Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 01.10.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2014 bis 31.10.2014.
Der alleinstehende Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt tätig.
Seit 2010 bezog er fortlaufend vom Beklagten Grundsicherungsleistungen. Die Bruttowarmmiete der Wohnung des Klägers belief sich auf 331,00 EUR monatlich (Grundmiete i.H.v. 246,00 EUR + Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 64,07 EUR + Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 20,93 EUR). Die Warmwassererzeugung erfolgte zentral. Mit weiterem Mietvertrag vom 20.05.2000 mietete der Kläger einen Tiefgaragenplatz gegen ein monatliches Entgelt i.H.v. 20,45 EUR an.
Mit Bescheid vom 28.04.2014 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers vom 24.03.2014 für die Zeit ab dem 01.04.2014 wegen fehlenden Nachweises der Hilfebedürftigkeit ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2014 als unbegründet zurück.
Am 12.12.2014 erhob der Kläger Klage, S 5 AS 4726/14.
Er beantragte schriftsätzlich,
den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, den Leistungsbescheid für den Bewilligungszeitraum vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 endgültig unter Beachtung der Maßgabe zu erlassen, dass bei ihm kein Einkommen zu Grunde gelegt wird,
hilfsweise, ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.06.2015 verurteilte das Sozialgericht Köln den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28.04.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2014, dem Kläger im Zeitraum vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nach Maßgabe des Gesetzes zu gewähren. Kosten des Klägers seien nicht zu erstatten
Hiergegen legte der Kläger am 10.07.2015 Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), L 12 AS 1182/15 ein. In der Berufungsbegründung vom 04.10.2016 begehrte der Kläger, den Gerichtsbescheid teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Leistungsbescheid für den Bewilligungszeitraum vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 endgültig unter Beachtung der Maßgabe zu erlassen, dass bei ihm kein anrechnungsfähiges Einkommen zu Grunde gelegt wird (§§ 131, 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 SGG), hilfsweise ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen (§ 131 Abs. 3 SGG) und dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
Im Laufe des Berufungsverfahrens bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11.09.2015 Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 i.H.v. 568,24 EUR monatlich. Auf den Bedarf des Klägers i.H.v. insgesamt 722,00 Euro (Regelbedarf i.H.v. 391,00 Euro + Bedarf für Unterkunft und Heizung i.H.v. 331,00 Euro) rechnete er ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. 153,76 EUR monatlich an. Der Beklagte führte aus, dass er das Einkommen des Klägers geschätzt habe. Die vom Kläger eingereichte Einnahme-Überschussrechnung (EÜR) enthalte Werte, die mit den nach mehrfacher Aufforderung eingereichten Nachweisen nicht übereinstimmten wären. Ferner würden die Kosten für die Nutzung des Telefons/Internets sowie für die Kontoführung nur zu 50 % anerkannt, da es sich um eine gemischte private/freiberufliche Nutzung handele.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2017 zurückwies. Dem Kläger stehe ein Gesamtbedarf i.H.v. 722,00 Euro zu, wobei zu den Kosten der Unterkunft nicht die monatlichen Stellplatzkosten gehörten. Denn der Kläger habe einen separaten Mietvertrag über den Stellplatz abgeschlossen. Vom Bedarf sei ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen i.H.v. 153,76 EUR abzuziehen. Aus den vom Kläger eingereichten Umsatznachweisen ergebe sich ein Gewinn i.H.v. 1.753,18 EUR (monatliches Einkommen i.H.v. 292,20 EUR). Von den im Bewilligungszeitraum erzielten Einnahmen hätten die vom Kläger geltend gemachten Ausgaben nur zum Teil in Abzug gebracht werden können. Telefon-/Internetkosten sowie Kosten für die Kontoführung hätten nur zur Hälfte berücksichtigt werden können. Die geltend gemachten betrieblichen Kraftfahrzeugkosten würden nicht anerkannt, da keine überwiegende betriebliche Nutzung des Kraftfahrzeuges i.S.v. § 3 Abs. 7 AlgII-V erkennbar sei. Die Stellplatzkosten stellten keine Betriebsausgaben dar. Etwaige Betriebsausgaben für die Rechtsanwaltskammer Köln, für Signaturkosten sowie für die Internetpräsenz seien im Bewilligungszeitraum nicht angefallen. Auch eine jährliche Berechnungsweise des Einkommens des Klägers nach § 3 Abs. 5 ALG II-V a.F. komme nicht im Betracht, da die Tätigkeit des Klägers als freiberuflicher Rechtsanwalt keinem saisonalen Betrieb entspreche. Deshalb erfolge die Berechnung des Einkommens für den Zeitraum von Mai 2014 bis Oktober 2014 nach § 3 Abs. 2 ALG II-V. In diesem Zeitraum seien Betriebseinnahmen in Höhe von insgesamt 2.941,00 EUR sowie Betriebsausgaben i.H.v. 1.147,63 EUR angefallen. Aus dem Gewinn von 1.753,18 EUR ergebe sich ein monatlich zu berücksichtigendes Einkommen i.H.v. 292,20 EUR. Das monatliche Einkommen sei um den Grundfreibetrag i.H.v. 100,00 EUR nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II bereinigt worden. Dieser Grundfreibetrag beinhalte die Absetzbeträge nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nrn. 3-5 SGB II und damit auch die Zahlungen an das Versorgungswerk, die Vermögensschadenshaftverpflichtung, die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung sowie die privaten Fahrtkosten. Dass diese tatsächlich mehr als 100,00 EUR betragen hätten, sei irrelevant, da das Einkommen des Klägers 400,00 EUR nicht übersteige und daher lediglich der Grundfreibetrag i.H.v. 100,00 EUR abzusetzen sei. Zudem sei ein weiterer Freibetrag nach § 11b Abs. 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von 38,44 EUR abgezogen worden, sodass ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 153,76 EUR (292,20 EUR – 100,00 EUR – 38,44 EUR) auf den monatlichen Bedarf anzurechnen gewesen sei. Der Verweis des Klägers auf die im Klageverfahren geschlossenen Vergleiche vom 21.07.2010 und 30.08.2010 greife nicht durch, da in den benannten Vergleichen keine Abrechnungsmodalitäten für Nachweise des Klägers für die Zukunft geregelt worden seien. Für die Zukunft sei im Vergleich vom 21.07.2010 ausdrücklich nur geregelt worden, dass der Kläger dafür Sorge trage, dass Überweisungen von Mandanten unter Angabe von Auftragsnummern erfolge, um so weitere Nachweise zu Mandantenterminen nicht erbringen zu müssen. Im Ergebnis seien die Vergleiche geschlossen worden, um die Modalitäten für die SGB II-Leistungsgewährung ausschließlich für die Zeiträume September 2007 bis März 2010 zu regeln.
Am 12.05.2017 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 beim Sozialgericht Köln, S 4 AS 1894/17, erhoben.
Mit Schriftsatz vom 05.05.2017 teilte der Beklagte dem LSG NRW den Erlass des Bescheides vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 mit.
Daraufhin teilte der 12. Senate den Beteiligten mit, dass nach seiner Rechtsauffassung der Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 nach § 96 SGG, 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass der Bescheid vom 11.09.2015 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens nach § 96 SGG geworden sei. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sei die falsche Tenorierung des Sozialgerichts und dessen falsche Kostenentscheidung. Es gehe ihm darum, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts den beantragten endgültigen Bescheid schon längst hätte erlassen müssen. Gleichwohl habe das Sozialgericht den Beklagten nicht zum Erlass eines endgültigen Bescheides verurteilt. In der ersten Instanz sei hinsichtlich des Klageantrags eine überwiegende Erledigung durch den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln eingetreten, weil sowohl die klageweise beantragte Aufhebung als auch die klageweise beantragte Verpflichtung zum Erlass eines Leistungsbescheids durch den Gerichtsbescheid eingetreten sei. Es sei wegen der eingetretenen Erledigung daher festzustellen, dass die Weigerung des Beklagten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts auf Erlass eines endgültigen Bescheides hinsichtlich der Leistungsgewährung rechtswidrig gewesen sei. Das Sozialgericht habe den Beklagten nicht zum Erlass eines endgültigen Bescheids verurteilt, sondern nur zur Bescheidung nach Maßgabe des SGB II.
Der 12. Senat wies den Kläger darauf hin, dass es im Rahmen der klägerseitigen Dispositionsbefugnis möglich sei, dass er den Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 vom Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ausnehme. Ob ein von diesem Berufungsverfahren unabhängiges, d.h. eigenständiges Klageverfahren gegen den Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 zulässig sei, sei eine Rechtsfrage, die im laufenden erstinstanzlichen Verfahren vor dem Sozialgericht zu klären sein werde.
Mit Urteil vom 22.11.2017 stellte das LSG NRW im Verfahren L 12 AS 1182/15 fest, dass der Bescheid vom 28.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2014 rechtswidrig war und wies im Übrigen die Klage ab. Er führte u. a. aus, dass der Bescheid vom 11.09.2015 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sei. Dabei könne im Ergebnis dahinstehen, ob dieser gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei. Denn dem Kläger obliege es, im Rahmen seiner allgemeinen Dispositionsbefugnis den Streitgegenstand entsprechend zu beschränken. Von einer solchen Beschränkung gehe der Senat aus. Auch nach (mehrfachem) Hinweis des Senats, dass der Bescheid vom 11.09.2015 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sein dürfte, habe der Kläger dies vehement verneint und sehe die "erstinstanzliche Behandlung des Bescheids vom 11.09.2015" als unzulässige Verkürzung des Rechtswegs.
Die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde, B 14 AS 8/18 B, nahm der Kläger zurück.
Der Kläger hat im Verfahren S 4 AS 1894/17 die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von höheren Grundsicherungsleistungen in der Zeit vom 01.05.2014 bis zum 31.10.214 begehrt. Sein anrechenbares Einkommen aus selbständiger Tätigkeit belaufe sich im streitbefangenen Zeitraum auf 0,00 EUR. Der Beklagte habe den erzielten Gewinn im streitbefangenen Zeitraum nach § 3 AlgII-V unzutreffend ermittelt. Insbesondere seien weitere Ausgaben als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Das LSG NRW habe in der Streitsache L 12 AS 1182/15 nicht über den vorliegenden Streitgegenstand entschieden. Der Beklagte sei in der Fortsetzungsfeststellungssache unterlegen gewesen. Er habe im Verfahren L 12 AS 1182/15 keine Verzichtserklärung abgegeben. Das LSG NRW habe ausdrücklich offen gelassen, ob der angefochtene Bescheid Gegenstand des dortigen Berufungsverfahrens geworden sei. Eine Entscheidungsbegründung erwachse nicht in Rechtskraft, dies gelte auch für beiläufige Bemerkungen.
Mit Schriftsätzen vom 18.09.2018 und vom 28.09.2018 hat der Kläger den Kammervorsitzenden als befangen abgelehnt.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 153,76 EUR monatlich zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, dass der Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 Gegenstand des Verfahrens L 12 AS 1182/15 geworden sei. Er sei im Verfahren S 5 AS 4726/14 zur Grund- sicherungsleistungsgewährung dem Grunde nach für den Zeitraum ab 01.05.2014 bis 31.10.2014 verurteilt worden. Dieses Urteil habe er durch den Erlass des Bescheides vom 11.09.2015 umgesetzt. Der 12. Senat habe in dem Berufungsurteil vom 22.11.2017 festgestellt, dass der Festsetzungsbescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei, weil der Kläger auf die Überprüfung des genannten Bescheides vom 11.09.2015 im Berufungsverfahren durch das Landessozialgericht verzichtet habe. Nach seiner Auffassung führe der Verzicht des Klägers auf Überprüfung des Bescheides im Berufungsverfahren dazu, dass sein Rechtsschutzbedürfnis in diesem Verfahren auf Überprüfung der Rechtsmäßigkeit des Bescheides vom 11.09.2015 entfallen sei. Der Kläger habe als schnellere und leichtere Überprüfungsmöglichkeit die Berufungsinstanz des Landessozialgerichts im Verfahren L 12 AS 1182/15 zur Abklärung des Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 11.09.2015 nutzen müssen, dies sei nicht erfolgt.
Mit Urteil vom 01.10.2018 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, dass das Ablehnungsgesuch unzulässig sei.
Die Klage sei unzulässig. Sie sei zunächst wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig gewesen, da der Bescheid vom 11.09.2015 nach §§ 96 Abs. 1,153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens L 12 AS 1182/15 geworden sei. Der Bescheid vom 11.09.2015 ersetze den Bescheid vom 28.04.2014, indem er die vorherige Regelung zur Ablehnung von Leistungen für die Zeit vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 durch die Gewährung von Leistungen für den vorgenannten Zeitraum vollständig ersetzt und insoweit die Beschwer des Klägers zum Teil beseitigt habe. Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass der Bescheid vom 11.09.2015 nach Erlass des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides vom 10.06.2015 ergangen sei. Es handele sich beim Bescheid vom 11.09.2015 nicht um einen bloßen Ausführungsbescheid, mit dem der Beklagte lediglich die im Gerichtsbescheid vom 10.06.2015 bereits getroffene Regelung umgesetzt habe. Vielmehr treffe der Bescheid vom 11.09.2015 eigenständige Regelungen, insbesondere zur Höhe der Leistungen, wozu sich der Gerichtsbescheid nicht verhalte. Auch sei der Bescheid vom 11.09.2015 nicht vom Bestand des Gerichtsbescheides abhängig, er enthält keinen Vorläufigkeitsvorbehalt sondern gewähre dem Kläger "ohne Wenn und Aber" Leistungen.
Die unzulässig erhobene Klage sei auch nicht zulässig geworden, nachdem das LSG NRW mit Urteil vom 22.11.2017 über die Berufung entschieden habe. Der Kläger habe sein Rechtsmittel (Klage) gegen den Bescheid vom 11.09.2015 zurückgenommen, indem er von seiner Dispositionsbefugnis Gebrauch gemacht und den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens auf die Überprüfung des Bescheides vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2014 beschränkt habe. Auch wenn die Einbeziehung eines neuen Verwaltungsaktes gemäß §§ 96 Abs. 1, 153 Abs. 1 SGG "kraft Gesetzes" erfolge und insoweit von den Beteiligten nicht ausgeschlossen werden könne, bleibe es dem Kläger infolge der ihm zustehende Dispositionsbefugnis, über den Gegenstand der Klage zu entscheiden, unbenommen, die Klage auf einen Teil des Streitgegenstandes zu beschränken. Mache er hiervon Gebrauch, so liege in seiner Erklärung, dass ein neuer Bescheid nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sein solle, eine teilweise Klagerücknahme nach § 102 SGG. Der Kläger habe im Berufungsverfahren eine Überprüfung des Bescheides vom 11.09.2015 verhindert, indem er – trotz mehrfacher Hinweise durch das LSG – eine Einbeziehung des Bescheides vom 11.09.2015 verneint und (insoweit) auch keinen sachdienlichen Antrag gestellt habe. In dieser Beschränkung liege zugleich eine Rücknahme der Klage gegen den Bescheid vom 11.09.2015. Denn eine Überprüfung nur des Bescheides vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2014 (im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage) habe der Kläger nur erreichen können, indem er dem LSG NRW die Möglichkeit einer Überprüfung der Regelungen aus den Bescheid vom 11.09.2015 entzogen und sie somit zugleich akzeptiert habe. Hierdurch sei sein Rechtsschutzbedürfnis für die hiesige Klage entfallen. Dieses fehle, wenn der Kläger seine Rechte auf einfachere Weise als durch Klage verwirklichen, was hier mit Blick auf die mögliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 11.09.2015 durch das LSG Nordrhein-Westfalen gelte.
Gegen das am 02.11.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.12.2018 Berufung eingelegt.
Der Kläger rügt die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 60 Abs. 1 SGG, 45 Abs. 1 und 41 ZPO. Der Kammervorsitzende sei von ihm erstinstanzlich abgelehnt worden und werde weiterhin aufgrund der nachträglich bekanntgewordenen Besorgnisgründe abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Köln, S 5 AS 4726/14, Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in Abwesenheit der Beteiligten aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Auf diese, sich aus dem Regelungsgehalt der §§ 110 Abs. 1 S. 2, 111 Abs. 1, 124 Abs. 2, 126, 153 Abs. 1 SGG ergebende Möglichkeit sind die Beteiligten mit den ordnungsgemäß zugestellten Ladungen hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017, mit dem der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen i.H.v. 568,24 EUR monatlich für die Zeit vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 unter Anrechnung eines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit bewilligt hat. Der Senat legt das Begehren des Klägers dahingehend, dass er die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung eines monatlichen Einkommens i.H.v. 153,76 EUR begehrt.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.
Eine Zurückverweisung an das Sozialgericht durch den Senat kommt nur in den Fällen des § 159 Abs. 1 SGG in Betracht. Danach kann der Senat den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Sozialgericht selbst in der Sache nicht entschieden hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und die Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme aufgrund des Mangels gegeben wäre (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Da aber eine Beweisaufnahme nicht notwendig und die Entscheidung des Sozialgerichts hinsichtlich Abweisung der Klage als unzulässig im Ergebnis zutreffend ist, sieht der Senat keinen Anlass, die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.v. §§ 54 Abs. 2 S.1 und Abs. 4, 56 SGG ist unzulässig.
Bei Klageerhebung am 12.05.2017 ist die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit nach § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 2 GVG unzulässig gewesen. Der Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom0 5.05.2017 (§ 95 SGG) ist – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des seit dem 10.07.2015 beim LSG NRW anhängigen Berufungsverfahren, L 12 AS 1182/15, geworden und damit anderweitig i.S.v. § 94 SGG rechtshängig gewesen (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. 2017, § 94 Rn. 3c, 7 zur Unzulässigkeit einer Klage gegen einen nach § 96 SGG in eine anderes Verfahren einbezogenen Verwaltungsakt). Streitgegenstand dieses Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2014 gewesen, mit dem der Beklagte den Fortbewilligungsantrag des Klägers für die Zeit ab dem 01.05.2014 wegen fehlenden Nachweises der Hilfebedürftigkeit abgelehnt hat. Dieser Ablehnungsbescheid ist durch den Bescheid vom 11.09.2015, mit dem der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 i.H.v. 568,24 EUR monatlich bewilligt hat, i.S.v. § 96 Abs. 1 SGG ersetzt worden (vgl. zum Begriff der Ersetzung: Schmidt, a.a.O., § 96 Rn. 4 m.w.N.) und hat damit den Bescheid vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2014 i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X anderweitig aufgehoben. Bei dem Bescheid vom 11.09.2015 handelt es sich auch nicht um einen sog. Ausführungsbescheid. Denn der Beklagte hat in ihm keine vorläufige Regelung bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens L 12 AS 1182/15 durch eine rechtskräftige Entscheidung getroffen, sondern dem Kläger ohne Vorbehalt Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 bewilligt.
Die Rechtsfolge des §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG – direkte Einbeziehung des Folgebescheides in das Berufungsverfahren kraft Gesetzes (BSG, Urteil vom 30.10.1963 – 2 RU 35/60) – tritt automatisch ein, ohne dass es auf den Willen der Beteiligten ankommt. Es handelt sich um einen Fall einer gesetzlichen Klageänderung. Auf die Zulässigkeit der Berufung kommt es nicht an. Die Beteiligten können die Wirkung des §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG nicht mit dem Ziel ausschließen, den ersetzenden Bescheid einem eigeständigen Widerspruchsverfahren zugänglich zu machen (siehe BSG, Urteil vom 17.11.2005 – B 11a/11 AL 57/04 R m.w.N. und vom 31.05.1996 – 2 RU 25/95). Ein Beteiligter hat kein Wahlrecht zwischen der Einbeziehung eines Verwaltungsaktes nach §§ 153 Abs.1, 96 Abs. 1 SGG in ein Berufungsverfahren und einer selbständigen Anfechtung des Verwaltungsaktes. Es ist weder ein Vorverfahren noch eine erstinstanzliche Entscheidung erforderlich. Im Interesse der Prozessökonomie verlieren die Beteiligten nicht nur das Vorverfahren, sondern zusätzlich auch eine Tatsacheninstanz (vgl. Behrend in Henning, SGG, Stand Juni 2015, § 96 Rn. 5 m.w.N.). Das Landessozialgericht entscheidet über einen zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Bescheid erstinstanzlich.
Auch nach Beendigung des Berufungsverfahrens, L 12 AS 1182/15, mit Urteil vom 22.11.2017 ist die Klage nicht zulässig geworden. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden allgemeinen Dispositionsbefugnis im Berufungsverfahren L 12 AS 1182/15 die Klage gegen den Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 zurückgenommen oder die Klage nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG auf den ursprünglich angefochtenen Bescheid beschränkt hat (vgl. hierzu Behrend, a.a.O., § 96 Rn. 80 mit Rechtsprechungshinweisen; Schmidt, a.a.O., § 96 Rn. 11a m.w.N., Bienert, NZS 2011, 732 [735]).
Falls der Kläger im Berufungsverfahren, L 12 AS 1182/15, nicht wirksam eine Klagerücknahme i.S.v. § 102 Abs. 1 S.1 SGG betreffend den Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 erklärt hat, besteht das Prozesshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft. Denn bei dem Urteil vom 22.11.2017 im Verfahren L 12 AS 1182/15 handelt es sich nicht um ein Teilurteil, sondern um ein Vollurteil, weil das LSG NRW – ausweislich der Entscheidungsgründe – davon ausgegangen ist, über den Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2017 nicht entscheiden zu dürfen bzw. zu müssen. Der Rechtsirrtum eines Gerichts, der auf der unzutreffenden Auslegung des geltend gemachten Klagebegehrens oder der irrtümlichen Annahme einer Beschränkung der Klage beruht, ist typischer Grund für eine bewusste Ausklammerung eines Teils des Klagebegehrens aus der einen Rechtsstreit abschließenden Entscheidung durch ein Vollurteil (BSG, Beschluss vom 02.04.2014 – B 3 KR 3/14 B m.w.N.).
Falls die prozessualen Erklärungen des Klägers im Berufungsverfahren L 12 AS 1182/15 als Klagerücknahme i.S.v. § 102 Abs. 1 S. 1 SGG betreffend den Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheide vom 05.05.2017 auszulegen sind, ist zwar damit das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit im erstinstanzlichen Verfahren entfallen. Selbst dann ist die Klage weiterhin wegen Eintritts der Bestandskraft des Bescheides vom 11.09.2015 i.S.v. § 77 SGG unzulässig. Denn durch eine Klagerücknahme ist der Bescheid vom 11.09.2015 nach § 77 SGG bindend geworden (vgl. Estelmann in Zeihe/Hauck, SGG, § 96 Rn. 2b).
Der vom Kläger erhobene Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2017 sachlich beschieden hat, durchbricht nicht die mit der Klagerücknahme eingetretene materielle Bestandskraft des Bescheides vom 11.09.2015 (§ 77 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 25.09.1962 – 5 RKn 15/60). Der vom Kläger erhobene Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.09.2015 ist unstatthaft gewesen. Ist ein neuer Bescheid Gegenstand eines anhängigen gerichtlichen Verfahren – wie im vorliegenden Fall -, kann dieser nicht zum Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens gemacht werden (vgl. Behrend, a.a.O., § 96 Rn. 5; Klein in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 96 Rn. 44.1; siehe auch BSG, Urteil vom 25.04.2018 – B 8 SO 23/16 R). Damit hat der Kläger keine Widerspruchsbefugnis gehabt (vgl. Estelmann, a.a.O.). Durch die Einlegung eines vom Gesetz nicht vorgeschriebenen, nicht wahlweise eingeräumten oder sogar ausgeschlossenen Rechtsbehelfs kann der Ablauf gesetzlicher Rechtsbehelfsfristen und damit der Eintritt der Bindungswirkung des Verwaltungsaktes nicht (gewillkürt) hintangehalten werden (BSG, Urteil vom 23.06.1994 – 4 RK 3/93). Allein die Tatsache, dass der Beklagte den unstatthaften Widerspruch des Klägers sachlich mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2017 beschieden hat, begründet keine Klagebefugnis des Klägers gegen den Bescheid vom 11.09.2015 (vgl. BSG, Urteil vom 25.05.2005 – B 11a/11 AL 15/04 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen besteht nicht.
Erstellt am: 21.08.2019
Zuletzt verändert am: 21.08.2019