Die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung vom 21.06.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die gem. § 56 Abs. 1 S. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässige Erinnerung des Rechtsanwalts ist in der Sache nicht begründet.
Zutreffend hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Festsetzungsbeschluss vom 21.06.2006 die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 313,20 EUR festgesetzt. Die von dem Rechtsanwalt mit Festsetzungsantrag vom 12.06.2006 geltend gemachten Rahmengebühren entsprechen nach Auffassung des Gerichts nicht der Billigkeit.
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist nicht anwendbar, weil die Staatskasse nicht "Dritter", sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 S. 1 BGB statt (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken, § 55 RVG, Anm. 25).
Zur Bestimmung der Höhe einer Rahmengebühr ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die Mittelgebühr für alle Angelegenheiten angemessen ist, die bei Beachtung der sich nach § 14 RVG ergebenden maßgeblichen Kriterien als durchschnittlich einzustufen sind (vgl. BSG, Urteil vom 26.02.1992, Az.: 9a RVs 3/90, zur Bestimmung einer Rahmengebühr nach § 116 BRAGO). Zutreffend ist auch der Urkundsbeamte davon ausgegangen, dass es sich hier nicht lediglich um einen Durchschnittsfall handelt.
Die in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG benannten Bemessungskriterien der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sowie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit geben Anlass, von der Mittelgebühr deutlich nach oben abzuweichen.
Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ist als überdurchschnittlich zu bewerten. Streitig war die Zahlung von Pflegegeld, bei dem es sich um eine existenzsichernde Dauerleistung handelt, die für den Kläger eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Pflegeleistungen von den Eltern des Klägers erbracht werden. Denn das Pflegegeld gewährt dem Empfänger die finanzielle Grundlage, bei einem jederzeit möglichen Ausfall der in die Pflege eingebundenen Familienmitglieder eine nur gegen Entgelt tätig werdende Pflegeperson zu beschäftigen.
Auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit liegt unter Berücksichtigung der Darlegungen des Rechtsanwalts vom 02.08.2006 über dem Durchschnitt. Die Klage ist substantiiert begründet worden und es ist eine eingehende Auseinandersetzung mit dem durch das Gericht eingeholten Befundbericht sowie auch mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Meyer erfolgt. Dies rechtfertigt jedoch noch nicht den Ansatz der Höchstgebühr. Es ist beispielsweise als arbeitserleichternd zu werten, dass sich eine schriftsätzliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Meyer infolge der Zurücknahme der Klage erübrigt hat. Auch die Dauer des Verfahrens von ca. 1 ½ Jahren erreicht noch nicht die Dauer anderer langjähriger sozialgerichtlicher Verfahren, die die Fertigung einer Vielzahl von Schriftsätzen und Auseinandersetzung mit mehreren – oft erheblich voneinander abweichenden – Gutachten erforderlich machen. Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein gerichtlicher Termin in dieser Streitsache nicht stattgefunden hat.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit liegt ebenfalls über dem Durchschnitt, da die Feststellung des Pflegebedarfs eines minderjährigen Kindes mit erhöhten tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Ungeachtet dessen sind andere sozialgerichtliche Verfahren, in denen schwierige Kausalitätsfragen aufgeworfen werden, mit der Schwierigkeit dieses Verfahrens nicht zu vergleichen.
Der Rahmen für die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG reicht von 20,00 bis 320,00 EUR (Mittelgebühr: 170,00 EUR). Die durch den Urkundsbeamten festgesetzte Gebühr von 250,00 EUR überschreitet deutlich die Mittelgebühr und liegt noch oberhalb des in der Mitte von Mittelgebühr und Höchstgebühr liegenden Betrages von 245,00 EUR. Nach Auffassung des Gerichts wird dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit durch die festgesetzte Gebühr von 250,00 EUR ausreichend Rechnung getragen.
Das Gericht sieht im Hinblick auf die Ausführungen des Rechtsanwalts keinen Anlass, Überlegungen über die Angemessenheit des von ihm angeführten Stundensatzes anzustellen. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers bemessen sich die Gebühren – anders als z.B. die Entschädigung eines Sachverständigen – nicht nach der konkreten Stundenzahl. Dies erscheint auch nicht unbillig. Selbst wenn im Einzelfall ein Gebührenansatz nicht kostendeckend sein sollte, wird dieser Nachteil dadurch kompensiert, dass sich in "Routinefällen" einfacher Art ein höherer Stundensatz errechnen dürfte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar, da der Beschwerdegegenstand von 200,00 EUR nicht erreicht wird (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG).
Erstellt am: 20.06.2007
Zuletzt verändert am: 20.06.2007