I. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2019 wird abgewiesen.
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\nII. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
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\nT a t b e s t a n d :
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\nStreitig ist, ob die Beklagte den Kläger bereits ab 01.11.2018 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.
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\nDer 1974 geborene Kläger ist Volljurist. Er wurde für seine Tätigkeit als Leiter der Rechtsabteilung Geschäftsbereich Hydraulik der H. Deutschland Holding GmbH mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer C-Stadt vom 10.05.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. In dem Bescheid wurde ausgeführt, dass die Zulassung tätigkeitsbezogen sei und nur für das gegenständliche Arbeitsverhältnis gelte. Wenn nach der Zulassung weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen würden oder innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhältnisse eine wesentliche Änderung der Tätigkeit eintrete, sei auf Antrag die Zulassung nach Maßgabe des § 46a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) unter den dort genannten Voraussetzungen auf die weiteren Arbeitsverhältnisse oder auf die geänderte Tätigkeit zu erstrecken (§ 46b Abs. 3 BRAO). Die Zulassung wurde am 27.06.2016 wirksam.
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\nMit Bescheid vom 07.07.2016 befreite ihn die Beklagte daraufhin nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ab 27.06.2016 von der Rentenversicherungspflicht. Es wurde in dem Bescheid darauf hingewiesen, dass die Befreiung auf die Tätigkeit beschränkt sei und nur so lange gelte, wie die Beschäftigung ausgeübt werde.
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\nNach Ende des Beschäftigungsverhältnisses bei der H. Deutschland Holding GmbH am 31.10.2018 nahm der Kläger ab 01.11.2018 ein Beschäftigungsverhältnis bei der H. Holding GmbH auf. Er beantragte bei der Rechtsanwaltskammer C-Stadt die Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf das Beschäftigungsverhältnis bei der H. Holding GmbH. Der Antrag ging am 30.01.2019 bei der Rechtsanwaltskammer C-Stadt ein.
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\nAm 28.01.2019 (Eingang bei der Beigeladenen) beantragte der Kläger bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt bei der H. Holding GmbH. Seitens der Beigeladenen wurde bestätigt, dass der Kläger Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer C-Stadt und des Versorgungswerks sei und einkommensbezogene Pflichtbeiträge zu zahlen seien.
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\nMit Schreiben vom 07.03.2019 hörte die Rechtsanwaltskammer C-Stadt die Beklagte nach § 46b Abs. 3 BRAO in Verbindung mit § 46a Abs. 2 Satz 1 BRAO zur Erstreckung der Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt auf die Tätigkeit bei der H. Holding GmbH an. Es wurde gebeten, gegen eine Erstreckung der Zulassung sprechende Erwägungen vorzutragen. Mit Schreiben vom 15.03.2019 teilte die Beklagte der Rechtsanwaltskammer C-Stadt mit, dass gegen die Erstreckung der Zulassung keine Bedenken bestehen würden.
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\nMit Bescheid vom 21.03.2019 erstreckte die Rechtsanwaltskammer C-Stadt die bestehende Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46b Abs. 3 BRAO auf sein neues Arbeitsverhältnis als Syndikusrechtsanwalt bei der H. Holding GmbH. Der Bescheid wurde auch der Beklagten zugestellt.
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\nDie Beklagte befreite den Kläger daraufhin mit Bescheid vom 08.08.2019 für seine Tätigkeit bei der H. Holding GmbH nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht. Die Befreiung für die weitere Tätigkeit wirke ab dem Antrag auf Erstreckung der bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer.
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\nHiergegen erhob der Kläger am 09.09.2019 Widerspruch. Er sei bereits ab 01.11.2018 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. Seit 11.05.2016 sei er ununterbrochen als Syndikusrechtsanwalt zugelassen und ununterbrochenes Pflichtmitglied der Beigeladenen. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirke die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von 3 Monaten beantragt werde. Die Befreiungsvoraussetzungen hätten ab dem 01.11.2018 vorgelegen. Die Befreiung sei am 28.01.2019 und damit innerhalb von 3 Monaten seit dem Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen beantragt worden. § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO könne nicht angewendet werden, da es sich hierbei um eine Regelung für die erstmalige Anwaltszulassung handle. Maßgeblich seien die Vorschriften des § 46b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 46b Abs. 3 BRAO. Der Wortlaut des § 46b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BRAO ordne die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses als tätigkeitsbezogene Änderung ein. Entsprechend sei von der Rechtsanwaltskammer C-Stadt die bestehende Zulassung auf die am 01.11. 2018 aufgenommene Tätigkeit erstreckt worden. Der Kläger sei am 01.11.2018 sowohl Mitglied der Rechtsanwaltskammer C-Stadt als auch Mitglied der Beigeladenen gewesen. Die Voraussetzungen für die rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht seien gegeben.
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\nDie Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2019 zurück. § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirke vom kumulativen Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von 3 Monaten beantragt werde, sonst vom Antragseingang an. Im Falle des Klägers seien die Befreiungsvoraussetzungen mit der Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt durch die Rechtsanwaltskammer C-Stadt eingetreten. § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO sehe vor, dass die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer abweichend von § 12 Abs. 3 BRAO rückwirkend zu dem Zeitpunkt begründet werde, zu dem der Antrag auf Erstreckung der Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer eingegangen sei. Die Befreiung sei daher bei Vorliegen auch aller übrigen Voraussetzungen vom Datum des Eingangs des Erstreckungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer an auszusprechen, soweit die Aufnahme der Beschäftigung nicht zu einem späteren Zeitpunkt erfolge. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei deshalb frühestens ab dem 30.01.2019, dem Eingang des Erstreckungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer C-Stadt, möglich.
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\nAm 06.12.2019 hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Es treffe nicht zu, dass die in § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI vorgesehene Drei-Monats-Frist nur für das erstmalige Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen gelte. Mit der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse verliere der ursprüngliche Befreiungsbescheid seine rechtliche Wirkung, sodass mit dem Erstreckungsantrag erneut über die Befreiung zu entscheiden sei. Es würden die gleichen Voraussetzungen wie bei der erstmaligen Beantragung der Befreiung gelten.
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\nDie Beklagte hat vorgetragen, dass eine frühere Befreiung auch unter Beachtung der Drei-Monats-Frist des § 6 Abs. 4 SGB VI nicht in Betracht komme. Die Befreiungsvoraussetzungen seien erst ab 30.01.2019 erfüllt. Denn die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der Rechtsanwaltskammer C-Stadt wegen der Beschäftigung bei der H. Holding GmbH wirke nach § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO rückwirkend ab dem Eingang des Antrags auf Erstreckung der Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer C-Stadt am 30.01.2019. Erst ab diesem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wegen dieser Beschäftigung vorgelegen. In der Zeit ab Beginn der Beschäftigung am 01.11.2018 bis 29.01.2019 fehle es an der Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer C-Stadt wegen der Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt bei der H. Holding GmbH.
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\nDas Gericht hat im vorbereitenden Verfahren die Beigeladene und die Rechtsanwaltskammer C-Stadt um Stellungnahme gebeten. Die Beigeladene hat ausgeführt, dass der Kläger als zugelassener Rechtsanwalt seit 03.01.2005 Pflichtmitglied sei. Im Zeitraum vom 01.11.2018 bis 29.01.2019 seien für den Kläger Pflichtbeiträge aus einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt festgesetzt und bezahlt worden. Seit 30.01.2019 würden laufend einkommensbezogene Pflichtbeiträge aus dem Angestelltenverhältnis bezahlt.
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\nDie Rechtsanwaltskammer C-Stadt hat darauf hingewiesen, dass von den regionalen Rechtsanwaltskammern unterschiedlich beurteilt worden sei, ob § 46b Abs. 3 BRAO auch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses als Syndikusrechtsanwalt bei einem anderen Arbeitgeber zur Anwendung komme. Die Rechtsanwaltskammer C-Stadt habe § 46b Abs. 3 BRAO entsprechend angewendet. Es sei bei einer Erstreckung der Zulassung im Fall eines Arbeitgeberwechsels von einer durchgehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausgegangen worden. Mittlerweile habe der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 30.03.2020 entschieden, dass im Falle eines Arbeitgeberwechsels der Erlass eines Erstreckungsbescheids nach § 46b Abs. 3 BRAO auch bei durchgehender Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen nicht zulässig sei. Vielmehr sei die bisherige Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach § 46b Abs. 2 BRAO zu widerrufen und bei Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen eine neue Zulassung für die anschließend aufgenommene Tätigkeit nach § 46a BRAO zu erteilen.
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\nDer Kläger hat durch seinen Bevollmächtigten vorgetragen, dass das Urteil des BGH vom 30.03.2020 die Rechtsposition des Klägers stärke. Da § 46b Abs. 3 BRAO im Falle eines Arbeitgeberwechsels weder unmittelbar noch analog anwendbar sei, liege letztendlich ein Neuzulassungsantrag vor. Für solche Neuanträge gelte § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI, wonach die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung mit Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen wirke, wenn die Befreiung innerhalb von 3 Monaten beantragt wird. Die Befreiungsvoraussetzungen hätten im Fall des Klägers ab dem 01.11.2018 vorgelegen. Der Kläger habe den Befreiungsantrag innerhalb der Drei-Monats-Frist gestellt. Dass die Entscheidung über die weitere Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erst nach Ablauf dieser Drei-Monats-Frist ergangen sei, könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, da er die Bearbeitungszeit bei der Rechtsanwaltskammer nicht beeinflussen könne.
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\nDie Beklagte hat vorgetragen, dass mit Urteil des BGH vom 30.03.2020 die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung bestätigt worden sei. Eine Erstreckung nach § 46b Abs. 3 Alt. 1 BRAO komme nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis, für das eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erteilt wurde, weiterbestehe und daneben ein weiteres Arbeitsverhältnis als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen werde. Die Erstreckung der Zulassung im Fall eines Arbeitgeberwechsels sei nach Ansicht des BGH objektiv rechtswidrig. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht komme dem BGH zufolge erst ab Eingang des Erstreckungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer in Betracht. Die Bindungswirkung für die Befreiungsentscheidung der Beklagten beginne nach §§ 46b Abs. 3, 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO frühestens mit dem Eingang des Erstreckungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer. Wenn ein Versicherter die Erstreckung erst nach Aufnahme der neuen Beschäftigung beantrage, könne eine Befreiung für die neue Tätigkeit erst ab dem Tag des Antragseingangs bei der Rechtsanwaltskammer erteilt werden.
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\nDer Klägerbevollmächtigte beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bereits ab 01.11. 2018 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
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\nDer Beklagtenvertreter beantragt, die Klage abzuweisen.
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\nDie Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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\nIm Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
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\nE n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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\nDie Entscheidung erfolgt gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu angehört und haben ihr Einverständnis erteilt.
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\nDie form- und fristgerecht zum zuständigen Sozialgericht Augsburg erhobene Klage ist zulässig, sachlich aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 08.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat den Kläger zu Recht erst ab 30.01.2019, dem Tag des Eingangs des Antrags auf Erstreckung der bisherigen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf die neue Tätigkeit bei der Rechtsanwaltskammer, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, von der Beklagten bereits ab 01.11.2018, dem Tag der Aufnahme der neuen Tätigkeit, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit zu werden.
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\nDer Kläger hat den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechend bei der Beklagten nach dem Wechsel seines Arbeitgebers erneut eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt. Denn der Bescheid vom 07.07.2016, mit dem die Beklagte den Kläger für seine Beschäftigung bei der H. Deutschland Holding GmbH von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreite, gilt nicht für die Tätigkeit bei der H. Holding GmbH fort. Nach § 6 Abs. 5 SGB VI ist die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Sie wird bei einem Wechsel des Arbeitgebers gegenstandslos (Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31.10.2012, Aktenzeichen B 12 R 3/11 R, B 12 R 5/10 R und B 12 R 8/10 R, juris). Die Befreiung für die Beschäftigung bei der H. Deutschland Holding GmbH erstreckt sich auch nicht nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI auf die Tätigkeit bei der H. Holding GmbH. Nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI erstreckt sich die Befreiung in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Die Erstreckung erfordert, dass das nach § 6 Abs. 1 Satz 1 von der Versicherungspflicht befreite Beschäftigungsverhältnis andauert (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 6 SGB VI Rnr. 39). Dies war vorliegend nicht der Fall.
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\nNach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB VI werden Beschäftigte und selbstständig Tätige auf Antrag für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Gemäß § 6 Abs. 4 SGB VI wirkt die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an.
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\nZwar hat der Kläger unstreitig im Sinne von § 6 Abs. 4 SGB VI innerhalb von 3 Monaten ab Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt. Jedoch waren die Befreiungsvoraussetzungen, ab deren Vorliegen die Befreiung nach § 6 Abs. 4 SGB VI wirkt, erst ab 30.01.2019, dem Tag des Eingangs des Antrags auf Erstreckung der bisherigen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf die neue Tätigkeit bei der Rechtsanwaltskammer, erfüllt. Die Beklagte musste erst ab diesem Tag von einer wegen der neuen Beschäftigung kraft gesetzlicher Verpflichtung bestehenden erneuten Mitgliedschaft des Klägers als Syndikusrechtsanwalt in der Rechtsanwaltskammer C-Stadt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausgehen. Sie war erst ab dem Tag des Antragseingangs bei der Rechtsanwaltskammer an deren Zulassungsentscheidung gebunden.
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\n§ 46a Abs. 2 BRAO zufolge entscheidet die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer nach Anhörung des Trägers der Rentenversicherung über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Die Entscheidung ist auch dem Träger der Rentenversicherung zuzustellen, dem gegen die Entscheidung Rechtsschutz zusteht. Der Träger der Rentenversicherung ist bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung an die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer gebunden. Gemäß § 46a Abs. 4 BRAO richtet sich das Zulassungsverfahren nach den §§ 10 bis 12a mit der Maßgabe, dass (…) Nr. 2 abweichend von § 12 Abs. 3 die Bewerberin oder der Bewerber unbeschadet des § 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 mit der Zulassung rückwirkend zu dem Zeitpunkt Mitglied der Rechtsanwaltskammer wird, zu dem der Antrag auf Zulassung dort eingegangen ist, sofern nicht die Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgt, erst nach der Antragstellung begonnen hat; in diesem Fall wird die Mitgliedschaft erst mit dem Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit begründet; (…). Nach § 46b Abs. 3 BRAO ist, wenn nach einer Zulassung nach § 46a weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen werden, auf Antrag die Zulassung nach Maßgabe des § 46a BRAO unter den dort genannten Voraussetzungen auf die weiteren Arbeitsverhältnisse zu erstrecken.
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\nDer Bescheid der Rechtsanwaltskammer C-Stadt vom 21.03.2019, mit dem die bestehende Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46b Abs. 3 BRAO auf sein neues Beschäftigungsverhältnis bei der H. Holding GmbH erstreckt wurde, war insoweit rechtswidrig, als ein Widerruf der bisherigen Zulassung und die Erteilung einer neuen Zulassung hätte erfolgen müssen und keine Erstreckung der Zulassung erfolgen durfte. Denn § 46b Abs. 3 BRAO ist im Falle eines Arbeitgeberwechsels, wenn also das vorherige Tätigkeitsverhältnis endet und (gegebenenfalls unmittelbar) im Anschluss ein neues begründet wird, weder unmittelbar noch analog anwendbar. Vielmehr hat – auch bei durchgehender Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen – ein Widerruf der bisherigen Zulassung nach § 46b Abs. 2 BRAO und die Erteilung einer neuen Zulassung nach § 46a BRAO zu erfolgen (Urteil des BGH vom 30.03.2020, Az. AnwZ (Brfg) 49/19). Für den Fall, dass die Rechtsanwaltskammer – wie vorliegend – rechtswidrigerweise § 46b Abs. 3 BRAO angewendet und es versäumt hat, die bisherige Zulassungsentscheidung zu widerrufen oder zurückzunehmen, entfaltet die bisherige Befreiungsentscheidung für die neue Tätigkeit keine Wirkung mehr. Die Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung der Rechtsanwaltskammer für die neue Tätigkeit nach § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO beginnt im Fall der Erstreckung nicht früher als im Fall der Neuerteilung der Zulassung, nämlich nach § 46b Abs. 3, § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO frühestens mit dem Eingang des Erstreckungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer (Urteil des BGH vom 30.03.2020, a.a.O.).
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\nAnhaltspunkte für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Klägers oder einen Verstoß der Beklagten gegen Treu und Glauben (konkret gegen das Verbot des venire contra factum proprium) ergeben sich nicht. In dem Bescheid vom 07.07.2016, mit dem die Beklagte den Kläger für seine Tätigkeit bei der H. Deutschland Holding GmbH von der Rentenversicherungspflicht befreite, wies die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass die Befreiung auf die Tätigkeit beschränkt ist und nur für die Dauer der Beschäftigung gilt. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass seitens der Beklagten dem Kläger gegenüber falsche Auskünfte erteilt wurden. Auch seitens der Rechtsanwaltskammer C-Stadt wurden dem Kläger gegenüber keine falschen Auskünfte erteilt. Zwar wurde in dem Bescheid der Rechtsanwaltskammer C-Stadt vom 10.05.2016 ausgeführt, dass die Zulassung bei Aufnahme weiterer Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag nach Maßgabe des § 46a BRAO unter den dort genannten Voraussetzungen auf die weiteren Arbeitsverhältnisse zu erstrecken sei (§ 46b Abs. 3 BRAO). Jedoch wurden in dem Bescheid keine (falschen) Ausführungen dazu gemacht, ab welchem Zeitpunkt eine Bindung der Beklagten im Falle einer Erstreckung der Zulassung eintritt.
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\nDie Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
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\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache.
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Erstellt am: 09.12.2021
Zuletzt verändert am: 09.12.2021