Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21. August 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die der Klägerin im zweiten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin gezahlten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente).
Die Beklagte bewilligte der am 00.00.1960 geborenen Klägerin auf den Antrag vom 29.11.1991 aufgrund eines im März 1994 abgegebenen gerichtlichen Anerkenntnisses mit Ausführungsbescheid vom 10.06.1994 EU-Rente für die Zeit vom 01.01.1992 bis 30.06.1997, nachdem sie zunächst mit Bescheid vom 03.09.1992 nur EU-Rente auf Zeit vom 01.06.1992 bis zum 30.06.1994 bewilligt hatte. Sie ging dabei von einem am 30. Juni 1984 eingetretenen Versicherungsfall der EU aus. Mit Bescheid vom 27.05.1997 bewilligte die Beklagte EU-Rente auf Zeit über den 30.06.1997 hinaus bis zum 30.06.1999.
Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 28.01.1999 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 14.01.2000 EU-Rente über den 30.06.1999 hinaus auf unbestimmte Dauer. Bezüglich der Berechnung der Rente hatte sie bereits mit Bescheid vom 10.05.1999 ausgeführt, dass weiterhin der Bescheid vom 10.06.1994 maßgebend bleibe. Der Widerspruch hiergegen, mit dem die Klägerin die Berechnung ihrer Rente nach den für sie günstigeren Vorschriften des sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der am 01.07.1999 geltenden Fassung begehrte, blieb erfolglos.
Die Klägerin hat am 19.06.2000 gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 07.06.2000 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Zur Stützung ihrer Auffassung hat sie sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.10.1996 (4 RA 31/96 in SozR 3-2600 § 300 Nr. 8) bezogen.
Das SG hat eine Probeberechnung der Beklagten unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles vom 30.06.1984 sowie der Anwendbarkeit des am 01.07.1999 geltenden Rentenrechts veranlasst. Danach betragen die der Rentenberechnung zugrundezulegenden persönlichen Entgeltpunkte (EP) unter Vorgabe der o. g. Parameter 37,9925 gegenüber den bislang zugrundegelegten 37,8259 EP.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 14.01.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2000 die Beklagte zu verurteilen, ihr Erwerbsunfähigkeitsrente nach Maßgabe der am 01.07.1999 geltenden Berechnungsvorschriften des SGB VI zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat mit Urteil vom 21.08.2003 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin EU-Rente nach Maßgabe der am 01.07.1999 geltenden Berechnungsvorschriften des SGB VI zu gewähren und ihr die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt: Aus § 300 Abs. 1 SGB VI ergebe sich, dass die ab 01.07.1999 "weitergewährte" Rente nach den an diesem Tag geltenden Vorschriften des SGB VI zu zahlen sei. Nach der genannten Vorschrift seien Vorschriften dieses Gesetzbuches von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber ausdrücklich eine Änderung des früheren Versicherungsfallprinzips zum Rentenbeginnprinzip vorgenommen (Bezugnahme auf BT-Drs. L/4124, S. 296). Dies bedeute, dass grundsätzlich die Vorschriften anzuwenden seien, die beim Beginn der Rente, nicht beim Eintritt des Versicherungsfalles, bestanden hätten. Nach Ablauf der bis zum 30.06.1999 gewährten Zeitrente sei Rentenbeginn für die nachfolgende EU-Rente auf Dauer der 01.07.1999. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin einen neuen eigenständigen Anspruch erworben, der gleichzeitig die Bestimmung der Rentenhöhe nach dem Recht des Rentenbeginns erforderlich gemacht habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe dieser Rentenanspruch im Sinne des § 300 Abs. 1 SGB VI auch nicht bereits im Jahre 1992 bestanden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Leistungsfall eingetreten. Dieser habe ein Stammrecht auf EU-Rente begründet, das aus Gesetzesgründen zeitlich begrenzt gewesen sei und aus dem nur Ansprüche auf Einzelleistungen innerhalb dieses zeitlichen Rahmens hätten entstehen können. Der Rentenbewilligungsbescheid aus 1994 sei zwar bindend geworden, habe aber seine Wirkung nicht über den Zeitrahmen hinaus gehabt. Diese sei zum Ablauf der Frist entfallen. Die Befristung sei keine eigenständige und nachträglich isoliert von den übrigen Elementen des Rentenbescheides abänderbare Regelung, sondern vielmehr eine Eigenschaft des Anspruchs selbst, der alle Festlegungen des Verfügungssatzes in gleicher Weise treffe (Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 24.06.1996 aaO). Soweit die Beklagte die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG mit der Begründung angreife, aus dem Gesetz lasse sich eine Trennung von Versicherungsfall und Leistungsfall nicht entnehmen, verkenne sie, dass diese Entscheidung gar nicht auf einer solchen Differenzierung beruhe. Der 4. Senat des BSG gehe vielmehr bei einer Weitergewährung einer Zeitrente vom Fortbestehen des ursprünglichen, nicht von einem neuen Leistungsfall aus. Der Leistungsfall sei aber nur ein Element der bei erneuter Bewilligung zu berücksichtigenden Voraussetzungen. Die neue Entscheidung für die Zeit nach Fristablauf betreffe die Frage, ob alle Anspruchsvoraussetzungen erneut erfüllt seien. Die dafür relevante Grundlage seien folgerichtig die zu diesem Zeitpunkt bestehenden rechtlichen Verhältnisse. Es werde somit eine eigenständige und voll inhaltlich erneute, wenn auch wiederholte Bewilligung vorgenommen, unabhängig davon, ob einzelne anspruchsbegründende Elemente, wie der Leistungsfall, fortbestünden.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 10.10.2003 zugestellte Urteil am 10.11.2003 Berufung eingelegt: Nach Auffassung aller Rentenversicherungsträger stelle die Weiterzahlung einer Zeitrente über den Wegfallzeitpunkt hinaus keinen neuen Rentenbeginn im Sinne des § 300 Abs. 1 SGB VI dar, der eine Anwendung des im Zeitpunkt der Weiterbewilligung geltenden Rechts zur Folge habe. Mit der Weitergewährung werde im Ergebnis vielmehr lediglich der bisher prognostizierte Wegfallpunkt korrigiert. Nahtlos einander folgende Zeitrentenabschnitte bzw. eine Dauerrentengewährung im Anschluss an eine Zeitrente stellten folglich einen einheitlichen Rentenanspruch dar. Eine Auslegung des Rechts im Sinne des angegriffenen Urteils hätte im Übrigen eine nicht vertretbare Besserstellung der Zeitrentner gegenüber den Dauerrentnern zur Folge, was vom Gesetzgeber so nicht gewollt sein könne. Die Auffassung des SG könne auch dazu führen, dass bei Rechtsänderungen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt seien. Als Beispiel könne die Kürzung der Ausbildungsanrechnungszeiten zum 01.01.1992 angeführt werden. Hätte der Gesetzgeber bei jeder Weiterbewilligung einer Zeitrente neues Recht gewollt, hätte es der Vorschrift des § 302a Abs. 3 S. 2 2. Halbsatz SGB VI nicht bedurft.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21. August 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil ebenso wie das Urteil des BSG vom 24.10.1996 (aaO) für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen im Wesentlichen auf das zutreffende und umfassende erstinstanzliche Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Des Weiteren macht sich der Senat die Ausführungen des 4. Senats des BSG im Urteil vom 24.10.1996 (aaO) zu eigen, so dass auch auf dieses Urteil Bezug genommen wird.
Ergänzend weist der Senat auf die Vorschrift des § 102 Abs. 1 S. 1 SGB VI (in der bis zum 31.12.2000 geltenden alten Fassung) hin. Wie bereits das Landessozialgericht Berlin (LSG Berlin) im Urteil vom 12.02.2004 (L 3 RJ 26/02) ausgeführt hat, stellt diese Vorschrift klar, dass befristete Renten längstens bis zum Zeitpunkt der Befristung geleistet werden und danach Kraft Gesetzes wegfallen, ohne dass es einen Entziehungsbescheides bedarf.
Es trifft zu, dass diese Auslegung in bestimmten Fällen zu einer Besserstellung der Versicherten führen kann, die aufeinander folgende Zeit- und sodann eine Dauerrente beziehen gegenüber denjenigen, die, ausgehend vom gleichen Versicherungsfall, von Beginn an eine Dauerrente erhalten. Dieser Gesichtspunkt allein rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Auch die Tatsache, dass möglicherweise in Ausnahmefällen bei Rechtsänderungen versicherungsrechtliche Voraussetzungen nicht mehr erfüllt wären, kann im Ergebnis nicht zu einer Auslegung des Rechts in der von der Beklagten gewünschten Weise führen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es sich insofern um selten anzutreffende Ausnahmefälle handeln dürfte.
Schließlich bedeutet die in § 302 a Abs. 3 S. 2 1. Halbs. SGB VI enthaltene Regelung bezüglich der Weiterzahlung einer nach § 307 b SGB VI überführten Rente für den Falle einer befristeten Rente nicht notwendig, dass der Gesetzgeber hierdurch von einer von sonst unterstellten Rechtslage abweichen wollte. Vielmehr dürfte diese Regelung lediglich klarstellende Wirkung haben. Darüber hinaus wird hiermit verhindert, dass anlässlich der Einführung des neuen Erwerbsminderungsrechts zum 01.01.2001 eine Änderung bezüglich dieser Renten allein aufgrund der Rechtsänderung eintritt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es besteht im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24.10.1996 aaO) kein Anlass, die Revision zuzulassen.
Erstellt am: 14.07.2005
Zuletzt verändert am: 14.07.2005