Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. April 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin seit 1996 Anspruch auf physiotherapeutische Intensiv-Behandlungen, sog. "erweiterte ambulante Physiotherapie (EAP)" bzw. "ambulante orthopädisch/traumatologische Rehabilitation (AOTR)" hat.
Die im April 1950 geborene Klägerin leidet im Wesentlichen an den Folgen einer als Kind erlittenen Poliomyelitis ("Kinderlähmung") und an einer Polyarthritis. Besonders bedeutsam sind eine Gangstörung, Wirbelsäulenbeschwerden und Schmerzen der Hand-, Hüft- und Kniegelenke. Sie ist schwerbehindert (1999: Grad der Behinderung 90; Nachteilsausgleiche: "erhebliche" und "außergewöhnliche Gehbehinderung", "Begleitung im Personenverkehr") und bezieht seit 1988 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit/voller Erwerbsminderung. Sie ist u.a. mit einem Aktiv-Rollstuhl versorgt. Seit Jahren erhält sie krankengymnastische Leistungen, seit 1996 auch auf neurologischer Grundlage.
1996 hörte die Klägerin von der Möglichkeit neuartiger, intensiver Behandlung orthopädischer Leiden. Derartige Behandlungsmaßnahmen wurden zunächst von den Unfallversicherungsträgern unter der Bezeichnung "EAP" entwickelt und beinhalten über die übliche ambulante Krankengymnastik/Physikalische Therapie (z.B. Massagen und Wärme- oder Kältebehandlung) qualitativ und quantitativ hinausgehende, verstärkte physikalisch-therapeutische Maßnahmen zur Funktionswiederherstellung (nach Unfallverletzungen mit Störungen ganzer Funktionsketten oder nach Berufskrankheiten). Dabei werden verschiedene Behandlungsarten – ähnlich wie in einem Heilverfahren – miteinander verknüpft, aufeinander abgestimmt und im Rahmen einer "Komplexbehandlung" in hoher Behandlungsdichte gewährt. Dies geschah/geschieht in besonders zugelassenen, ärztlich überwachten/geleiteten Rehabilitationseinrichtungen.
Seit etwa 1993 schlossen auch die Ortskrankenkassen als "Primärkassen" entsprechende Verträge über die Gewährung von EAP mit Leistungserbringern und boten die Leistungen im Rahmen des damals geltenden § 27 Abs. 1 Nr. 6, § 40 Abs. 1 und § 43 Nr. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) ihren Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen als Ermessensleistung an. Als Indikationen nannten die Kassen:
1. Wirbelsäulensyndrome mit erheblicher Symptomatik bei
– frischem Bandscheibenvorfall und/oder Bandscheiben-Vorwölbungen mit nervenwurzelbedingter, muskulärer und statischer Symptomatik,
– Spondylolysen (Spaltbildungen am Wirbelkörper) und Spondylolisthesen (Wirbelgleiten) mit der bereits genannten Begleitsymptomatik,
– lockerer, korrigierbaren thorakalen Scheuermann-Kyphose erheblichen Ausmaßes,
2. Operationen am Skelettsystem,
– posttraumatisch Osteosynthesen (Knochennagelung nach Unfall),
– Osteotomien (Knochenmeißelung) großer Röhrenknochen,
3. Prothetischer Gelenkersatz,
4. Operativ und konservativ behandelte Gelenkerkrankungen (einschließlich Instabilitäten),
– Kniebandrisse,
– Kniebinnentraumen mit Kapselbandverletzung,
– Schultergelenksverletzungen (sog. Bankard-Läsion, Rotatorenmanschetten-Riss, Schultersteife, Impingement-Syndrom, Schulterinstabilität; nicht allerdings die einmalige Schultergelenksverrenkung; Gelenkverkalkung und Periarthritis-humero-scapularis),
– Sprunggelenksverrenkungen mit Kapselbandverletzung,
– Amputationen großer Gliedmaßenabschnitte.
Behandlungen von anderen Erkrankungen konnten im Einzelfall nach vorheriger Abstimmung mit der Krankenkasse und nach Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung durchgeführt werden (so etwa der Hessische Primärkassen-Vertrag 1994/95; ähnlich die von den rheinischen Ortskrankenkassen geschlossenen Verträge:
1. Verletzungen der Knochen, Sehnen und Bänder des Kniegelenkes, sofern sie mit einem Bruch oder Riss einhergehen, Bänderverletzungen, Meniskuseingriffe, Gelenktoilette, postoperative/-traumatische Spätfolgen, Chondropathie der Kniescheibe,
2. Sprunggelenksverletzungen bei ausgeprägten Funktionseinschränkungen,
3. Schultergelenksverletzungen mit ausgeprägten Funktionseinschränkungen,
4. Erkrankungen der Wirbelsäule bei ausgeprägten Funktionseinschränkungen,
5. Versorgung nach Endoprothesen, nach komplizierten Brüchen der Arme und Beine, nach Mehrfachtraumen. Weitere spezifische Krankheitsbilder bedurften im Bereich der Primärkassen der individuellen Genehmigung des Kostenträgers).
Für den Bereich der Angestellten-Ersatzkassen, also auch der Beklagten, wurden vergleichbare Maßnahmen unter der Bezeichnung "AOTR" angeboten (so auch der mit der medico-Reha-Welsink-Stroda-GbR, jetzt GmbH, – einer von der Klägerin herangezogenen Einrichtung – geschlossene Vertrag vom 02.05.1994). Grundlage waren dabei ebenfalls die Ermessensregelungen der § 40 Abs. 1 und § 43 Nr. 2 SGB V. Als Indikationen für die AOTR waren vereinbart:
1. Wirbelsäulensyndrome mit erheblicher Symptomatik bei frischem Bandscheibenvorfall, Spondylosen und Spondylolisthesen, instabilen Wirbelsäulenverletzungen, bei lockerer korrigierbarer Scheuermann-Kyphose,
2. Zustände nach Operationen am Skelettsystem,
3. Prothetischer Gelenkersatz,
4. Gelenkerkrankungen (einschließlich Instabilitäten) wie Kniebandrisse, Schultergelenksverletzungen,
5. Zustände nach Amputationen.
Eine Möglichkeit für Ausnahmeindikationen war nicht vorgesehen.
Nach den Zielvorstellungen zur AOTR (zum 18.11.1993 erarbeitet unter Beteiligung verschiedener Ärzte des MDK und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen – MDS -) sollte die komplexe ambulante Rehabilitation so früh wie möglich einsetzen; sie sollte vollstationäre Krankenhausbehandlung und stationäre Rehabilitationsmaßnahmen verkürzen bzw. ersetzen. Eine intensive Krankengymnastik, Physiotherapie unter Einbeziehung der medizinischen Trainingstherapie (MTT) waren wesentliche Bestandteile der AOTR. Als Methoden waren genannt: Krankengymnastik im Bewegungsbad, Komplexgymnastik zur Kräftigung von Rumpf- und Extremitätenmuskulatur, Haltungs- und Rückenschule, Gangschule am Gehbarren, auf der Weichbodenmatte, auf dem Laufband, Laufschule, Bewegungsschulung, Eigenbeobachtung und-kontrolle am Spiegel, mentales Training. Die Behandlung sollte 20-30 Reha-Einheiten von täglich 2-5 Stunden innerhalb von 6-8 Wochen erfassen.
Erklärtes Ziel der Ersatzkassen war eine massive Kostenreduzierung im Vergleich zur stationären Behandlung; bei den behandelnden Vertragsärzte wurde für das Konzept mit Budgetfreiheit geworben; für die Versicherten ergaben sich Ersparnisse, weil die bei physikalischer Therapie übliche Zuzahlung entfiel (so: Berliner Ärzteblatt1996, S. 235 ff.) Mit dem Gesetz zur Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-GRG vom 22.12.1999 – BGBl. I, S. 2626 ff. -) hat der Gesetzgeber die Grundlagen für die ambulante, wohnortnahe Rehabilitation neu gefasst und in § 40 SGB V für die Zeit ab 01.01.2000 festgelegt. Die dazu ergangenen Rahmenempfehlungen der Spitzenverbände der Krankenversicherung vom 20.10.2000 sowie die zum 01.07.2001 in Kraft getretenen neuen Heilmittelrichtlinien (vgl. BAnz Nr. 118 a vom 29.06.2001) sehen nicht mehr den Einsatz von speziellen EAP- und AOTR-Zentren vor, sondern stellen auf die "ambulante Reha-Einrichtung" ab, die ärztlich geleitet sein muss, über ein Rehabilitationsteam verfügt und die die erforderlichen Rehabilitationsleistungen ähnlich wie eine stationäre Einrichtung erbringt. Verträge zur EAP und zur AOTR wurden dementsprechend gekündigt. Ambulante Reha-Zentren im Rheinland wurden zunächst in Aachen, Düsseldorf, Engelskirchen, Essen, Krefeld, Neuss (medico-reha Welsink & Stroda GmbH) sowie in Solingen eingerichtet (so: BBK-Intern, Zentrales Rundschreiben des BKK-Bundesverbandes). Statt der in EAP und AOTR zusammengefassten Maßnahmen sehen die Heilmittelrichtlinien in Nr. 17.8 sog. "standardisierte Kombinationen von Maßnahmen der Physikalischen Therapie" vor.
In einem Pflegegutachten vom 21.03.1995 hielt die MDK-Ärztin Dr. D stationäre Rehabilitationsmaßnahmen für die Klägerin für erforderlich, um einer drohenden Pflegebedürftigkeit vorzubeugen. Am 25.09.1996 verordnete der behandelnde Orthopäde Dr. U "10 x ambulante traumatologische orthopädische Rehabilitation" wegen der bei der Klägerin bestehenden Polyarthritis. Die Klägerin beabsichtigte, diese Leistungen bei der medico-reha GmbH in Anspruch zu nehmen. Deren Kooperationsarzt Dr. M empfahl 20 Therapieeinheiten. Die Klägerin ihrerseits wies darauf hin, dass sie die intensiven Behandlungsmaßnahmen wohl auf Dauer erhalten müsse. Auch die behandelnden Internisten Drs. I hielten eine erweiterte Physiotherapie für indiziert.
Der MDK-Arzt Dr. T meinte in einer gutachtlichen Stellungnahme, dass in den Rahmenvereinbarungen zur EAP/AOTR die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen nicht enthalten seien. Nach Aktenlage könne er eine Empfehlung zur Durchführung der Maßnahmen weder aussprechen noch ausschließen. Der Neurologe Dr. X äußerte schließlich am 01.10.1996, er habe der Klägerin wegen ihres Post-Poliosyndroms regelmäßige Krankengymnastik empfohlen.
Daraufhin wies die Beklagte den Rehabilitationsantrag der Klägerin durch formloses Schreiben vom 27.12.1996 zurück.
Auf Beschwerde der Klägerin holte die Beklagte ein weiteres Gutachten von Dr. T ein. Dieser äußerte am 24.03.1997, bei der Klägerin liege im Wesentlichen ein neurologisches Krankheitsbild (Post-Polio-Syndrom) vor. Es fänden sich auch psychische Auffälligkeiten. Maßnahmen zur EAP(/AOTR) bezögen sich demgegenüber nur auf orthopädisch-traumatologische Krankheitsbilder. Er empfehle, den Reha-Bedarf der Klägerin durch weitere Untersuchungen bestimmen zu lassen. Angebotene Untersuchungstermine beim MDK vom 04.04. und 23.04.1997 nahm die Klägerin nicht wahr. Daran anschließend lehnte die Beklagte den Antrag nochmals, diesmal mit förmlichem Bescheid vom 29.06.1997, ab und führte aus, eine AOTR sei medizinisch nicht indiziert und auch nicht geeignet, ihre Beschwerden zu lindern. Regelmäßige Krankengymnastik sei ausreichend.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und bestand auf einem aus § 43 Nr. 2 SGB V herzuleitenden Reha-Anspruch auf EAP. Eine Behandlung in einer neurologischen Tagesklinik sei für sie ungeeignet. Sie werde sich keinesfalls durch Ärzte des MDK untersuchen lassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.1997 wies die Beklagte sodann den Widerspruch der Klägerin zurück und wiederholte ihre bisherige Argumentation.
Darauf hat die Klägerin am 13.01.1998 bei dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben. Für die von ihr begehrte erweitere Physiotherapie bedürfe es keiner Prüfung durch den MDK, dessen Fachkompetenz sie im übrigen bezweifelte.
Während des Klageverfahrens hat die Klägerin bei der Beklagten eine weitere Verordnung, nunmehr des Arztes Dr. N vom 21.04.1999, zur Gewährung von physiotherapeutischen Maßnahmen der EAP/AOTR (30 Behandlungseinheiten) wegen Poliomyelitis, Allergie und Bronchitis vorgelegt. Diese Behandlung sollte beim Sport- und Reha-Zentrum Mönchengladbach durchgeführt werden und Massagen, Elektrotherapie, Kältetherapie, isometrische Kraftübungen, auxotonisches Gerätetraining und ein spezifisches Aufbautraining umfassen. Dazu nahm die MDK-Ärztin Dr. T1 am 17.06.1999 Stellung und sah keine Indikation für EAP, zumal die Verordnung durch einen Internisten erfolgt sei. Mit Bescheid vom 06.05.1999 und Widerspruchsbescheid vom 18.11.1999 wies die Beklagte auch diesen Antrag zurück, weil eine spezifische Indikation für die gewünschten Maßnahmen nicht vorliegen und bezog sich dabei auf das anhängige Klageverfahren.
Auch gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 18.11.1999 Klage erhoben. Das SG hat beide Klageverfahren verbunden.
Die Klägerin hat vor dem SG sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.1997 sowie den Bescheid vom 06.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.1999 aufzuheben und ihr Maßnahmen der erweiterten ambulanten Physiotherapie als Rehabilitationsleistung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen,
und vorgetragen, die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung sei nicht zur Behandlung durch EAP geeignet. Unter Bezugnahme auf ein weiteres Gutachten des MDK-Arztes Dr. T vom 01.12.1999 hat sie vorgebracht, die Therapieziele "Verbesserung der sensiblen Qualitäten zur Schmerzreduktion und zur Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, zur Steigerung der koordinierten Fähigkeiten und zum Training der Muskelkraft" seien typische Ziele der krankengymnastischen Einzeltherapie.
Das SG hat Beweis erhoben und Berichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Dr. M hat geäußert, es seien ambulante Maßnahmen wie Krankengymnastik nicht mehr erforderlich; wohl sei aber eine Rehabilitationsmaßnahme nötig, um muskuläre Dysbalancen auszugleichen und um eine Verschlimmerung/Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Orthopädische oder neurologische Reha-Maßnahmen seien beide ähnlich geeignet; bei einem Post-Polio-Syndrom sei die Behandlung abhängig vom jeweiligen Erkrankungszustand.
Dr. X hat gemeint, Krankengymnastik reiche aus; es werde aber auch die erweiterte ambulante Physiotherapie oder eine neurologische Behandlung in einer Tagesklinik vorgeschlagen.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 16.04.2002 abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin richte sich auf die zukünftige Gewährung von EAP-/AOTR-Maßnahmen; Grundlage sei § 43 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung bzw. § 43 Nr. 1 SGB V in der Neufassung, die ab 01.07.2001 gelte. Nach allen Gesetzesfassungen ergebe sich kein Anspruch, weil die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen nicht von dem Indikationskatalog erfasst würden, der dem Konzept zur Gewährung von EAP/AOTR zugrunde liege. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des SG verwiesen.
Das ihr am 25.05.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.06.2002 mit der Berufung angefochten. Sie vertritt im Wesentlichen weiterhin die Auffassung, ihr seien Maßnahmen der EAP zu gewähren. Eine AOTR habe sie nicht beantragt. Sie halte es für bedenklich, die ärztliche Verordnung anzuzweifeln. Deshalb sei sie – trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises – auch nicht bereit, sich nochmals begutachten zu lassen.
Die Klägerin ist trotz ordnungsgemäßer Terminsbenachrichtigung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und hat sich auch nicht vertreten lassen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 16.04.2002 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 26.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.1997 sowie den Bescheid vom 06.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.1999 aufzuheben und ihr Maßnahmen der erweiterten ambulanten Physiotherapie oder vergleichbare Maßnahmen als Rehabilitationsleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Der Senat hat ergänzende Auskünfte eingeholt: Der MDS hat geäußert, die EAP sei zur AOTR unter stärkerer Einbeziehung eines leitenden Reha-Arztes weiterentwickelt worden. Diese Maßnahmen seien erforderlich, wenn auf Akutereignisse wie Unfallfolgen kurzfristig intensiv reagiert werden müssen. Bei der Klägerin hingegen seien langfristig wirkende Maßnahmen nötig wie ständig begleitende Krankengymnastik. In den neuen Heilmittel-Richtlinien seien Elemente der Medizinischen Trainingstherapie, die EAP und AOTR in Teilen ähnlich sei, aufgenommen worden und als Heilmittel verordnungsfähig.
Die Fa. medico-reha GmbH hat betont, dass es bei der Verordnungsfähigkeit von EAP- und AOTR-Leistungen in der jüngsten Vergangenheit gravierende Veränderungen gegeben habe. Nunmehr würden Leistungen entweder als ambulante muskuloskelettale oder neurologische Rehabilitation oder auch als Heilmittel gewährt. Beide Versorgungsformen würden sowohl bei akuten als auch bei chronischen Erkrankungen eingesetzt. Die Stellungnahmen der Deutschen Sporthochschule konnten nicht vorgelegt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der von den Beteiligten zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze. Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat über das von der Klägerin betriebene Rechtsmittel entscheiden können, obwohl die Klägerin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und sich auch nicht hat vertreten lassen, entsprechend § 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Denn die Klägerin ist mit der am 18.02.2004 zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Entgegen dem Antrag der Klägerin war der Verhandlungstermin auch nicht aufzuheben und zu verlegen. Die Klägerin hatte ausreichend Gelegenheit zur Akteneinsicht. Auch wenn kurz vor dem Verhandlungstermin die Akten nicht noch dem örtlich nahe gelegenen Amtsgericht (zur Erleichterung für die schwer behinderte Klägerin) übersandt werden konnten, weil die rechtzeitige Rückgabe nicht sichergestellt war, so hatte die Klägerin doch jederzeit Möglichkeit, nach entsprechender Anmeldung die Akten bei der Geschäftsstelle des erkennenden Senats einzusehen. Entgegen den Bedenken der Klägerin ist die Klägerin auch nicht durch bauliche Mängel (kein behindertengerechter Zugang) gehindert, Akteneinsicht bei Gericht zu nehmen. Die Einrichtungen des LSG sind behindertengerecht zu erreichen.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 26.06.1997 und vom 06.05.1999 sowie die entsprechenden Widerspruchsbescheide zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Verfahrens ist, wie das SG zutreffend herausgearbeitet hat, die zukünftige Gewährung von intensiven Trainingsmaßnahmen im Rahmen einer Rehabilitation als Sachleistung. Dabei erscheint es nicht weiterführend, wenn sich die Beteiligten auf bestimmte Begrifflichkeiten wie "EAP" oder "AOTR" oder "MTT" festgelegt haben. Bei wohlverstandener Auslegung des Begehrens der Klägerin geht es ihr (und zum Teil auch ihren behandelnden Ärzten) darum, den Gesundheitszustand durch eine Intensivbehandlung im Rahmen einer Rehabilitation zu fördern. In diesem Sinne sind auch die Verordnungen von Dr. U aus dem Jahre 1996 und von Dr. N aus dem Jahre 1999 zu verstehen. Dieses Ziel hat weiterhin Gültigkeit.
Indes ist zu beachten, dass sich die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Gewährung von Intensivbehandlungen seit dem Beginn der Rechtsstreites geändert haben. Bis Ende 1999 konnten derartige Behandlungen nicht als Pflichtleistungen im Rahmen der Heilmittelversorgung gewährt werden (§ 32 SGB V), sondern nur als ergänzende Ermessensleistungen zu Rehabilitation nach § 43 SGB V. Seit dem Inkrafttreten des GKV-GRG vom 22.12.1999 zum 01.01.2000 besteht die Möglichkeit, den Anspruch auf wohnortnahe, kostengünstige Rehabilitation unmittelbar aus § 40 Abs.1 SGB V herzuleiten. Dabei handelt es sich – wie bisher auch in § 43 SGB V geregelt – weiterhin um eine Ermessensleistung. Da es der Klägerin darum geht, in Zukunft Trainingsleistungen zu erhalten, kommt es auf die Voraussetzungen des § 43 SGB V, zu denen noch das SG entschieden hat, nicht mehr an. Auch die Verträge über EAP und AOTR, aus denen die Klägerin (im Rahmen einer Ermessensprüfung) gegebenenfalls Rechte früher hätte herleiten können, sind gekündigt worden und damit überholt, wie dies auch der erste von der Klägerin beteiligte Reha-Leistungserbringer, die Fa. medico-reha GmbH, schlüssig zum Ausdruck gebracht hat.
§ 40 Abs. 1 SGB V in der ab 01.01.2000 und auch heute noch geltenden Fassung lautet:
"Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 1 Abs. 2 (SGB V) beschriebenen Ziele (i.e. Anspruch auf Leistungen u.a. zur medizinischen Rehabilitation, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern) zu erreichen, dann kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Reha-Einrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag besteht, oder soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, in wohnortnahen Einrichtungen erbringen."
Erste Voraussetzung für die Gewährung von Reha-Leistungen ist dementsprechend, dass ambulante Krankenbehandlung im Sinne von §§ 27 SGB V nicht ausreichend ist. Dabei ist zu beachten, dass die Heilmittelrichtlinien in der seit dem 01.07.2001 geltenden Fassung als Mittel der Krankenbehandlung auch schon komplexe Trainingsmaßnahmen unter Nr. 17.8 erfassen, und zwar ohne die Indikationsbeschränkungen, wie sie noch in den Verträgen zur EAP und AOTR enthalten waren. Damit ist es spätestens seit Mitte 2001 den behandelnden Ärzten möglich, durch entsprechende Verordnungen sinnvolle Intensiv-Trainingsmaßnahmen auch für chronisch Kranke, die nicht traumatisch geschädigt sind, als Maßnahmen der Krankenbehandlung einzuleiten. Ein derartiges Verfahren haben die Beteiligten nicht durchlaufen. Es könnte unterbleiben, wenn die Beweiserhebung ergibt, dass die genannten Maßnahmen der Krankenbehandlung nicht ausreichend sind, es vielmehr allein darüber hinausgehender, weiter verstärkter Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs. 1 SGB V bedarf. Dies durch Einholung weiterer Gutachten zu ermitteln, hat der Senat versucht. Dabei ist es geblieben, da sich die Klägerin trotz Hinweisen des Senates beharrlich weigert, sich einer Untersuchung und Begutachtung ihres aktuellen Gesundheitszustandes zu unterziehen.
Die Beweiserhebung kann auch nicht deshalb unterbleiben, weil die behandelnden Ärzte die Gewährung von intensiven medizinisch gelenkten Trainingsmaßnahmen 1996 und 1999 verordnet haben. Denn zum einen bindet die Verordnung von Reha-Leistungen durch den Vertragsarzt die Kasse nicht; sie ist (jedenfalls gegenüber der Versicherten) umfassend zur Prüfung berechtigt (Bundessozialgericht – BSG – in: Sozialrecht – SozR – 3-2400 § 132 a Nr 3; differenzierend Landessozialgericht – LSG – Brandenburg in Sozialrecht und Praxis – SuP – 2002, S. 803 ff.). Zum anderen haben sich die rechtlichen Verhältnisse geändert, so dass dazu Beweis zu erheben ist. Schließlich kann vermutet werden, dass sich auch die jetzt maßgeblichen gesundheitlichen Verhältnisse, gegebenenfalls etwa auch die aktuelle Belastungsfähigkeit der Klägerin, geändert haben dürften. Eine Begutachtung nach Aktenlage, allein auf der Grundlage der vom Sozialgericht eingeholten Berichte der behandelnden Ärzte, scheidet ebenfalls aus; denn schon die Angaben dieser Ärzte erscheinen widersprüchlich. So haben sie zum einen gesagt, Krankenbehandlung sei nicht erforderlich, andererseits aber betont, Rehabilitation sei sinnvoll. Darüber hinaus kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass sich die behandelnden Ärzte den Behandlungswünschen und -vorstellungen der Klägerin nicht haben entziehen können oder wollen. Unter diesen Umständen hält der Senat die Einholung eines Gutachtens von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen für erforderlich, wenn man davon ausgeht, dass dem Begehren der Klägerin nicht schon durch den faktischen Wegfall der EAP-Leistungserbringung der Boden entzogen ist.
Da sich demgemäß nicht nachweisen lässt, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB V in der ab 01.01.2000 vorliegenden Fassung erfüllt sind, kann die Klägerin mit ihrem Rehabilitations-Begehren keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Anlass, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, bestand nicht.
Erstellt am: 21.07.2005
Zuletzt verändert am: 21.07.2005