Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit Sozialgericht Dortmund – S 39 KR 1585/13 -/Landessozialgericht NRW – L 1 KR 75/14 – durch die im Termin vom 02.09.2014 erklärte Klagerücknahme der Klägerin erledigt ist. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1949 geborene Klägerin begehrt im Wege des Widerrufs ihrer Klagerücknahme die Fortsetzung des Berufungsverfahren L 1 KR 75/14, mit dem sie sich gegen die Verbeitragung des Rückkaufwerts einer betrieblichen Direktversicherung mit Bescheid vom 14.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2013 der Beklagten gewandt hat.
Das Sozialgericht Dortmund hat der Klage mit Urteil vom 22.01.2014 statt gegeben und die angefochtenen Bescheide unter Anwendung des § 131 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Begründung aufgehoben, die Beklagte habe keine hinreichende Sachverhaltsaufklärung betrieben, insbesondere nicht den Versicherungsvertrag angefordert und dessen Inhalt berücksichtigt. Die von der Beklagten ihrer Entscheidung ausschließlich zugrunde gelegte maschinelle Meldung der Zahlstelle sei nicht ausreichend.
Gegen die ihr am 06.02.2014 zugestellte Entscheidung des Sozialgerichts hat die Beklagte am 06.02.2014 Berufung eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG sei fehlerhaft erfolgt (wird weiter ausgeführt). Ergänzend hat sie den Versicherungsschein in der Fassung vom 29.12.1989, durch den sie ihre Auffassung als bestätigt angesehen hat, beigezogen und zur Akte gereicht.
Die Klägerin hat sich weiterhin gegen die Beitragsfestsetzung gewandt und – wie zuvor – geltend gemacht, die Auskunft der Hannoverschen Lebensversicherung a.G. ("Leistungen an einen Arbeitnehmer aus Rückkäufen von ehemaligen Direktversicherungsverträgen stellen nach Auffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger einen Versorgungsbezug i.S.d. § 229 SGB V, wenn Sie das 59. Lebensjahr zum Auszahlungszeitpunkt vollendet haben.") zur angeblichen Beitragszahlung seien unverbindlich und begründeten keine Haftung. § 229 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei eindeutig und unterwerfe ab 01.01.2004 nur die Direktversicherung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für pflichtversicherte Rentner, die vor Eintritt des Versicherungsfalls in eine Einmalzahlung umgewandelt worden seien. Zum weiteren Nachweis hat die Klägerin den Versicherungsschein in der Fassung vom 01.11.2009 sowie diversen Schriftwechsel zwischen ihrer früheren Arbeitgeberin und der Versicherungsgesellschaft bzw. zwischen ihr und der Versicherungsgesellschaft vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 42 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen. In einem Erörterungstermin am 02.09.2014 hat die Klägerin ausweislich der Niederschrift über diesen Termin nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärt: "Ich nehme die Klage zurück". Der Termin dauerte von 10:15 Uhr bis 11:05 Uhr.
Mit Schreiben vom 03.09.2014, eingegangen am 05.09.2014, hat die Klägerin ihre Klagerücknahme widerrufen und zur Begründung ausgeführt, dass ihre "Erklärung zum Widerspruch vom 25.02.2013 nicht zur Sachverhaltsaufklärung beim Erörterungstermin hinreichend betrieben" worden sei. Ergänzend hat sie erklärt, die Klage zur Aufklärung des Beitrags zur Pflegekasse beim Erörterungstermin nicht zurückgenommen zu haben. Im Übrigen hat die Klägerin ihren Vortrag in dem Ausgangsverfahren unter dem 26.09.2014 unter Beifügung weiterer Unterlagen, wegen derer auf Blatt 85 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, wiederholt und vertieft.
Die Klägerin beantragt,
das Berufungsverfahren – L 1 KR 75/14 – fortzuführen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und nicht weiter vorgetragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, dessen Inhalt Gegenstand der Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsverfahren L 1 KR 75/14 wurde durch die Erklärung der Klägerin vom 02.09.2014 erledigt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens und Entscheidung in der Sache.
Die am 02.09.2014 von der Klägerin zu Protokoll gegebene Erklärung " Ich nehme die Klage zurück" hat den Rechtsstreit erster und zweiter Instanz in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Erklärung kann nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG bis zur Rechtskraft des Urteils wirksam erklärt werden und damit auch – wie vorliegend – während des Berufungsverfahrens, das den Eintritt der formellen Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 705 Zivilprozessordnung [ZPO]) hindert. Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe jedenfalls die Klage "zur Aufklärung des Beitrags zur Pflegekasse" im Erörterungstermin am 02.09.2014 nicht zurückgenommen, ist dies nicht zutreffend. Sie hat die Klage, mit der sie sich gegen die Festsetzung von Beiträgen zur Pflege- und Krankenversicherung gewandt hat, uneingeschränkt und damit in vollem Umfang zurückgenommen.
Der Widerruf einer vor Gericht – wie hier wirksam – erklärten Klagerücknahme ist grundsätzlich nicht möglich. Denn es handelt sich bei der Klagerücknahme nicht um eine Willenserklärung im Sinn des Bürgerlichen Gesetzbuches, sondern um eine (gestaltende) Prozesshandlung, die aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Grundsatz nicht widerrufen, angefochten oder für nichtig erklärt werden kann (ständige Rechtsprechung, u.v.a. BSG, Beschluss v. 04.11.2009 – B 14 AS 81/08 B – m.w.N; ebenso Leitherer in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 102 Rdnr. 7c m.w.N.).
Nur in den engen Grenzen des Vorliegens der Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens ist ein Widerruf der Klagerücknahme denkbar (§§ 179, 180 SGG). Danach kann ein rechtskräftig beendetes Verfahrens entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung wieder aufgenommen werden (§ 179 Abs. 1 SGG). Es fehlt hier an den Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß den Vorschriften der Nichtigkeitsklage oder Restitutionsklage (§§ 579, 580 ZPO). Die Anfechtungsgründe sind abschließend aufgeführt. Es handelt sich im Wesentlichen um schwerste Verfahrensmängel bzw. um eine Entscheidung, die auf einer unrichtigen, insbesondere einer verfälschten Grundlage beruht, wie z.B. auf einer Urkundenfälschung oder einer strafbaren Urteilserschleichung. Die Wiederaufnahme ist ferner zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat. Derartige Gründe sind jedoch nicht einmal ansatzweise vorgetragen oder ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Erstellt am: 07.09.2015
Zuletzt verändert am: 07.09.2015