Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 13.07.2010 werden zurückgewiesen.
Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die Antragsgegnerin gewährt dem 1953 geborenen Antragsteller, der seit Januar 2004 nicht gesetzlich krankenversichert sowie im Wesentlichen hauptberuflich selbständig tätig gewesen war, seit dem 07.01.2009 Grundsicherungsleistungen für Erwerbsfähige nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II). Nachdem der Antragsteller eine Bescheinigung der AOK Westfalen-Lippe über seine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung und einen Versicherungsschein der Allianz Private Versicherungs-AG über seine private Kranken- und Pflegeversicherung seit dem 01.03.2009 vorgelegt hatte, bewilligte die Antragsgegnerin einen Beitragszuschuss in Höhe von 142,11 EUR.
Am 04.03.2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Dortmund die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung des vollen Beitragszuschusses zu seinem Basistarif in der privaten Krankenversicherung von 284,82 EUR und in der Pflegeversicherung von 35,83 EUR rückwirkend ab dem 01.03.2009 begehrt. Er hat geltend gemacht, zumindest im Wege verfassungskonformer Auslegung müssten die Bestimmungen des SGB II über den Beitragszuschuss dahin ausgelegt werden, dass die Beiträge in voller Höhe bezuschusst würden, weil die ansonsten bestehende Differenz nicht aus der Regelleistung bezahlt werden könne. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass durch den Versicherungsträger eine Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei.
Mit Beschluss vom 13.07.2010 hat das SG den Antrag sowie Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil für zurückliegende Zeiträume regelmäßig einstweilige Regelungen nicht zu treffen seien und im Übrigen der Krankenversicherungsschutz des Antragstellers gewährleistet sei.
Die dagegen gerichteten Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Erlass der begehrten einstweiligen Verpflichtung der Antragsgegnerin abgelehnt und Prozesskostenhilfe verweigert.
Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsanspruch – ein in der Hauptsache durchsetzbarer Rechtsanspruch – sowie Anordnungsgrund – Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung – sind glaubhaft zu machen (86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Es kann offenbleiben, ob der Antragsteller schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.
Er ist aufgrund des erst im Jahre 2009 begonnenen Leistungsbezuges und der seit mindestens Januar 2004 bestehenden Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie der in dieser Zeit hauptberuflich ausgeübten selbständigen Tätigkeit nach § 5 Abs. 5 a SGB V in der seit dem 01.01.2009 geltenden Fassung nicht gesetzlich krankenversichert. Im Hinblick auf seine private Krankenversicherung findet die Bestimmung des § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II auf ihn Anwendung, wonach hinsichtlich der Höhe des Beitragszuschusses, die der SGB II-Leistungsträger in diesem Fall zu erbringen hat, § 12 Abs. 1 c S. 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) gilt. Nach § 12 Abs. 1 c S. 6 VAG zahlt der zuständige Träger dem nach dem SGB II Hilfebedürftigen den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Dieser beläuft sich seit dem 01.01.2009 aber lediglich auf 129,54 EUR, während der hälftige Beitragssatz, den der Antragsteller schuldet, in der privaten Krankenversicherung 284,82 EUR beträgt. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Pflegeversicherung (§ 110 Abs. 2 S.4 SGB XI). Die bestehende Differenz ist zwar offensichtlich nicht aus der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II zu finanzieren, gleichwohl hat der Gesetzgeber diese Rechtsfolge bewusst in Kauf genommen (BT-Drucks 16/4247, 69; Brünner in LPK-SGB II, 3.Aufl., § 26 Rn 21). Ob dem ggf. durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (Brünner a. a. O. Rn 23), eine entsprechende Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II (SG Chemnitz, Urt. v. 16.04.2010 – S 3 AS 450/10; SG Düsseldorf, Urt. v. 12.04.2010 – S 29 AS 547/10; SG Freiburg, Urt. v. 10.08.2009 – S 5 AS 2121/09; sämtliche unter www.juris.de) oder analoge Anwendung des § 26 Abs. 3 S. 1 SGB II (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.09.2009 – L 3 AS 3934/09 ER-B = ww w.juris.de) begegnet werden kann oder ob sich aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auf der Grundlage von Art. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG angeordneten Härtefallregelung, wonach es geboten ist, nach dem SGB II auch einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, wenn dies im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum der Hilfebedürftigen erforderlich ist (BVerfG Urt. v. 09.02.2010 – 1 BvL 1, 3, 4/09 = www.juris.de jetzt gesetzlich geregelt in § 21 Abs. 6 SGB II -), ein solcher Anspruch ergeben könnte (so SG Bremen Urt. v. 20.04.2010 – S 21 AS 1521/09 = www.juris.de), kann dahinstehen.
Denn jedenfalls hat der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Auch im Fall eines Beitragsrückstandes endet nämlich ein infolgedessen eingetretenes Ruhen des Versicherungsschutzes gem. § 193 Abs. 6 S. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), sofern Hilfebedürftigkeit vorliegt. Infolge dieses Schutzes sieht der erkennende Senat sowie die Rechtsprechung des LSG NW kein Bedürfnis für die vorläufige Verpflichtung der SGB II-Leistungsträger zur Gewährung eines Beitragszuschusses in Höhe des vom Leistungsbezieher geschuldeten Versicherungsbeitrags (Beschl. des Senats v. 23.03.2010 – L 19 AS 235/10 B ER -; LSG NW Beschl. v. 10.02.2010 – L 7 AS 28/10 B ER -; LSG NRW Beschl. v. 16.10.2009 – L 20 B 56/09 SO ER -; ebenso Bayrisches LSG Beschl. v. 29.01.2010 – L 16 AS 27/10 B ER -; LSG Sachsen-Anhalt Beschl. v. 14.04.2010 – L 2 AS 16/10 B ER -; LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 22.03.2010 – L 13 AS 919/10 -; LSG Berlin-Brandenburg Beschl. 23.03.2010 – L 25 AS 43/10 B ER -; a.A. SG Mainz Beschl. v. 20.07.2010 – S 10 AS 920/10 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 18.01.2010 – L 34 AS 2001/09 B ER -; Hessisches LSG Beschl. v. 15.12.2009 – L 6 AS 368/09 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen Beschl. v. 03.12.2009 – L 15 AS 1048/09 B ER – sämtliche unter www.juris.de). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht auch im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG vorliegend kein Anlass, da im Hinblick auf den Fortbestand des Versicherungsschutzes eine existenzielle Notlage nicht gegeben ist. Ferner ist eine Beendigung des Leistungsbezuges nicht absehbar, sodass es im Hinblick auf die entstehende Beitragsschuld dem Antragsteller zuzumuten ist, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Schließlich ist der Ordnungswidrigkeitstatbestand nach § 21 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI allein dadurch erfüllt worden, dass der Antragsteller mit mindestens sechs Monatsprämien in Verzug geraten ist, sodass die Nachentrichtung der Beitragsschuld diesen nicht entfallen lässt.
Die Beschwerde ist insoweit daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Da der Antrag demzufolge keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO geboten hat, hat das SG zu Recht Prozesskostenhilfe abgelehnt, sodass auch die diesbezügliche Beschwerde zurückzuweisen ist. Die Nichterstattungsfähigkeit der Kosten folgt insoweit aus einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 4 ZPO.
Aus demselben Grund ist Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu verweigern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 04.10.2010
Zuletzt verändert am: 04.10.2010