Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 16.04.1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die am …1960 geborene Klägerin hat von 1977 bis 1980 den Beruf der Krankenschwester erlernt und war anschließend als Krankenschwester beschäftigt. Seit Mai 1996 war sie arbeitsunfähig und bezog Krankengeld. Seit dem 01.09.1997 wird sie zur Bürokauffrau umgeschult.
Die Klägerin beantragte am 08.07.1996 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Wirbelsäulenleidens. Nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. Th … vom 19.09.1996 und der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 14.10.1996 sowie eines Befundberichtes des Chirurgen Dr. F … vom 26.11.1996 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 29.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1997 mit der Begründung ab, daß weder Erwerbsunfähigkeit noch Berufsunfähigkeit bei der Klägerin vorlägen, weil die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen noch fähig sei, als Krankenschwester im Sanatorium, als Werkschwester oder als Arzthelferin vollschichtig zu arbeiten.
Die Klägerin hat hiergegen am 21.03.1997 Klage beim Sozialgericht Münster erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide seit Jahren unter zunehmenden Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die sich seit Oktober 1995 akut verstärkt hätten. Sie sei nicht mehr in der Lage, ihren erlernten Beruf auszuüben. Auch eine Verweisungstätigkeit könne sie nicht mehr verrichten. Sie sei erwerbsunfähig, zumindest jedoch berufsunfähig.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1997 zu verurteilen, Erwerbsunfähigkeit seit dem 08.07.1996 anzuerkennen und Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben. Es hat zunächst von der Barmer Ersatzkasse W … eine Auskunft vom 23.04.1997 über Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin seit 1991, vom Versorgungsamt M … die Schwerbehindertenakten der Klägerin, vom Josefs-Hospital W … eine Arbeitgeberauskunft vom 28.05.1997 sowie einen Arztbrief vom 14.01.1997 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 07.11. bis 03.12.1996 in der Klinik für Manuelle Therapie H … beigezogen. Anschließend hat es ein orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. P …, Leitender Arzt der Orthopädischen Klinik der Universität M …, eingeholt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 20.08.1997 zu dem Ergebnis gekommen, das Leistungsvermögen der Klägerin sei durch eine Lumboischialgie bei Hypermobilität der Wirbelsäule und asthenischen Habitus eingeschränkt. Durch diese Leiden sei die Belastbarkeit der Wirbelsäule für schwere und mittelschwere körperliche Arbeit erheblich herabgesetzt, außerdem seien der Klägerin Arbeiten in gebückter Stellung nicht mehr zumutbar. Die Klägerin könne noch vollschichtig leichte körperliche Tätigkeiten wechselweise im Stehen und Gehen oder Sitzen verrichten. Die Tätigkeit als Krankenschwester im Pflegedienst sei nicht möglich; die Tätigkeit als Krankenschwester im rein organisatorischen Bereich des Gesundheitsdienstes und der Gesundheitsämter sei dann möglich, wenn damit nicht die Betreuung von Patienten, wie An- und Auskleiden gebrechlicher Patienten, die Betreuung von Rollstuhlfahrern und Schwerbehinderten verbunden sei. Diese Patientenleistung sei in der Regel mit erheblicher körperlicher Belastung (Arbeiten in gebückter Stellung und Anheben der Patienten) verbunden und könne von der Klägerin auf Dauer nicht mehr geleistet werden. Die Klägerin könne dagegen in medizinischen Einrichtungen eine rein organisatorische oder verwaltungstechnische Arbeit verrichten. Eine Einschränkung für Fußwege oder die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel liege nicht vor.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16.04.1998 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei noch nicht berufsunfähig. Dies folge im wesentlichen aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P … Danach sei das Leistungsvermögen der Klägerin wegen der festgestellten erheblichen Wirbelsäulenschäden zwar soweit eingeschränkt, daß der Klägerin nur noch körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung zumutbar seien. Mit diesem Leistungsvermögen sei die Klägerin aber noch nicht berufsunfähig unter Zugrundelegung des Berufs der Krankenschwester als "bisherigen Beruf". Eine Tätigkeit als Krankenschwester im Pflegedienst sei der Klägerin zwar unter Berücksichtigung ihres eingeschränkten Leistungsvermögens nicht mehr zumutbar. Damit sei sie jedoch noch nicht berufsunfähig im rentenrechtlichen Sinne. Denn sie könne als Krankenschwester in anderen Tätigkeitsbereichen eingesetzt werden.
Das Berufsbild der Krankenschwester und die Ausbildung seien so breit angelegt, daß sich auch Tätigkeitsbereiche außerhalb von Krankenhäusern finden liessen. In Betracht käme der Einsatz in Sanatorien und Kurheimen, in denen die Aufgabe von Krankenschwestern in der Betreuung Gehfähiger, sich selbst helfender Patienten liege. Auch eine Tätigkeit als Krankenschwester in vertrauensärztlichen Dienststellen oder Gesundheitsämtern oder eine Tätigkeit als Werkschwester wäre der Klägerin zumutbar. Die Klägerin sei damit in der Lage, durch eine ihr zumutbare Erwerbstätigkeit mehr als die Hälfte des Entgeltes einer vergleichbaren gesunden Versicherten zu erzielen. Sie sei damit nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI. Damit seien erst recht nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gegeben. Soweit die Klägerin einen entsprechenden Arbeitsplatz nicht inne habe, falle dieses Risiko bei einem noch möglichen vollschichtigen Arbeitseinsatz in den Bereich der Arbeitslosenversicherung.
Gegen das ihr am 24.04.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.05.1998 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, sie könne weder ihren bisherigen Beruf noch einen für Krankenschwestern in Betracht kommenden Verweisungsberuf ausüben. Auch die Tätigkeit als Krankenschwester in Kureinrichtungen oder Sanatorien sei mit körperlichen Anforderungen verbunden, denen sie nicht gewachsen sei. Die Tätigkeit einer Krankenschwester in einer Vertrauensärztlichen Dienststelle oder einem Gesundheitsamt sei mit organisatorischen Aufgaben verbunden, die sie nicht gelernt habe. Sie befinde sich in einer Umschulung zur Bürokauffrau, die insgesamt 21 Monate dauere. Die Umschulung, die am 01.09.1997 begonnen habe, ende am 30.06.1999.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 16.04.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1997 zu verurteilen, ihr Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.08.1996 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die im Berufungsverfahren beigezogene berufskundlichen Unterlagen würden bestätigen, daß die Klägerin noch als Krankenschwester in Sanatorien und Kurheimen tätig sein könne.
Den Beteiligten wurden durch den Senat in Kopie berufskundliche Auskünfte übersandt, die vom Sozialgericht Duisburg im Streitverfahren S 10 AN 37/94 und vom Landessozialgericht Saarland im Verfahren L 1 A 23/93 eingeholt worden sind.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streit- und Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte es mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnt, der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) zu gewähren. Das Sozialgericht hat die dagegen gerichtete Klage nach Beweiserhebung und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu den Voraussetzungen eines Rentenanspruchs wegen Berufsunfähigkeit zutreffend als unbegründet abgewiesen.
Der Senat hat die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils anhand des Akteninhaltes, insbesondere der eingeholten Auskünfte und des Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. P … überprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß dem Sozialgericht weder bei der Ermittlung des Sachverhaltes noch bei dessen rechtlicher Würdigung Fehler unterlaufen sind. Deshalb schließt sich der Senat diesen Entscheidungsgründen an. Er verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Urteils und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, die vom Sozialgericht genannten Verweisungstätigkeiten einer Krankenschwester in Kurheimen und Sanatorien seien ihr aus gesundheitlichen Gründen, die Tätigkeit als Krankenschwester im Organisationsbereich wegen mangelnder Kenntnisse nicht zumutbar. Diese Annahme der Klägerin wird durch die vom Senat beigezogenen berufskundlichen Auskünfte sowie durch die Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. P … widerlegt. Prof. Dr. P … hält die Beauftragung einer Krankenschwester mit rein organisatorischen und Verwaltungstätigkeiten für möglich. Dieser Sachverständige hat als Leitender Arzt der Klinik und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie der Westfälischen Wilhelms-Universität M … auch Einblick in den organisatorischen Aufbau eines großen Krankenhauses, so daß er auch Auskunft darüber geben kann, inwieweit eine Krankenschwester, die nicht ausgebildete Verwaltungsangestellte ist, mit organisatorischen und Verwaltungsaufgaben in einer Klinik betraut werden kann. Als weitere Verweisungstätigkeit kommt die Tätigkeit einer Krankenschwester in einer Kurklinik oder einer Rehaklinik für die Klägerin in Frage. Dies ergibt sich sowohl aus den vom Sozialgericht Duisburg im Verfahren S 10 An 37/94 eingeholten Auskünften der Reha-Klinik B … O … vom 21.02.1995 (richtig: 1996) und der William Harvey-Klinik, B … N …, vom 23.02.1996 sowie den Auskünften der im Verfahren L 1 A 23/93 – LSG Saarland – gehörten berufskundlichen Sachverständigen der Arbeitsverwaltung Rheinland-Pfalz-Saarland vom 20.12.1993, 07.03.1994 und 19. Mai 1994. In der Reha-Klinik B … O …, bei der es sich um eine Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und für Herz- und Kreislauferkrankungen handelt, ist es gemäß der Auskunft vom 21.02.1995 auf elf Stationen möglich gewesen, Krankenschwestern, die körperlich leistungsgemindert sind, einzusetzen. Zu den Aufgaben der Krankenschwestern dieser Klinik gehört die Betreuung der Reha-Patienten, eventuelle Begleitung der Patienten zu Anwendungen (auch im Rollstuhl), Gesprächsführung, Aktenführung, Planung von Visiten, Koordination mit anderen Bereichen bzw. Terminabsprache im EKG, Röntgen usw., Blutdruck- und Gewichtskontrollen, Injektionen, Blutentnahmen, Medikamentenausgabe. Schwerere körperliche Belastungen sind, wie die Klinik ausgeführt hat, nur in vitalen Notfällen, die in Kurkliniken äußerst selten vorkommen, zu erwarten. Die Kurkliniken und Sanatorien dürfen pflegebedürftige Patienten nicht aufnehmen. Im Falle ernsthafter Akuterkrankungen während des Kur-Sanatoriumaufenthaltes erfolgt eine Verlegung in ein Akutkrankenhaus, wie der Sachverständige des Landesarbeitsamtes Rheinland-Pfalz-Saarland im Verfahren L 1 A 23/93 unter dem 07.3.1994 ausgeführt hat. Auch in der William Harvey-Klinik, B … N … sind entsprechende Arbeitsplätze für leistungsgeminderte Krankenschwestern vorhanden. Daß es sich bei den Auskünften der Reha-Klinik B … O …und B … N … nicht um Einzelfälle handelt, ergibt sich aus der im Verfahren L 1 A 23/93 vom Landessozialgericht für das Saarland eingeholte Auskunft des Landesarbeitsamtes Rheinland-Pfalz-Saarland vom 20.12.1993, der ergänzenden Stellungnahme vom 07.03.1993 sowie den Bekundungen des Sachverständigen He … in der Sitzung des LSG für das Saarland vom 19.05.1994. Danach handelt es sich bei der Arbeit einer Krankenschwester in einer internistischen, neurologischen und psychiatrischen Kur-Klinik um körperlich leichte Tätigkeiten, die im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt werden, wobei Zwangshaltungen und Heben und Tragen von Gewichten nicht anfallen. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich um vollwertige Tätigkeiten einer Krankenschwester, deren Entlohnung derjenigen von Krankenschwestern in Krankenhäusern entspricht. Die oben genannten Tätigkeiten entsprechen dem Leistungsvermögen der Klägerin. Sie ist damit in der Lage, durch eine ihr zumutbare Erwerbstätigkeit mehr als die Hälfte des Entgeltes einer vergleichbaren gesunden Versicherten zu erzielen.
Unerheblich ist, ob der Klägerin ein derartiger freier Arbeitsplatz vermittelt werden kann. Wie das Sozialgericht bereits ausgeführt hat, fällt das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten, bei einem noch möglichen vollschichtigen Arbeitseinsatz für eine tarifvertraglich geregelte Erwerbstätigkeit nicht in den Bereich der Rentenversicherung, sondern in den der Arbeitslosenversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 bzw. 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 15.08.2003
Zuletzt verändert am: 15.08.2003