Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 25.11.2013 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn der Verzinsung eines an den Kläger aus Anlass der Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) 4111 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) gewährten Nachzahlbetrages.
Mit Schreiben vom 12.03.1998 erstatteten die behandelnden Ärzte des Klägers, Dres. T/B, der Beklagten eine ärztliche Anzeige über eine BK. Die Beklagte lehnte die Anerkennung der BK 4111 mit Bescheid vom 26.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2000 unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 BKV in der damals geltenden Fassung vom 31.10.1997 (a.F., BGBl I, 2623) ab, weil bei dem Kläger seit 21.04.1986 eine chronisch obstruktive Bronchitis und ein Emphysem bestehe, aber nur nach dem 31.12.1992 eingetretene Versicherungsfälle anerkannt werden könnten. Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen Klage zum Aktenzeichen S 7 KN 165/00 U, das nach Ruhen später unter den Az. S 7 KN 487/05 U bzw. S 7 KN 31/09 U WA weitergeführt wurde.
Nach der Änderung der BKV zum 01.07.2009 (Anerkennung der BK 4111 nunmehr auch, wenn der Versicherungsfall vor 1993 eingetreten und dem Versicherungsträger vor 2010 bekannt gemacht worden ist), erkannte die Beklagte bei dem Kläger mit Bescheid vom 29.09.2009 eine BK 4111 an und gewährte ihm Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. ab 01.01.2005. Für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.09.2009 errechnete sie einen Nachzahlbetrag iHv insgesamt 55.499,04 Euro (01.01.2005 – 30.06.2007: 29.013,90 Euro; 01.07.2007 – 30.06.2008: 11.668,32 Euro; 01.07.2008 – 30.06.2009: 11.796,60 Euro; 01.07.2009 – 30.09.2009: 3020,22 Euro).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 02.11.2009 Widerspruch ein. Die Verletztenrente sei ab einem früheren Zeitpunkt und nach einer höheren MdE zu zahlen. Außerdem müsse die Nachzahlung verzinst werden. Das SG sah den Bescheid vom 29.09.2009 als Gegenstand des Klageverfahrens S 7 KN 31/09 U WA an. Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 09.11.2009 u.a. darauf hin, dass eine Verzinsung gem. § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) erst 6 Monate nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags mit Änderung der BKV am 01.07.2009 in Betracht komme, also ab 01.01.2010. Zu diesem Zeitpunkt sei der Betrag bereits ausgezahlt worden.
Mit Bescheid vom 02.02.2010 und Widerspruchsbescheid vom 05.05.2010 stellte die Beklagte fest, dass sich die MdE bei dem Kläger seit dem Bescheid vom 29.09.2009 nicht erhöht habe. Hiergegen erhob der Kläger am 10.06.2010 Klage (Az.: S 7 KN 271/10 U, später S 4 KN 9/13 U WA).
Das SG wies die Klage im Verfahren S 7 KN 31/09 U WA mit Urteil vom 14.05.2010 ab. Zutreffend habe die Beklagte eine Zahlung ab 01.01.2005 nach einer MdE um 30 v. H. vorgenommen. Gegen das Urteil legte der Kläger am 09.07.2010 Berufung ein (Az.: L 2 KN 195/10 U, später L 4 KN 195/10 U) und begehrte eine höhere MdE sowie einen früheren Rentenbeginn. Der 2. Senat teilte mit, dass auch der Bescheid vom 02.02.2010 Gegenstand des (Berufungs-)Verfahrens sei. Die Berufung wurde mit Beschluss vom 06.06.2012 zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 20.12.2011 beantragte der Kläger (erneut), den Nachzahlbetrag zu verzinsen. Vorsorglich stelle er Überprüfungsantrag gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Um einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid werde gebeten.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 06.02.2012 ab. Der Bescheid vom 09.11.2009 werde nicht gem. § 44 SGB X zurückgenommen. Ausgehend von einem vollständigen Leistungsantrag mit Änderung der BKV am 01.07.2009 komme eine Verzinsung erst nach Ablauf von 6 Kalendermonaten in Betracht, also ab 01.01.2010. Da der Nachzahlbetrag bereits im Oktober 2009 ausgezahlt worden sei, scheide die Verzinsung gem. § 44 SGB I aus.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 06.03.2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012 zurück. In dem dem erstinstanzlichen Verfahren (S 4 KN 228/12 U) nachfolgenden Berufungsverfahren (L 4 U 76/13) teilte der damals zuständige Berichterstatter des Senats mit, dass im Schreiben vom 09.11.2009 wohl nach den konkreten Umständen des Einzelfalls keine Regelung hinsichtlich einer Verzinsung in Form eines Verwaltungsaktes zu sehen sein dürfe. Daraufhin hob die Beklagte den Bescheid vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2012 auf und erklärte sich bereit, über die Frage der Verzinsung einen Bescheid zu erteilen (Vergleich vom 05.04.2013).
Mit (dem hierauf ergangenen) Bescheid vom 21.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2013 stellte die Beklagte fest, dass eine Verzinsung ausscheide, weil der Nachzahlungsbetrag bereits im Oktober 2009 ausgezahlt worden sei. Die Verzinsung beginne gem. § 44 Abs. 2 SGB I frühestens nach Ablauf von 6 Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Versicherungsträger. Zwar sei der Antrag bereits 1998 eingegangen, jedoch habe damals die Stichtagsregelung gegolten. Daher habe der Antrag erst mit der Rechtsänderung am 01.07.2009 Wirksamkeit erlangt. Ausgehend hiervon könne eine Verzinsung erst am 01.01.2010 beginnen. Da der Betrag aber schon Ende 2009 ausgezahlt worden sei, scheide diese aus.
Der Kläger hat am 08.08.2013 Klage beim SG Duisburg erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Die Anzeige einer BK datiere auf den 12.03.1998. Zinsleistungen seien akzessorisch und richteten sich nach der Hauptleistung.
Das SG hat die Klage, die es als Antrag auf Verzinsung des Nachzahlbetrages ab 01.06.1999 ausgelegt hat, mit Gerichtsbescheid vom 25.11.2013 abgewiesen und sich im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid bezogen. Es sei vom Zeitpunkt der Rechtsänderung der BKV am 01.07.2009 auszugehen, so dass eine Verzinsung erst ab 01.01.2010 beginnen könne. Die Leistung sei aber bereits im Oktober 2009 ausgezahlt worden.
Gegen den am 12.12.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.01.2014 Berufung eingelegt und sein Begehren entsprechend dem erstinstanzlich (ausgelegten) Klageantrag weiter verfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 25.11.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 21.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2013 zu verurteilen, den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 55.499,04 Euro ab dem 01.06.1999 zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie den Inhalt der Vorprozessakten S 7 KN 31/09 U WA (S 7 KN 165/00 U bzw. S 7 KN 487/05 U) – L 4 KN 195/10 (L 2 KN 195/10); S 4 KN 9/13 U WA (S 7 KN 271/10 U); S 4 KN 184/09 U – L 4 U 467/12; S 4 KN 596/11 U – L 4 U 468/12; S 4 KN 228/12 U – L 4 76/13; S 4 KN 435/12 U Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2013 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verzinsung des ihm anlässlich der Anerkennung der BK 4111 mit Bescheid vom 29.09.2009 gewährten Betrages iHv 55.499,04 Euro, der sich aus einer (Nach-)Zahlung der laufenden Rentenleistungen für die Monate Juli, August und September 2009 (3020,22 Euro) einerseits und einer (einmaligen) Zahlung von Verletztenrente für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2009 (52.478,82 Euro) andererseits, zusammensetzt. Die Voraussetzungen einer Verzinsungspflicht gem. § 44 SGB I sind nicht erfüllt.
Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen (§ 44 Abs. 1 SGB I). Gem. § 44 Abs. 2 SGB I beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger bzw. beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
Der Anwendungsbereich der Verzinsungsvorschrift des § 44 SGB I ist eröffnet, weil es sich bei der Zahlung von Renten aus Ansprüchen der gesetzlichen Unfallversicherung gem. §§ 11, 22 Abs. 1 Nr. 3 SGB I um Geldleistungen i. S. dieses Gesetzes handelt (vgl. z.B. Wagner in jurisPK-SGB I, § 44 Rn. 13; Bigge in Eichenhofer/Wenner, SGB I-IV-X, Kommentar, 2012, § 44 SGB I Rn. 7; Hänlein in Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2014, § 44 SGB I Rn. 2 ).
Sowohl der Anspruch des Klägers auf die (Nachzahlung der) laufenden Rentenleistungen (dazu unter 1.) als auch der Anspruch auf den einmaligen Zahlbetrag (dazu unter 2.) waren iSv § 44 Abs. 1 SGB I fällig, dies (jedoch erst) 2009 und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Die grundsätzlich gem. § 44 Abs. 1 SGB I ab dem 01.09.2009 eingetretene Verzinsungspflicht (dazu unter 3) ist gem. § 44 Abs. 2 SGB I auf den 01.01.2010 hinausgeschoben worden (dazu unter 4.). Aufgrund der bereits im Oktober 2009 erfolgten Auszahlung des geschuldeten Leistungsbetrages ist ein Zinsanspruch des Klägers damit nicht entstanden.
1.) Der Anspruch des Klägers auf Zahlung laufender Verletztenrente für den Monat Juli 2009 ist Ende Juli 2009, für den Monat August 2009 Ende August 2009 und für den Monat September 2009 Ende September 2009 fällig geworden.
Gem. § 96 Abs. 1 S. 1 SGB VII werden laufende Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme des Verletzten- und Übergangsgeldes am Ende des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Laufende Geldleistungen sind Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Leistung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 96 Rn. 3 unter Verweis auf BT-Drs 7/868, S. 31 zu § 48). Bei den von der Beklagten im Bescheid vom 29.09.2009 für die Monate Juli bis September 2009 aufgeführten Rentenleistungen handelt es sich um derartige, im Nachhinein zusammengefasst berechnete, laufende Leistungen.
Die Anspruchsvoraussetzungen für diese laufenden Rentenleistungen sind ab dem 02.07.2009 jeweils monatlich wiederkehrend zum Monatsanfang erfüllt gewesen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztenrente liegen gem. § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII vor, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vH gemindert ist. Die Rente beginnt mit dem Tag nach dem Ende des Anspruchs auf Verletztengeld (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) bzw. mit dem Tag nach dem Eintritt des Versicherungsfalls (§ 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII).
Der Versicherungsfall der BK 4111 hat bei dem Kläger noch nicht kraft normativer Wirkung bei Erkrankungsbeginn im Jahr 1986 (dazu unter a) oder ab 01.12.1997 (dazu unter b), sondern erst seit dem 01.07.2009 vorgelegen (dazu unter c). Sein Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente ist mangels Anspruchs auf Verletztengeld gem. § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII damit am 02.07.2009 entstanden.
a) Versicherungsfälle sind gem. § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Letztere sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet (sog. Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII bzw. vormals § 551 Abs. 1 S. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO). Der Versicherungsfall einer Listen-BK tritt ein, wenn die Krankheit als BK in einem in Kraft getretenen Tatbestand der BKV (vormals BKVO) bezeichnet worden ist und sämtliche Merkmale dieses Tatbestandes erfüllt sind (vgl. BSG Urt. v. 17.05.2011 – B 2 U 19/10 R – juris Rn. 11).
Eine BK in diesem Sinn ist die unter Nr. 4111 der BKV aufgelistete "Chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg/m³) x Jahre]".
Wenngleich die in der BK 4111 genannte Erkrankung bei dem Kläger bereits im Jahr 1986 vorgelegen hat, war ein Versicherungsfall dennoch zunächst nicht gegeben. Diese BK war in der damals geltenden Fassung der Anlage zur BKVO (vgl. § 551 Abs. 1 S. 2 RVO i.V.m. der Siebenten BKVO vom 20.06.1968, BGBl I, 721) noch nicht enthalten.
b) Der Versicherungsfall der BK 4111 ist auch nicht mit dem Inkrafttreten der BKV am 01.12.1997 (BKV a.F.) nach der § 551 Abs. 1 S. 2 RVO entsprechenden Nachfolgeregelung des § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII i.V.m. § 1 BKV und der Anlage hierzu eingetreten. Der Tatbestand dieser BK erforderte gem. § 6 Abs. 1 BKV a.F. zusätzlich zu den tatbestandlichen Voraussetzungen dieser BK einen Erkrankungsbeginn nach dem 31.12.1992 (vgl. zur Auslegung der Wortbedeutung des § 6 Abs. 1 BKV a.F. in diesem Zusammenhang BSG Urt. v. 17.05.2011 – B 2 U 19/10 R – juris Rn. 15). Der Kläger war indes bereits weit vor diesem Stichtag erkrankt.
c) Sämtliche Voraussetzungen des Versicherungsfalls sind schließlich (erst) durch bzw. mit der Einfügung des § 6 Abs. 3 S. 2 BKV durch Art. 1 Nr. 2 Buchstabe d i.V.m. Art. 2 der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.06.2009 (2. BKV-ÄndV; BGBl I, 1273) eingetreten. Durch diese Einfügung ist die Stichtagsregelung dahingehend modifiziert worden, dass eine BK 4111 nunmehr auch bei vor 1993 eingetretener Erkrankung anzuerkennen war, wenn der Unfallversicherungsträger hiervon bis Ende 2009 Kenntnis erlangte. § 6 Abs. 3 S. 2 BKV ist am 01.07.2009 in Kraft getreten und entfaltet gem. Art. 82 Abs. 2 S. 1 und 2 Grundgesetz (GG) ab diesem Tag Rechtswirkungen (BSG Urt. v. 17.05.2011 – B 2 U 19/10 R – juris Rn. 18 mwN). Wenngleich die Vorschrift an vor dem 01.01.1993 eingetretene Erkrankungen im Sinne einer tatbestandlichen Rückanknüpfung anknüpft, tritt der Versicherungsfall selbst nicht vor ihrem Inkrafttreten ein (vgl. BSG a.a.O. – juris Rn. 11,16). Eingeräumt werden sollte nicht die rückwirkende Anerkennung einer BK 4111, sondern lediglich die Anerkennung der vor dem 01.01.1993 liegenden Erkrankungen als BK 4111 (vgl. BSG a.a.O. – juris Rn. 19). Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen ist mit der Neuregelung nicht verbunden, weil ihr Inkrafttreten nicht auf einen Zeitpunkt vor Verkündung festgelegt wurde (vgl. BSG a.a.O. – juris Rn. 18).
Lagen die Anspruchsvoraussetzungen einer Rentenzahlung für die Monate Juli, August und September je am Monatsanfang vor, sind diese gem. § 96 Abs. 1 S. 1 SGB VII je am jeweiligen Monatsende fällig geworden.
2.) Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verletztenrente für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2009 ist iSv § 44 Abs. 1 SGB I am 02.07.2009 fällig geworden.
Die Fälligkeit dieses Leistungsanspruchs des Klägers richtet sich nach der allgemeinen Vorschrift des § 41 SGB I. Die speziellere Regelung des § 96 Abs. 1 S. 1 SGB VII (Verhältnis der Vorschriften offengelassen von Bigge, a.a.O., Rn. 10) findet hier keine Anwendung, da es sich bei dem dem Kläger gewährten Zahlbetrag für den Zeitabschnitt vom 01.01.2005 bis 30.06.2009 weder um eine laufende Rentenleistung noch um eine verspätete oder zusammenfassende Zahlung zuvor entstandener laufender Rentenleistungen im Sinne von § 96 SGB VII handelt. Vielmehr stellt die Zahlung eine einmalige Leistung dar, zu deren Berechnung der in § 6 Abs. 6 S. 2 BKV genannte Vierjahreszeitraum zugrunde gelegt wird.
Gem. § 41 SGB I werden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig. Den Zeitpunkt der Entstehung regelt bei gebundenen Entscheidungen wie der im Streit stehenden Rentenzahlung § 40 Abs. 1 SGB I. Hiernach entstehen Ansprüche, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.
Die Voraussetzungen für den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Zahlung von Verletztenrente für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2009 haben am 02.07.2009 vorgelegen, da dieser Anspruch gem. § 6 Abs. 6 S. 2 BKV gemeinsam mit dem Anspruch auf Gewährung laufender Rentenleistungen begründet worden ist.
In den Fällen der rückwirkenden Einführung bzw. Erweiterung eines BK-Tatbestandes gem. § 6 Abs. 1 bis 5 BKV, und damit auch dem hier vorliegenden, in § 6 Abs. 3 S. 2 BKV geregelten Fall der BK 4111 mit Erkrankung vor dem 01.01.1993, entsteht neben einem Anspruch auf laufende Rentenleistungen gem. § 6 Abs. 6 S. 2 BKV zeitgleich auch ein Anspruch auf rückwirkende Leistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren. Der Zeitraum ist vom Beginn des Jahres an zu rechnen, in dem der Antrag gestellt worden bzw. die Erkrankung eingetreten ist (vgl. zur entsprechenden Auslegung BSG Urt. v. 17.05.2011 – B 2 U 19/10 R – juris Rn. 23).
Soweit aufgrund der Sonderregelung des § 6 Abs. 6 S. 2 BKV nach ihrem Wortlaut "rückwirkende Leistungen" begründet werden, beeinflusst dies nicht den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch entsteht – hier den 02.07.2009. Die Vorschrift beinhaltet keine "echte" Rückwirkung im Sinne einer rückwirkenden Begründung früherer laufender Ansprüche, sondern (lediglich) die Begründung eines (neuen) Zahlungsanspruchs, bei dessen Berechnung Zeiträume vor Inkrafttreten der entsprechenden (Neu-)Regelung erfasst werden. § 6 Abs. 6 S. 2 BKV regelt nicht den durch Parlamentsgesetz in § 72 SGB VII bestimmten Rentenbeginn, dessen Modifikation der Verordnungsgeberin ohne gesetzliche Ermächtigung verwehrt ist. Sie räumt vielmehr "lediglich" Zahlungsansprüche so ein, als wäre der Versicherungsfall bereits vor dem Tag seiner rechtswirksamen Aufnahme in die BK-Liste, frühestens vier Jahre vor Beginn des Tages der Antragstellung bzw. der Änderung der BKV, eingetreten (vgl. BSG Urt. v. 17.05.2011 – B 2 U 19/10 R – juris Rn. 22, 23). Begründet wird daher kein früherer Anspruch, sondern lediglich ein Anspruch für frühere Zeiträume. Der Anspruchsbeginn wird also nicht vorverlegt, sondern (zugunsten des Versicherten) dergestalt in der Höhe modifiziert, dass auch Zeiten vor Anspruchsbeginn in die Berechnung einfließen. Festgelegt wird allein der Umfang des aufgrund der Inkraftsetzung des neuen BK-Tatbestandes entstandenen Leistungsanspruchs (vgl. BSG Urt. v. 17.05.2011 – B 2 U 19/10 R – juris Rn. 22).
3.) a) Ist der Zahlungsanspruch bezüglich der laufenden Rentenleistungen für Juli 2009 – wie unter 1.) ausgeführt – Ende Juli fällig geworden, so ist dieser gem. § 44 Abs. 1 SGB I grundsätzlich nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Fälligkeit zu verzinsen. Bei sog. "nachschüssigen Zahlungen" wie hier endet die Frist von einem Kalendermonat mit dem Tag des Kalendermonats, der dem Kalendermonat der Fälligkeit folgt (vgl. auch Lilge, SGB I, 3. Aufl. 2012, § 44 Rn. 34; Dalichau, SGB, Kommentar, § 44 SGB I Anm. II.3). Bei entsprechendem Fristende am 31.08.2009 begann die sich aus § 44 Abs. 1 SGB I ergebende Verzinsungspflicht am 01.09.2009. Für den Zahlungsanspruch bezüglich der laufenden Rentenleistungen für die Folgemonate verschiebt sich der aus § 44 Abs. 1 SGB I resultierende Beginn der Verzinsung je um einen Monat, d.h. für den Monat August auf den 01.10.2009 und für den Monat September auf den 01.11.2009.
b) Ist der Zahlungsanspruch bezüglich der einmaligen Leistung für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2009 – wie unter 2.) ausgeführt – am 02.07.2009 fällig geworden, so ist dieser gem. § 44 Abs. 1 SGB I ebenso wie der Anspruch auf Verletztenrente für den Monat Juli 2009 ab 01.09.2009 zu verzinsen. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine Verzinsung gem. § 44 Abs. 1 SGB I auch dann am 01.09.2009 begonnen hätte, wenn sich die Fälligkeit des Anspruchs nach § 96 SGB VII richten würde. In diesem Fall wäre Fälligkeit – wie hinsichtlich des Anspruchs auf die laufende Rentenzahlung für Juli 2009 – Ende Juli eingetreten. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.
4.) Der aufgrund der o.g. Fälligkeit der Leistungsansprüche grundsätzlich gem. § 44 Abs. 1 SGB I ab 01.09.2009 eingetretene Beginn der Verzinsungspflicht ist durch § 44 Abs. 2 1. Halbsatz SGB I bis zum 01.01.2010 hinausgeschoben (dazu unter a). Ein Fall des § 44 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I liegt damit nicht vor; die Anwendung dieser Alternative würde im Übrigen aber auch nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen (dazu unter b).
a) Geht es – wie hier – zwar um antragsunabhängige Leistungen, ist aber dennoch ein (nicht erforderlicher) Antrag gestellt worden, liegen die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 44 Abs. 2 SGB I vor und ist bei der Prüfung der Verzinsung immer von diesem Antrag auszugehen (vgl. BSG Urt. v. 26.06.1980 – 8a RU 62/79 juris Rn. 19; Urt. v. 11.08.1983 – 5a RKnU 5/82 – juris Rn. 11; Urt. v. 23.06.1982 – 9b/8 RU 6/81 – juris Rn. 14; Urt. v. 30.01.1991 – 9a/9 RV 29/89 – juris Rn. 15; vgl. auch Lilge, a.a.O., § 44 SGB I Rn. 45; Rolfs, a.a.O., Rn. 23; Timme, in LPK-SGB I, 3. Aufl. 2014, § 44 Rn. 12 mwN; Giese/Krahmer, Sozialgesetzbuch, § 44 SGB I Rn. 7; Hänlein, a.a.O., Rn. 9; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 44 SGB I Rn. 6).
Von einem vollständigen Leistungsantrag im Sinne des § 44 Abs. 2 1. Halbsatz SGB I ist entgegen der Auffassung des Klägers allerdings – auch vor dem Hintergrund der etwaigen Entbehrlichkeit eines Antrags (dazu unter aa) bzw. ab 1998 erfolgter Antragstellungen (dazu unter bb) erst am 01.07.2009 (Wirksamwerden der für den Kläger relevanten Änderung der BKV) auszugehen (dazu unter cc).
aa) Ein Leistungsantrag ist grundsätzlich vollständig im Sinne der Verzinsungsvorschrift des § 44 SGB I, wenn der Antragsteller den Sachverhalt umfassend dargelegt hat, seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist und der Leistungsträger dadurch in die Lage versetzt wird, die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 20 SGB X, § 19 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IV) bedeutet Vollständigkeit für den Antragsteller selbst lediglich, die Amtsermittlung des Leistungsträgers in dem ihm im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten zumutbaren Umfang vorzubereiten und zu ermöglichen (Bigge, a.a.O., Rn. 15 mwN; vgl. auch BSG Urt. v. 24.01.1992 – 2 RU 17/91 – juris Rn. 15; vgl. auch Rolfs, a.a.O., Rn. 25; Mrozynski, SGB I, 5. Aufl. 2014, § 44 Rn. 12, 14; Timme, a.a.O., Rn. 11; Giese/Krahmer, a.a.O.; Hänlein, a.a.O., Rn. 10, Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., Rn. 8; Wagner, a.a.O., Rn. 27).
Handelt es sich – wie hier – um ein Verfahren zur Feststellung der Verletztenrente, das ausschließlich von Amts wegen geführt wird und keines Antrags bedarf (§ 19 S. 2 SGB IV), kann die Sechsmonatsfrist des § 44 Abs. 2 1. Halbsatz SGB I nach der Rechtsprechung des BSG ggf. sogar schon dann zu laufen beginnen, wenn der Berechtigte durch eine Mitteilung der Behörde Kenntnis von einem zu einer BK eingeleiteten Verwaltungsverfahren erhält. So mache diese Benachrichtigung – jedenfalls bezüglich der Verzinsung – einen ausdrücklichen Leistungsantrag entbehrlich, weil anderenfalls nur eine formale Willenserklärung verlangt würde, die zwar auf die Leistungsgewährung gerichtet, dafür aber in der Unfallversicherung nicht rechtserheblich sei. Vermittele der Versicherungsträger dem Berechtigen zuverlässige Kenntnis davon, dass er eine umfassende Prüfung darüber durchführe, ob Rente zu gewähren ist, so bestehe für den Versicherten kein Anlass, noch ausdrücklich auszuführen, er beantrage die ihm zustehenden – von Amts wegen festzustellenden – Leistungen (vgl. BSG Urt. v. 11.08.1983 – 5a RKnU 5/82 – juris Rn. 13; ebenso Dalichau, a.a.O., Anm. II.4; Mrozynski, a.a.O., Rn. 14a; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O.).
bb) Darüber hinaus kann ein Leistungsantrag in bestimmten Erklärungen des Versicherten, wie ggf. einer von seinem Arbeitgeber und ihm selbst unterzeichneten Unfallanzeige, jedenfalls aber in der Anmahnung der Leistungen beim Unfallversicherungsträger liegen (vgl. BSG Urt. v. 23.06.1982 – 9b/8 RU 6/81 – juris Rn. 13; vgl. auch Wagner, a.a.O., Rn. 33: Jegliche Kontaktaufnahme genügt, aus der für beide Seiten hinreichend deutlich wird, dass nunmehr ein Verwaltungsverfahren zur Ermittlung etwaiger Leistungsansprüche einzuleiten ist). Entsprechend dürften z.B. der Widerspruch des Klägers gegen den ablehnenden Bescheid vom 26.04.1999 oder die hiergegen erhobene Klage zum SG (S 7 KN 165/00 U) grundsätzlich als Leistungsanträge betrachtet werden können.
cc) Weder eine Entbehrlichkeit des Antrags noch die als Anträge auszulegenden Erklärungen des Klägers vermögen jedoch als "vollständiger Leistungsantrag" iSv § 44 Abs. 2 SGB I anzusehen sein und die dort genannte Sechsmonatsfrist (bereits) in Gang zu setzen. Vielmehr ist die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck einschränkend dahingehend auszulegen, dass der Fristlauf dann, wenn der Anspruch auf eine beantragte Leistung erst durch eine (spätere) Rechtsänderung begründet wird, erst mit der Wirksamkeit dieser Rechtsänderung – hier mit dem Inkrafttreten der BKV am 01.07.2009 – beginnt.
Die Bestimmung des § 44 SGB I soll nach der Zielsetzung des Gesetzgebers Nachteile ausgleichen, die dadurch entstehen, dass soziale Geldleistungen, auf die beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht und die in der Regel die Lebensgrundlage des Leistungsberechtigten bilden, verspätet gezahlt werden, zumal Betroffene dann häufig darauf angewiesen sind, Kredite aufzunehmen, Ersparnisse aufzulösen und die bisherige Lebensführung einzuschränken. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und zur Vermeidung von Regressansprüchen ist die Verzinsung nicht von einem Verschulden des Leistungsträgers abhängig, sondern nur vom Ablauf einer Erfahrungs- und Durchschnittsfrist für die Sachbearbeitung, die mit dem Eingang des vollständigen Antrags beginnt. Dabei wurde bewusst in Kauf genommen, dass sich der Fristablauf in einzelnen Fällen selbst bei möglichst schneller Bearbeitung nicht vermeiden lässt (vgl. BT-Drucks 7/868 S. 30 zu § 44; BSG Urt. v. 28.05.1997 – 8 RKn 2/96 – juris Rn. 18).
Die Gesetzesmaterialien machen zweierlei deutlich: Zum einen soll der Berechtigte ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden des Leistungsträgers mit dem Einreichen des vollständigen Leistungsantrags eine Bearbeitungs- und Handlungsfrist in Gang setzen (vgl. BSG Urt. v. 28.02.1990 – 2 RU 41/89 – juris Rn. 22) und damit den Zinsbeginn bestimmen können (vgl. BSG Urt. v. 30.01.1991 – 9a/9 RV 29/89 – juris Rn. 15). Zum anderen wird dem Leistungsträger mit dem Sechsmonatszeitraum eine ausreichende, aber auch notwendige Bearbeitungszeit zur Feststellung der Anspruchsberechtigung und Leistungshöhe eingeräumt, um ihn vor ungerechtfertigten Zinsforderungen zu schützen (vgl. BSG Urt. v. 28.05.1997 – 8 RKn 2/96 – juris Rn. 19 mwN; Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 44 Rn. 22; Wagner, a.a.O., Rn. 23 mwN). Hierbei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass ohne Verletzung der dem Leistungsberechtigten obliegenden Mitwirkungspflichten (vgl. BT-Drucks aaO) in der Regel innerhalb eines Zeitraums von sechs Kalendermonaten über den Leistungsantrag entschieden und die Geldleistung ausgezahlt werden kann (vgl. BSG Urt. v. 01.03.1984 – 4 RJ 55/83 – juris Rn. 12).
Aus diesem Sinn und Zweck heraus kann ein Leistungsantrag i. S. des § 44 Abs. 2 1. Alt. SGB I nur ab dem Zeitpunkt als "vollständig" angesehen werden, ab dem der zuständige Leistungsträger in der Lage ist, die gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen festzustellen und die begehrte Leistung zu bewilligen (vgl. BSG Urt. v. 01.03.1984 – 4 RJ 55/83 – juris Rn. 12). Bei Leistungsansprüchen, die erst nach der Antragstellung durch eine Rechtsänderung entstehen, bestimmt der Zeitpunkt der Rechtsänderung den Beginn der Verzinsungspflicht (Lilge, a.a.O., § 44 SGB I Rn. 40; Bigge, a.a.O., Rn. 17; vgl. auch Mrozynski, a.a.O., Rn. 16; BSG Urt. v. 13.10.1983 – 11 RA 49/82 – juris Rn. 15; Urt. v. 27.08.1998 – B 9 V 26/97 R – juris Rn. 15; Urt. v. 30.01.1991 – 9a/9 RV 29/89 – juris Rn. 15). Denn auch in dem Fall, in dem ein zunächst unbegründeter Anspruch erst durch eine spätere Rechtsänderung begründet wird, muss der Versicherungsträger ab der Rechtsänderung die nötige Zeit zur Feststellung der nunmehrigen Anspruchsberechtigung und der Leistungshöhe haben. Für diesen (vom Gesetzgeber nicht bedachten) Fall darf daher entsprechend dem Grundgedanken des § 44 Abs. 2 SGB I die Verzinsungspflicht ebenfalls (erst) nach Ablauf eines halben Jahres nach der Rechtsänderung einsetzen, wenn zu dieser Zeit schon ein (im Übrigen) vollständiger Leistungsantrag vorlag (vgl. BSG Urt. v. 13.10.1983 – 11 RA 49/82 – juris Rn. 15).
Ein dieser Auslegung entgegenstehender Wille des Gesetzgebers bzw. der Verordnungsgeberin konkret zur Behandlung von Zinsansprüchen bei Anerkennung der BK 4111 gem. § 6 Abs. 3 S. 2 BKV ergibt sich auch nicht aus dem dieser Vorschrift zugrunde liegenden gesetzgeberischen Verfahren. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass neben der Bestimmung des Berechnungszeitraums in § 6 Abs. 6 BKV für materielle Ansprüche zusätzliche Zinsansprüche vor Anspruchsentstehung begründet werden sollten (BR-Drs 776/08 vom 22.10.2008, BR-Plenarprotokoll 850, S. 373A – 373C und 242/09, S. 12 zu Nr. 2d vom 18.03.2009). Vielmehr wird gerade auf eine Begrenzung der finanziellen Belastung der Unfallversicherungsträger durch die Vierjahresregelung hingewiesen (BR-Drs 776/08 vom 22.10.2008, BR-Plenarprotokoll 850, S. 373A – 373C).
Soweit der Kläger geltend macht, dass die Zinsleistungen akzessorisch zur Hauptforderung seien, trifft dies zu (vgl. z.B. BSG Urt. v. 28.02.1990 – 2 RU 41/89 – juris Rn. 21), führt jedoch nicht zu einem anderen Ergebnis, weil die Beklagte die Hauptforderung vor Beginn der Verzinsungspflicht beglichen hat.
Lediglich ergänzend weist der Senat zum weiteren Vortrag des Klägers, ein vollständiger Antrag habe bereits im Jahr 1998 vorgelegen, darauf hin, dass der geltend gemachte Zinsanspruch selbst bei Zugrundelegung dieser Auffassung nicht wie beansprucht ab 1999, sondern lediglich für September 2009 zur Anerkennung käme. In diesem Fall würde der Beginn der Verzinsungspflicht nicht gem. § 44 Abs. 2 SGB I hinausgeschoben, sondern verbliebe es bei der Verzinsungspflicht nach § 44 Abs. 1 SGB I ab 01.09.2009 (vgl. dazu oben 3). Die Verzinsungspflicht bezöge sich dann auch nicht auf den gesamten (Nach-)Zahlbetrag, sondern auf einen Betrag ohne Berücksichtigung der Nachzahlung für die Monate August und September. Für diese ist die Verzinsungspflicht gem. § 44 Abs. 1 SGB I erst im Oktober bzw. November eingetreten (vgl. dazu ebenfalls oben 3).
b) Liegt ein vollständiger Leistungsantrag ab 01.07.2009 vor, bleibt für die Alternative des § 44 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I bereits kein Raum (vgl. Mrozynski, a.a.O., Rn. 16). Dahinstehen bleiben kann insoweit auch, ob schon die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn Leistungen – wie hier in der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. § 19 S. 2 SGB IV) – von Amts wegen zu erbringen sind (so Seewald in Kasseler Kommentar, § 44 SGB I Rn. 21; Wagner, a.a.O., Rn. 34; vgl. auch Hänlein, a.a.O., Rn. 13; differenziert Lilge, a.a.O, Rn. 45; Timme, a.a.O., Rn. 12 mwN; vgl. auch Rolfs, a.a.O., Rn. 32 ff.).
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich auch bei Anwendung des § 44 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I kein für den Kläger günstigeres Ergebnis ergäbe. Da ihm der leistungsbewilligende Bescheid vom 29.09.2009 frühestens Ende September 2009 bekanntgeben worden ist, würde eine auf diese Vorschrift gestützte Verzinsungspflicht frühestens am 01.11.2009 und somit (ebenfalls) nach Erfüllung der Leistungspflicht durch die Beklagte beginnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) als gegeben angesehen.
Erstellt am: 08.01.2015
Zuletzt verändert am: 08.01.2015