Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 01.07.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob der Kläger Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 01.09. bis 06.10.2002 in Höhe von 2.444,65 EUR netto hat. Dabei ist insbesondere streitig, ob die genannte Zeit in den Insolvenzgeldzeitraum fällt oder nicht.
Der am 00.00.1961 geborene Kläger war zu Beginn des Jahres 2002 bei der G Maschinenbau- und Vertriebs-GmbH & Co. KG (GM) beschäftigt, die am 08.10.2002 in die S Konstruktionsbüro GmbH & Co. KG (SK) umbenannt wurde. Eigenen Angaben des Klägers zufolge erhielt er von der GM (später SK) vom 01.09. bis 06.10.2002 keinen Lohn mehr ausgezahlt. Am 07.10.2002 wurde die GM im Wege der Betriebsübernahme nach § 613 a BGB von der G GmbH (GG) übernommen. Ab 07.10.2002 arbeitete der Kläger für die GG und erhielt auch wieder seinen Lohn. Der Kläger arbeitet noch heute bei der GG. Zu Lohnausfällen ist es nicht mehr gekommen.
Das Arbeitsverhältnis mit der GM (später SK) wurde arbeitgeberseitig zum 31.03.2003 – an anderer Stelle wird vom 15.04.2003 gesprochen – gekündigt. Die GM (später SK) soll nach Angaben des Klägers zum 05.10.2002 ihre Betriebstätigkeit vollständig eingestellt haben. Am 30.01.2004 wurde das Insolvenzverfahren über die SK (vorher GM) eröffnet. Bereits am 29.11.2002 hatte der Kläger einen Insg-Antrag bezüglich der SK (vorher GM) gestellt.
Mit Bescheid vom 26.02.2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 22.04.2004, lehnte die Beklagte die Gewährung von Insg ab. Das Arbeitsverhältnis mit der SK (vorher GM) habe zum 15.04.2003 geendet. Insolvenzgeldzeitraum sei die Zeit vom 16.01. bis 15.04.2003. In dieser Zeit seien keine Lohnausfälle zu verzeichnen. Der geltend gemachte Zeitraum vom 01.09. bis 06.10.2002 liege außerhalb der maßgeblichen Dreimonatsfrist.
Am 26.05.2004 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht in Detmold erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, das Ende seines Arbeitsverhältnisses bei der GM (später SK) sei der 06.10.2002 gewesen und der Insolvenzgeldzeitraum reiche somit vom 07.07.2002 bis 06.10.2002. Er habe bis 06.10.2002 für die GM gearbeitet und ab 07.10.2004 für die GG. Es sei auch nicht richtig, dass das Beschäftigungsverhältnis zwischen ihm und der SK aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung zum 15.04.2003 geendet habe. Das Arbeitsverhältnis sei durch den Betriebsübergang am 07.10.2002 auf die GG beendet worden. Der Insolvenzgeldzeitraum reiche somit vom 07.07.2002 bis 06.10.2002. In diesem Zeitraum bestünden Lohnrückstände für die Zeit vom 01.09. bis 06.10.2002, so dass der Anspruch auf Insg bestehe.
Vor dem SG hat der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2004 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für die Zeit vom 01.09.2002 bis einschließlich 06.10.2002 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass der maßgebliche Insolvenzgeldzeitraum derjenige vom 15.01. bis 14.04.2003 sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.07.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Insolvenzereignis sei der 30.01.2004. Der Kläger habe für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden 3 Monate seines Arbeitsverhältnisses keine offenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die über Insg von der Beklagten auszugleichen wären. Die letzten 3 Monate des zwischen dem Kläger und der GM (später SK) bestehenden Arbeitsverhältnisses seien die Monate Januar bis März 2003 gewesen. Das SG ist insoweit von einer Kündigung zum 31.03.2003 und nicht zum 15.04.2003 ausgegangen. Dass die GM (später SK) ihre tatsächliche Betriebstätigkeit nach Angaben des Klägers zum 05.10.2002 eingestellt habe und der Kläger dann nahtlos bei der GG gearbeitet habe, ändere nichts an dem Ende des rechtlichen Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2003. Die offenen Arbeitsentgeltansprüche des Klägers für die Zeit vom 01.09. bis 06.10.2002 lägen außerhalb des Insolvenzgeldzeitraums vom 01.01. bis 31.03.2000, so dass dem Kläger kein Anspruch auf Insg zustehe.
Gegen diesen ihm am 12.07.2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 12.08.2005 eingegangene Berufung des Klägers. Das Sozialgericht verkenne, dass von der Regelung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB alle im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse erfasst würden, also auch alle Arbeitsverhältnisse, die bereits von einer Seite gekündigt worden seien, bei denen aber die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut folge, dass der Betriebserwerber vollständig in die Rechte und Pflichten des Betriebsveräußerers eintrete, der bisherige Arbeitgeber im Falle eines Betriebsüberganges jedoch aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide. Die Rechtstellung des Betriebserwerbers sei derart gestaltet, dass er in die bestehenden Arbeitsverhältnisse eintrete und sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erlange. Der Betriebserwerber übe das Direktionsrecht aus und ihm gegenüber bestehen Haupt- und Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Zeitlich entfalle mit dem Betriebsübergang die Arbeitgeberstellung des Betriebsveräußerers. Dieser scheide aus dem Arbeitsverhältnis aus. Dies sei eindeutige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Aufgrund des am 07.10.2002 stattgefundenen Betriebsübergangs auf die GG folge, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zur GM am 06.10.2002 sein Ende gefunden habe und nicht erst am 31.03.2003. Der dreimonatige Insolvenzgeldzeitraum umfasse somit den Zeitraum vom 07.07.2002 bis 06.10.2002. Maßgeblich seien immer die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses, selbst wenn das Arbeitsverhältnis zum Insolvenzzeitpunkt bereits beendet gewesen sei. Sei das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenztag (30.01.2004) bereits beendet, so ende der Insolvenzgeldzeitraum mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses, hier also am 06.10.2002.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 01.07.2005 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid im Ergebnis für zutreffend. Selbst wenn man vom 31.03.2003 als Endzeitpunkt des Arbeitsverhältnisses ausgehe, läge der geltend gemachte Zeitraum vor dem Insolvenzgeldzeitraum, der dann bereits am 01.01.2003 beginne. Der Auffassung des Klägers, letzter Tag des Arbeitsverhältnisses mit der GM (zuletzt SK) sei der 06.10.2002 gewesen, sei mit § 613 a BGB nicht vereinbar.
Der Senat hat mit den Beteiligten ein rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 26.03.2003 – 2 (1) Ca 2193/02 – erörtert. In diesem Verfahren, das eine Arbeitskollegin des Klägers betrieb, ist festgestellt worden, dass das zwischen der Klägerin und der SK bestehende Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die GG übergegangen ist, zwischen der Klägerin und der GG also ein Arbeitsverhältnis bestehe. Ferner ist festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch nicht aufgrund anderer Beendigungszustände, insbesondere nicht durch Kündigung, geendet habe, sondern unverändert über den 31.03.2003 hinaus fortbestehe.
Auf Anfrage des Senats, weshalb er die rückständigen Lohnforderungen bei der GM nicht gegenüber den Betriebsübernehmer GG geltend gemacht habe, hat der Kläger mitgeteilt, dass hierfür persönliche Gründe maßgebend gewesen seien. Der neue Arbeitgeber als Betriebsübernehmer habe nicht noch mit alten Lohnforderungen gegen den alten Arbeitgeber belastet werden sollen, da es dieser nach der Betriebsübernahme mit der Übernahme von anderen Altverbindlichkeiten des ehemaligen Arbeitgebers schon schwer genug gehabt habe. Der Kläger habe sein neues Arbeitsverhältnis nicht mit dieser zusätzlichen Forderung belasten wollen. Denn niemand gehe in ein neues Arbeitsverhältnis zu einem neuen Arbeitgeber mit der Forderung aus seinem alten Dienstverhältnis mit der Bemerkung, diese müsse nun vom neuen Arbeitgeber bezahlt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der den Kläger und die SK betreffende Verwaltungsakte der Beklagten mit der Stamm-Nr. 000 sowie die Akten des Arbeitsgerichts Minden mit den Aktenzeichen 2 Ca 2193/02, 3 Ca 1399/03 und 3 Ca 147/05 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Insg im Hinblick auf die Insolvenz der SK (vorher GM).
Dabei weist der Senat zur Klarstellung darauf hin, dass er von den im Tatbestand dieses Urteils aufgeführten Tatsachen ausgeht. Die weiteren im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren diskutierten Daten und tatsächlichen Abläufe hat der Senat bewusst weggelassen, weil es hierauf nicht ankommt. Insbesondere geht der Senat von folgenden Eckpunkten aus, die letztlich auch nicht umstritten sind: 1.Der Kläger war bei der GM beschäftigt. 2.Die GM wurde am 07.10.2002 von der GG im Wege der Betriebsübernahme nach § 613 a BGB übernommen und am 08.10.2002 in SK umbenannt. 3.Es kann dahinstehen, ob die Kündigung durch die GM zum 31.03. oder 15.04.2003 erfolgt ist, weil dies nicht entscheidungserheblich ist. 4.Das Insolvenzereignis bezüglich der SK ist der 30.01.2004. 5.Erheblich ist allein die Frage, ob das Arbeitsverhältnis mit der GM (später SK) am 06.10.2002 oder erst am 31.03./15.04.2003 endete.
Anspruch auf Insg haben nach § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III Arbeitnehmer, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Das Insolvenzverfahren ist am 30.01.2004 eröffnet worden, so dass der Tag des Insolvenzereignisses feststeht. Letzter Tag des Arbeitsverhältnisses mit der SK (vorher GM) war der 31.03. oder 15.04.2003, so dass sich der Insolvenzgeldzeitraum entweder auf die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2003 oder vom 15.01. bis 14.04.2003 erstreckt. Im gesamten Zeitraum vom 01.01. bis 15.04.2003 werden keine rückständigen Lohnzahlungen geltend gemacht, so dass es unerheblich ist, ob die Kündigung zum 31.03. oder 15.04.2003 durch die damalige GM erfolgt ist. Da der Kläger diese Kündigung akzeptiert hat, kam es nicht darauf an, wie im Falle des Arbeitsgerichts Minden 2 (1) Ca 2193/02, ob die Kündigung zu diesem Zeitpunkt wirksam war oder nicht. Die Auffassung des Klägers, letzter Tag des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 183 SGB III sei der 06.10.2002 gewesen, teilt der Senat nicht.
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Dies bedeutet, dass die GG an die Stelle der GM (umbenannt in SK) tritt, und zwar mit allen Rechten und Pflichten. Das bisherige Arbeitsverhältnis mit der GM wird mit der GG fortgesetzt. Dass ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB vorliegt, ist nicht streitig, sondern wird sogar vom Kläger selbst vorgetragen und ist auch vom Arbeitsgericht Minden in einem Rechtsstreit einer Arbeitskollegin des Klägers gegen die SK und die GG rechtskräftig so festgestellt worden (Urteil vom 26.03.2003 – 2 (1) Ca 2193/02 -). Der Senat hat diesem Urteil nichts hinzuzufügen. Das Beschäftigungsverhältnis gilt erst dann als beendet, wenn es der Betriebsübernehmer oder der alte Arbeitgeber wirksam kündigt. Dies ist hier unstreitig frühestens zum 31.03.2003 geschehen. In den 3 Monaten vor diesem Datum sind keine Lohnrückstände entstanden. Die Gewährung von Insg kommt somit nicht in Betracht.
Die Gewährung von Insg käme im Übrigen selbst dann nicht in Betracht, wenn man eimal die Konstruktion des Klägers mitmachen würde, also trotz der Weiterhaftung des alten und der Mithaftung des neuen Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis im Sinne des § 183 SGB III als mit dem Übergangstag am 07.10.2002 als beendet ansehen würde. Der Kläger hat dann einen Anspruch auf Begleichung der Restschulden aus dem Arbeitsverhältnis mit der GM gegenüber der GG und bedarf des Schutzes des Insg nicht. Im vorliegenden Fall war der neue Arbeitgeber (die GG) solvent und ist es bis heute. Wer auf die Durchsetzung legitimer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verzichtet, der kann diese nicht im Wege des Insg geltend machen. Ein Wahlrecht zu Lasten der Versichertengemeinschaft, wie es dem Kläger vorschwebt, besteht nicht. Es würde im Ergebnis auch nichts nützen, denn dann wäre der Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01.09. bis 06.10.2002 nach § 187 SGB III auf die Beklagte übergegangen. Der Betriebsübernehmer müsste dann an die Beklagte und nicht an den Kläger zahlen. Damit ließe sich der Wunsch des Klägers, den Arbeitgeber zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu entlasten, ebenfalls nicht durchsetzen. Die Berufung hätte somit selbst dann keinen Erfolg haben können, wenn man der Rechtsauffassung des Klägers gefolgt wäre.
Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, den Rechtsstreit zu vertagen. Der Rechts-streit ist in der mündlichen Verhandlung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten erörtert und besprochen worden. Der Vorsitzende hat die Rechtsauffassung der Berufsrichter kundgetan und keinen neuen Sachverhalt in das Verfahren eingeführt, zu dem sich die Beteiligten bisher nicht äußern konnten. Wird der Kläger-Vertreter von der Rechtsauffassung des Spruchkörpers "überrascht", so gibt dies nur Anlass zur Vertagung und Einräumung einer weiteren Frist zur Stellungnahme, wenn ein völlig neuer rechtlicher Gesichtspunkt in das Verfahren eingebracht wird. Aber selbst dann besteht kein grundsätzlicher Anspruch auf Vertagung, denn es ist ja gerade Sinn und Zweck einer mündlichen Verhandlung, alle denkbaren rechtlichen Gesichtspunkte auszuloten und zu diskutieren. Eine rechtskundig vertretene Partei sollte in der Lage sein, auch auf bisher nicht in Erwägung gezogene rechtliche Argumente zu reagieren.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffer 1 und Ziffer 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 23.10.2006
Zuletzt verändert am: 23.10.2006