Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 29.10.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Wirksamkeit einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) -.
Der in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau Leistungen nach dem SGB II beziehende Kläger unterzeichnete am 29.01.2009 eine auch seitens eines Mitarbeiters der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im folgenden einheitlichen: Beklagter) unterzeichnete und bis zum 28.07.2009 geltende Eingliederungsvereinbarung. Nachträglich fügte der Kläger seiner Unterschrift den Zusatz "Unterschrift unter Vorbehalt geleistet" hinzu.
Am 27.03.2009 hat der Kläger Feststellungsklage zum Sozialgericht erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 29.10.2009 ist der bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 für den Beklagten tätige Mitarbeiter als Zeuge gehört worden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die mit der Beklagten geschlossene Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 unwirksam und nichtig ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 29.10.2009, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegen das ihm am 02.12.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.12.2009 Berufung eingelegt. Er erhebt Einwände verfahrensrechtlicher wie auch inhaltlicher Natur, zu deren Einzelheiten auf die Schriftsätze des Klägers vom 25.12.2009, 25.02.2010, 18.03.2010, 02.04.2010, 28.03.2011, 17.08.2011 Bezug genommen wird.
Nach seinem erkennbaren Interesse beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 21.10.2009 zu ändern und festzustellen, dass die mit dem Beklagten geschlossene Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 unwirksam und nichtig ist.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat auf Anfrage des Senats (Schreiben vom 17.03.2011) mitgeteilt, dass aufgrund der Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 keine Sanktionsentscheidung getroffen und am 10.03.2011 eine weitere Eingliederungsvereinbarung mit dem Kläger abgschlossen worden ist, gegen die der Kläger umgehend Widerspruch eingelegt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in Abwesenheit der mit der ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesenen Beteiligten entschieden (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
An einer Entscheidung in der dem Rubrum zu entnehmenden Besetzung war der Senat nicht durch ein gegen die Vorsitzende Richterin des Senats gerichtetes Befangenheitsgesuch gehindert.
Mit Schreiben vom 17.08.2011, gerichtet an die Vorsitzende Richterin des Senats, hat der Kläger eine vorgefertigte "Gerichtsverwertbare Erklärung an Eides statt" der Richterin U übersandt und ausgeführt: "Sie mir die gerichtsverwertbare Erklärung an Eides statt nicht innerhalb von 7 Tagen ausgefüllt und unterschrieben zusenden, ist das für mich gleichbedeutend, dass Sie, Frau U, nicht meine gesetzliche Richterin sind und das Landessozialgericht NRW ein nicht statthaftes Ausnahmegericht ist. In diesem Fall mache (Ergänzung: ich) von § 42 ZPO Gebrauch und lehne Sie, Frau U, vorsorglich als meine nichtgesetzliche (amtliche) Richterin ab."
Diese Erklärung stellt kein wirksames Ablehnungsgesuch dar. Gesuche auf Ablehung von Gerichtspersonen sind nach einhelliger Auffassung (z.B. Gregor in Zöller, ZPO, 28. Auflage, Rn 10 zu § 406; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 60 Rn 10 a) Prozesshandlungen und als solche bedingungsfeindlich (vgl. z.B. Urteil des BSG vom 13.10.1992 – 4 RA 36/92 zur Einlegung eines bedingten Rechtsmittels; Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 09.12.2009 – 3 O 557/04 -).
Der Kläger hat die Ablehnung der Vorsitzenden Richterin von einer weiteren ungewissen Sachverhaltsentwicklung abhängig gemacht, dass die übersandte Erklärung nicht innerhalb von 7 Tagen ausgefüllt und unterschrieben zugesandt würde. Seine Erklärung im Schreiben vom 17.08.2011 steht damit unter einer echten Bedingung und ist als Prozesshandlung unwirksam.
Ein unbedingtes Befangenheitsgesuch nach Ablauf der selbst gesetzten Frist hat der Kläger nicht gestellt.
Richtiger Beklagter ist das nach § 70 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes beteiligte Jobcenter, das einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleichgestellt ist. Jobcenter sind (vgl. § 6 d SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 03.08.2010, BGBl I 1112) gemeinsame Einrichtungen der Träger der Grundsicherung nach dem SGB II (§ 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des vorgenannten Gesetzes), die mit Wirkung vom 01.01.2011 kraft Gesetzes als (teil-) rechtsfähige öffentlich rechtliche Gesellschaften entstanden sind. Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II treten die gemeinsamen Einrichtungen als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaften. Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Der kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine unzulässige Klageänderung im Sinne von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. im Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 108/10 R). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn die ursprünglich erhobene Feststellungsklage hatte sich bereits vor Urteilsverkündung erledigt; für eine erfolgreiche Fortsetzungsfeststellungsklage fehlt es am hierfür erforderlichen qualifizierten Rechts-schutzinteresse.
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger nach seinem Vortrag und dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht ausdrücklich gestellten Antrag "festzustellen, dass die mit der Beklagten geschlossene Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 unwirksam und nichtig ist" eine kombinierte Feststellungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1, 4 SGG erhoben.
Die ursprünglich erhobene Feststellungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage bzw. eigentlich der damit verfolgte prozessuale Anspruch hat sich jedoch nach Rechtshängigkeit der Klage und noch vor Verkündung des angefochtenen Urteils "anders erledigt" im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG:
Die bis zum 28.07.2009 befristete und mit keinen Sanktionsfolgen verbundene Eingliederungsvereinbarung entfaltet keine über den 28.07.2009 hinausreichenden Rechtswirkungen. Das auf ihre Beseitigung gerichtete ursprüngliche Begehren hatte sich damit bereits zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils vom 29.10.2009 "anders erledigt" im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG.
In dieser Verfahrenssituation ist zwar grundsätzlich die Umstellung auf eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse, das erledigte ursprüngliche Verfahren mit dem veränderten Ziel einer Feststellung der Rechtswidrigkeit vorzusetzen, kann nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 06.07.2009 – L 19 AS 11/09 -; Keller in Meyer-Ladewig Keller Leitherer, a.a.O., § 131 Rn 7 c ff. m.w.N.) in Betracht kommen bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse und Präjudiziabilität des Verfahrens für einen anderen Rechtsstreit. Diese Voraussetzungen liegen jedoch beim Kläger nicht vor.
Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers ist weder ersichtlich noch wird ein solches von ihm substantiiert vorgetragen (siehe zur Substantiierungspflicht: BSG Urteil vom 28.08.2007 – B 7/7a AL 16/06 R – m.w.N.).
Auch eine Präjudiziabilität der Feststellung einer Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 ist nicht gegeben, schon weil solche Verfahren, in deren Rahmen Präjudiziabilität bestehen könnte, vom Kläger nicht angegeben werden. Insbesondere kann keine Präjudiziabilität für das Verfahren angenommen werden, in dem sich der Kläger gegen die bislang einzige weitere Eingliederungsvereinbarung vom 10.03.2011 wendet, da diese einen vom Inhalt der Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 abweichenden Inhalt hat (vgl. Beratungsvermerk vom 30.06.2010).
Schließlich liegt auch keine Wiederholungsgefahr vor. Die Annahme einer solchen Gefahr setzt die konkret absehbare Möglichkeit voraus, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zu Lasten des Klägers zu erwarten ist. Es muss die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr bestehen, dass sich unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Sachverhalt wiederholt oder dass trotz veränderter Verhältnisse zumindest eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung zu erwarten ist, weil die Behörde eine entsprechende Absicht zu erkennen gegeben hat (vgl. Urteil des Senats vom 06.07.2009 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig Keller Leitherer, a.a.O., Rn 10 b, 10c).
Nach diesen Maßstäben besteht vorliegend keine Wiederholungsgefahr, da sich die für Eingliederungsvereinbarungen und ihren Ersatz durch Verwaltungsakte maßgebliche Rechtslage seit Abschluss der Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 wesentlich geändert hat.
Hinsichtlich des vom Kläger als belastend, gar als "Zwang" empfundenen Begehrens, er möge die Eingliederungsvereinbarung unterschreiben, hat sich die Rechtslage seit Abschluss der Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 maßgeblich geändert, da die bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 noch bestehende Möglichkeit, die Verweigerung des Abschlusses einer angebotenen Eingliederungsvereinbarung zu sanktionieren, entfallen ist.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a SGB II der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung wurde das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung gemindert, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigerte, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Dieser Sanktionstatbestand ist aufgrund der Änderung durch Gesetz vom 24.03.2011, BGBl I 453 in der seit dem 01.04.2011 geltenden Fassung von § 31 SGB II entfallen. Wiederholungsgefahr besteht daher schon im Hinblick auf die seit Abschluss der Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2009 veränderte Rechtslage nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Anlass zu Zulassung der Revision nach § 160 SGG besteht nicht.
Erstellt am: 29.11.2011
Zuletzt verändert am: 29.11.2011