Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 04.08.2011 hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wird als unzulässig verworfen. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 04.08.2011 hinsichtlich der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen. Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der Antragsteller ist Witwer. Er bezieht von dem Antragsgegner Leistungen nach dem Zweiten Buch (SGB II).
Durch Bescheid vom 04.05.2011 hob der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II an den Antragsteller und seine verstorbene Ehefrau wegen Zuflusses eines Einkommens teilweise für März 2009 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Er forderte vom Antragsteller selbst sowie als Erbe seiner verstorbenen Ehefrau jeweils einen Betrag von 389,97 EUR nach § 50 SGB X zurück und verfügte, dass die Erstattungsforderung in Höhe von 109,20 EUR mtl. gegen die Leistungsansprüche des Antragstellers nach § 43 SGB II i.d.F. ab dem 01.04.2011 aufrechnet wird.
Hiergegen legte der Antragsteller am 26.05.2011 Widerspruch ein. Der Prozessbevollmächtigte bestellte sich am 30.05.2011 und begründete den Widerspruch mit Schriftsatz vom 25.07.2011, den der Antragsgegner mit Widerspruchbescheid vom 09.08.2011 zurückwies.
Der Antragsgegner rechnete eine Betrag von 109,20 EUR mit den laufenden Leistungen nach dem SGB II für Juni, Juli und August 2011 auf. Mit Schreiben vom 08.06.2011 und vom 04.07.2011 zeigte die Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen dem Antragsgegner einen Zahlungseingang auf die Forderung an, die "mit Widerspruch/Klage/AdV" ruhend gestellt worden sei.
Am 27.07.2011 hat der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 04.05.2011 sowie die Verpflichtung des Antragsgegners zur Einstellung der Aufrechnung mit den laufenden Bezügen sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Er hat geltend gemacht, dass der Antragsteller die Aufrechnung trotz der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vollziehe.
Mit Schreiben vom 01.08.2011 hat sich der Antragsgegner bereit erklärt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 04.05.2011 herzustellen und die Aufrechnung mit den laufenden Bezügen einzustellen. Das einstweilige Rechtschutzverfahren wäre obsolet gewesen, wenn der Antragsteller zuvor Kontakt mit ihm aufgenommen hätte.
Durch Beschluss vom 04.08.2011 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen den Anträge abgelehnt. Der Antrag sei wegen Fehlens eines Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Ein Rechtsschutzinteresse gerichtet auf die Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs sei nur gegeben, wenn die Behörde zu erkennen gebe, dass sie die aufschiebende Wirkung nicht für gegeben erachtet, und innerhalb angemessener Zeit auf ein Ansinnen zur Klarstellung nicht reagiert.
Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.
Er trägt vor, der Antragsgegner habe die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nicht beachtet Er habe im Juni, Juli und August die Aufrechnung mit den laufenden Leistungen durchgeführt.
II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
A. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 04.05.2011 ist unzulässig.
Ausgehend von dem in der Beschwerdeschrift gestellten Antrag begehrt der Antragsteller die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 04.05.2011 sowie die Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung zu seinen Gunsten. Der Antragsteller ist hinsichtlich des Ablehnung der Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs wegen des Fehlens eines Rechtschutzbedürfnisses nicht mehr beschwert. Das Rechtschutzbedürfnis für einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs (vgl. zur Zulässigkeit eines solchen Antrags Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn 15 m.w.N.) entfällt spätestens mit der verbindlichen Erklärung einer Behörde, einen Verwaltungsakt nicht mehr zu vollziehen bzw. die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs künftig zu beachten(Leitherer, a.a.O., § 86b Rn 7a).
Vorliegend hat der Widerspruch des Antragstellers gegen die im Bescheid vom 04.05.2011 verfügte Rückforderung eines Betrages von 779,74 EUR nach § 50 SGB X und die Erklärung der Aufrechnung mit den laufenden Bezügen in Form eines Verwaltungsaktes nach § 43 Abs. 1, 2 und 4 SGB II i.d.F. ab dem 01.04 2011 aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehabt, da die Bestimmung des § 39 SGB II über die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts nicht eingreift (vgl. zur Nichtanwendbarkeit des § 39 SGB II auf einen Erstattungsbescheid nach § 50 SGB X: LSG NRW Beschluss vom 30.09.2009 – L 19 B 247/09 AS). Der Regelungsgehalt des § 39 Nr. 1 SGB II erstreckt sich nicht auf die Erklärung einer Aufrechnung in Form eines Verwaltungsaktes nach § 43 Abs. 4 SGB II, da ein solcher Verwaltungsakt keine Leistung der Grundsicherung aufhebt (§ 48 SGB X), zurücknimmt (§ 45 SGB X) oder widerruft (§§ 46, 47 SGB X), sondern nur die Vollziehung des sich aus einer Entscheidung nach §§ 45 – 47 SGB X ergebenden Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X in Form der Aufrechnung regelt. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 01.08.2011 gegenüber dem Sozialgericht bindend erklärt, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 04.05.2011 hergestellt und die Aufrechnung mit den laufenden Bezügen eingestellt wird. Damit hat er konkludent erklärt, dass er die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die im Bescheid vom 04.05.2011 verfügte Rückforderung eines Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X und eine Aufrechnung mit den laufenden Bezügen zukünftig beachten wird. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller nach Abgabe der Erklärung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht mehr beachtet hat. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.
Dahinstehen kann, ob sich der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 39 Nr. 1 SGB II auf die im Bescheid vom 04.05.2011 enthaltene Entscheidung über die rückwirkende Aufhebung einer Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II erstreckt. Jedenfalls besteht insoweit kein Rechtschutzbedürfnis hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (vgl. hierzu LSG NRW Beschluss vom 30.09.2009 – L 19 B 247/09 AS).
Die Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung des Sozialgerichts ist ebenfalls unzulässig. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die Berufung ist nach § 144 Abs. 4 SGG ausgeschlossen, wenn es sich um Kosten des Verfahrens handelt. Der Rechtsmittelausschluss des § 144 Abs. 4 SGG gilt auch für ein Rechtsmittel, das nur formal auch die Hauptsache angreift, wenn eine Beteiligte nur durch die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG beschwert ist ( LSG NRW Beschluss vom 10.07.2009 – L 19 B 181/09 AS ER -; vgl. auch Leitherer, a.a.O. § 144 Rn 48a m.w.N.).
Die Kostenentscheidung des Senats beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Die Kostenentscheidung eines Rechtsmittelgerichts beschränkt sich bei einem unzulässigen Rechtsmittel – wie im vorliegenden Fall – auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 Rn 2a m.w.N.). Daher ist eine Abänderung der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts unter Berücksichtigung des Veranlassungsgrundsatzes nicht möglich.
B. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet.
Die vom Antragsteller eingeleitete Rechtsverfolgung hat zum Zeitpunkt der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts, dem 04.08.2011, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten. Zu diesem Zeitpunkt ist der Antrag der Antragstellers unzulässig gewesen. Dabei legt der Senat den erstinstanzlich schriftsätzlich gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 04.05.2011 und Einstellung der Aufrechnung mit den laufenden Bezügen, der wegen der von Gesetzes wegen angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs unzulässig gewesen ist, nach dem Meistbegünstigungsgrundsatzes als Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die im Bescheid vom 04.05.2011 verfügte Rückforderung von 779,74 EUR und Aufrechnung mit den laufenden Bezügen aus. Dahinstehen kann, ob die Zulässigkeit eines solchen Antrags erfordert, dass sich im Fall des faktischen Vollzugs eines Verwaltungsakts – wie im vorliegenden Fall – ein Betroffener vor der Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtschutzes auf (deklaratorische) Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ergebnislos an die Behörde wenden muss (so anscheinend Leitherer, a.a.O., § 86b Rn 15; Zeihe, SGG, § 86a Rn 4c; LSG NRW Beschluss vom 11.01.2011 – L 6 AS 1602/10 B) oder sich unmittelbar an das Gericht wenden kann (so LSG NRW Beschluss vom 22.12.2006 – L 19 B 41/06 AL). Jedenfalls hat der Antragsgegner vor der Entscheidung des Sozialgerichts mit Schriftsatz vom 01.08.2011 verbindlich erklärt, dass er die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs künftig beachtet wird, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt das Rechtschutzbedürfnis weggefallen ist. Auch wenn für die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht auf den den Zeitpunkt der Entscheidung des Gericht (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 73 a m.w.N.; vgl. auch Kalthoehner/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 5. Aufl., Rn 420 mit der Wiedergabe des Meinungsstandes), sondern in der Regel auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs abgestellt wird, hat hier der Antrag des Antragstellers vorliegend keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten. Entscheidungsreif ist ein Prozesskostenhilfegesuch, wenn ein Antragsteller einen bewilligungsreifen Antrag vorgelegt hat (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 14.04.2010 – 1 BvR 362/10) und der Gegner nach § 73a SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat. Vorliegend ist die Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuch aber erst mit Eingang des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 01.08.2008 bei Gericht eingetreten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 28.09.2011
Zuletzt verändert am: 28.09.2011