozialgerichts widersprächen der Gesetzessystematik, wonach eine Zusicherung keine Vorwegnahme einer behördlichen Entscheidung darstelle. Es bestehe auch keinerlei Grundlage für die Annahme eines Vertrauensschutzes. Es bestehe kein schutzwürdiges Interesse, wonach die Klägerin ein Studium, dass nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift des § 7 Abs. 5 SGB II nach dem BAföG förderungsfähig sei, beliebig lange und somit faktisch für unbegrenzte Zeit fortsetzen könne.
Der Beklagte hat beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.04.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass das erstinstanzliche Urteil zutreffend ist. Es könne dahin stehen, ob die Zusicherung selbst bereits ein Verwaltungsakt darstelle. Jeweils fänden kraft Verweis in § 34 Abs. 2 SGB X die für Verwaltungsakte geltenden Vorschriften, wie der § 45 SGB X, entsprechende Anwendung. Es liege bereits in der Natur der Zusicherung, dass es zur Erfüllung der sich aus ihr ergebenden Verpflichtung stets eines oder mehrerer weiterer Regelungsakte bedürfe. Dauerwirkung habe eine Zusicherung dementsprechend, wenn ihre Wirkung nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt eintrete und sie sich mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes/Umsetzungsaktes erledige, sondern sie für einen längeren Zeitraum Einfluss auf die Rechtsbeziehung der Beteiligten nehme und die Rechtslage gestalte. So liege der Fall hier. Mit der Zusicherung vom 15.08.2012 habe sich der Beklagte für mehrere Jahre, nämlich für die Gesamtdauer ihrer Ausbildung, gebunden. Zudem erfordere die Zusicherung immer wieder neue Umsetzungsakte, da die Leistungsbescheide jeweils nur eine begrenzte Geltungsdauer von sechs oder zwölf Monaten hätten. Sie genieße Vertrauensschutz. Auch sei die Ermessensausübung des Beklagten zu beanstanden.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung den Bescheid vom 19.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2015 insoweit aufgehoben, als die Zusicherung vom 15.08.2012 eine Leistungsgewährung bis zum 27.12.2014 betrifft. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Dortmund, S 37 AS 1514/15, S 37 AS 2103/15 ER, S 37 AS 1981/15 ER, Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 19.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2015 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 07.11.2019, soweit der Beklagte die Zusicherung vom 15.08.2012 mit Wirkung bis zum 27.12.2014 zurückgenommen hat.
Das Sozialgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.
Die gegen den Bescheid vom 19.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2015 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 07.11.2019 erhobene Anfechtungsklage nach § 54 Abs. S. 1 SGG ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 19.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2015 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 07.11.2019 beschwert, da dieser rechtswidrig ist.
Der Beklagte ist nicht berechtigt, die am 15.08.2012 erteilte Zusicherung über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen mit Wirkung für die Zukunft, d.h. ab dem 28.12.2014, zurückzunehmen. Bei dem Schreiben vom 15.08.2012 handelt es sich um eine Zusicherung i.S.v. § 34 Abs. 1 SGB X (1). Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Zusicherung nach § 34 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 45 SGB X liegen nicht vor (2).
1. Das Schreiben vom 15.08.2012 stellt eine Zusicherung i.S.v. § 34 Abs. 1 S. 1 SGB X dar. Danach stellt die Zusicherung eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage dar, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Sie ist eine hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen (BSG, Urteile vom 08.12.21993 – 10 RKg 19/92 und vom 20.03.2013 – B 6 KA 27/12 R). Dazu gehört zum einen der Wille der Behörde, sich auf ein zukünftiges Tun oder Unterlassen zu verpflichten, zum anderen muss sich die Erklärung auf einen konkreten Sachverhalt beziehen, d.h. der Gegenstand des zuzusichernden Verwaltungsaktes und der zugrunde liegende Sachverhalt muss zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung hinreichend konkretisiert sein (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2014 – B 8 SO 15/13 R).
Mit Schreiben vom 15.08.2012 hat der Beklagte als zuständiger Leistungsträger der Klägerin den Erlass von Verwaltungsakten betreffend die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zukunft verbindlich in Aussicht stellt. Dieses Schreiben ist dahingehend auszulegen, dass der Beklagte sich verpflichtet, der Klägerin Grundsicherungsleistungen in Form von Arbeitslosengeld II – Regelbedarf, Bedarf für Unterkunft und Heizung und notwendiger Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung – während der Absolvierung des Studiengangs Bachelor of Science Ergotherapie an der Hochschule für Gesundheit in B als Zuschuss zu gewähren. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme im Schreiben auf die Anfrage der Klägerin vom 02.08.2012, in der die Klägerin beim Beklagten um eine (umfassende) Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhalts ab Aufnahme des Studiums zumindest für die ersten vier Semester nachgefragt hat. Die Gewährung von Grundsicherungsleistungen erfolgt durch Verwaltungsakt.
Die erteilte Zusicherung ist wirksam, da das Schriftformerfordernis des § 34 Abs. 1 S. 1 SGB X gewahrt ist. Ebenfalls ist aus dem Schreiben erkennbar, dass die örtlich, sachlich und funktionell zuständige Behörde für die Bewilligung von Arbeitslosengeld II – das Jobcenter B – die Zusage auf Erlass künftiger Bewilligungsbescheides erteilt. Dahinstehen kann, ob diese Zusicherung auf die reguläre Studienzeit von sieben Semester begrenzt – wie vom Sozialgericht angenommen – oder zeitlich unbegrenzt, d.h. bis zum erfolgreichen Abschluss des Studiums, abgegeben ist. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Rücknahmebescheides hatte die Klägerin noch nicht die reguläre Studienzeit von sieben Semestern zurückgelegt, sie befand sich im 5. Semester.
2. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Zusicherung nach § 34 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 45 SGB X liegen nicht vor. Die Zusicherung vom 15.08.2012 ist zwar rechtswidrig (a), jedoch hat der Beklagten die Handlungsfrist des § 45 Abs. 3 SGB X nicht gewahrt (b).
Auf die Rücknahme einer rechtswidrigen Zusicherung ist nach § 34 Abs. 2 SGB X § 45 SGB X anzuwenden. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
a. Eine Zusicherung ist rechtswidrig, wenn ein Fehler ihr selbst oder dem zugesicherten, künftig zu erlassenden Verwaltungsakt anhaftet (vgl. Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 1/18, § 34 Rn. 27).
Die mit Schreiben vom 15.08.2012 erteilte Zusicherung des Beklagten ist rechtswidrig. Denn der zukünftig zu erlassende Verwaltungsakt – Bewilligung von Arbeitslosengeld II während der Immatrikulation der Klägerin an der Hochschule für Gesundheit in B – ist fehlerhaft. Ab Aufnahme des Studiengangs Bachelor of Science Ergotherapie ist die Klägerin nach § 7 Abs. 5 SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom 20.12.2011, BGBl. I 2854 – a.F.) vom Bezug von Arbeitslosengeld II ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 5 SGB II a.F. haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Bei dem Studiengang Bachelor of Science Ergotherapie handelt es sich nicht um eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme, sondern um eine Ausbildung. Eine Weiterbildungsmaßnahme liegt nur dann vor, wenn die Maßnahme auf einen kürzeren Zeitraum als nach der Ausbildungsverordnung vorgesehen, angelegt ist oder andere Veränderungen des Lehrstoffes aufgrund von beruflicher Vorbildung erfolgt sind (vgl. BSG, Urteil vom 30.08.2010 – B 4 AS 97/10 R). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Bei dem von der Klägerin angestrebten Studiengang handelt es sich um ein Studium, das nach den Vorschriften des BAföG (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig ist. Die Voraussetzungen für eine Rückausnahme nach § 7 Abs. 6 SGB II a.F. sind bei der Klägerin nicht gegeben gewesen. Danach findet der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 5 SGB II a.F. keine Anwendung auf Auszubildende, die (1.) aufgrund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 60 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben, (2.) deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG, nach § 62 Abs. 1 oder § 124 Abs. 1 Nr. 1 SGB III bemisst oder (3.) die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund von § 10 Abs. 3 BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Ebenfalls haben die Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für Auszubildende nach § 27 Abs. 4 S. 1 SGB II (i.d. ab dem 01.04.2012 geltenden Fassung, Gesetz vom 20.12.2011, BGBl. I 2854 – a.F.) bis auf die in § 27 Abs. 2 SGB II a.F. vorgesehenen Mehrbedarfe nicht vorgelegen. § 27 Abs. 3 SGB II a.F. ist nicht einschlägig gewesen, da schon zum Zeitpunkt des Erlasses der Zusicherung der Antrag der Klägerin auf BAföG abschlägig beschieden worden war.
§ 27 Abs. 4 SGB II a.F. sieht auch nur die Gewährung der Leistungen in Form eines Darlehens vor. Danach können Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II a.F. eine besondere Härte bedeutet. Eine zuschussweise Gewährung ist nicht vorgesehen. Auch sind ist die Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 SGB II a.F. – Vorliegen einer besonderen Härte – nicht gegeben gewesen. Eine besondere Härte liegt erst dann vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen ließen (BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R). Bei der ersten Fallgruppe ist wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden, der nicht durch BAföG oder BAB gedeckt werden kann, und es besteht deswegen begründeter Anlass für die Annahme, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werden kann und das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit droht (vgl. BSG Urteil vom 06.09.2007 – 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67). Für den Begriff "vor dem Abschluss stehend" muss die durch objektive Gründe belegbare Aussicht bestehen, nachweisbar etwa durch die Meldung zur Prüfung, dass der Ausbildungsabschluss in absehbarer Zeit bevorsteht. Dies ist hier offenkundig nicht der Fall. Auch der zweite Ausnahmefall einer weit fortgeschrittenen, bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung, die wegen einer Behinderung oder Krankheit gefährdet ist, liegt offensichtlich nicht vor. Bei der dritten Fallgruppe ist Voraussetzung, dass objektiv belegbar nur eine nach den Vorschriften des BAföG förderungsfähige Ausbildung die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt. Eine solche Konstellation ist nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar. Voraussetzung sind persönliche Defizite, die dem Studierenden andere Entwicklungsmöglichkeiten verschließen würden (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 28/06 R, SozR 4-4200 § 7 Nr. 8). Solche persönlichkeitsbedingten Problemlagen mit sich daran anschließenden Anpassungsproblemen sind hier nicht ersichtlich.
b. Der Senat lässt dahinstehen, ob sich die Klägerin – wie vom Sozialgericht angenommen – auf Vertrauensschutz i.S.v. § 45 Abs. 2 SGB X berufen kann oder die Ermessensausübung des Beklagten in dem angefochtenen Bescheid – wie von der Klägerin geltend gemacht – fehlerhaft ist. Jedenfalls hat der Beklagte – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – die Handlungsfrist des § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X bei Erlass des Rücknahmebescheides im Dezember 2014 nicht gewahrt.
Nach § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen (Satz 2). Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind (Nr.1) oder der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde(Nr. 2) (Satz 3).
Die Rücknahme der Zusicherung vom 15.08.2012 ist seitens des Beklagten erst nach Ablauf von zwei Jahren ab Erteilung der Zusicherung im August 2012, nämlich im Dezember 2014, erfolgt. § 45 Abs. 3 S. 2 SGB X ist nicht einschlägig, da Wiederaufnahmegründe i.S.v. § 580 ZPO nicht gegeben sind. Bei der erteilten Zusicherung vom 15.08.2012 handelt es sich auch – wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat – um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.
Eine Zusicherung i.S.v. § 34 Abs. 1 SGB X hat Verwaltungsaktqualität (Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 1/2018, § 34 Rn. 12 mit Wiedergabe des Meinungstandes; Siewert in LPK-SGB X, 5. Aufl. 2019, SGB X § 34 Rn. 7f). Maßgebend für die Dauerwirkung eines Verwaltungsaktes ist, ob der Verwaltungsakt über den Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus rechtliche Wirkungen entfaltet (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2010 – B 11 AL 4/09 R) bzw. ob er nach seinem Erlass, insbesondere durch eine Änderung der Sachlage, rechtswidrig werden kann (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, SGB X, Stand 10/2011, § 45 Rn. 19 m.w.N.). Es wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass sich die Regelung einer Zusicherung nach § 34 Abs. 1 SGB X in dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes erschöpft (Littmann, a.a.O., § 34 Rn. 30) und damit keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt, auch wenn die Zusicherung auf den Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung gerichtet ist. Demgegenüber wird einer Zusicherung Dauerwirkung i.S.v. § 45 Abs. 2 und Abs. 3 SGB X beigemessen, wenn der zugesicherte Verwaltungsakt eine Begünstigung mit Dauerwirkung darstellt (Siewert in LPK SGB X, 5.Aufl. 2019, § 34 Rn.13; Engelmann in Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 34 Rn.17). Für diese Auffassung spricht, dass in § 34 Abs. 3 SGB X der Wegfall der Bindungswirkung einer Zusicherung bei Änderung der Sach- und Rechtslage spezialgesetzlich, abweichend von § 48 SGB X, geregelt ist. Insoweit misst das Gesetz einer Zusicherung Dauerwirkung zu.
Vorliegend ist der Sachverhalt auch dadurch gekennzeichnet, dass im Hinblick auf die Regelung des § 41 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB II (i.d.F. der Bekanntmachung vom 13.05.2011, BGBl I, 850 – a.F.) und der Dauer des regulären Studienzeit von sieben Semestern sich in der Zusicherung vom 15.08.2012 der Beklagte zum Erlass mehrerer Verwaltungsakte betreffend die Bewilligung von Arbeitslosengeld II zumindest ab Aufnahme des Studiums durch die Klägerin im Oktober 2012 für die Dauer von sieben Semester also für ca.3,5 Jahre, verpflichtet hat. Nach § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II a.F. sollen die Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt und monatlich im Voraus erbracht werden. Der Bewilligungszeitraum kann auf bis zu zwölf Monate bei Leistungsberechtigten verlängert werden, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse in diesem Zeitraum nicht zu erwarten ist. Einen Bewilligungszeitraum über zwölf Monate hinaus sehen die gesetzlichen Vorschriften nicht vor. Die Zusicherung des Erlasses von mehreren Verwaltungsakten betreffend Grundsicherungsleistungen zumindest bis zum Ablauf der regulären Studienzeit von sieben Semestern entfaltet Dauerwirkung, so dass auf die Zusicherung vom 15.08.2012 eine die Vorschrift des § 45 Abs. 3 S.1 SGB X Anwendung findet.
Der Beklagte kann sich nicht auf die Zehn-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 S. 3 SGB X berufen. Denn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X liegen nicht vor (Nr. 1) und der Zusicherung ist kein Vorbehalt de s Widerrufs beigefügt gewesen. (Nr.2). Die Klägerin hat die Erteilung der Zusicherung nicht durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB X). Die Zusicherung beruht auch nicht auf Angaben, die die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X). Die Klägerin hat in dem Schreiben vom 02.08.2012 dem Beklagten mitgeteilt, dass sie zum Wintersemester 2012/13 ein Studium an der Hochschule für Gesundheit aufnehmen will, dass es sich bei dem Studium um ein nach dem BAföG dem Grund nach förderbares Studium handelt, die Gewährung von BAföG aus persönlichen Gründe – Überschreitung des Altersgrenze – abgelehnt worden ist, und sie um Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form eines Darlehens bitte.
Der Senat sieht es nicht als erwiesen an, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Zusicherung vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht kannte (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X). Bezugspunkt dieser Kenntnis oder des Kennenmüssens ist die "Rechtswidrigkeit des VA". Sie liegt vor, soweit die Begünstigte weiß oder wissen muss, dass die ihr begünstigende Regelung vom geltenden Recht nicht gedeckt ist. Grundlage dieser Kenntnis ist danach der Verwaltungsakt mit seinem gegebenenfalls zu überprüfenden Verfügungssatz und dessen Unvereinbarkeit mit der Rechtslage (BSG, Urteil vom 08.02.2001 – B 11 AL 21/00 R). Sie ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X gegeben, wenn die Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgebend dafür ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße hat danach verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, wobei das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umstände des Falles zu beurteilen ist. Die Bösgläubigkeit bzw. die grobe fahrlässige Unkenntnis i. S. d. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X muss zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des früheren zurückzunehmenden Bescheides vorgelegen haben. Es ist unerheblich, ob der Leistungsträger die Begünstigten durch einen späteren Hinweis von der Rechtswidrigkeit in Kenntnis gesetzt hat. Denn anderenfalls könnte die Verwaltung stets den Vertrauensschutz aufgrund der Abwägung nach § 45 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB X aushebeln (BSG, Urteile vom 27.01.2009 – B 7/7a AL 30/07 R und vom 22.03.1995 – 10 RKg 10/89).
Eine Antragstellerin, die wie die Klägerin zutreffende Angaben gemacht hat, ist im allgemeinen nicht zu Gunsten des Leistungsträgers gehalten, einen begünstigenden Bescheid – vorliegend die Zusicherung vom 15.08.2012 – auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Es ist Aufgabe des Leistungsträgers, wahrheitsgemäße tatsächliche Angaben einer Antragstellerin – wie im vorliegenden Fall – rechtlich einwandfrei umzusetzen Eine Antragstellerin darf davon ausgehen, dass ein Leistungsträger die wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt. Auch handelt es sich bei dem Inhalt der Zusicherung ausgehend von den subjektiven Erkenntnismöglichkeiten der Klägerin nicht um einen in das Auge springenden Fehler. Dies folgt allein schon aus der Komplexität der Regelung betreffend den Leistungsauschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II.
Der angefochtene Bescheid kann auch nicht nach § 43 Abs. 1 SGB X in eine Entscheidung nach § 34 Abs. 3 SGB X umgedeutet werden. Denn die Voraussetzungen für die Aufhebung einer Zusicherung nach § 34 Abs. 3 SGB X – Wegfall der Geschäftsgrundlage, der auf einer Änderung der Sach- und Rechtslage beruht – haben weder zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 19.12.2014 noch des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2015 vorgelegen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Sachlage – Betreiben eines Studiums innerhalb der regulären Studienzeit – nichtgeändert. Ebenfalls ist keine Änderung der Rechtslage eingetreten.
Ob der Wegfall der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 34 Abs. 3 SGB X zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten ist, ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Erstellt am: 15.06.2020
Zuletzt verändert am: 15.06.2020