Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2008 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Zuschusses für den Umbau des Küchenfensters in eine Terrassentür im von der Klägerin bewohnten Objekt "xxx", unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung einer Wohnumfeld-verbessernden Maßnahme.
Die Klägerin, die unter anderem an den Folgen eines Hüftleidens, an Arthrose, Osteoporose und an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung leidet und einen Rollstuhl benutzt, beantragte bei der Beklagten, bei der sie sozialpflegeversichert ist und von der sie Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit erhält, die Übernahme der Kosten für den Umbau eines Küchenfensters in eine Terrassentür.
Die Beklagte holte eine gutachtliche Stellungnahme vom Sozialmedizinischen Dienst (SMD) ein und lehnte den Antrag sodann durch Bescheid vom 05.11.2007 ab.
Zur Begründung ist ausgeführt, nach dem Ergebnis der Überprüfung sei die beabsichtigte Maßnahme nicht zur Ermöglichung oder Erleichterung der häuslichen Pflege bzw. zur selbständigeren Lebensführung erforderlich. Mit Bescheid vom gleichen Tage bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Zuschuss für eine Haltestange an der bestehenden Wohnzimmer-Terrassentür.
Die Klägerin legte Widerspruch ein, welchen sie damit begründete, dass sie derzeit keinen Zugang zu Garten und Terrasse habe, der breit genug sei. Insofern nütze ihr die Haltestange nichts.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 03.04.2008 als unbegründet zurück. Die Beklagte begründete ihre Entscheidung erneut damit, dass die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt seien.
Hiergegen ist am 02.05.2008 bei erkennenden Gericht Klage erhoben worden.
Die Klägerin trägt vor,
ihr Rollstuhl sei für die bestehende, im Wohnzimmer befindliche Terrassentür zu breit. Die Terrassentür habe eine Breite von nur 50 cm. Sie wolle die Terrasse nutzen, um dort Wäsche zu trocknen, Blumenkübel zu bepflanzen und dort zu bügeln. Auch würde sie in die Lage versetzt, dort krankengymnastische Übungen zu verrichten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2008 zu verpflichten, über ihren Antrag auf Gewährung eines Zuschusses für den Umbau des Küchenfensters in eine Terrassentür im von ihr bewohnten Objekt "xxx", unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und trägt ergänzend vor, Terrasse und Garten zählten nicht zum Wohnumfeld im Sinne des Gesetzes.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2008 ist mit der Rechtslage nicht in Einklang zu bringen. Die Beklagte hat unter Beachtung der im Folgenden zu erläuternden Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Zuschusses für den Umbau des Küchenfensters in eine Terrassentür im vom der Klägerin bewohnten Objekt zu entscheiden.
Gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) können die Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Im vorliegenden Fall besteht für die Kammer kein vernünftiger Zweifel daran, dass durch die Errichtung einer Terrassentür in der Küche der Klägerin die Selbständigkeit der Lebensführung der Klägerin verbessert würde. Die Klägerin würde in die Lage versetzt werden, ohne fremde Hilfe mit ihrem Rollstuhl ihre Terrasse zu erreichen. Um die Terrasse erreichen zu können, ist konkret die hier im Streit stehende Maßnahme auch erforderlich. Die Klägerin hat von der Beklagten unwidersprochen dargelegt, dass die bestehende, im Wohnzimmer der Klägerin befindliche Terrassentür eine Breite von nur 50 cm aufweise und ihr Rollstuhl durch diese schmale Tür nicht hindurch passe. Die Kammer hat auch keine Bedenken, die Terrasse zum individuellen Wohnumfeld der Klägerin im Sinne der zitierten Vorschrift zu rechnen. Das Wohnumfeld ist begrifflich bereits offener und weiter bestimmt als die Wohnung als solche. Zur Überzeugung der Kammer gehören zum Wohnumfeld jedenfalls unmittelbar an die Wohnung grenzende Bereiche, die im Eigentum oder zumindest Besitz des Pflegebedürftigen stehen und die üblicherweise in nicht unerheblichem Umfang mitgenutzt werden. Eine Terrasse, zu der unmittelbar Zugang von einer Wohnung besteht, wird nach gerichtsbekannten allgemeinen Gepflogenheiten – abhängig von der jeweiligen Witterungslage – genutzt, im Spätfrühjahr, Sommer und Frühherbst regelmäßig sogar häufig und intensiv. Die Klägerin selbst hat hierzu vorgetragen, die Terrasse zum Trocknen von Wäsche, zum Bügeln, zur Durchführung von gymnastischen Übungen und zum Anpflanzen von Kräutern nutzen zu wollen. Nicht nachvollziehbar erscheint dem erkennenden Gericht insofern die entgegenstehende Auffassung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 1707.2008, Az.: B 3 P 12/07 R). Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts werden in jener Entscheidung geschriebene Tatbestandsmerkmale des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI ohne Not ersetzt durch das im Gesetzeswortlaut gerade nicht zum Ausdruck kommende Tatbestandsmerkmal des "Verbleibens in häuslicher Umgebung". Das erkennende Gericht hält dieses Vorgehen für auslegungssystematisch unzulässig. Unabhängig hiervon trifft es nicht zu, dass jegliche Leistungen der Pflegeversicherung sich dem Ziel unterwerfen müssten, den Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege zu belassen. § 3 Satz 1 SGB XI sagt hierzu vielmehr aus, dass die Pflegeversicherung "vorrangig" die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen solle, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Die Vorschrift lässt damit ausdrücklich Raum für weitergehende Ziele. Es kommt hinzu, dass das Bundessozialgericht zur Überzeugung der Kammer die empirische Erhebung, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung in einem 1-Familien-Haus lebe, zur Entscheidungsgrundlage macht, diese Betrachtungsweise jedoch insgesamt als nicht zulässig erscheint. Es ist gerichtsbekannt, dass der Zugang zu einem unmittelbaren Wohnaußenbereich wie einer Terrasse oder einem Balkon nicht notwendigerweise mit dem Bewohnen eines 1-Familien-Hauses verknüpft ist. Eine Vielzahl von Mietwohnungen weist Balkone auf, die – natürlich – zur Benutzung durch die Mieter zur Verfügung stehen sollen. Ebenso gerichtsbekannt ist es, dass Wohnungen, insbesondere Eigentumswohnungen, vielfach einen eigenen Zugang zu einer Terrasse haben, ohne statistisch Einfamilienhäuser zu sein, und dass mit diesen Erscheinungen gerade die Neigung der Bevölkerung dokumentiert wird, bei ausreichender Witterungslage nicht nur im geschlossenen Wohnbereich leben zu wollen, sondern auch außerhalb dessen.
Der Klage war daher stattzugeben, wobei sich die Kostenentscheidung aus § 193 des Sozialgerichtsgesetztes ergibt.
Erstellt am: 03.08.2010
Zuletzt verändert am: 03.08.2010