Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit L 2 KN 78/07 U durch den gerichtlichen Vergleich vom 09.08.2007 erledigt worden ist. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten zunächst darüber, ob das Verfahren L 2 KN 78/07 U durch Rücknahme des Rechtsmittels beendet worden ist. Im Übrigen ist Zahlung einer höheren Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit der Nr. 2108 der Berufskrankheitenverordnung (BK Nr. 2108 BKV) streitig.
Bei dem am 00.00.1948 geborenen Kläger ist eine BK Nr. 2108 anerkannt (Bescheid vom 06.03.1997). Wegen der Folgen der BK wurde der Kläger seit dem 17.08.1994 nach einer Teilrente um 20 v. H. entschädigt. Wegen Zunahme der Funktionsausfälle gewährte die Beklagte seit dem 01.06.2000 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. (Bescheid vom 16.07.2003).
Der Kläger machte mit Schreiben vom 29.03.2004 erneut die Verschlimmerung der Folgen der BK Nr. 2108 geltend. Die Beklagte erachtete die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Untersuchung des Klägers für erforderlich und benannte ihm drei Gutachter zur Auswahl (27.07.2004). Der Kläger wählte keinen der drei benannten Gutachter aus und schlug seinerseits eine Arztperson seines Vertrauens vor. Daraufhin schlug die Beklagte ihm einen Gutachter in Wohnortnähe vor, mit dem der Kläger auch einverstanden war (10.09.2004). In der Folgezeit bestand der Kläger auf Begutachtung nach Aktenlage und lehnte eine Untersuchung ab (02.12.2004 und 05.01.2005). Die Beklagte veranlasste die Stellungnahme durch ihren Beratungsarzt Dr. H. Dieser vertrat die Auffassung, dass ohne eine Untersuchung eine Entscheidung nicht getroffen werden könne; eine Entscheidung allein nach Aktenlage sei nicht möglich. Nach Aktenlage sei weiterhin eine MdE um 30 v. H. gerechtfertigt (Stellungnahme vom 22.02.2005). Mit Bescheid vom 25.02.2005 lehnte die Beklagte, gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme, den Antrag vom 29.03.2004 ab.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 15.03.2005 Klage zum Sozialgericht Duisburg (SG) erhoben. Während des Klageverfahrens holte die Beklagte das Widerspruchsverfahren nach. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2005 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.02.2005 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die für die MdE-Bewertung maßgeblichen berufskrankheitsbedingten Funktionseinschränkungen nur durch eine aktuelle gutachterliche Untersuchung festgestellt werden könnten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 31.01.2007 hat der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2005 zu verurteilen, ihm aus Anlass einer Berufskrankheit Nr. 2108 eine Verletztenrente nach einer MdE von 100 v. H. zu gewähren.
Mit Urteil vom 31.01.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, wegen fehlender Mitwirkung im Verfahren die Verletztenrente zu erhöhen.
Dagegen hat der Kläger am 28.03.2007 Berufung eingelegt (L 2 KN 78/07 U). Im Termin zur Erörterung am 09.08.2007 haben die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen:
1. Der Kläger übersendet an die Beklagte eine Aufstellung der ihn wegen seiner Wirbelsäulenerkrankung behandelnden und behandelt habenden Arztpersonen, entbindet diese von der ärztlichen Schweigepflicht und erklärt sich damit einverstanden, dass die Beklagte von diesen Arztpersonen die Behandlungsunterlagen beizieht.
2. Nach Beiziehung dieser Behandlungsunterlagen wird die Beklagte diese Unterlagen an die Dres. L und I zur Auswertung mit der Fragestellung weiterleiten, ob anhand dieser Unterlagen nach Aktenlage ein Gutachten zur Frage der Verschlimmerung der Folgen der BK NR.2108 erstattet werden kann Gegebenenfalls wird sie ein Gutachten nach Aktenlage in Auftrag geben.
3. Sollten die Dres. L und I den Kläger ambulant untersuchen müssen, so erklärt der Kläger sich dazu bereit.
4. Damit ist der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt.
Dieser Vergleich wurde laut diktiert, vorgespielt und übereinstimmend von den Beteiligten genehmigt.
Am 05.09.2007 hat der Kläger die Fortführung des Berufungsverfahrens mit der Begründung begehrt, der Vergleich vom 09.08.2007 lasse die Punkte Klage auf Rentenzahlung, Klage auf Pflegegeld und Klage auf Übernahme der Badezimmer-Umbaukosten außer Acht. Er beantrage "Wiedereinstellung in den alten Stand".
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.02.2008 ist der geladene Kläger weder erschienen noch vertreten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 31.01.2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2005 zu verurteilen, ihm Leistungen wegen Rente, Pflege, Badezimmer-Umbau nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
zu erkennen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 09.08.2007 erledigt worden ist und den Kläger an den Kosten, die der Beklagten im Rahmen des § 184 SGG auferlegt werden, angemessen zu beteiligen.
Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den übrigen Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Aufgrund des entsprechenden Hinweises in der Terminsmitteilung konnte der Senat verhandeln und entscheiden, auch wenn für den Kläger niemand zum Termin erschienen ist.
Nach Auffassung des Senats begehrt der Kläger die Fortführung des Berufungsverfahrens L 2 KN 78/07 U, das er noch nicht als erledigt ansieht. Dies ergibt sich daraus, dass er neben einem materiellen Anspruch auch die "Wiedereinstellung in den alten Stand" beantragt.
Eine materiell-rechtliche Entscheidung über einen Anspruch auf Verletztenrente ist dem Senat aus prozessrechtlichen Gründen verwehrt. Denn das Berufungsverfahren L 2 KN 78/07 U ist durch die Zurücknahme der Berufung erledigt worden. Die am 09.08.2007 unbedingt zu Protokoll gegebene Erklärung "Damit ist der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt" ist rechtlich als Zurücknahme der Berufung zu werten (vgl. § 156 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Dies bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (vgl. § 156 Abs. 2 Satz 1 SGG) und hat zur Folge, dass der Rechtsstreit – wie bei einer Klagerücknahme – in der Hauptsache erledigt ist (vgl. § 102 Satz 2 SGG).
Die Abgabe der prozessbeendenden Erklärung des Klägers wird durch das Sitzungsprotokoll vom 09.08.2007 bewiesen. Die Sitzungsniederschrift bringt grundsätzlich vollen Beweis dafür, dass die beurkundeten Erklärungen tatsächlich abgegeben worden sind (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO -). Anhaltspunkte für eine Fälschung (§ 165 Satz 2 ZPO) oder eine unrichtige Beurkundung (§ 415 Abs. 2 ZPO) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Seine (prozessbeendende) Erklärung ist dem Kläger ordnungsgemäß vorgespielt und von ihm genehmigt worden (vgl. § 122 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 ZPO), so dass alle für die Richtigkeit des Protokolls vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachtet worden sind. Kein Zweifel besteht daran, dass der Kläger bei Abgabe dieser Erklärung prozessfähig war. Es liegen keine objektiven Anhaltspunkte und erst recht keine Nachweise für eine einmalige und zeitlich beschränkte Prozessunfähigkeit vor.
Die wirksam erklärte Zurücknahme der Berufung kann auch nicht durch Anfechtung (§§ 119, 123 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -) beseitigt werden. Denn die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Nichtigkeit und Anfechtung, insbesondere auch wegen Irrtums, sind auf Prozesshandlungen wie die Berufungszurücknahme nicht anwendbar (vgl. Urteil des BSG vom 19.03.2002, B 9 V 75/01 B, HVBG-INFO 2002, 2150-2152; Beschluss vom 24.04.2003, B 11 AL 33/03 B; Meyer-Ladewig, SGG 8 Auflage, § 156 Rdn. 2a).
Ein Wiederaufgreifen eines durch Zurücknahme der Berufung beendeten Rechtsstreit ist vielmehr ausnahmsweise nur dann möglich, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§179, 180 SGG i.V.m. §§ 579 f. ZPO vorliegen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dem Kostenantrag der Beklagten war nicht zu entsprechen. Eine dahingehende Kostentragung des Klägers ist lediglich im Rahmen des § 192 SGG möglich. Über diese Kostenfolge konnte der im Termin weder erschienene noch vertretene Kläger nicht ordnungsgemäß belehrt werden.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 15.04.2008
Zuletzt verändert am: 15.04.2008