Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.07.2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung eines gutartigen Tumors der Hirnhaut sowie eine Encephalopathie "wie eine Berufskrankheit" (Wie-BK).
Der am 00.00.1958 geborene Kläger war langjährig auf der Zeche O über Tage als Schreiner in der Schreinerei angelegt. Dabei hatte er in einem kleinen, schlecht belüfteten Raum das nur für den Außenbereich gedachte Produkt "Xylamon-braun – Vorbeugender Holzschutz" – zu verarbeiten. Am 13.10.1994 hatte er die Operation eines Olfactoriusmeningeoms (gutartiger Geruchsnerventumor, gutartiger Tumor der Hirnhaut) hinzunehmen. Im März 1997 erfolgte eine Nachoperation des Resttumors.
Der Kläger nahm einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Meningeom und seiner beruflichen Tätigkeit als Schreiner auf der Zeche O an. Die Beklagte veranlasste Ermittlungen durch den Technischen Aufsichtsdienst (TAD). Dieser nahm am 24.07.1996 Stellung: Während der Tätigkeit bei der Verarbeitung von Xylamon in der Schreinerei sei der Kläger mit Sicherheit deutlich über dem Wert der maximalen Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) gegenüber Lindan exponiert gewesen; daneben sei von einem Hautkontakt mit Tributylzinn-Naphthenat auszugehen. Dr. L von den Krankenanstalten E, Neurochirurgische Klinik, erstattete am 14.08.1996 einen Befundbericht: Bei der erstmaligen Behandlung am 28.09.1994 sei die Vorgeschichte vollkommen leer gewesen; nach der operativen Entfernung des Olfactoriusmeningeoms sei der postoperative Verlauf bis auf vollständigen Geruchs- sowie teilweisen Geschmacksverlust und einem leichten Psychosyndrom völlig komplikationslos gewesen; der Kläger leide nicht an einer Erkrankung, hinsichtlich der ein Entstehungszusammenhang mit Xylamon diskutiert werde; in der medizinischen Wissenschaft gebe es keinen Hinweis auf eine Tumorverursachung durch diese Substanz; die Vermutung des Klägers hinsichtlich des Verursachungszusammenhangs werde nicht geteilt. Dr. T1 aus B nahm am 27.12.1996 beratungsärztlich Stellung: Es handele sich um eine schicksalhafte Entstehung eines gutartigen Tumors, der aufgrund seiner Lokalisation zu möglichen Ausfallserscheinungen führen könne; ein Zusammenhang mit vorausgegangenen Schadstoffbelastungen sei nicht erkennbar; auch hätten diese Schadstoffe sicherlich nicht die Funktionsstörung des Bewegungsapparates beeinflusst. Der Hauptverband der Berufsgenossenschaften (HVBG) nahm am 05.06.1997 Stellung: Hinsichtlich der Frage der Verursachung eines gutartigen Tumors der Hirnhaut nach Exposition gegenüber Xylamon, Lindan, Nitro-Schleiflacken, Holzstäuben usw. bei der Tätigkeit als Schreiner seien seit 1963 bis heute keine direkt vergleichbaren oder ähnlich gelagerten Fälle gemeldet worden; der Verordnungsgeber habe sich bisher nicht mit dieser Fallgestaltung befasst; neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass Schreiner bei ihrer beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung der Gefahr ausgesetzt seien, an gutartigen Tumoren der Hirnhaut zu erkranken, lägen nicht vor. Die Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen nahm am 01.10.1997 Stellung: Auch in der neuen Gefahrstoffliste seien Lindan sowie Tributylzinn-Verbindungen nicht als krebserzeugend aufgeführt; deshalb könne die Erkrankung des Klägers nicht auf die Einwirkung der genannten Stoffe zurückgeführt werden.
Mit Bescheid vom 04.11.1997 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung des gutartigen Tumors der Hirnhaut ab. Diese Erkrankung sei keine Berufskrankheit (BK) und eine Anerkennung als Wie-BK nicht möglich. Auf den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers hin holte die Beklagte von dem Hersteller von Xylamon Angaben über die Rezepturbestandteile ein. Nach ergänzender Stellungnahme durch den TAD wurde der Widerspruch zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 27.01.1999).
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Duisburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger behauptet, unter einem Holzschutzmittel-Syndrom zu leiden. Im Zeitraum seiner Exposition gegenüber Xylamon-Braun sei dies in unterschiedlichen Formulierungen gebraucht worden und habe neben dem krebserzeugenden Insektizid Lindan auch das ebenfalls krebserzeugende Pentachlorphenol (PCP) enthalten. Er leide weiterhin an neurologischen Ausfällen, Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen sowie einer Schädigung des rechten Auges.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.1999 zu verurteilen, den gutartigen Tumor der Hirnhaut /Encephalopathie wie eine Berufskrankheit im Sinne von § 9 Abs 2 Siebtes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VII)/ § 551 Abs.2 Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuerkennen und dem Kläger eine Entschädigung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt. Der Verlust des Geruchssinnes, die neurologischen Ausfallserscheinungen und das beobachtete leichte Psychosyndrom seien Folge der operativen Entfernung des gutartigen Tumors der Hirnhaut, bei dem es sich nicht um Krebs gehandelt habe.
Auf Anfrage durch das SG teilte das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung am 02.08.2000 mit: Der Verordnungsgeber habe die Frage eines möglichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Erkrankung an einem Olfactoriusmeningeom und der Tätigkeit als Schreiner mit Exposition gegenüber Xylamon, Lindan, Nitro-Schleiflacken und Holzstäuben bislang nicht geprüft; derzeit lägen zu dieser Problematik keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor; als Wie-BK anerkannte Fälle seien nicht bekannt.
Auf Antrag des Klägers hat das SG Frau Diplom-Psychologin W aus I gutachterlich gehört. In ihrem neuropsychologischen Gutachten vom 18.02.2004 hat sie ausgeführt: Der Kläger weise objektivierbare Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit auf; allerdings erreichten die im Rahmen der Krankheitsverarbeitung eingetretene Veränderung des Lebens und Verhaltens nicht das Niveau einer psychiatrischen Diagnose. Auf weiteren Antrag des Klägers hin hat das SG Prof. Dr. L von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in I gutachterlich gehört. In seinem Gutachten vom 15.04.2004 hat er ausgeführt: Auch wenn das epidemiologische Datenmaterial keine endgültige Schlussfolgerung im wissenschaftlichen Sinne erlaube, so sei doch eine Verdichtung der Daten hinsichtlich eines erhöhten Risikos von Hirntumoren einschließlich Meningeomen bei Expositionen durch organische Lösungsmittel und Pestizide erkennbar, ohne dass es bislang möglich gewesen sei, spezielle chemische Komponenten kausativ herausfiltern zu können. Zur dafür maßgeblichen Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke könnten Inhaltsstoffe von Xylamon erheblich beigetragen haben; auch könnten Speicherungsphänomene dieser Inhaltsstoffe im Bulbus Olfactorius dabei eine Rolle spielen; da Meningeome erst in höherem Alter und dann überwiegend bei Frauen auftreten würden und weiterhin epidemiologische Arbeiten einen kausalen Zusammenhang zu Pestiziden und organischen Lösungsmitteln erkennen ließen, könne mit ausreichender Wahrscheinlichkeit im Falle des Klägers ein Zusammenhang mit den Expositionen angenommen werden. Die chronische Encephalopathie des Klägers sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den beruflichen Umgang mit Xylamon verursacht worden; mit ausreichender Wahrscheinlichkeit könne auch die Entstehung des Meningeoms auf die chronische Exposition durch die Inhaltsstoffe von Xylamon zurückgeführt werden; neuere, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über die Erkrankungen bei Arbeitern, die mit dem Holzschutzmittel Xylamon gearbeitet hätten, aus den letzten Jahren seien nicht bekannt. Fälle, in denen die Erkrankungen des Klägers als Wie-BK anerkannt worden seien, seien ebenfalls nicht bekannt.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten. Im neuropsychologischen Gutachten vom 03.12.2004 hat Diplom-Psychologe Dr. G aus C ausgeführt: Die auf neuropsychologischem Gebiet festgestellten Gesundheitsstörungen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit Folge des im Zusammenhang mit dem Olfactoriusmeningeom bedingten Krankheitsprozesses. In seinem neurologisch-psychiatrisch-neurophysiologischen Gutachten vom 30.12.2004 hat Prof. Q med. Q aus C ausgeführt: Eine toxische Encephalopathie sei nicht nachgewiesen; das diskrete Frontalhirn-Syndrom sei eindeutig Folge der im Frontalhirnbereich erfolgten zweifachen Meningeom-Operation; ebenso die rechtsseitige Sehstörung; eine durch eine chronische Lindan-Exposition und insbesondere Hexachlorcyclohexan-Exposition verursachte fettige Degeneration von Leberzellen mit anschließender Leberzirrhose sei nicht festzustellen; die chronisch-idiopathische Polyneuropathie beruhe auf einer ernährungsbedingten Fettstoffwechselstörung, eine durch organische Lösungsmittel verursachte Polyneuropathie könne ausgeschlossen werden; es gebe keinen epidemiologischen Beleg für eine Assoziation zwischen der Exposition gegenüber organischen Lösemitteln, Pestiziden und Herbiziden und dem Auftreten von Meningeomen bzw. gutartigen Hirntumoren; es sei wissenschaftlich eindeutig bewiesen, dass eine Expositon gegenüber Lindan mit allen seinen Inhaltsstoffen kein erhöhtes Risiko für ein Meningeom darstelle; auch tierexperimentell habe sich nicht der Nachweis führen lassen, dass eine Expositon gegenüber Tributylzinn-Naphthenat zur Bildung gutartiger Hirntumore geführt habe; ein beruflich teilverursachtes Krankheitsbild bzw. ein beruflich verursachtes Krankheitsbild liege bei dem Kläger nicht vor; es existiere keine wissenschaftliche Erkenntnis über die Entstehung eines Meningeoms bzw. Olfactoriusmeningeoms durch den Umgang mit dem Holzsschutzmittel Xylamon; es seien keine Fälle bekannt, in denen solche Erkrankungen als Wie-BK anerkannt worden seien.
Mit Urteil vom 20.07.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich zur Begründung auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. Q gestützt.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen. Ergänzend vertritt er die Auffassung, das Olfactoriusmeningeom sei neben der Konzentration von Pentachlorphenol auch durch die Belastung durch Holzstäube, Dioxyne und Furane verursacht worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.07.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.1999 zu verurteilen, den gutartigen Tumor der Hirnhaut sowie die Encephalopathie wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und ihm eine Entschädigung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Der Senat hat die vollständigen Behandlungsunterlagen des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. C aus O, des Neurologen und Internisten Dr. T aus N, des Arztes für Neurologie C1 aus O, des Augenarztes Dr. L aus N, des Neuro-Radiologen Dr. I aus E sowie des Diplom-Psychologen und Neuropsychologen B aus O beigezogen. Des Weiteren hat Prof. Dr. med. Q am 17.10.2006, 06.02. 2007 und 21.06.2007 ergänzend gutachterlich Stellung genommen: Bei der neurologischen Untersuchung des Klägers seien die Aggravationstendenzen so offensichtlich gewesen, dass nicht von einer hysterischen Störung gesprochen werden könne, sondern wirklich von Aggravation. Nach der Untersuchung seien die Halbseitenstörungen rechts nicht mehr zu beobachten gewesen; bei dem Kläger seien keine Metaboliten des Lindans gefunden worden, die bei einer chronischen Toxikation zu finden sein müssten; die angegebene Literatur belege eindeutig, dass ein Zusammenhang mit der Lindanexposition und der Meningeomentstehung auszuschließen sei; alle vom Kläger geklagten Beschwerden ließen sich objektiv nur durch das frontalgelegene Meningeom erklären.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den gutartigen Tumor der Hirnhaut und eine Encephalopathie wie eine Berufskrankheit anerkennt und ihm eine Entschädigung gewährt.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach dem bis zum 31.12.1996 maßgeblichen Recht der RVO, da der Kläger einen Anspruch geltend macht, der bereits vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997, spätestens mit der erstmaligen Operation des Olfactoriusmeningeoms am 13.10.1994 entstanden sein soll (§ 212 SGB VII, Artikel 36 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch – UVEG – ). Nach der Regelung des § 551 Abs 2 RVO, die inhaltlich im Wesentlichen § 9 Abs 2 SGB VII entspricht, ist eine Krankheit, die nicht in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) bezeichnet ist, dann wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Anerkennung als BK erfüllt sind. Voraussetzung ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs der Krankheit mit der gefährdenden Arbeit im konkreten Fall. Dabei muss eine bestimmte Personengruppe bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sein. Dieses berufsgruppenspezifische Risiko muss sich durch weitere Erkrankungsfälle dokumentieren. Diese Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell geeignet sein, Krankheiten solcher Art zu verursachen und diese medizinischen Erkenntnisse müssen neu sein, d. h. nach Erlass der letzten Liste zur BKV bekannt geworden sein oder sich erst nach diesem Zeitpunkt zur BK-Reife verdichtet haben (u.a. BSG Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 20/01 R; Bay. Landessozialgericht Urteil vom 18.01.2008, L 3 U 137/06, UV-Recht Aktuell 2008, 835-839, Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII § 9 Rdnr. 13, mwN). Generell geeignet zur Verursachung entsprechender Krankheiten sind Einwirkungen nur dann, wenn die generelle Geeignetheit der betreffenden Einwirkung zur Verursachung der Krankheit festgestellt werden kann. Kommen die Schadstoffe auch außerhalb des Arbeitslebens zahlreich vor, bedarf es einer epidemiologischen Bestätigung des Kausalzusammenhangs zwischen Arbeitsleben und Erkrankung. Die generelle Geeignetheit der Einwirkung der gefährlichen Stoffe auf die Entstehung/Verschlimmerung der Krankheit muss in der medizinischen Wissenschaft allgemein anerkannt sein (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, E § 9 SGB VII Rdnr. 33, mwN).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es liegen keine neuen medizinischen Erkenntnisse über den behaupteten Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und dem Erkrankungsbild des Klägers vor. Darüber hinaus ist in der medizinischen Wissenschaft die generelle Geeignetheit der gefährlichen Stoffe, denen der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit als Schreiner ausgesetzt gewesen ist, auf die Entstehung/Verschlimmerung seines Erkrankungsbildes nicht allgemein anerkannt. Der Senat folgt insoweit den widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Q (Gutachten vom 30.12.2004; ergänzende Stellungnahmen vom 17.10.1006, 06.02.2007, 21.06.2007). Davon ausgehend bleibt festzustellen, dass bei dem Kläger keine toxische Encephalopathie nachgewiesen ist. Zudem fehlt es an gesicherten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft darüber, dass die dokumentierte berufliche Exposition des Klägers generell geeignet ist, ein Olfactoriusmeningeom zu verursachen. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind dann als gesichert anzusehen, wenn sie methodisch erforscht, mit gesicherten Verfahren erprobt und allgemein Geltung in der Fachwelt erworben haben (Mehrtens/Brandenburg, aaO). Der Sachverständige Prof. Dr. Q hat daraufhin gewiesen, dass nach den neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft lediglich ein klarer Zusammenhang zwischen Meningeom und ionisierender Strahlung und weiblichen Sexualhormonen sowie darüber hinaus für die endogene Disposition im Rahmen der Erbkrankheit Neurofibromatose Typ II festgestellt worden ist. Darüber hinaus gibt es für keine weiteren pathogenetischen Faktoren einen wissenschaftlich bewiesenen Zusammenhang, dass hierdurch Meningeome hervorgerufen werden können. Ferner gibt es keinen epidemiologischen Beleg für eine Assoziation zwischen der Exposition gegenüber organischen Lösemitteln, Pestiziden und Herbiziden und dem Auftreten von Meningeomen bzw. gutartigen Hirntumoren. Vielmehr kann es als wissenschaftlich bewiesen angesehen werden, dass der Umgang mit dem Holzschutzmittel Xylamon kein erhöhtes Risiko für ein Meningeom darstellt. Die veröffentlichten wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnissen lassen jeden Hinweis für eine Verbindung bzw. Verursachung von Olfactoriusmeningeom bzw. Meningeom durch das Holzschutzmittel Xylamon vermissen. Dies gilt für sämtliche Einzelsubstanzen bzw. Bestandteile des Xylamons. Die Erkenntnisse stützen sich auch auf Tierversuche. So ist tierexperimentell der Nachweis geführt worden, dass eine Exposition gegenüber Tributylzinn-Naphtenat nicht zur Bildung gutartiger Tumore führt. Im Ergebnis lässt sich daher feststellen, dass es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, die die Entstehung eines Meningeoms bzw. Olfactoriusmeningeoms aufgrund des Umgangs mit dem Holzschutzmittel Xylamon belegen. Die epidemiologischen Studien lassen zudem kein berufsgruppenspezifisches Risiko erkennen. Schreiner, die berufliche gegenüber Xylamon-Braun bzw. seinen Inhaltsstoffen exponiert waren, erkranken nicht in einem erheblich höheren Maß an Meningeomen als die übrige Bevölkerung. Ein berufsgruppenspezifisches Risiko ist auch nicht durch weitere Erkrankungsfälle dokumentiert. Es sind keine Fälle bekannt worden, in denen solche Erkrankungen als Wie-BK anerkannt worden sind.
Das Gutachten von Prof. Dr. L vermag die Überzeugung des Senats nicht zu erschüttern. Prof. Dr. L geht offensichtlich selbst davon aus, dass sich mit dem vorhandenen epidemiologische Datenmaterial, die Frage, ob das Meningeom durch den Umgang mit Xylamon verursacht worden ist, nicht sicher beantworten lässt. Insoweit spricht er von einer "Verdichtung der Daten" hinsichtlich eines erhöhten Risikos von Hirntumoren einschließlich Meningeomen bei Expositionen durch organische Lösungsmittel und Pestizide. Warum er gleichwohl davon ausgeht, dass die berufliche Tätigkeit des Klägers das Meningeom (mit-)verursacht hat, bleibt daher nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig überzeugt, vor dem Hintergrund der von Prof. Dr. Q angeführten epidemiologischen Studien, dass – nach Auffassung von Prof. Dr. L – Einzelpersonen aus der Berufsgruppe der Schreiner einem höheren Risiko für Erkrankung an einem Meningeom als die übrige Bevölkerung unterliegen. Dies ist rein spekulativ und nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht ausreichend wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich.
Die Annahme, dass der Kläger an einer beruflich bedingten toxischen Encephalopathie leidet, ist nach den gängigen Gutachterkriterien der toxischen Encephalopathie nicht haltbar. Insoweit folgt der Senat dem Sachverständigen Prof. Dr. Q, der nach entsprechenden labortechnischen Zusatzuntersuchungen nachvollziehbar dargelegt hat, dass es beim Kläger an einem für eine toxische Encephalopathie typischen Krankheitsbild fehlt. Vielmehr sind die festgestellten Krankheitsbilder eine Folgezustand nach zweimaligem Olfactoriusmeningeom mit Frontalhirnsyndrom und druckbedingter Opticusschädigung rechts.
Veranlassung die berufsbezogene Exposition, entsprechend der Anregung des Klägers, weitergehend zu ermitteln, besteht nicht. Der Sachverhalt ist arbeitstechnisch und medizinisch umfassend aufgeklärt. Hinsichtlich der Arbeitsplatzexposition des Klägers gegenüber entsprechenden Gefahrstoffen besteht kein Zweifel.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 27.08.2008
Zuletzt verändert am: 27.08.2008