Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.10.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten des Einsatzes eines Rettungstransportwagens.
Die 1964 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Am Morgen des 12.05.2006 klagte die Klägerin, bei der seit etwa zwei Wochen ein grippaler Infekt bestand, über Luftnot und thorakale Schmerzen beim Husten. Ihre Mutter wandte sich daraufhin an den Rettungsdienst. Bei dem Telefonat wurde der Verdacht auf einen Herzinfarkt geäußert. Der Leitstellendisponent alarmierte sowohl einen Rettungstransportwagen (RTW) als auch den Notarzt. Dieser fand bei der körperlichen Untersuchung unauffällige Vitalparameter und ein abgeschwächtes Atemgeräusch über dem rechten Lungenflügel. Eine Pneunomie konnte nicht ausgeschlossen werden, ein bei thorakalen Schmerzen und Luftnot differenzialdiagnostisch in Erwägung zu ziehendes akutes Coronarsyndrom oder eine Lungenembolie erschienen auf Grund der Anamnese eher unwahrscheinlich. Der Notarzt verordnete wegen der Pneunomie eine Beförderung ins Krankenhaus, die von der Klägerin abgelehnt wurde, da sie wegen der Versorgung ihrer Kinder sich zu Hause behandeln lassen wollte.
Mit Bescheid vom 16.05.2006 stellte die Stadt F als Träger des Rettungsdienstes der Klägerin Rettungsdienstgebühren in Höhe von 141,42 Euro für den Einsatz des Rettungswagens in Rechnung. Die im fraglichen Zeitraum geltende Gebührensatzung für den Rettungsdienst sah in Ziffer 6 für einen bestellten, aber nicht genutzten RTW oder Krankentransportwagen (KTW) eine Gebühr in Höhe von 50 % der Grundgebühr für die Benutzung eines RTW oder einen KTW vor. Die Grundgebühr für die Benutzung eines RTW betrug einschließlich der Leitstellenabgabe 242,83 Euro. Wegen Einzelheiten der Gebührensatzung wird auf Bl. 89 – 91 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Stadt F rechnet in der Regel die Gebühren unmittelbar mit der Krankenkasse ab. Da die Beklagte aber die Kostenübernahme für sogenannte Leerfahrten verweigert, werden die Versicherten in diesen Fällen unmittelbar in Anspruch genommen. Die Klägerin hat die Rettungsgebühren am 24.05.2006 bezahlt.
Der von der Klägerin zur Erstattung eingereichte Gebührenbescheid wurde von der Beklagten am 24.05.2006 mit dem Stempelaufdruck "keine Erstattung" an die Klägerin zurückgesandt. Da diese einen schriftlichen Bescheid wünschte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.05.2006 eine Kostenerstattung ab. Es habe sich um eine sogenannte Fehlfahrt gehandelt. Fehlfahrten würden in der Regel bei der Gesamtkalkulation zur Entgeltbemessung für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rettungsdienstes mitberücksichtigt. Insofern sei bei der Stadt F eine Rücknahme des Bescheides zu beantragen. Kosten für den Einsatz des Rettungswagens ohne eine Beförderung könnten nicht übernommen werden. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Stadt F habe sie darauf hingewiesen, dass eine gebührenfähige Rettungsfahrt unabhängig von der tatsächlichen Transportleistung bereits mit dem Ausrücken des RTW zum Zwecke einer Rettungsfahrt beginne. Sie habe im Übrigen auf den Transport nur verzichtet, weil ihr der Notarzt versichert habe, dass die Lungenentzündung auch zu Hause behandelt werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Anspruch auf Fahrkosten wegen einer Rettungsfahrt setze zwingend voraus, dass ein Transport mit dem Rettungsfahrzeug durchgeführt und notwendig gewesen sei. Im vorliegenden Fall habe ein derartiger Transport jedoch nicht stattgefunden.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, die Beklagte habe zu Unrecht die Übernahme der Kosten der Rettungsfahrt abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des Sozialgerichts Aachen müsse die Kasse auch die Kosten für eine Leerfahrt übernehmen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 17.10.2006 antragsgemäß zur Erstattung von 141,42 Euro abzüglich des Eigenanteils verurteilt. Der Klägerin stehe ein Kostenerstattungsanspruch zu, denn ihr seien für eine unaufschiebbare Leistung Kosten entstanden. Angesichts der Symptomatik (Luftnot, Schmerzen in der Brust) habe ein Notfall vorgelegen, zumal auch zunächst ein Herzinfarkt vermutet worden sei. Der Sachleistungsanspruch ergebe sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Zwar sei es hier nicht zu einer Rettungsfahrt ins Krankenhaus gekommen. Diese sei jedoch nicht notwendig, denn maßgeblich sei allein, ob die Fahrt des Rettungswagens notwendig gewesen sei. Die Frage der Notwendigkeit im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V sei nach subjektiven Kriterien im Voraus zu beurteilen. Hier sei nach subjektiver Betrachtungsweise die Rettungsfahrt unstreitig erforderlich gewesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, ein Anspruch nach § 60 SGB V setze voraus, dass Fahrten der Anspruchsberechtigten tatsächlich durchgeführt worden seien. Die medizinische Notwendigkeit des Einsatzes eines Rettungswagens im vorliegenden Fall werde von ihr nicht bestritten. Dies rechtfertige jedoch nicht die Kostenübernahme der Leerfahrt durch sie. Komme eine Fahrt mit einem KTW oder RTW nicht zustande, habe die Krankenkasse dem Grunde nach keine Transportkosten zu übernehmen. Weder der Gesetzeswortlaut noch der Gesetzessinn lasse eine Kostenübernahme in den Fällen zu, in denen ein Krankentransport nicht erforderlich gewesen oder nicht zustandegekommen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.10.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und weist darauf hin, dass nach der eingeholten Auskunft des Notarztes die Entscheidung der Leitstelle, einen RTW zu entsenden, zutreffend gewesen sei. In diesem Fall habe die Krankenkasse die Kosten des Einsatzes zu übernehmen.
Der Senat hat Auskünfte des seinerzeit eingesetzten Notarztes sowie der Stadt F eingeholt; insoweit auf Bl. 79/80, 88, 93/94 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die kraft Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht zur Erstattung von 131,42 Euro (141,42 Euro abzüglich 10,00 Euro Zuzahlung gemäß § 61 Satz 1 SGB V) verurteilt.
1. Anspruchsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V. In Frage stehen hier die Kosten des Einsatzes des RTW. Rettungsfahrten sind Transporte mit einem qualifizierten Rettungsfahrzeug, die deshalb erforderlich sind, weil sich Versicherte infolge von Verletzungen oder Krankheit in unmittelbarer Lebensgefahr befinden oder ihr Gesundheitszustand in kurzer Zeit eine lebensbedrohliche Verschlechterung erwarten lässt (KassKomm – Höfler, § 60 SGB V Randnr. 18; s. auch § 5 Abs. 1 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinien) in der Fassung vom 22.01.2004, zuletzt geändert durch Beschluss vom 21.12.2004, BAnz Nr. 41 vom 01.03.2005). RTW sind für Notfallpatienten zu verordnen, wenn sie vor oder während des Transports neben den Erste-Hilfe-Maßnahmen auch zusätzlicher Maßnahmen bedürfen, die geeignet sind, die vitalen Funktionen aufrechtzuhalten oder wiederherzustellen (§ 5 Abs. 2 Krankentransport-Richtlinien). Auch Rettungsfahrten mit einem RTW begründen nicht einen originären Kostenerstattungsanspruch, sondern sind eine von den Krankenkassen zu erbringende Sachleistung (BSG SozR 3-2500 § 60 Nr. 4). Diese Sachleistung kann aus der Natur der Sache heraus nicht zunächst bei der Krankenkasse beantragt werden, solche Fahrten werden vielmehr regelmäßig unmittelbar vom Versicherten oder Dritten in seinem Interesse veranlasst. Für diese Leistung kann somit nicht – was § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V ansonsten verlangt (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 8/06 R) – gefordert werden, dass der Versicherte sich vor der Selbstbeschaffung an die Krankenkasse gewandt hat.
Der Klägerin sind auf Grund einer wirksamen Kostenverpflichtung Kosten entstanden. Sie ist von der Stadt F mit bestandskräftigem Bescheid vom 16.05.2006 in Anspruch genommen worden und hat daraufhin die geforderten Gebühren bezahlt. Da auch ein rechtswidriger Bescheid Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Forderung sein kann, ergibt sich bereits aus der Tatsache des Vorliegens eines bestandskräftigen Bescheides die Kostenbelastung der Klägerin. Unabhängig davon ist der Gebührenbescheid auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Nach dem Gebührentarif der Gebührensatzung für den Rettungsdienst der Stadt F werden nach § 2 für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes Gebühren nach dem Gebührentarif erhoben. Der Gebührentarif sieht in Ziffer 6 für einen bestellten, aber nicht benutzten RTW eine Gebühr in Höhe von 50 % der Grundgebühr für die Benutzung eines RTW vor. Die Grundgebühr für die Benutzung eines RTW beträgt nach Ziffer 1 des Gebührentarifes 282,83 Euro. Gebührenschuldner ist nach § 4 Abs. 1 Buchstabe a), wer die Leistungen des Rettungsdienstes in Anspruch nimmt. Der Einsatz des RTW ist auf Grund des Anrufs der Mutter der Klägerin veranlasst worden, wobei der Leitstellendisponent nach der Auskunft des eingesetzten Notarztes nach der Sachverhaltsschilderung vertretbar von dem erforderlichen Einsatz eines RTW ausgehen durfte. Somit hat die Klägerin den RTW im Sinne der Gebührensatzung "bestellt" und schuldet somit die angefallene Gebühr. Nach § 4 Abs. 3 können die Gebühren (auch) dem gesetzlichen Versicherungsträger in Rechnung gestellt werden, sofern Ansprüche der beförderten Person gegenüber diesem bestehen. Es kann dahinstehen, ob überhaupt auf Grund dieser Satzungsregelung eine Inanspruchnahme der Beklagten möglich oder ob insoweit ein Vertrag nach § 133 SGB V erforderlich wäre (vgl. BSG SozR 3-2500 § 60 Nr. 4). Dass die Stadt F wegen der bekannten Weigerung der Beklagten, Kosten für sogenannte Leerfahrten zu tragen, die Rettungsgebühren unmittelbar von der Klägerin gefordert hat, liegt im Rahmen ihres insoweit durch § 4 der Gebührensatzung eingeräumten Auswahlermessens.
2. Da ein Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nicht weiter reichen als dieser. Entscheidend ist somit, ob die Beklagte die Kosten des Einsatzes des RTW nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V geschuldet hat. Nach dieser Vorschrift übernimmt die Krankenkasse die Fahrkosten in Höhe des den Eigenanteil nach § 61 Satz 1 SGB V übersteigenden Betrages bei Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand ihre Leistungspflicht für den hier streitigen Einsatz.
Der Wortlaut der Bestimmung scheint zwar dafür zu sprechen, dass eine Rettungsfahrt in diesem Sinne nur dann vorliegt, wenn es tatsächlich zu einem Transport des Versicherten in das Krankenhaus gekommen ist. Soweit dies dem Terminbericht Nr. 53/07 vom 02.11.2007 entnommen werden kann, versteht offenbar auch das BSG die Vorschrift in diesem Sinn. Es hat in seiner nach dem Urteil des Senats ergangenen Entscheidung vom 02.11.2007 (B 1 KR 4/07 R) einen Kostenerstattungsanspruch für Rettungseinsätze verneint, wenn das Fahrzeug nicht benutzt worden ist, da § 60 SGB V voraussetze, dass der Versicherte zur Ermöglichung einer von der Krankenkasse zu tragenden Hauptleistung transportiert worden sei. Dem Terminbericht lässt sich nicht zuverlässig entnehmen, ob die Entscheidung des BSG auf den Besonderheiten des entschiedenen Falles beruht, denn dort war der RTW jeweils gerufen worden, weil der Versicherte gestürzt war und von seiner Ehefrau nicht wieder aufgerichtet werden konnte. Daher mochte schon von vornherein ein Bezug zu einer Leistung der Krankenkasse zweifelhaft sein. Die Formulierungen der Terminmitteilungen deuten allerdings eher darauf hin, dass das BSG grundsätzlich die tatsächliche Durchführung eines Transports verlangt.
Der Senat hält diese Sichtweise für Rettungsfahrten für zu eng. Grundsätzlich sind zwar Fahrkosten eine unselbständige akzessorische Nebenleistung (vgl. KassKomm-Höfler, a. a. O. Randnr. 2). Die Krankenkasse hat Fahrkosten nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur zu tragen, wenn sie "im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse" notwendig sind. Daher erscheint die Forderung nahezuliegen, dass der Transport einer bestimmten, von der Kasse zu erbringenden Hauptleistung dienen muss. Da sich die "Notwendigkeit" auf die Leistung der Krankenkasse bezieht, ist auch die Erwägung, für die Notwendigkeit sei auf eine subjektive Betrachtungsweise aus Sicht eines Laien abzustellen (so das LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.02.2005 – L 5 KR 122/04, dem auch das Sozialgericht gefolgt ist), unbehelflich, weil dabei offen bleibt, in Bezug auf welche Leistung der Krankenkasse die – tatsächlich nicht durchgeführte – "Fahrt" notwendig gewesen sein soll.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob im Rahmen des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V tatsächlich ein Transport in das Krankenhaus erfolgen muss oder ob begrifflich eine Rettungsfahrt zum Krankenhaus auch dann zu bejahen ist, wenn der RTW in einem (vermeintlichen) Notfall ausrückt, um den Versicherten in ein Krankenhaus zu verbringen, es aber zu einer solchen Fahrt nicht kommt. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Privilegierung von Rettungsfahrten ist die Frage im Sinne der 2. Alternative zu bejahen, d. h., die Leistungspflicht der Krankenkasse besteht auch für solche Fahrten, die nur mit dem Ziel der Verbringung des Versicherten in ein Krankenhaus begonnen worden sind. Der Einsatz eines RTW erfolgt, wenn ein lebensbedrohlicher Zustand vorliegt oder eine lebensbedrohliche Verschlechterung unmittelbar droht. Da es der Sinn des Rettungsdienstes ist, Hilfe zu leisten, bevor es zu spät ist, kann für die Erforderlichkeit eines Einsatzes nur auf eine ex ante Einschätzung abgestellt werden. Es reicht also aus, wenn im Zeitpunkt des Beginns der Fahrt eine Lebensbedrohung anzunehmen ist. Auch § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V geht nicht davon aus, dass objektiv Lebensgefahr bestanden haben muss, denn die Aufnahme in das Krankenhaus zur stationären Behandlung, die bei objektiv vorliegender Lebensbedrohung wohl immer erfolgen müsste, ist nicht erforderlich. Es reicht also aus, wenn der Versicherte nur zur Abklärung eines subjektiv bedrohlich erscheinenden Zustandes in das Krankenhaus gebracht wird.
Notwendiger Teil der Rettungsfahrt zum Krankenhaus ist aber die Anfahrt zum Versicherten. In vielen Fällen wird zwar schon bei der Anforderung des Rettungsdienstes klar sein, dass auch die Fahrt zum Krankenhaus notwendig sein wird. In vielen Fällen kann das aber nur durch medizinisch ausgebildetes Personal, auch durch die Rettungssanitäter, vor Ort entschieden werden. Auch wenn nach erfolgter Abklärung des Gesundheitszustandes der Transport ins Krankenhaus nicht erforderlich ist, war der Einsatz des RTW notwendig, wenn nach den bei Alarmierung zur Verfügung gestellten Informationen ein Notfall vorlag und mit einem Verbringen des Patienten in das Krankenhaus gerechnet werden musste. So liegt es auch hier, denn zunächst kam das Vorliegen eines Herzinfarkts in Betracht. Der eingesetzte Notarzt hat in seiner Auskunft ausdrücklich bestätigt, die Entscheidung des Leitstellendisponenten zur Alarmierung (auch) eines RTW sei hier nicht zu beanstanden gewesen. Auch die Beklagte hat die medizinische Notwendigkeit des Einsatzes nicht bestritten. Es ist also davon auszugehen, dass hier die (An)Fahrt des RTW wegen eines vermeintlichen Notfalles durchgeführt worden ist. Vor diesem Hintergrund wäre es schwer verständlich, wenn nach berechtigter Anforderung eines RTW kein Anspruch auf Übernahme der dadurch entstandenen Kosten gegen die Krankenkasse bestünde, weil sich nach Abklärung ein Transport in ein Krankenhaus doch nicht als erforderlich erwiesen hat. Dem Versicherten würde damit in unvertretbarer Weise das Risiko einer – im Ergebnis unnötigen – Anforderung des Rettungsdienstes auferlegt. Dies wäre mit dem Zweck der Privilegierung, der Abdeckung der zumeist bei den nach § 60 Abs. 2 SGB V privilegierten Leistungen zu erwartenden hohen Kosten (vgl. KassKomm-Höfler a. a. O. Randnr. 16 a), nicht vereinbar. Eine Differenzierung zwischen Rettungsfahrten im Sinne des Krankenversicherungsrechts und des kommunalen Gebührenrechts wäre insoweit unverständlich. Gebührenrechtlich erscheint es nicht zweifelhaft, dass dem "Verursacher" auch eine Leerfahrt in Rechnung gestellt werden darf, wenn der konkrete Einsatz nach ex ante Einschätzung erforderlich war (s. auch VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.11.1997 – 4 A 288/97). Die vorprozessuale Argumentation der Beklagten, Leerfahrten würden "vielfach" bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt, überzeugt schon im Ansatz nicht, da es eher sachgerecht erscheint, wenn dem Verursacher die Leerfahrten in Rechnung gestellt werden. Im Übrigen sieht die Gebührensatzung der Stadt F hier eine andere Regelung vor. Bei einer solchen Gestaltung würde es den Versicherten in unzumutbarer Weise belasten, wenn er zwar aus seiner Laiensicht (zu Recht) das Vorliegen eines Notfalles bejahen und entsprechend den Rettungsdienst alarmieren dürfte, gleichzeitig aber zu gewärtigen hätte, die Kosten des Einsatzes selbst tragen zu müssen, wenn sich seine laienhafte Einschätzung nicht bestätigt. Der Versicherte könnte dadurch von der sofortigen Inanspruchnahme des Rettungsdienstes abgehalten werden, was in vielen Fällen Gefahr für Leib und Leben bedeuten würde.
Eine Auslegung des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V in dem Sinne, dass ein Leistungsanspruch nur besteht, wenn der Versicherte tatsächlich mit dem Ziel der Erlangung einer Leistung der Krankenkasse transportiert sein muss, würde auch zu ungereimten Ergebnissen führen. So stellt sich die Frage, was gilt, wenn der Versicherte während der Fahrt verstirbt, es also selbst bei Erreichen des Krankenhauses nicht zu "Leistungen" der Krankenversicherung kommen kann. Ebenso wenig leuchtet ein, warum keine Leistungspflicht der Krankenkasse bestehen sollte, wenn objektiv ein Notfall im Sinne eines lebensbedrohlichen Zustands vorgelegen hat, der Versicherte aber schon vor dem Transport in das Krankenhaus verstorben ist. Die Beklagte verhält sich insoweit selbst widersprüchlich, wenn sie zwar – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist – in den letztgenannten Fällen die Kosten für die Leerfahrt übernimmt, in Fällen der vorliegenden Art dagegen eine Kostenübernahme ablehnt.
Zur Vermeidung sachlich nicht gerechtfertigter Differenzierungen ist daher der Begriff der Rettungsfahrt zum Krankenhaus dahingehend auszulegen, dass eine solche Rettungsfahrt auch schon dann zu bejahen ist, wenn die Fahrt wegen eines nach ex ante Einschätzung lebensbedrohlich erscheinenden Zustandes mit dem Ziel eines Transportes zum Krankenhaus veranlasst worden ist, auch wenn es aus tatsächlichen (etwa Tod des Versicherten) oder medizinischen (objektiv kein lebensbedrohlicher Zustand) Gründen nicht zu einem Transport in das Krankenhaus kommt.
Da im vorliegenden Fall angesichts der geschilderten Symptomatik der Leitstellendisponent zu Recht von einem Notfall ausgehen durfte und deshalb den Einsatz eines RTW mit dem Ziel der Verbringung der Klägerin in ein Krankenhaus veranlasst hat, schuldete die Beklagte gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V die Gewährung der Rettungsfahrt als Sachleistung. Demgemäß kann die Klägerin von der Beklagten nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V die Erstattung der aufgewandten Kosten abzüglich ihres Eigenanteils fordern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Der Senat hat die Revision auch mit Blick auf das zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch anhängige Revisionsverfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 04.12.2007
Zuletzt verändert am: 04.12.2007