Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 12.05.2011 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller streitet im gerichtlichen Eilverfahren gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt sowie einen Sanktionsbescheid des Antragsgegners nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Antragsteller bezieht mit seiner Ehefrau von dem Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 20.09.2010 wurden Leistungen für den Zeitraum 01.10.2010 bis 31.03.2011 bewilligt. Am 22.12.2010 erließ der Antragsgegner einen Eingliederungsverwaltungsakt, da der Antragsteller zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nicht bereit war. Dieser umfasste den Zeitraum vom 22.12.2010 bis zum 21.06.2011 und sah u.a. die Verpflichtung des Antragstellers vor, am 17.01.2011 an einer Informationsveranstaltung der Fachstelle B als voraussichtlichem Träger einer Maßnahme teilzunehmen. An dieser Veranstaltung nahm der Antragsteller nicht teil.
Nach Anhörung des Antragstellers erließ der Antragsgegner am 10.02.2011 einen Sanktionsbescheid und senkte die Leistungen für die Zeit vom 01.03.2011 bis 31.05.2011 in Höhe von 96,90 Euro monatlich ab. Einen Widerspruch des Antragstellers gegen den Eingliederungsverwaltungsakt wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2011 zurück.
Mit Schreiben vom 27.02.2011 haben der Antragsteller und seine Ehefrau, "Widerspruch auf einstweilige Anordnung gem. §§ 86a und b" beantragt. Außerdem werde beantragt, die damit verbundene Absenkung des Arbeitslosengeldes II in Höhe von 96,90 Euro aufzuheben. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass der Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung einen Eingriff in den Schutzbereich der in Art. 2 Grundgesetz normierten Vertragsfreiheit darstelle. Sanktionen dürften nicht verhängt werden, wenn die Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt erlassen worden sei. Im Übrigen sei der Antragsteller am 17.01.2011 krank gewesen. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag sowohl als Eilantrag gegen den Eingliederungsverwaltungsakt und den Sanktionsbescheid als auch als Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.02.2011 ausgelegt. Das Klageverfahren wird unter dem Aktenzeichen S 38 AS 1413/11 geführt.
Mit Beschluss vom 12.05.2011 hat das SG den Eilantrag bezüglich der Ehefrau des Antragstellers als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgelehnt. Die Ehefrau des Antragstellers sei nicht Adressatin der Verwaltungsakte und somit nicht beschwert. Die begehrte aufschiebende Wirkung gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2011 sei nicht anzuordnen, da eine offensichtliche Rechtswidrigkeit dieser Bescheide nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich sei. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Eingliederungsverwaltungsakts geschaffen und den vom Antragsteller gerügten "Eingriff in die Vertragsfreiheit" damit bewusst in Kauf genommen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden im Hinblick darauf, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II um steuerfinanzierte Mittel handele und der erwerbsfähige Hilfebedürftige gem. § 2 SGB II alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und insbesondere aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken müsse, nicht. Soweit sich der Antragsteller gegen den Sanktionsbescheid vom 10.02.2011 wende, sei sein Begehren sinngemäß als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen diesen Bescheid bzw. als Antrag auf Auszahlung ungekürzter Leistungen auszulegen. Zwar habe der Antragsteller einen solchen Widerspruch nicht ausdrücklich eingelegt, jedoch sei der Eilantrag gleichzeitig als Widerspruch anzusehen. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. die Auszahlung ungekürzter Leistungen lägen jedoch nicht vor. Gegen die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides bestünden keine Bedenken. Eine Sanktionierung sei auch bei einem Verstoß gegen Pflichten aus einem Eingliederungsverwaltungsakt möglich. Im konkreten Fall des Antragstellers seien die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b) SGB II erfüllt. Einen wichtigen Grund für die Nichtteilnahme an der Infoveranstaltung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht und insbesondere die angegebene Erkrankung am 17.01.2010 nicht ärztlich belegt. Der Antragsteller sei im Bescheid vom 22.12.2010 ausreichend über die Rechtsfolgen belehrt worden.
Gegen den ihm am 14.05.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 06.06.2011 Beschwerde erhoben.
Der Antragsgegner hat den Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 10.02.2011 mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2011 zurückgewiesen.
Mit der Bestätigung des Eingangs der Beschwerde hat der Senat den Antragsteller mit Schreiben vom 14.06.2011 um Mitteilung gebeten, ob das Eilverfahren im Hinblick darauf, dass der Sanktionszeitraum mittlerweile verstrichen sei, überhaupt durchgeführt oder dessen Begehren eher in einem Hauptsacheverfahren überprüft werden solle. Sofern der Antragsteller noch keine Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.05.2011 erhoben habe, sei die Klagefrist zu beachten, die abhängig vom Zugang des Widerspruchsbescheides in den nächsten Tagen ablaufen dürfte. Am 27.06.2011 (Eingang beim Landessozialgericht) hat der Antragsteller "Klage gegen den Widerspruchsbescheid" des Antragsgegners erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen den Eingliederungsverwaltungsakt gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG fehlt es im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die begehrte gerichtliche Anordnung könnte dem Antragsteller keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen, da die Vollziehung dieses Verwaltungsakts auch ohne gerichtliche Entscheidung (nunmehr) ausgeschlossen ist (vgl. hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats vom 20.04.2011 – L 6 AS 315/11 B ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn 7a). Der der Eingliederungsverwaltungsakt lediglich für den Zeitraum bis zum 21.06.2011 Regelungen getroffen hat und der Regelungsgehalt damit zwischenzeitlich erschöpft ist, sind weitere (nachteilige) Auswirkungen auf den Antragsteller nicht zu erwarten.
Auch der gegen den Sanktionsbescheid gerichtete Eilantrag des Antragstellers ist unzulässig. Nach erfolgter Leistungskürzung in dem zwischenzeitlich abgeschlossenen Zeitraum bis Mai 2011 ist der Beschwerdeantrag zugunsten des Antragstellers als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 86b Abs. 1 S. 2 SGG auszulegen. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der inzwischen gegen Bescheid und Widerspruchsbescheid erhobenen Klage gem. § 86b Abs. 1 S. 1 SGG würde nach Ende des Vollzugs ins Leere laufen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats a.a.O.). Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist jedoch unzulässig, nachdem der streitige Sanktionsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2011 bindend geworden ist, weil der Antragsteller gegen diesen Bescheid nicht fristgerecht Klage erhoben hat. Der Widerspruchsbescheid vom 13.05.2011, der am 16.05.2011 vom Antragsgegner abgesandt worden ist, gilt gem. § 37 Abs. 2 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) am dritten Tag nach der Absendung als bekanntgegeben. Die Frist für die Klageerhebung begann damit gem. § 87 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 1 S 1 SGG i.V.m. § 187 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 20.05.2011 (0 Uhr) und endete gem. §§ 87 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 2 S. 1 SGG am 20.06.2011 (24 Uhr). Die Klageschrift des Antragstellers ist – trotz des Hinweises des Senats vom 14.06.2011, dass der Ablauf der Klagefrist drohe – erst am 27.06.2011 und damit außerhalb der Klagefrist bei Gericht eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung sind weder ersichtlich noch vom Antragsteller vorgetragen. Der Sanktionsbescheid ist daher in Bindungswirkung erwachsen. Eine solche Bindungswirkung schließt die Zuerkennung von Leistungen im Hauptsacheverfahren und damit erst recht in dem diesem vorgeschalteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aus, weil im Eilverfahren nicht mehr erlangt werden kann, als im Hauptsacheverfahren (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 04.04.2011 – L 6 AS 2060/10 B ER; Beschluss vom 16.09.2010 – L 6 AS 949/10 B ER; ebenso LSG NRW, Beschluss vom 12.03.2009 – L 19 B 45/09 AS ER; Beschluss vom 09.07.2009 – L 7 B 132/09 AS ER; Keller, a.a.O., § 86b Rn 7, 26 d). Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 28.09.2011
Zuletzt verändert am: 28.09.2011