Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 06.09.2017 wird zurückgewiesen. Die Klage vom 06.09.2018 wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides, einen Anspruch des Klägers auf Vorlage einer Urkunde und einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Rechtsauskunft.
Der 1973 geborene Kläger ist diplomierter Wirtschaftsingenieur. Er ist alleinstehend und bezieht vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Kosten für Unterkunft und Heizung macht er nicht geltend.
Mit Bescheid vom 11.04.2016 stellte der Beklagte eine Minderung der Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 31.07.2016 iHv 30 Prozent des gemäß § 20 SGB II maßgeblichen Regelbedarfs fest. Ein gegen diesen Bescheid gerichtetes Widerspruchs- und Klageverfahren (Sozialgericht Aachen – S 8 AS 590/16) endete durch Klagerücknahme. Am 26.08.2016 fand ein Beratungsgespräch zwischen dem Beklagten und dem Kläger mit dem Inhalt einer möglichen Integration des Klägers in den Arbeitsmarkt statt. Der Kläger erklärte bei diesem Gespräch, er wolle keine Eingliederungsvereinbarung mit dem Beklagten abschließen. Er sei ohne weiteres in der Lage, eine Stelle zu finden, lehne das aktuelle Wirtschaftssystem aber ab. Der Beklagte übergab dem Kläger bei dem Termin den Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung und setzte ihm eine Frist bis zum 31.08.2016 für die Entscheidung, ob er diese unterschreiben wolle. Der Kläger reagierte nicht. Mit Bescheid vom 13.09.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe des Regelbedarfs iHv 404 EUR monatlich vom 01.10.2016 bis zum 31.12.2016 und iHv 409 EUR vom 01.01.2017 bis zum 30.09.2017.
Am 14.09.2016 erließ der Beklagte einen Eingliederungsbescheid für den Zeitraum vom 14.09.2016 bis zum 31.03.2017. Der Beklagte verpflichtete den Kläger u.a. dazu, sich bis zum 01.10.2016 dreimal und in der Folge monatlich fünfmal bis zum Ersten des jeweils nächsten Kalendermonats um eine Arbeitsstelle zu bewerben, diese Bewerbungen in einem sogenannten Aktionsplan festzuhalten und diesen im Zeitraum zwischen dem 01.10.2016 und dem 01.03.2017 zum Ersten eines jeden Monats unaufgefordert beim Beklagten einzureichen. Der Beklagte verpflichtete sich, dem Kläger Bewerbungsgespräche anzubieten, ihn pro schriftlicher Bewerbung mit einem Betrag von 5 EUR (bis zu 300 EUR insgesamt im Jahr) zu unterstützen, Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen zu erstatten, das Bewerberprofil des Klägers mit Stellenangeboten abzugleichen, ihn für geeignete Stellen vorzuschlagen und bei entsprechenden Voraussetzungen über einen Eingliederungszuschuss oder Einstiegsgeld zu unterstützen. Der Bescheid enthält eine Rechtsfolgenbelehrung, die den Kläger darauf hinweist, dass der ihm in seinem letzten Leistungsbescheid gewährte Regelbedarf für die Dauer von drei Monaten um 60 Prozent gekürzt werde, sofern er ohne wichtigen Grund gegen eine durch den Eingliederungsbescheid auferlegte Pflicht verstoße. Eine gegen den Bescheid vom 14.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2016 beim Sozialgericht Aachen erhobene Klage (S 2 AS 950/16, Urteil vom 26.01.2017) sowie eine Berufung (L 2 AS 488/17, Urteil vom 31.08.2017) blieben erfolglos, ebenso eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG (B 14 AS 360/17 B, Beschluss vom 31.08.2017). Der Kläger wies bis zum 01.10.2016 gegenüber dem Beklagten keine Bewerbungsbemühungen nach. Mit Bescheid vom 12.10.2016 stellte der Beklagte eine Minderung der Leistungen vom 01.11.2016 bis zum 31.01.2017 iHv 60 Prozent des gemäß § 20 SGB II maßgeblichen Regelbedarfs fest. Der Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass bei jeder weiteren Pflichtverletzung ohne wichtigen Grund das Arbeitslosengeld II vollständig entfalle. Der Kläger erhob auch gegen diesen Bescheid Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2016 zurückwies. Eine hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Aachen ab (S 2 AS 949/16, Urteil vom 26.01.2017). Die gegen dieses Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom LSG Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (L 2 AS 489/17 NZB, Beschluss vom 16.06.2017).
Der Kläger legte auch in den Folgemonaten beim Beklagten keine Nachweise über Bewerbungen vor.
Mit Schreiben vom 13.01.2017 hörte der Beklagte den Kläger zur Feststellung einer weiteren Sanktion an. Der Kläger verwies mit Schreiben vom 25.01.2017 auf seine Stellungnahmen in früheren und laufenden Klageverfahren, in denen er eine Integration in Arbeit dem Grunde nach abgelehnt hatte.
Mit Bescheid vom 14.02.2017 stellte der Beklagte eine Minderung des dem Kläger bewilligten Arbeitslosengeldes II für den Zeitraum vom 01.03.2017 bis zum 31.05.2017 iHv 100 Prozent fest. Der Bewilligungsbescheid vom 13.09.2016 wurde für diesen Zeitraum teilweise aufgehoben. Der Kläger sei den Pflichten aus dem Eingliederungsbescheid vom 14.09.2016 nicht nachgekommen. Er habe zum 01.12.2016 und zum 01.01.2017 keine Bewerbungen nachgewiesen. Im Anhörungsverfahren habe er keine Gesichtspunkte vorgebracht, die sein Verhalten rechtfertigen könnten. Die Minderung beginne mit Beginn des Monats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folge. Der Beklagte wies den Kläger daraufhin, dass er auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erhalten könne. Der Krankenversicherungsschutz sei aufgrund der Sanktion erloschen. Durch die Gewährung von Sachleistungen könne dieser wieder ausgelöst werden.
Der Kläger erhob am 16.02.2017 Widerspruch. Die Sanktion verstoße gegen sein durch Art. 1 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 1 GG garantiertes Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Weder aus dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum noch aus dem Sozialstaatsprinzip folge die Notwendigkeit eines bedingungsloses Grundeinkommens oder einer voraussetzungslosen Sicherung des Existenzminimums.
Am 02.03.2017 hat der Kläger beim Sozialgericht Aachen Klage gegen den Sanktionsbescheid vom 14.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2017 erhoben (S 4 AS 157/17). Er sei den Pflichten aus dem Eingliederungsbescheid vom 14.09.2016 nicht nachgekommen, weil er diesen Bescheid für nichtig halte. Der Bescheid sei mit tragenden Verfassungsprinzipien nicht vereinbar. Auch die Sanktionsregelungen der §§ 31 ff. SGB II verstießen gegen das Grundgesetz. Der Kläger hat sich auf den Vorlagebeschluss des SG Gotha vom 02.08.2016 – S 15 AS 5157/14 an das BVerfG (1 BvL 1/16) berufen. Bereits im Beschluss vom 06.05.2016 – 1 BvL 1/15 habe das BVerfG anerkannt, dass der vorherige, nur aus formalen Gründen nicht zulässige Vorlagebeschluss des SG Gotha gewichtige verfassungsrechtliche Fragen aufwerfe. Daher sei der Rechtsstreit auszusetzen und es sei eine Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob die §§ 31 ff. SGB II gegen das Grundgesetz verstießen. Die Inanspruchnahme von Sachleistungen komme für ihn unter keinem Gesichtspunkt in Frage.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 14.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2017 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat maßgeblich auf seinen Vortrag im Verwaltungsverfahren verwiesen.
Mit Beschluss vom 24.03.2017 hat das Sozialgericht Aachen einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides. Ermächtigungsgrundlage für die festgestellte Sanktion sei § 31 a Abs. 1 Satz 3 SGB II. Die Weigerung des Klägers, seinen Pflichten aus dem Bescheid vom 14.09.2016 nachzukommen, stelle eine Pflichtverletzung dar. Diese Pflichtverletzung sei wiederholt, weil der Kläger innerhalb des zeitlichen Rahmens des § 31 a Abs. 1 Satz 5 SGB II bereits zweimal sanktioniert worden sei. Die Regelungen der §§ 31 ff. SGB II seien nicht verfassungswidrig. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei nicht unabhängig von Mitwirkungsobliegenheiten und von der Eigenaktivität des Hilfebedürftigen. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung der aus diesem Grundrecht resultierenden Teilhaberechte einen Gestaltungsspielraum, der eine Minderung der Leistungen nach dem SGB II und auch ihren vollständigen Wegfall nicht ausschließe. Aus dem Grundgesetz lasse sich kein Anspruch auf ein bedingungsloses Grundeinkommen ableiten. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums folge nicht unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG, sondern nur aus dessen Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. Es verbiete sich daher, einen absoluten, nicht einschränkbaren Gestaltungsanspruch einzufordern. Mit Beschluss vom 05.05.2017 (L 2 AS 697/17 B ER) hat das LSG Nordrhein-Westfalen die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. An der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides bestünden keine ernsthaften Zweifel. Der Kläger sei im Vorfeld der Sanktionierung hinreichend belehrt worden. Er sei in dem Eingliederungsbescheid vom 14.09.2016 darüber aufgeklärt worden, dass die ihm gewährten Leistungen in Gestalt des Regelbedarfs für drei Monate um 60 Prozent gekürzt würden, sofern er gegen die in dem Bescheid formulierten Pflichten verstoße. In dem in der Folge ergangenen Sanktionsbescheid vom 12.10.2016 sei er wiederum darauf hingewiesen worden, dass sein Arbeitslosengeld II bei einer weiteren Pflichtverletzung ohne wichtigen Grund vollständig entfalle. Einen wichtigen Grund habe der Kläger nicht dargelegt. Es bestünden keine grundlegenden Bedenken an der Handlungsform des Eingliederungsbescheides. Auch durchgreifende verfassungsrechtlichen Zweifel an dem Sanktionssystem der §§ 31 ff. SGB II bestünden nicht. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bedürfe der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten habe. Dies bedeute nicht, dass die Leistungen voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten. Vielmehr stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der ihn nicht daran hindere, die Gewährung existenzsichernder Leistungen an Mitwirkungsobliegenheiten zu knüpfen und bei deren Verletzung leistungsrechtliche Minderungen vorzusehen. Eine Entscheidung für ein bedingungsloses Grundeinkommen müsse dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Dieser sei aber davon ausgegangen, dass der Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen müsse und habe an eine fehlende Bereitschaft hierzu negative Konsequenzen geknüpft. Dies sei nicht zu beanstanden, solange die unerlässlichen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts in der Gestalt von Sachleistungen zur Verfügung stünden
Mit Urteil vom 06.09.2017 hat das Sozialgericht die Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlüsse abgewiesen.
Am 20.10.2017 hat der Kläger gegen das ihm am 22.09.2017 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Er wiederholt seinen bisherigen Vortrag und ist der Auffassung, das Klageverfahren sei bis zur Entscheidung des BVerfG in dem Verfahren 1 BvL 7/16 auszusetzen.
Der Kläger hat in den vergangenen Jahren trotz einer nahezu durchgehenden Sanktionierung keinerlei Anträge auf Sachleistungen gestellt. Hierzu hat erklärt in der Begründung des Berufungsverfahrens L 7 AS 562/18 erklärt: "Auch ist es mir unmöglich, einen Antrag auf ergänzende Sachleistungen bei dem Beklagten zu stellen. Bei Menschen, die mich unter Sanktionsandrohung gegen meinen geäußerten Willen als freier Mensch zum Lügen zwingen wollen, mich befehligen und bevormunden, Gutscheine erbetteln zu müssen, weil ich mich weigere zu lügen und auf meine o.g. Grundrechte zu verzichten, ist für mich undenkbar."
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 06.09.2017 zu ändern und den Bescheid vom 14.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2017 aufzuheben,
den Beklagten zu verurteilen, ihm eine notariell beglaubigte Kopie der Gebietskörperschaftsurkunde auszuhändigen, aus der hervorgeht, dass die job-com des Kreises E auf dem Gebiet der Stadt K bzw. der Gemeinde K staatlich hoheitlich agieren kann. Aus der Urkunde muss hervorgehen, welche staatliche Instanz der job-com des Kreises E die Gebietskörperschaft verliehen hat,
den Beklagten zu verurteilen, ihm eine beglaubigte Rechtsauskunft zu erteilen, wer bei dem Beklagten für das Vorgehen ihm gegenüber in Form von Verwaltungsakten und den darauf basierenden Sanktionsbescheiden strafrechtlich haftet.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage vom 06.09.2018 abzuweisen.
Der Beklagte nimmt im Wesentlichen Bezug auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts Aachen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 14.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2017 ist nicht rechtswidrig.
Rechtsgrundlage für die Sanktion ist § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Indem der Kläger nach dem Erlass des Eingliederungsbescheides vom 14.02.2017 keinerlei Bewerbungsbemühungen nachgewiesen hat, hat er sich geweigert, in dem Eingliederungsbescheid festgelegte Pflichten zu erfüllen. Da der Kläger in den Monaten Dezember 2016 und Januar 2017 keine Bewerbungsbemühungen nachgewiesen hat, hat er auch eine erneute Pflichtverletzung begangen, so dass der Beklagte aufgrund der früheren Sanktionierung vom 12.10.2016 nicht gehindert war, die hier streitige Sanktion festzustellen. Zumindest die Verpflichtung zum Nachweis von Bewerbungsbemühungen in einem "Aktionsplan" ist nicht als einheitliche Dauerverpflichtung für den Gesamtzeitraum des Eingliederungsbescheides anzusehen. Vielmehr entsteht sie aufgrund der Verpflichtung, den Nachweis monatlich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen, für jeden Zeitabschnitt neu und kann damit bei wiederholter Verletzung auch mehrfach sanktioniert werden.
Der der Sanktion zugrundeliegende Eingliederungsbescheid vom 14.02.2017 ist rechtmäßig.
Die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsbescheides, nicht nur seine Wirksamkeit und Vollziehbarkeit, ist grundsätzlich Voraussetzung für die Annahme einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Zwar ist u.a. im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht anerkannt, dass ein Verwaltungsakt bereits befolgt werden muss, wenn er wirksam ist, für eine Befolgungspflicht kommt es grundsätzlich nicht auf die Rechtsmäßigkeit des Bescheides an. Dieser Grundsatz gilt jedoch unstreitig bereits nur im Bereich der Verwaltungsvollstreckung. Ist – wie hier – die Rechtmäßigkeit von Sanktionen zu prüfen, ist auch im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht sowie bei an einen Verwaltungsakt anknüpfenden Straftatbeständen umstritten, ob die Wirksamkeit eines anordnenden Bescheides ausreicht oder eine Rechtmäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist (OLG Koblenz Beschluss vom 16.03.1998 – 1 Ss 367/97; Remmert in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 103 Abs. 2 GG, Rn. 19; für eine reine Wirksamkeitsprüfung BGH Urteil vom 27.04.2005 – 2 StR 457/04 [zur Tatbestandswirkung einer Aufenthaltsgenehmigung], BGH Beschluss vom 12.04.1983 – 5 StR 513/82 [zur Strafbarkeit gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 5 AuslG a.F. wegen eines Verstoßes gegen eine Aufenthaltsbeschränkung]). Im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist darüber hinaus maßgeblich, dass die mit deren Bewilligung einhergehenden Pflichten nach § 31, 32 SGB II der Sache nach keine echten Rechtspflichten, sondern (nur) Obliegenheiten darstellen, die nicht – wie zB im Polizei- und Ordnungsrecht – im Interesse der Allgemeinheit Handlungsgebote festlegen, sondern (nur) im jeweiligen Leistungsverhältnis wirken sollen. Das deutsche Recht kennt grundsätzlich keine Arbeitspflicht. Art. 12 Abs. 2 GG verbietet eine solche außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Obliegenheiten begründen für den Begünstigten – hier den Beklagte – weder einen primären Erfüllungsanspruch noch bei Verletzung einen sekundären Schadensersatzanspruch. Rechtsnachteile für den durch die Obliegenheit Belasteten entstehen nur dadurch, dass dieser einen ansonsten bestehenden Anspruch verliert. Verletzt der Betroffene eine Obliegenheit, so schmälert dies seine Rechtsposition. Das fehlende primäre Erfüllungsinteresse der Allgemeinheit rechtfertigt es, abweichend zB zum Polizei- und Ordnungsrecht, die Befolgungspflicht von der Rechtmäßigkeit der Handlungsaufforderung abhängig zu machen und eine Sanktion nur bei einer Rechtmäßigkeit der Handlungsaufforderung zuzulassen. So ist es auch im Rahmen der systematisch als Vorläufer der §§ 31 ff. SGB II zu sehenden Sperrzeitenregelung des § 159 SGB III anerkannt, dass eine Sperrzeit wegen eines Meldeversäumnisses gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III nur festgestellt werden kann, wenn die ebenfalls als Verwaltungsakt anzusehende (Schmitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, § 159 , Rn. 53) Meldeaufforderung rechtmäßig war (Karmanski in Brand, SGB III, 8. Aufl. 2017, § 159 Rn. 109; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 27.09.2002 – L 8 AL 855/02). Die abweichende Auffassung, die einen wirksamen Eingliederungsbescheid für die Rechtmäßigkeit einer Sanktion ausreichen lässt (vgl. ua SG Berlin Urteil vom 09.07.2014 – S 205 AS 30970/13) führt auch zu problematischen prozessualen Konsequenzen: Auch wenn ein rechtswidriger Eingliederungsbescheid nach Widerspruch und Klage aufgehoben würde, müsste es bei einer Sanktionierung bleiben, denn auch in diesem Fall hätte der Hilfebedürftige zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Pflichtverletzung einer ihm durch wirksamen und vollziehbaren Verwaltungsakt auferlegten Handlungspflicht nicht genügt. Die Wirksamkeit einer durch den Eingliederungsbescheid auferlegten Obliegenheit könnte nur durch ein Eilverfahren nach § 86b Abs. 1 SGG gehindert werden. In einem solchen Eilverfahren hätte das zuständige Gericht die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsbescheides zu prüfen, die aber für die Feststellung einer Sanktion gar nicht relevant wäre. Eine auf einer nur summarischen Prüfung der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsbescheides beruhende gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage gegen den Eingliederungsbescheid könnte den Vorwurf der Pflichtverletzung und einer Sanktionierung verhindern, die vollständige Aufhebung desselben im Hauptsacheverfahren aber nicht. Die Frage, ob überhaupt eine Pflichtverletzung vorliegt, würde allein von der Entscheidung des Gerichts im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen den Eingliederungsbescheid abhängig gemacht. Zudem wäre das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen einen Eingliederungsbescheid in Ermangelung einer Relevanz für ein gegen die Sanktion gerichtetes Verfahren problematisch.
Ermächtigungsgrundlage für den Eingliederungsbescheid sind §§ 15 Abs. 2, 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II. Hiernach sollen die in einer Eingliederungsvereinbarung vorgesehenen Regelungen durch Verwaltungsakt getroffen werden, wenn eine Vereinbarung nach § 15 Abs. 2 SGB II nicht zustande kommt. Der Beklagte war befugt, einen Eingliederungsbescheid zu erlassen. Nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II sollen die Regelungen einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt. Der Senat lässt offen, ob es sich hierbei um eine reine Verfahrensvorschrift handelt und der Grundsicherungsträger selbst entscheiden kann, welchen Weg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wählt (so BSG Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 13/09 R; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 02.05.2011 – L 19 AS 344/11 B ER, L 19 AS 345/11 B ER) oder die Regelung einen Vorrang der konsensualen Lösung durch eine in gegenseitigem Einvernehmen geschlossene Vereinbarung vor dem Ersatz der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt anordnet (so BSG Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 195/11 R; vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 29.01.2015 – L 7 AS 1305/14). Auch nach letztgenannter Ansicht wären die Voraussetzungen für den Erlass des Eingliederungsbescheides gegeben, denn der Kläger hat in dem Beratungsgespräch beim Beklagten am 26.07.2016 erklärt, dass er keine Eingliederungsvereinbarung mit dem Beklagten abschließen wolle.
Auch der Inhalt des Eingliederungsbescheides ist rechtmäßig. Der Eingliederungsbescheid ist an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden Eingliederungsvereinbarung verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der Eingliederungsvereinbarung zu wahren sind. Auch die Regelungen eines Eingliederungsbescheides müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II abzuleiten sind (BSG, Urteil vom 23. 06.2016 – B 14 AS 42/15 R). Auch für den Eingliederungsbescheid sind die für den öffentlich-rechtlichen Vertrag in § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X formulierten Maßgaben entscheidend, d.h. einem an den Hilfebedürftigen gerichteten zumutbaren Verlangen muss eine mit diesem in Zusammenhang stehende, angemessene und konkret bestimmte Gegenleistung der Behörde gegenüberstehen. Dies ist hier der Fall. Gemäß dem Vorspann des Eingliederungsbescheides dient dieser einer Eingliederung des Klägers in Arbeit und entspricht damit dem auch für den Abschluss einer möglichen Eingliederungsvereinbarung maßgeblichen Grundgedanken. Gemessen hieran sind die in dem Eingliederungsbescheid für den Kläger formulierten Aufgaben angemessen und sinnvoll. Es ist dem Kläger zumutbar, pro Monat fünf Bewerbungen zu tätigen, diese in einem Aktionsplan festzuhalten und beim Beklagten vorzulegen. Die Zahl der zu fertigenden Bewerbungen entzieht sich schematischen Betrachtungen (BSG Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R). Im Falle des Klägers sind seine berufliche Qualifikation als diplomierter Wirtschaftsingenieur und die aus zahlreichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erkennbare Fähigkeit zur Formulierung zu berücksichtigen. Gegen die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsbescheides ist nicht einzuwenden, dass in Eingliederungsvereinbarungen grundsätzlich nicht starr an Zielen festgehalten werden darf, die sich als erfolglos erwiesen haben (BSG Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R), denn die Erfolglosigkeit der vom Beklagten verfolgten Vermittlungsstrategie beruht nicht auf ihrer Fehlerhaftigkeit, sondern auf der dauerhaften Weigerung des Klägers, sich auf Eingliederungsbemühungen jedweder Natur einzulassen. Es ist dem Kläger schließlich zumutbar, seine Bewerbungsbemühungen zu dokumentieren und dem Beklagte monatlich vorzulegen, denn nur so können diese kontrolliert und ggf. durch weitere Hinweise des Beklagten optimiert werden.
Die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsbescheides scheitert nicht an unzureichenden Gegenleistungen des Beklagten. Die Übernahme von Kosten für Bewerbungen und Fahrtkosten steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den dem Kläger auferlegten Obliegenheiten. Der pauschal gewährte Betrag von 5 EUR für eine Bewerbung scheint ausreichend, zumal Bewerbungen auch telefonisch oder per E-Mail erfolgen können und Fahrtkosten gesondert übernommen werden. Die Verpflichtungen des Beklagten, das Bewerberprofil des Klägers mit Stellenangeboten abzugleichen und ihm geeignete Vorschläge zu machen sowie ihn gegebenenfalls mit einem Eingliederungszuschuss oder einem Einstiegsgeld zu unterstützen, sind nicht zu schematisch, denn die durch die Regelungen des § 15 SGB II angestrebte maßgeschneiderte Ausrichtung der Eingliederungsleistungen (BSG Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R) kann nicht unabhängig von der Mitwirkung des Hilfebedürftigen gesehen werden. Verwehrt dieser sich den Eingliederungsbemühungen vollständig und arbeitet er nicht an der Erstellung eines Bewerberprofils mit, kann das Jobcenter nur mit den ihm zur Verfügung stehenden Informationen eher allgemeiner Natur arbeiten und seine Bemühungen hieran ausrichten.
Eine ausreichende schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen liegt vor. Der Kläger wird im vorausgegangenen Sanktionsbescheid vom 12.10.2016 ausdrücklich und in hinreichendem Maße darauf hingewiesen, dass sein Arbeitslosengeld II bei einer nochmaligen Pflichtverletzung ohne wichtigen Grund vollständig entfällt.
Ein wichtiger Grund des Klägers dafür, keine Bewerbungsbemühungen vorzulegen, ist nicht erkennbar. Es gibt kein Grundrecht, sich aus Gewissengründen der Steuerzahlung verweigern zu können und deshalb keine bezahlte Tätigkeit anzunehmen (BVerfG Beschluss vom 26.08.1992 – 2 BvR 478/92).
Zu Recht hat der Beklagte eine weitere wiederholte Pflichtverletzung gemäß § 31 a Abs. 1 Satz 3 SGB II angenommen und einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II festgestellt. Aufgrund der mit den Sanktionsbescheiden vom 11.04.2016 und 12.10.2016 festgestellten Pflichtverletzungen lagen jedenfalls zwei Pflichtverletzungen innerhalb der Jahresfrist des § 31 a Abs. 1 Satz 5 SGB II vor. Der Beklagte hat den Sanktionszeitraum gemäß § 31 b Abs. 1 SGB II zutreffend festgestellt.
Der Senat hat keine durchgreifenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der den vorliegenden Bescheiden zugrundeliegenden Sanktionsvorschriften.
Der Vorlagebeschluss des SG Gotha vom 02.08.2016 – S 15 AS 5157/14 – führt nicht zu einer anderweitigen Bewertung. Dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums, (Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG) sowie von Freiheitsrechten, namentlich dem Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG (hierzu nur Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 4. Aufl., § 31 Rn. 2) ist durch eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung der zu einer Sanktion führenden Obliegenheiten (§ 31 SGB II) zu genügen. Sind diese eingehalten, stellt es weder einen Verstoß gegen die Menschenwürde iVm dem Sozialstaatsprinzip noch gegen Freiheitsrechte dar, wenn auf eine ungerechtfertigte Weigerung, zumutbare Obliegenheiten zu erfüllen, ein Leistungsanspruch wegfällt. Im Beschluss vom 06.05.2016 – 1 BvL 1/15 hat das BVerfG keine konkreten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Sanktionensystems geäußert, sondern nur festgestellt, dass gewichtige verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen werden.
Das BVerfG hat im Übrigen bereits deutlich gemacht, dass es keine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums annimmt, wenn der Gesetzgeber den Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung an zumutbare Bedingungen knüpft. Es nimmt keinen von dem Hilfebedürftigen möglichen Mitwirkungshandlungen losgelösten, allein aus der Hilfebedürftigkeit resultierenden Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums an. Der faktische Zwang, die bisherige Lebensführung zur Sicherung des Existenzminimums ändern zu müssen, führt nicht zur Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, sondern berührt vielmehr das Grundrecht, das diese vom Hilfebedürftigen anvisierte Lebensgestaltung schützt (BVerfG Beschluss vom 08.10.2014 – 1 BvR 886/11). Die vorliegend betroffene Entscheidung des Klägers, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen zu wollen, ist zwar durch das Grundrecht der (negativen) Berufsfreiheit geschützt, dies führt aber nicht zu einem Anspruch auf Finanzierung dieser Entscheidung durch die Allgemeinheit. Hinzu kommt, dass der Beklagte dem Kläger Sachleistungen angeboten hat, die auch seinen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz herstellen, so dass ihm trotz der 100-Prozent-Sanktion die unerlässlichen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (hierzu BSG Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R).
Die im Termin vom 06.09.2018 erhobene Leistungsklage auf Urkundenvorlegung und Auskunftserteilung ist als Klageerweiterung im Berufungsverfahren zwar gem. § 99 Abs. 2 SGG zulässig, da der Beklagte auch insoweit zur Sache verhandelt und sich damit auf die Klageerweiterung eingelassen hat (hierzu nur Schmidt in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl., § 99 Rn. 9), sie ist jedoch unbegründet. Für die vom Kläger begehrte Vorlage einer Urkunde über die Rechtsstellung des Beklagten enthält das Gesetz keine Anspruchsgrundlage. Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen die Befugnis des Beklagten zu hoheitlichem Handeln bestreitet, trifft dies nicht zu. Der Beklagte ist ein rechtmäßig durch die Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24.09.2004 (BGBl I, 2349) zugelassener kommunaler Träger iSd § 6a Abs. 1 SGB II und als solcher zur Durchführungen der Aufgaben nach dem SGB II befugt (§ 6b Abs. 1 SGB II). Die job-com E ist eine unselbständige Untergliederung des Kreises E, weshalb zutreffend die angefochtenen Bescheide vom Landrat des Kreises E erlassen worden sind. Auch hinsichtlich der begehrten Auskunft über eine strafrechtliche Haftung für die Eingliederungs- und Sanktionsbescheide enthält das Gesetz keine Anspruchsgrundlage, diese ergibt sich insbesondere nicht aus der Beratungspflicht nach § 14 Abs. 2 SGB II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Erstellt am: 04.10.2019
Zuletzt verändert am: 04.10.2019