Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.10.2018 – S 4 AS 3978/16 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der zu erstattenden Kosten für ein isoliertes Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 3 SGB X streitig.
Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Er bezieht seit 2010 durchgehend vom Jobcenter C Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 07.01.2014 stellte der Beklagte den vollständigen Wegfall der Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.04.2014 wegen wiederholter Pflichtverletzung fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, dem der Beklagte mit Bescheid vom 27.03.2015 abhalf. Er übernahm die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grund nach.
Der Kläger beantragte am 21.07.2016 die Erstattung der Kosten i.H.v. insgesamt 660,00 EUR (Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG 640,00 EUR + Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR). Er machte geltend, für die Geltendmachung der Höchstgebühr genüge es, wenn ein vom Rechtsanwalt ausgewähltes Kriterium den Ansatz der Höchstgebühr rechtfertige. Die anwaltliche Tätigkeit sei umfangreich und schwierig gewesen, zum Umfang der durchgeführten Tätigkeit gehöre auch die im Kostenfestsetzungsverfahren, ebenso die Sichtung des umfangreichen Streitstoffs und die umfangreiche Auswertung, Heranziehung und Anführung der für die Erstellung des Widerspruchsschriftsatzes verarbeiteten Rechtsprechung und Literatur. Hinsichtlich der Schwierigkeit sei die Komplexität der Sachverhaltsaufklärung sowie das kompliziert geregelte Spezialrecht (SGB II) zu würdigen. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit sei der Verlust der sozialen Existenz, der Gedanke der Sicherung des Lebensunterhalts, die wirtschaftliche Bedeutung und die gesellschaftliche Stellung in den Blick zu nehmen. Hinsichtlich des Kriteriums der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei die Erwägung, dass ein Rechtsanwalt, der sich selbst vertrete, unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse als Auftraggeber oder ein Haftungsrisiko als Anwalt gegen sich selbst berücksichtigen solle, abwegig. Außerdem sei dieses Kriterium generell im Rahmen von SGB II-Verfahren kein gleichrangiges Beurteilungskriterium. Ferner könne die Bestimmung durch den Rechtsanwalt ausschließlich auf Ermessensfehler nachgeprüft werden, für die vom Rechtsanwalt vorgenommene Betragsbestimmung gelte ferner eine "Nichtbeanstandungsgrenze" von 20 %.
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 03.08.2016 setzte der Beklagte die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 320,00 EUR fest. Der Kläger könne nur eine Geschäftsgebühr in Höhe der Schwellengebühr von 300,00 EUR beanspruchen. Eine höhere Gebühr könne nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien hier als durchschnittlich einzustufen, nachdem sich das Widerspruchsschreiben gegen einen Sanktionsbescheid in Verbindung mit einem Eingliederungsverwaltungsakt gerichtet habe.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2016 zurückwies.
Mit seiner am 17.10.2016 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und darauf verwiesen, die Bestimmung der Kosten durch den Rechtsanwalt könne ausschließlich einer Ermessensprüfung unterzogen werden könne. Außerdem bestehe eine Nichtbeanstandungsgrenze von 20 %.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 zu verurteilen, weitere Kosten i.H.v. 340,00 EUR zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 08.10.2018 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen.
Dem Kläger stehe gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der Kosten i.H.v. 640,00 EUR zu. Der Bescheid vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 sei nicht zu beanstanden. Die vom Kläger getroffene Gebührenbestimmung sei unbillig. Die für die Bemessung des Gebührenrahmens nach § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Kriterien bewegten sich nicht durchgehend im weit überdurchschnittlichen Bereich der Höchstgebühr. Der Umfang sowie die Schwierigkeit der Tätigkeit des Klägers seien durchschnittlich gewesen. Die Bedeutung der Angelegenheit sei für den Kläger überdurchschnittlich gewesen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Klägers sei von vornherein nicht zu erkennen; auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers seien unterdurchschnittlich gewesen. In einer Gesamtschau ergebe sich – in einem ersten Schritt – allenfalls eine Mittelgebühr, weil die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit nicht die im Übrigen unterdurchschnittlich und durchschnittlich vorliegenden Kriterien zu kompensieren vermöge. Diese Mittelgebühr sei wiederum in einem zweiten Schritt auf die Schwellengebühr abzusenken, weil die Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig gewesen sei.
Gegen das ihm am 02.11.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.12.2018 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Er vertritt die Auffassung, dass das Sozialgericht verkannt habe, das seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren überdurchschnittlich umfangreich und durchschnittlich schwierig gewesen sei. Die Bedeutung der Angelegenheit sei für ihn überdurchschnittlich gewesen. Die Erwägung, dass ein Rechtsanwalt, der sich selbst vertrete, unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse als Auftraggeber oder ein Haftungsrisiko als Anwalt gegen sich selbst berücksichtigt solle, sei abwegig und damit im Rahmen des Anwaltsermessens als unzulässig eingestuft worden. Eine Kompensation der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit durch das Kriterium der Einkommens-Vermögensverhältnisse sei daher ausgeschlossen. Die Beklagte sowie das Sozialgericht hätten die gesetzliche Kompetenzverteilung des § 14 Abs. 1 RVG missachtet und ihr Ermessen an die Stelle des anwaltlichen Ermessens gesetzt. Dies sei grob rechtswidrig.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist zulassungsbedürftig. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der ausdrücklichen Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt und keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dies ist vorliegend der Fall, da der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme weiterer Kosten für das Betreiben eines Widerspruchsverfahrens i.H.v. 340,00 EUR begehrt. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist eine Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgericht abweicht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Zulassungsgründe in diesem Sinne liegen nicht vor.
1.) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl., § 144 Rn. 28; BSG, Beschluss vom 24.09.2012 – B 14 AS 36/12 B zu § 160 SGG; Beschluss des Senats vom 07.10.2013 – L 19 AS 1101/13 NZB). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 9 m.w.N.).
Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu, da sie keine Rechtsfragen aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Derartige Rechtsfragen werden von der Beschwerde nicht aufgezeigt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Rechtsanwalt, der sich wie hier der Kläger im Vorverfahren selbst vertritt, Anspruch auf die Kostenerstattung nach § 63 SGB X hat, wenn die Voraussetzungen für die Kostenerstattung wegen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts überhaupt vorliegen (BSG, Urteil vom 18.12.2001 – B 12 KR 42/00 R). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts i.S.v. § 63 Abs. 2 SGB X hat die Beklagte inzident mit der Bewilligung des Erstattungsbetrages ausgesprochen.
Die nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X zu erstattenden Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts i.S. v. § 63 Abs. 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren (BSG, Urteil vom 09.03.2016 – B 14 AS 5/15 R m.w.N.), die sich nach dem RVG bemessen (§ 1 Abs. 1 S. 1 RVG). In sozialrechtlichen Angelegenheiten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, für die – wie hier – bei Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens das GKG nicht anzuwenden wäre, entstehen danach Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 2 RVG), die sich nach dem VV der Anlage 1 zum RVG bestimmen (§ 2 Abs. 2 S. 1 RVG). Sie umfassen nach Nr. 2302 VV RVG eine Geschäftsgebühr u.a. für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl. Vorbemerkung II zu Nr. 2300 VV RVG). Sie bestimmt sich innerhalb eines Betragsrahmens von 50,00 EUR bis 640,00 EUR, wobei eine Gebühr von mehr als 300,00 EUR (Schwellengebühr) nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG), und zwar bei Rahmengebühren unter Berücksichtigung auch des Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG: vgl. BSG, Urteil vom 09.03.2016 – B 14 AS 5/15 R m.w.N.). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet hat (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 15.02.2019 – L 1 SF 163/17 vom 14.02.2011 m.w.N.). Deshalb sind der Beklagte bzw. das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung eines Rechtsanwalts zu prüfen. Bei Angemessenheit der angesetzten Gebühr hat die Beklagte den Kostenansatz zu übernehmen, bei Unbilligkeit die Höhe der Betragsrahmengebühr festzusetzen. Das Prüfungsrecht des Beklagten sowie der Gerichte betreffend der Höhe der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten für das Betreiben eines Widerspruchsverfahrens ist nicht eingeschränkt.
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr im konkreten Einzelfall ist von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normal-/Durchschnittsfall als billige Gebühr zu Grunde zu legen ist. Unter einem "Normalfall" ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt (BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R). Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen (BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R m.w.N.). Die in § 14 Abs. 1 RVG aufgezählten fünf Bemessungskriterien stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander. Dies gilt auch für das Kriterium Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Sämtliche Kriterien sind geeignet, ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben oder unten zu begründen. Zudem kann das Abweichen eines Bemessungskriteriums von jedem anderen Bemessungskriterium kompensiert werden (BSG Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R). Die Rechtsprechung billigt einem Rechtsanwalt einen Toleranzrahmen von bis zu 20 % zu, wenn es sich nicht um einen Durchschnitts/Normalfall handelt (BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R). Ebenfalls sind die bei der Bewertung der Kriterien zu beachtenden Umstände höchstrichterlich geklärt (BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R).
Soweit der Kläger behauptet, das Sozialgericht habe verkannt, dass seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren überdurchschnittlich umfangreich und durchschnittlich schwierig sowie die Bedeutung der Angelegenheit für ihn überdurchschnittlich gewesen sei und seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der Bestimmung des Gebühr nicht zu berücksichtigen gewesen seien, rügt er die Unrichtigkeit der Entscheidung. Auf eine inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Die Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht der Überprüfung des Rechtsstreits in der Sache.
2.) Auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nicht vor. Eine Divergenz im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die diese Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Eine eventuelle Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet keine Divergenz i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG (vgl. BSG, Beschluss vom 05.10.2010 – B 8 SO 61/10 B zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Vorliegend hat das Sozialgericht keinen von der Rechtsprechung der genannten Gerichte abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt.
3) Ebenso wenig liegt der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vor, da der Kläger keine der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmängel geltend macht, die vorliegen und auf denen das Urteil beruhen kann.
Mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde wird das Urteil rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 S. 4 SGG).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 06.05.2020
Zuletzt verändert am: 06.05.2020