Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27.02.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aus tarifvertraglich geschuldetem, tatsächlich aber nicht gezahltem Arbeitsentgelt.
Die Klägerin betreibt ein Einzelhandelsgeschäft für Heimtextilien. Sie beschäftigte im streitbefangenen Zeitraum vier Aushilfskräfte, darunter die 1944 geborene Beigeladene zu 1). Diese war vom 01.01.1994 bis 31.03.2000 als Verkäuferin tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 01.01.1995 betrug die wöchentliche Arbeitszeit 11,5 Stunden und die monatliche Arbeitsvergütung 500,00 DM. Dies entsprach laut Vertrag einem Stundenlohn von 10,00 DM. Mit Ergänzungsvertrag vom 01.01.1997 wurde das monatliche Entgelt ab dem 01.01.1997 auf 600,00 DM erhöht, die Arbeitszeit sollte nunmehr 14 Stunden pro Woche betragen. Nach dem Ergänzungsvertrag war in dem Arbeitsentgelt anteilsmäßig Weihnachts- und Urlaubsgeld enthalten. Die Beigeladene zu 1), die im fraglichen Zeitraum familienversichert war, wurde als geringfügig Beschäftigte angesehen; die Klägerin führte ab 01.04.1999 die Pauschalbeiträge ab.
In dem hier streitbefangenen Zeitraum waren für den Bereich des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen folgende Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt: Manteltarifvertrag (MTV) vom 20.09.1996, gültig ab 01.11.1996; Tarifvertrag (TV) über Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) vom 20.09.1996, gültig ab 01.01.1997, Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) beider TV durch Bekanntmachung vom 10.03.1997, BAnz Nr. 55 vom 04.04.1997, Seite 4 478; TV zur Änderung und Ergänzung des TV über Sonderzahlungen vom 28.11.1997, Gehalts- sowie Lohn-TV jeweils vom 28.11.1997, gültig vom 01.04.1997 bis 31.03.1998, AVE vom 30.03.1998 mit Wirkung vom 28.11.1997 bzw. 01.04.1997 (BAnz Nr. 79 vom 28.04.1998, Seite 06 182); Gehalts-TV und Lohn-TV vom 29.06.1998, jeweils gültig ab 01.04.1998, AVE vom 29.09.1998 mit Wirkung vom 01.04.1998 (BAnz Nr. 197 vom 21.10.1998, Seite 15 215; Gehalts-TV und Lohn-TV vom 07.08.1999, gültig ab 01.04.1999, AVE vom 18.11.1999 mit Wirkung vom 01.04.1999 (BAnz Nr. 2041 vom 18.11.1999, Seite 20 320 ). Der Geltungsbereich der Tarifverträge erstreckte sich auf alle Unternehmen des Einzelhandels im Land Nordrhein-Westfalen; sie galten für alle Arbeitnehmer in diesen Unternehmen, deren Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen lag.
Aufgrund einer im Frühjahr 2001 für den Zeitraum 01.01.1997 bis 31.12.2000 durchgeführten Betriebsprüfung forderte die Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2001 von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 26.576,90 DM (abzüglich zu Unrecht entrichteter Pauschalbeiträge in Höhe von 5.352,00 DM) für den Zeitraum 01.01.1999 bis 31.12.2000, wovon auf die Beigeladene zu 1) eine Nachforderung in Höhe von 6.875,44 DM (einschließlich der Umlagebeiträge) entfällt. Auf der Grundlage der Lohnnachweise legte die Beklagte der Berechnung des beitragspflichtigen Entgelts einen Stundenlohn nach der niedrigsten Lohnstufe des jeweils geltenden Lohn-TV (16,44 DM bzw. 16,93 DM) sowie anteilige Urlaubsgeldansprüche nach dem TV über Sonderzahlungen zugrunde.
Zur Begründung der Nachforderung führte die Beklagte aus, bei den Teilzeitbeschäftigten sei bei der Beurteilung der Versicherungspflicht der Anspruch auf den rechtlich zustehenden Lohn aus einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag nicht berücksichtigt worden. Ob Versicherungsfreiheit aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung bestehe, sei im Wege einer vorausschauenden Betrachtung zu beurteilen. Soweit für die Beschäftigung aufgrund eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages ein Mindestlohn gelte, sei für das Arbeitsentgelt mindestens ein Stundenlohn in dieser Höhe zugrunde zu legen, auch wenn tatsächlich ein geringeres als das rechtlich zustehende Arbeitsentgelt gezahlt worden sei. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die Entstehung des Beitragsanspruchs auch nicht davon abhängig, ob das geschuldete Entgelt gezahlt worden sei. Die Nachforderung sei nicht aus Vertrauensschutz gründen ausgeschlossen. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe sich hinsichtlich der Anwendung des sogenannten Entstehungsprinzips geändert, eine frühere Entscheidung zur untertariflichen Bezahlung aus dem Jahr 1964 sei durch gesetzliche Änderung überholt. Vertrauensschutz könne allen falls dann bejaht werden, wenn – was nicht der Fall sei – die Einzugsstelle anderslautende Bescheide erlassen hätte. Dem Vertrauensschutz der Klägerin werde durch die kurze Verjährung von vier Jahren ausreichend Rechnung getragen.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die Beitragsforderung sei unberechtigt, da bei der Höhe des Entgeltes ein Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Regionen zu machen sei. Es sei nicht möglich, in ländlichen Gegenden einen Stundenlohn von über 16,00 DM zu zahlen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, für die Entstehung von Beitragsansprüchen sei auch im Sozialversicherungsrecht wie im Steuerrecht das Zuflussprinzip, nicht aber die "nicht nachzuvollziehende" Anspruchs(Entstehungs)-Theorie anzuwenden. Sie hat ferner ihre Argumentation wiederholt, dass in ländlichen Regionen ein Lohn der im Bescheid genannten Höhe nicht gezahlt werden könne. Ferner hat sie sich auf Vertrauensschutz berufen, weil bei den bisherigen Betriebsprüfungen keine Beanstandungen hinsichtlich der Lohnhöhe erfolgt seien, obwohl die von der Beklagten angewandte höchstrichterliche Rechtsprechung schon lange bestanden habe.
Das Sozialgericht hat die Verfahren bezüglich der einzelnen Beschäftigten mit Beschluss vom 16.11.2001 getrennt; in der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2001 haben die Beteiligten hinsichtlich der weiteren vom Bescheid betroffenen Arbeitnehmer einen Unterwerfungsvergleich geschlossen. Die Beigeladene zu 1) hat auf Anfrage des Sozialgerichts mitgeteilt, dass sie keine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens fordere.
Mit Urteil vom 27.02.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Beitragsnachforderungen für gerechtfertigt gehalten, weil Beitragsansprüche auch dann entstünden, wenn das geschuldete Entgelt nicht gezahlt worden sei. Ein Vertrauensschutz sei zu verneinen, weil ein konkretes Verhalten der Beklagten bzw. der Einzugsstellen, die bei der Klägerin die berechtigte Erwartung geweckt haben könnte, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde, nicht vorliege. Das bloße Nichtstun der Einzugsstellen reiche als Verwirkungshandlung nicht aus.
Im Berufungsverfahren macht die Klägerin geltend, entgegen der Ansicht der Beklagten sei für die Beitragsansprüche nicht das tariflich geschuldete Entgelt maßgebend, sondern der aufgrund der bestehenden Vertragsfreiheit mit der Beigeladenen zu 1) vereinbarte Lohn. Im ländlichen Bereich seien die Löhne in Höhe des tariflichen Arbeitslohns nicht verkraftbar. Im Übrigen könne die Beigeladene zu 1) den höheren Lohn wegen Verfristung nicht mehr nachfordern, so dass auch keine Beitragsansprüche bestünden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27.02.2002 zu ändern und den Bescheid vom 06.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2001 insoweit aufzuheben, als Beiträge für die Beigeladene zu 1) gefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Forderung von Beiträgen aus geschuldetem, tatsächlich aber nicht gezahltem Entgelt und weist darauf hin, dass schon das Reichsversicherungsamt als beitragspflichtiges Entgelt auch das tariflich geschuldete Entgelt angesehen habe, es sei denn, der Arbeitnehmer habe rechtswirksam auf dieses Entgelt verzichtet. Das Sozialgericht habe auch zu Recht einen Vertrauensschutz zu Gunsten der Klägerin verneint. Die Ausschlussfrist des Tarifvertrages hindere nur die Geltendmachung des Lohnanspruchs gegenüber dem Arbeitgeber, habe jedoch keine Auswirkung auf den Beitragsanspruch. Im Übrigen habe das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf in einer Entscheidung vom 17.05.2001 in der Berufung des Arbeitgebers auf eine Verfallklausel einen Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht auf einen anzuwendenden allgemein verbindlichen TV hingewiesen habe. Wenn in einem solchen Fall die Verfallklausel nicht eingreife, könne auch im Bereich der Sozialversicherung kein Vertrauensschutz bestehen.
Im Berufungsverfahren sind folgende in Parallelverfahren eingeholte Auskünfte beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben worden: Auskunft des AOK Bundesverbandes vom 07.05.2002, Auskünfte der Bundessteuerberaterkammer vom 01.07.2002 und 16.08.2002, Auskünfte der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe vom 29.08.2002, der Steuerberaterkammer Köln vom 30.08.2002 und der Steuerberaterkammer Düsseldorf vom 02.09.2002 sowie die Auskünfte der AOK Rheinland vom 22.08.2002, der AOK Westfalen-Lippe vom 23.08.2002, der IKK Nordrhein vom 26.08.2002, der IKK Westfalen-Lippe vom 23.08.2002, der Barmer Ersatzkasse (BEK) vom 06.08.2002, der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) vom 15.08.2002 und der Techniker Krankenkasse (TKK) vom 08.10.2002 als Einzugsstellen. Auf die genannten Unterlagen wird Bezug genommen. Ferner ist vom Einzelhandelsverband Aachen-Düren e.V. eine Auskunft zur Frage der Information der Arbeitgeber über die Allgemeinverbindlicherklärung von TV und die sich daraus ergebenen rechtlichen Folgen eingeholt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auskunft vom 16.09.2002 nebst Anlagen verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitgegentandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid, mit dem die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin nachgefordert hat, ist rechtmäßig.
A) Der Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass die Beigeladene zu 1), deren Rechtsposition von der Entscheidung über die Versicherungs- und Beitragspflicht betroffen ist, entgegen § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht von der Einleitung des Verwaltungsverfahrens benachrichtigt worden war, denn die Beigeladene zu 1) hat auf die Nachholung des Verwaltungs-/Widerspruchsverfahrens verzichtet (vgl. BSGE 55, 160, 163; 68, 171, 174; 81, 276, 288).
B) I. Die Beigeladene zu 1) war im Zeitraum vom 01.01.1999 bis 31.03.2000 versicherungspflichtig beschäftigt. Eine für die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)), in der Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)), in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)) vorausgesetzte Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt lag – was von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird und keiner näheren Begründung bedarf – vor. Entgegen der Beurteilung der Klägerin war die Beigeladene zu 1) jedoch nicht wegen Verrichtung einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV in der im streitigen Zeitraum jeweils geltenden Fassung) versicherungsfrei (§§ 7 Satz 1 SGB V, 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, 25 Abs. 2 SGB III). Zwar war vertraglich ein Monatsentgelt von 600,- DM vereinbart, das unter der Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV lag und das auch tasächlich gezahlt worden ist. Jedoch wurde aufgrund des tarifvertraglich geschuldeten Entgeltes die Grenze einer geringfügigen Beschäftigung überschritten.
Im Zeitraum vom 01.01.1999 bis 31.03.2000 galten vom 01.04.1998 bis 31.03.1999 der Gehalts-TV, der alle kaufmännischen und technischen Angestellte erfasste und der für gewerbliche Arbeitnehmer geltende Lohn-TV vom 29.06.1998 sowie vom 01.04.1999 bis 31.03.2000 die jeweiligen Nachfolge-TV vom 07.08.1999. Bis zum 30.06.1999 sahen die genannten Lohn-TV in der niedrigsten Lohngruppe ein monatliches Gehalt von 2680,00 DM vor; ab 01.07.1999 betrug dieses Gehalt nach dem Lohn-TV vom 07.08.1999 2760,00 DM.
Der (Mindest)Stundenlohn gewerblicher Arbeitnehmer, zu dessen Ermittlung gemäß § 2 Abs. 2 der Lohn-TV das Monatsentgelt durch 163 zu teilen war, betrug somit – wie von der Beklagten zugrundegelegt – vom 01.01.1999 bis 30.06.1999 16,44 DM und vom 01.07.1999 bis 31.03.2000 16,93 DM.
Die genannten TV waren für allgemeinverbindlich erklärt worden (AVE vom 29.08.1998 bzw. 18.11.1999). Aufgrund dieser AVE gemäß § 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) erfassten sie in ihrem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Die Ausdehnung der Tarifgebundenheit durch die AVE auf nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist unabhängig von deren Kenntnis (vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG) DB 1984, 55). Die Rechtsnormen des TV gelten unmittelbar und zwingend zwischen den Tarifgebundenen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG), abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit der TV eine Öffnungsklausel enthält oder eine Abweichung zu Gunsten des Arbeitnehmers erfolgt (§ 4 Abs. 3 TVG). Die zwingende Ordnung eines TV verbietet somit jede nachteilige Regelung zu Lasten des Arbeitnehmers, sie schafft – etwa zur Höhe des Entgelts – eine nicht entziehbare tarifliche Rechtsposition (vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rdn. 58; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl., § 204 Rdnr. 5).
Der Beigeladenen zu 1) stand somit ungeachtet der abweichenden – unwirksamen – individualvertraglichen Vereinbarung im fraglichen Zeitraum tariflich ein höheres als das tatsächlich gezahlte Entgelt zu. Selbst unter Zugrundelegung eines Stundenlohnes von 16,44 DM bzw. 16,93 DM (siehe zur Berechnung des Entgelts nach den Tarifverträgen im Einzelnen unten B IV. 3.) wurde bei einer monatlichen Arbeitszeit von 60 Stunden die Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV deutlich überschritten. Bei der für die Bestimmung der Versicherungs- und Beitragspflicht maßgebenden vorausschauenden Betrachtungsweise (vgl. etwa BSG SozR 2100 § 8 Nr. 4) musste somit im streitigen Zeitraum zu Grunde gelegt werden, dass ein aufgrund der anzuwendenden TV zwingend geschuldeter Arbeitsentgeltanspruch in einer Höhe bestand, der die Versicherungsfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausschloss.
II. Die Beklagte hat zu Recht der Beurteilung der Versicherungspflicht und der Beitragserhebung nicht das tatsächlich erzielte ("zugeflossene"), sondern das nach den TV geschuldete Arbeitsentgelt zugrundegelegt. Die Entstehung von Beitragsansprüchen hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber das Entgelt tatsächlich gezahlt hat, vielmehr ist ausreichend, dass zum Fälligkeitszeitpunkt der Beiträge ein Entgeltanspruch bestand (sog. Entstehungsprinzip, eingehend BSG, Urteil vom 30.08.1994, BSGE 75, 61, 65 ff.). Das geschuldete Entgelt kann abweichend vom Individualvertrag auch die in einem anzuwendenden TV festgelegte Mindestvergütung sein. Der Auffassung der Klägerin, auch im Beitragsrecht müsse wie im Steuerrecht das Zuflussprinzip gelten, so dass nur Beiträge von dem tatsächlich gezahlten Entgelt zu erheben seien, kann sich der Senat nicht anschließen.
Das Zuflussprinzip hatte zwar aufgrund des Gemeinsamen Erlasses des Reichsarbeitsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers betreffend weiterer Vereinfachung des Lohnabzugs vom 10.04.1944 ([Gemeinsamer Erlass] RABl. II, 228), der nach der Rechtsprechung des BSG für die Zeit nach dem 08.05.1945 weitergalt, bis 1977 Eingang in das Beitragsrecht gefunden. Hierauf beruht insbesondere das Urteil des BSG vom 21.11.1964 (BSGE 22, 106), das in einem Fall untertariflicher Bezahlung annahm, maßgebend für den Beitragsanspruch sei nur das tatsächlich gezahlte Entgelt. Nach Inkrafttreten des SGB IV am 01.07.1977, durch dessen Artikel II § 21 Abs. 1 Nr. 4 der Gemeinsame Erlass aufgehoben worden ist, war die Rechtsprechung des BSG zunächst hinsichtlich der weiteren Geltung des Zuflussprinzips nicht eindeutig (siehe einerseits etwa Urteil vom 18.11.1980, SozR 2100 § 14 Nr. 7; Urteil vom 28.10.1981, SozR 2100 § 14 Nr. 9; anderereits Urteil vom 25.09.1981, BSGE 52, 152; Urteil vom 26.10.1982, BSGE 54, 136 und Urteil vom 26.11.1985, BSGE 59, 183). Spätestens durch die 1994 ergangenen Entscheidungen vom 22.06.1994 (SozR 3 – 4100 § 160 Nr. 1) und 30.08.1994 (a.a.O) hat sich das BSG vom Zuflussprinzip gelöst und das Entstehungsprinzip vertreten; an dieser Auffassung hat es im Urteil vom 21.05.1996 (BSGE 78, 224) und zuletzt im Urteil vom 07.02.2002 (B 12 KR 13/01 R) festgehalten. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) folgt im Rahmen des § 266 a Strafgesetzbuch (StGB) dem Enstehungsprinzip und sieht ein Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen schon dann als gegeben an, wenn die unabhängig von der tatsächlichen Zahlung des Entgelts fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt worden sind (BGHZ 144, 311; zuletzt BGH NJW 2002, 2480).
Unzutreffend ist die Interpretation dieser Rechtsprechung, das Entstehungsprinzip gelte nur dann, wenn der Arbeitgeber vertragswidrig das Arbeitsentgelt nicht oder verspätet zahle (so Berndt, DStR 2000, 1520, 1522) bzw. wenn der Arbeitnehmer das geschuldete Entgelt noch fordere. Aus der genannten Rechtssprechung ergibt sich eindeutig, dass das zum Fälligkeitszeitpunkt individual- oder kollektivrechtlich geschuldete Entgelt den öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch auslöst, der nach seinem Entstehen in seinem rechtlichen Schicksal unabhängig von dem privatrechtlichen Entgeltanspruch ist. Ob und wann dieser erfüllt wird, untergeht oder verjährt, ist für den Beitragsanspruch ohne Belang. Das BSG führt im Urteil vom 30.08.1994 ausdrücklich aus, dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass das Entstehen von Beitragsansprüchen davon abhänge, ob sie selbst oder der zugrundeliegende Entgeltanspruch erkannt und geltend gemacht würden (a.a.O. Seite 65). Im Urteil vom 21.05.1996 spricht das BSG von der "Abkehr" vom Zuflussprinzip, was es vor allem damit begründet, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht schon am Tag der Aufnahme der Beschäftigung gegen Entgelt und nicht erst mit dessen Zahlung beginne (a.a.O., Seite 226). Dann kann aber die Entstehung von Versicherungspflicht nicht davon abhängig sein, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt noch fordert. Auch im Rahmen des § 266 a StGB würde diese Ansicht zu unlösbaren Problemen führen. Der BGH bejaht ein Vorenthalten von Beiträgen des Arbeitnehmers auch dann, wenn tatsächlich zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge der Lohn nicht ausgezahlt worden ist. Er weist insoweit darauf hin, für eine einengende Auslegung, die eine Strafbarkeit nach § 266 a StGB von der tatsächlichen Lohnzahlung abhängig mache, sei kein Raum, da die Schuld des Arbeitgebers hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge unabhängig vom gezahlten Lohn bestehe (BGH NJW 2002, 2480, 2481). Würde jedoch der Beitragsanspruch nur dann bestehen, wenn der Beschäftigte den Lohn noch fordert, hinge die Strafbarkeit des Arbeitgebers von dem entsprechenden Verhalten des Arbeitnehmers ab. Ebensowenig könnte im Rahmen des § 8 SGB IV die Prüfung der Versicherungspflicht im Wege einer vorausschauenden Betrachtung erfolgen. Insoweit sind geschuldete sowie mit hinreichender Sicherheit zu erwartende Zahlungen zu berücksichtigen (BSG SozR 2100 § 804). Maßgeblich ist insoweit im Falle der Geltung eines allgemeinverbindlich erklärten TV der tariflich geschuldete Lohn, da die tarifvertraglichen Regelungen eine abweichende individualvertragliche Abrede verdrängen (§ 4 Abs. 3 TVG). Die vorausschauende Beurteilung der Versicherungspflicht wäre nicht möglich, wenn es darauf ankäme, ob die Arbeitnehmer tatsächlich den tariflich geschuldeten Lohn fordern.
Die Anwendung des Entstehungsprinzips und die Erhebung von Beiträgen aus tarifvertraglich geschuldetem Entgelt widerspricht nicht den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.01.1995 (BVerfGE 92, 53) und 24.05.2000 (BVerfGE 102, 127) zur beitragsrechtlichen Behandlung einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes (so aber Arends, BB 2001, 94, 95). Die Behauptung, wenn schon das verfassungswidrige Gesetz keine Grundlage für die Heranziehung von Einmalzahlungen biete, seien "fiktive Hinzurechnungen" auf der Grundlage dieses Gesetzes erst recht unzulässig, ist falsch. Das BVerfG hat in beiden Entscheidungen die Weitergeltung der mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Normen angeordnet, so dass weiterhin Beiträge aus einmalig gezahltem Entgelt erhoben werden durften (vgl. BVerfGE 92, 53, 74; 102, 127, 145 f). Ebenso wenig trifft die Annahme zu, die genannten Beschlüsse des BVerfG beruhten auf dem Gedanken des Äquivalenzprinzips (Versicherungsprinzips), nach dem die Versicherten der Beitragsabführung entsprechende Leistungen erhalten müssten. Das BVerfG hat vielmehr in beiden Entscheidungen seine ständige Rechtsprechung bekräftigt, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten sei, dass bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistung erzielt werde (BVerfGE 92, 53, 71; 102, 127, 142). Die früheren Bestimmungen über die beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen hat das BVerfG lediglich deshalb für verfassungswidrig gehalten, weil die Einmalzahlung bei der Leistungsbemessung nicht berücksichtigt wurde und damit Versicherte mit gleichhoher Beitragsleistung leistungsrechtlich unterschiedlich behandelt wurden und ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung nicht erkennbar war (vgl. BVerfGE 92, 53, 71 f; 102, 127, 143 ff). Gleichfalls nicht stichhaltig ist der Einwand, es bestehe kein Anlass, das tarifvertraglich geschuldete Entgelt zur Grundlage der Beitragsbemessung zu machen, da die Versicherten Leistungsansprüche nur nach dem erzielten Entgelt erwerben würden. Diese Aussage trifft schon für den Erwerb von Rentenanwartschaften, aus denen in Zukunft Rentenansprüche entstehen, nicht zu und hat zum anderen für die beitragsunabhängigen Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ohnehin keine Relevanz. Sie gilt allenfalls für die kurzfristigen Lohnersatzleistungen zu, für deren Bemessung nur das im Bemessungszeitraum erzielte (d.h. tatsächlich zugeflossene) Entgelt maßgeblich ist (s. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 129 SGB III).
Der Senat hat schon in seinen Entscheidungen vom 31.10.2000 (L 5 KR 27/00) und 22.08.2002 (L 5 B 41/02 KR ER) uneingeschränkt das Entstehungsprinzip vertreten. Er hält an seiner Auffassung fest und sieht sich darin durch die jetzt durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I, 4621) vorgenommene Einfügung eines Halbsatzes in § 22 Abs. 1 SGB IV bestätigt. § 22 Abs. 1 SGB IV in der ab 01.01.2003 geltenden Fassung (Artikel 17 Abs. 1 des Gesetzes vom 23.12.2002) lautet nun mehr:
"Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen, bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist". Auf die tatsächliche Auszahlung wird somit lediglich für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt abgestellt, was im Gegenschluss bedeutet, dass für das laufende Entgelt etwas anderes gilt (so auch Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 545). In der Gesetzesbegründung wird dementsprechend auch ausgeführt, einmalige Einnahmen sollten dann beitragspflichtig werden, wenn sie dem Beschäftigten ausgezahlt worden seien (BT-Drucksache 15/26, Seite 24). Die jetzt vorgenommene Einfügung hat der Gesetzgeber somit nicht nur als Klarstellung angesehen und damit die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung zur Geltung der Entstehungsprinzips im Beitragsrecht der Sozialversicherung bestätigt.
III. Die Beklagte ist an der Geltendmachung des Beitragsanspruchs nicht gehindert, weil der Klägerin Vertrauensschutz einzuräumen wäre.
1. Die Frage, ob entsprechend dem für Normen geltenden Rückwirkungsverbot (vgl. dazu Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl., Artikel 20 Rdnr. 67 ff) auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Vertrauensschutz für die betroffenen Arbeitgeber führen kann (bejahend BSG, Urteil vom 18.11.1980, BSGE 51, 31, 37 f.) stellt sich hier nicht. Im Streit stehen Beitragsforderungen für die Jahre 1999 und 2000. Schon vor diesem Zeitraum hatte sich die Rechtsprechnung des BSG geändert. Die für die Beitragserhebung entscheidende Rechtsfrage der Anwendung des Entstehungsprinzips war zwar – wie oben ausgeführt – in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zunächst nicht eindeutig beantwortet worden (s. auch Wünnemann, DAngV 1981, 371; Franoschek, Die Beiträge 1994, 449), die Rechtslage war aber durch die Urteile vom 22.06.1994 (a.a.O.) und 30.08.1994 (a.a.O.), die in dem Urteil vom 21.05.1996 (a.a.O.) bestätigt wurden, geklärt. Die zur untertariflichen Bezahlung ergangene Entscheidung vom 25.11.1964 (a.a.O.), die auf dem Zuflussprinzip beruhte, war durch die geänderte Rechtslage seit Inkrafttreten des SGB IV überholt, das BSG hatte im Urteil vom 21.05.1996 auch ausdrücklich auf die Abkehr von dem Zuflussprinzip durch das SGB IV hingewiesen (a.a.O. S. 226). Es stand somit aufgrund dieser Entscheidungen lange vor dem Jahr 1999 fest, dass für den Beitragsanspruch allein maßgeblich der zum Fälligkeitszeitpunkt geschuldete Entgeltanspruch war. Gleichzeitig hatte das BSG im Urteil vom 30.08.1994 schon den Einzugsstellen die Befugnis zugesprochen, bei entsprechendem Anlass auch die Höhe des in der Vergangenheit nicht gezahlten, aber geschuldeten Arbeitsentgelts zu ermitteln und je nach dem Ergebnis über etwaige versicherungs- und beitragsrechtliche Auswirkungen zu entscheiden (a.a.O. Seite 68).
Die genannten Entscheidungen des BSG sind nicht nur in der amtlichen Sammlung, sondern auch in einschlägigen Fachzeitschriften publiziert (siehe die Veröffentlichungsnachweise in Juris) und auch in der Literatur diskutiert worden (siehe einerseits Peters-Lange, NZA 1995, 657, andererseits Klose, NZS 1996, 9, die – insoweit übereinstimmend – beide die endgültigen Aufgabe der Zuflusstheorie konstatieren). Vor diesem Hintergrund ist die Forderung, die Einzugsstellen oder die ab 01.01.1996 für die Betriebsprüfungen (mit) zuständigen Rentenversicherungsträger hätten die geänderte Rechtsprechung
den Arbeitgebern bzw. ihren steuerlichen Beratern bekannt geben müssen, fernliegend. Es ist nicht vorstellbar, dass jedenfalls den Steuerberatern, die Arbeitgeber bei der Beitragsabführung betreuen, diese Rechtsprechung unbekannt gewesen sein soll. So hatte etwa die Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe schon Ende 1998 über die Rechtsprechung des BSG informiert und auf die "neue" Prüfpraxis hingewiesen. Falls tatsächlich entsprechend den Auskünften der Bundessteuerberaterkammer bzw. der Steuerberaterkammern Köln und Düsseldorf die Rechtsprechung des BSG erst Anfang 2000 in breiteren Kreisen der Steuerberater zur Kenntnis genommen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen erörtert worden sein sollten (was auch angesichts der Tatsache, dass die Bundessteuerberaterkammer bereits am 12.04.1999 mit der BfA die Problematik der Beitragserhebung aus geschuldetem Entgelt erörtert hatte, verwundert), läge allenfalls ein kollektives Versäumnis dieses Berufsstandes vor. Wenn Steuerberater für die Arbeitgeber auch die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge übernehmen, obliegt es ihnen, sich über die insoweit einschlägige Rechtsprechung zu informieren.
2. Vertrauensschutz ist auch nicht deshalb zu gewähren, weil in der Vergangenheit – angeblich – die Einzugsstellen und (zunächst) die Rentenversicherungsträger bei den Betriebsprüfungen faktisch das Zuflussprinzip praktiziert und die Beitragsabführungen nach den tatsächlich gezahlten Entgelten nicht beanstandet hätten (s. etwa Breidenbach, BB 2002, 1910, 1911).
a) Für die Einräumung von Vertrauensschutz fehlt es insoweit bereits an einem Vertrauenstatbestand.
aa) In dem Urteil vom 18.11.1980 (a.a.O.) hat das BSG es für ein Gebot von Treu und Glauben gehalten, dass die Beitragspflichtigen nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden dürften, die im Widerspruch stehe zu dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf dessen Rechtmäßigkeit sie vertraut hätten und hätten vertrauen dürfen (a.a.O., Seite 36). Das BSG geht dabei von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus, nach der im Steuerrecht Vertrauensschutz dann bestehen kann, wenn die Verwaltung über einen längeren Zeitraum ein Verhalten gezeigt hat, durch das beim Steuerpflichtigen der Glauben erweckt worden ist, die Behandlung des Steuerfalles entspreche dem Recht (vgl. BFHE 77, 535; 81, 153; 84, 483; 99, 293). Eine Nachforderung verstößt nach dieser Rechtsprechung dann gegen Treu und Glauben, wenn sie in Widerspruch zu einem vorangegangenen nachhaltigen und einen Vertrauensschutz für den Steuerpflichtigen schaffenden Verhalten der Verwaltung steht. Vertrauensschutz hat der BFH dann bejaht, wenn die Verwaltung über einen längeren Zeitraum eine bestimmte Auffassung vertreten (BFHE 81, 353) oder in Kenntnis der tatsächlichen Umstände von der Geltendmachung einer Steuer- oder Abgabenforderung abgesehen hatte (BFHE 77, 535). Gleichzeitig hat der BFH in der letztgenannten Entscheidung aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Vertrauensschutz nicht allein dadurch begründet werden könne, dass der "Steueraufsichtsdienst" nicht sorgfältig geprüft habe. Auch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung reicht eine bloße Untätigkeit der zuständigen Behörde als Verwirkungsverhalten grundsätzlich nicht aus (vgl. BSGE 47, 194, 197; BSG USK 80292; BSG SozR 2200 § 520 Nr. 3; BSG Breithaupt 1987, 948; LSG Celle KVRS A-3200/6). Das bloße "Nichtstun", also ein Unterlassen, kann schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners nur begründen, wenn er das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (BSGE 45, 38, 48; 45, 195, 198; LSG Celle RV 1991, 95).
Nach diesen Maßstäben gibt es keine Grundlage für den geforderten Vertrauensschutz. Von der Klägerin wie auch von anderen Arbeitgebern wird insoweit geltend gemacht, aufgrund der an den tatsächlichen Einnahmen orientierten Prüfpraxis der Einzugsstellen, die auch von den Rentenversicherungsträgern jedenfalls zum Teil fortgeführt worden sei, seien sie von der Geltung des Zuflussprinzips ausgegangen. Unabhängig davon, ob die genannte Prüfpraxis den Schluss auf die Anwendung des Zuflussprinzips rechtfertigte (dazu sogleich unten c)), stellt sich grundsätzlich die Frage, worauf sich das Vertrauen der Arbeitgeber erstreckt haben soll. Hatten sie keine Kenntnis von der AVE der einschlägigen TV, wussten sie auch nicht, dass sie rechtlich einen höheren Lohn als den gezahlten schuldeten. Die Frage der Beitragsentrichtung aus tarifvertraglich entstandenen, aber nicht erfüllten Entgeltansprüchen konnte sich für sie damit nicht stellen. Folglich konnten sie auch aus dem Umstand, dass bei den Betriebsprüfungen die Beitragsabführung unbeanstandet blieb, schon mangels Kenntnis des höheren Entgeltanspruchs nicht den Schluss ziehen, die Einzugsstelle billige die Beitragsentrichtung nach dem gezahlten statt nach dem geschuldeten Arbeitsentgelt. Kannten sie dagegen Inhalt und Geltung der tarifvertraglichen Normen und wussten sie somit, dass sie einen geringeren als den tarifvertraglich geschuldeten Lohn zahlten, würde sich vor dem Hintergrund der oben genannten – eindeutigen – Rechtsprechung des BSG ihr Vertrauen nur auf die Aufrechterhaltung einer fehlerhaften Verwaltungspraxis und das weitere Unterbleiben der Durchsetzung entstandener Beitragsansprüche beziehen (siehe dazu unten III.2 b).
bb) Den eingeholten Auskünften der Einzugsstellen kann der Senat nicht entnehmen, dass die Arbeitgeber von der Anwendung des Zuflussprinzips ausgehen durften. In Übereinstimmung mit der Auskunft des AOK-Bundesverbandes, dass sich die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung seit Inkrafttreten des SGB IV am Entstehungsprinzip orientiert hätten, haben alle befragten Krankenkassen mitgeteilt, sie hätten das Entstehungsprinzip vertreten. Eine davon zu unterscheidende Frage ist, inwiefern sie bei Betriebsprüfungen dieses Prinzip auch durchgesetzt haben.
Die Auskünfte sind insoweit vage. Während die IKK Westfalen-Lippe behauptet, es seien auch Beiträge aus tarifvertraglich geschuldetem Entgelt gefordert worden (wobei offenbleibt, ob diese Kasse auch von sich aus der Geltung von TV nachgegangen ist), haben die DAK und die AOK-Westfalen offen eingeräumt, sie hätten bei Betriebsprüfungen nicht die Frage des Bestehens (höherer) tarifvertraglicher Entgeltansprüche aufgegriffen. Die Aussage der BEK, die hier angesprochene Praxis (d.h. die Frage nach der Beitragserhebung aus tarifvertraglich geschuldetem Entgelt) sei "verstärkt" mit dem Übergang der Betriebsprüfungen auf die Rentenversicherungsträger aufgetreten, lässt den Schluss zu, dass sie wohl selbst entsprechende Nachforderungen nicht verfolgt hat. Die TKK hat Beitragsansprüche auf der Grundlage von tarifvertraglich geschuldetem Entgelt (nur) nachgefordert, wenn sie entsprechende Ansprüche festgestellt habe. Die AOK Rheinland hat im wesentlichen die Rechtslage geschildert, die IKK Nordrhein konnte nur sagen, regelmäßig und systematisch habe sich die Kasse bei den Betriebsprüfungen nicht mit dieser Problematik befasst.
Nach diesen Auskünften der befragten Krankenkassen, die bis Ende 1995 für die Betriebsprüfungen allein zuständig waren und noch bis 1998 – in zunehmend geringerem Umfang – Betriebsprüfungen durchgeführt haben, muss allerdings davon ausgegangen werden, dass zwar die Krankenkassen das Entstehungsprinzip vertreten, sich aber bei den Betriebsprüfungen darauf beschränkt haben, die Beitragsabführung auf der Grundlage der gezahlten Löhne zu überprüfen und sie nur dann Beiträge aus geschuldetem, aber nicht gezahltem Entgelt nachgefordert haben, wenn die Versicherten dies im Einzelfall verlangt haben bzw. entsprechende arbeitsrechtliche Ansprüche der Kasse bekannt geworden sind. Diese Praxis geht aber über ein bloßes "Nichtstun" nicht hinaus, das grundsätzlich als Verwirkungsverhalten nicht ausreicht und nur dann schutzwürdiges Vertrauen begründen kann, wenn der Gläubiger es nach den Umständen als bewusst und planmäßig ansehen durfte (BSGE 45, 38, 48; 45, 195, 198; LSG Celle RV 1991, 95). Von einem bewussten und planmäßigen Unterlassen hätten die Arbeitgeber aber nur ausgehen können, wenn sie selbst die – nicht erfüllten – tarifvertraglichen Ansprüche kannten und die Einzugsstellen in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts, also auch der Geltung und Anwendbarkeit tarifvertraglicher Normen und den sich daraus ergebenden Lohnansprüchen, bei der Beitragsprüfung ausschließlich auf die gezahlten Entgelte abgestellt hätten.
Hierfür gibt es keinen Anhalt. Den Auskünften der Einzugsstellen ist vielmehr zu entnehmen, dass sie aktiv der Frage der Geltung von TV nicht nachgegangen sind und sich keine Kenntnis von dem Bestehen unter Umständen höherer Entgeltansprüche verschafft haben. Dem Senat sind auch aus Parallelverfahren keine Hinweise darauf bekannt geworden, dass die Einzugsstellen in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts eine Beitragserhebung nach dem Zuflussprinzip gebilligt hätten; auch die Klägerin hat dazu nichts vorgetragen. Die Behauptung, bei den Betriebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 SGB IV werde zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Beiträge die genaue Höhe des Arbeitsentgeltes festgestellt und mit den ggf. zu beachtenden Tariflöhnen verglichen, so dass es ausgeschlossen sei, dass die Nichteinhaltung von TV bei den Betriebsprüfungen unentdeckt bleibe (so Breidenbach, a.a.O, Seite 1913), ist unzutreffend und verkennt die Funktion und Bedeutung von Betriebsprüfungen. Die Betriebsprüfer sind bei den Prüfungen zu einer Überprüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht verpflichtet (vgl. BSG USK 8750 zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen einer GmbH für die Prüfung der Versicherungspflicht des Geschäftsführers). Betriebsprüfungen brauchen nicht umfassend und erschöpfend zu sein und können sich auf bestimmte Einzelfälle und Stichproben beschränken. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu; sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm "Entlastung" zu erteilen (BSGE 47, 194, 198; BSG USK 8750). Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat es daher stets abgelehnt, das Vertrauen des Beitragsschuldners in die Nichtbeanstandung unterbliebener Beitragsentrichtung bei Betriebsprüfungen zu schützen (BSG Breithaupt 1976, 303, 305; BSGE 47, 194, 198; BSG USK 8750; LSG Celle KVRS A-3200/6; Senat, Urteil vom 03.09.2002 – L 5 KR 26/01). Das BSG hat sogar ein die Einzugsstelle bindendes Verwirkungshandeln verneint, wenn der Betriebsprüfer anlässlich der Betriebsprüfung eine bestimmte Rechtsauffassung geäußert hatte, ohne einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. BSGE 47, 194, 198). Aufgrund der Nichtbeanstandung der Beitragsabführung bei den Betriebsprüfungen konnten somit die betroffenen Arbeitgeber nicht davon ausgehen, die Einzugsstellen legten der Beitragserhebung das Zuflussprinzip zugrunde.
Ebenso wenig bot die Praxis der für die Betriebsprüfungen ab 01.01.1996 zuständigen Rentenversicherungsträger (deren Zuständigkeit zunächst übergangsweise neben die der Krankenkassen getreten ist, vgl. zur Entwicklung KassKomm – Seewald, § 28f SGB IV Rdnr. 1) eine Grundlage für die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes. Die Beklagte hat durchgehend glaubhaft vorgetragen, dass im Bereich ihrer Prüfdienste die Entstehungstheorie im Sinne der Rechtsprechung des BSG Beachtung gefunden habe. Schon in ihren Arbeitsanweisungen aus dem Jahr 1992 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei untertariflicher Bezahlung sich die Beiträge unabhängig von der tatsächlichen Gehaltszahlung nach der Höhe der bei Fälligkeit geschuldeten, aber nicht gezahlten Entgelte richteten. Auch die LVA Westfalen hat – wie dem Senat aus dem Parallelverfahren L 5 KR 197/01 bekannt und in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist – mit Übergang der Zuständigkeit für die Betriebsprüfungen das Entstehungsprinzip vertreten und praktiziert. Ob dabei tatsächlich in allen Fällen den Fragen nach der Anwendbarkeit von TV und dem Bestehen tarifvertraglicher Ansprüche und den sich daraus ergebenden versicherungs- und bei tragsrechtlichen Folgen nachgegangen worden ist, ist vor dem Hintergrund der oben dargelegten Bedeutung und Funktion von Betriebsprüfungen irrelevant.
Ebenso unbeachtlich ist, ob die LVA Westfalen im Frühjahr 1999 gegenüber der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe geäußert hat, aus "Vertrauensschutzgründen" würden Beitragsnachforderungen in Fällen der vorliegenden Art für Prüfzeiträume bis 31.12.1998 nicht geltend gemacht und ob sie insoweit tatsächlich Widersprüchen abgeholfen hat. Breidenbach (a.a.O.) irrt, wenn er unter Hinweis auf dieses Handeln der LVA Westfalen meint, damit beruhe das Vertrauen der Arbeitgeber auf der Aufrechterhaltung der Prüfpraxis auch auf einem aktiven Tun – nämlich dem Abhelfen von Widersprüchen – der Rentenversicherungsträger. Er übersieht, dass zum einen Äußerungen und Handlungen im Jahre 1999 keine Grundlage für das Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit eines vor diesem Zeitraum liegenden Handelns bieten können und dass sich vor allem die Äußerung der LVA Westfalen nicht auf das Handeln der Arbeitgeber bezieht, für das diese Vertrauensschutz geltend machen. Diese wollen auf die Geltung des Zuflussprinzips vertraut haben. Genau diese Frage hat die LVA Westfalen aber verneint, sie hat vielmehr – wie auch in der Auskunft der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe eingeräumt wird – darauf hingewiesen, dass bei den Beitragsberechnungen beachtet werde, ob Arbeitsentgelte in einem allgemein verbindlich erklärten TV festgelegt worden seien. Die Einräumung von Vertrauensschutz betrifft allein die Bewertung der Bedeutung des vorangegangenen Handelns der Einzugsstellen, die unabhängig von der Beurteilung der LVA Westfalen vorzunehmen ist.
Nur die LVA Rheinprovinz hat jedenfalls bis Ende 1998 offenbar auch nach außen hin eine andere Position vertreten. Die aus einem – nicht näher bezeichneten – Schreiben von der Steuerberaterkammer Düsseldorf zitierten Äußerungen der LVA Rheinprovinz gehen tatsächlich von der Anwendung des Zuflussprinzips aus. In den übersandten Arbeitsanweisungen von April und November 1998 wird dementsprechend sogar für den Fall einer untertariflichen Bezahlung die Entscheidung des BSG vom 25.11.1964 (a.a.O.) zitiert und behauptet, bei Vereinbarung einer untertariflichen Entlohnung richteten sich hiernach auch die Beiträge zur Sozialversicherung. Ob in Fällen, in denen Arbeitgeber eine entsprechende Auskunft der LVA Rheinprovinz (die freilich außerhalb von Betriebsprüfungen hierfür nicht zuständig war, da nach § 28h Abs. 1 Satz 2 SGB IV die Einzugsstelle die Zahlung der Beiträge überwacht und nach Absatz 2 Satz 1 ggf. über die Beitragshöhe entscheidet) erhalten haben, Vertrauensschutz zu gewähren wäre, kann dahinstehen; die Klägerin hat selbst nicht geltend gemacht, eine entsprechende Auskunft eingeholt zu haben.
cc) Jedenfalls für den hier streitbefangenen Zeitraum ab Januar 1999 wäre ohnehin für die Annahme von Vertrauen kein Raum mehr. Das BSG weist in dem Urteil vom 18.11.1980 ausdrücklich darauf hin, das Vertrauen des Beitragspflichtigen erscheine dann nicht mehr schutzwürdig, wenn er Anlass habe, an der Aufrechterhaltung einer früheren Rechtsprechung zu zweifeln (a.a.O. Seite 39). Gleiches gilt für die Fortführung einer bestimmten Verwaltungspraxis. Insoweit ist zu beachten, dass auch im Bereich der LVA Rheinprovinz Betriebsprüfungen durch die BfA durchgeführt worden sind und von daher keine einheitliche Praxis bestand. Tatsächlich gab es bereits im Laufe des Jahres 1998 deutliche Hinweise auf die Anwendung des Entstehungsprinzips in Fällen der vorliegenden Art bei Betriebsprüfungen. Dies belegen die in der mündlichen Verhandlung erörterten Unterlagen: In einem Schreiben des Hotel- und Gaststättenverbandes Westfalen e.V. vom 05.11.1998 wird unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG erläutert, dass es auf die tatsächlichen Gehaltszahlungen nicht ankomme, wenn zusätzlich aufgrund eines TV Ansprüche auf Jahressonderzahlungen oder Urlaubsgeld entstanden seien. In diesen Fällen könne es zu einem Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze kommen mit der Folge, dass die "kompletten" Sozialversicherungsbeiträge abzuführen seien. Ähnlich wird in einem Schreiben des Arbeitgeberverbandes Ruhr/Lenne e.V. vom 02.11.1998 auf die "bedenkliche" Rechtsprechung der Sozialgerichte (darunter die Entscheidungen des BSG aus dem Jahr 1994 und 1996) hingewiesen und ausgeführt, dass nach dieser Rechtsprechung auch nicht geschuldetes Arbeitsentgelt der Beitragspflicht unterliege und Grundlage für Beitragsnachforderungen sein könne. Dies könne für den Arbeitgeber von geringfügig Beschäftigten die Konsequenz haben, dass die Geringfügigkeitsgrenze aufgrund tarifvertraglicher Sonderzahlungen überschritten werde, obwohl diese weder an den Arbeitnehmer gezahlt worden seien noch eine Zahlung vertraglich vereinbart worden sei. Der gleiche Hinweis erfolgt in einem Schreiben einer Steuerberatungsgesellschaft in B … vom August 1998 (Anlage zur Auskunft der AOK Westfalen-Lippe), in der sogar ausdrücklich angegeben wird, die Rentenversicherungsträger prüften seit "Anfang des Jahres" gezielt geringfügige Beschäftigungsverhältnisse im Einzelhandel insbesondere danach, ob tarifvertraglich zustehende Zahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nicht ausgezahlt worden seien. Ferner kann davon ausgegangen werden, dass dem Schreiben des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks vom 14.01.1999, mit dem er das Problem der Beitragserhebung aus nicht gezahltem Entgelt an das (damalige) Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herangetragen und auf das der damalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung unter dem 04.02.1999 (unter Bekräftigung des Entstehungsprinzips) geantwortet hat, eine größere Zahl von bekannt gewordenen Fällen der Beitragsnacherhebungen vorangegangen sein muss. Gleiches gilt für den in der Zeitschrift "impulse 9/98" veröffentlichten Beitrag, in dem auch ausdrücklich auf die sich für die Arbeitgeber ergebenden Konsequenzen hingewiesen wird. Schließlich hat sich die Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe Ende 1998 veranlasst gesehen, aufgrund bekannt gewordener Fälle in ihrem amtlichen Mitteilungsblatt auf die "unbestätigte" Auffassung der Sozialversicherungsträger zur Beitragspflicht trotz Nichtzahlung von Arbeitsentgelt hinzuweisen. Dementsprechend war auch an die Bundessteuerberaterkammer von verschiedenen Steuerberaterkammern die Problematik zur Vorbereitung der am 12.04.1999 mit der BfA durchgeführten Besprechung herangetragen worden (so deren Auskunft vom 16.08.2002). Die Gesamtschau dieser Unterlagen zeigt, dass jedenfalls seit Ende 1998/Anfang 1999 sich Zweifel an der Aufrechterhaltung einer Prüfpraxis, auf die die Arbeitgeber ihr Vertrauen gestützt haben wollen, aufdrängten.
Diese Zweifel mussten sich seit der Besprechung der Bundessteuerberaterkammer mit der BfA im April 1999 verdichten, wenn man nicht ohnehin annimmt, dass damit die Position der Rentenversicherungsträger geklärt war. Ausweislich der Besprechungsniederschrift hat die BfA eindeutig das Entstehungsprinzip und die sich daraus ergebenden versicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen vertreten. Angesichts der Besprechungsniederschrift vom 12.04.1999 ist die sowohl von der Bundessteuerberaterkammer als auch von den Steuerberaterkammern des Landes NRW vertretene Auffassung, die Rentenversicherungsträger hätten es vor dem Arbeitgeber-Info Nr. 1 vom 06.01.2000 der BfA versäumt, über die Änderung der Verwaltungsübung zu informieren, nicht nachvollziehbar. Wenn die Bundessteuerberaterkammer die von der BfA vertretene Auffassung nicht den lokalen Steuerberaterkammern bekanntgegeben haben oder die Kammern diese Information nicht an ihre Mitglieder weitergegeben haben sollten, würde dies eher auf Kommunikationsstörungen innerhalb des Kammersystems hindeuten und die Frage aufwerfen, welchen Sinn Besprechungen auf Bundesebene haben sollen, wenn deren Ergebnisse nicht den lokalen Kammern bzw. deren Mitgliedern mitgeteilt werden.
Ohnehin läuft die Forderung, die Sozialversicherungsträger hätten die Arbeitgeber bzw. die Steuerberater darauf hinweisen müssen, dass sie künftig bei Betriebsprüfungen aktiv prüfen würden, ob Beiträge nach dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt entrichtet worden seien, darauf hinaus, dass die Arbeitgeber hätten "gewarnt" werden müssen, eine (arbeits-)rechtlich unhaltbare Praxis (Nichterfüllung tarifvertraglicher Ansprüche) fortzuführen. Dass insoweit durchaus auch in Kreisen der Arbeitgeber "Problembewusstsein" bestand, belegt der der Auskunft des Einzelhandelsverbandes Aachen-Düren e.V. beigefügte Auszug aus dessen Publikation "Handelsjournal 4/99". Dort wird in einem Beitrag zur Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenze auf einen "von Flensburg bis Oberammergau bekannten Trick" hingewiesen. Man zahle einfach nur einen Stundenlohn von 10,– DM, der bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden zu einer durchschnittlichen Monatsvergütung von 606,42 DM führe. Dies sei "betriebswirtschaftlich vertretbar, rechtlich total daneben", wie anschließend erläutert wird, weil auch Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf alle tarifvertraglichen Ansprüche hätten und bei der vereinbarten Arbeitszeit aufgrund des tarifvertraglichen Lohnes Versicherungspflicht bestehe.
Vor diesem Hintergrund war jedenfalls seit 1999 die Vertrauensgrundlage entfallen. Angesichts der deutlichen Hinweise auf die der Rechtslage entsprechende "neue" Prüfpraxis und die Erhebung von Beiträgen aus nicht erfüllten tarifvertraglichen Entgeltansprüchen wäre es Sache der Arbeitgeber gewesen, durch Rückfrage (unter Angabe des vollständigen Sachverhalts) bei den Einzugsstellen (arg. § 28h Abs. 1 SGB V) die beitragsrechtliche Frage zu klären und ggf. eine – dann im Rahmen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Vertrauensschutz begründende – Entscheidung (§ 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV) herbeizuführen. Der Senat hat nach den eingeholten Auskünften der Einzugsstelle auch keine Zweifel, dass die Klägerin im Fall einer Rückfrage unter Schilderung des vollständigen Sachverhalts (Zahlung eines unter der geltenden tarifvertraglichen Vergütung liegenden Entgeltes) auf die Beitragsabführung nach dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt hingewiesen worden wäre.
b) Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats einen Vertrauenstatbestand bejahen würde, hielte der Senat das Vertrauen der Klägerin nicht für schutzwürdig. Wie oben dargelegt, kann sich die Frage des Vertrauens nur stellen, wenn dem Arbeitgeber bekannt war, dass kollektivvertraglich ein höheres als das individualvertraglich vereinbarte und tatsächlich gezahlte Entgelt geschuldet wurde.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die spätere Feststellung eines höheren Entgeltanspruchs als Bemessungsgrundlage für Beiträge für vergangene Zeiträume nicht eine nachträgliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entrichtung von Beiträgen begründet, sondern lediglich eine bereits in der Vergangenheit entstandene Beitragsforderung geltend gemacht wird (zutreffend Klose, a.a.O., Seite 12). Die Einzugsstellen mögen in der Vergangenheit bei Betriebsprüfungen sich mit der Prüfung der Lohnkonten auf der Grundlage der tatsächlich gezahlten Entgelte begnügt und es unterlassen haben, der Frage nachzugehen, ob nicht tatsächlich aufgrund tarifvertraglicher Ansprüche höhere Beitragsansprüche bestanden. Die betroffenen Arbeitgeber konnten somit allenfalls darauf vertrauen, die für die Betriebsprüfungen nunmehr zuständigen Rentenversicherungsträger würden es weiterhin unterlassen, entstandene Beitragsforderungen durchzusetzen. Es ist schon zweifelhaft, ob insoweit schutzwürdiges Vertrauen bestehen kann.
Vertrauensschutz muss jedenfalls dann verneint werden, wenn das Verhalten des Vertrauensschutz beanspruchenden Schuldners sich als Verstoß gegen die Rechtsordnung darstellt. So liegt es hier. Die Klägerin hat die im Bereich des Einzelhandels geltenden tarifvertraglichen Regelungen verletzt. Unter Verstoß gegen die zwingenden (§ 4 Abs. 1 TVG) Rechtsnormen der im streitigen Zeitraum geltenden TV hat sie der Beigeladenen zu 1) ein deutlich unter der tariflichen Vergütung liegendes Entgelt gezahlt (augenscheinlich nach der vertraglichen Gestaltung – 600,– DM Monatslohn bei einer Arbeitszeit von 14 Wochenstunden – in Anwendung des im "Handelsjournal 4/99" erwähnten "Tricks"). Bereits seit 1982 waren im Bereich des Einzelhandels in Nordrhein- Westfalen die Lohn- und Gehalts-TV für allgemein verbindlich erklärt (s. AVE vom 26.07.1982, BAnz Nr. 157 vom 26.04.1982, Seite 4). Die AVE eines Tarifvertrages setzt nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TVG ein öffentliches Interesse an der allgemeinen Geltung der tarifvertraglichen Regelungen voraus. Sie ist ein staatlicher Normsetzungsakt eigener Art, mit der der Staat die Tarifnormen in seinen Willen aufnimmt (Löwisch/Riebele, a.a.O., § 5 Rdnr. 14). Mit der AVE wird die Effektivität der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung gesichert. Die AVE ist ein Instrument, das die von Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Koalitionen abstützen soll, indem sie den Normen der TV zu größerer Durchsetzungskraft verhilft. Daneben dient sie dem Ziel, den Außenseitern angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern. Insoweit beruht die AVE auf der subsidiären Regelungszuständigkeit des Staats, die immer dann eintritt, wenn die Koalitionen die ihnen übertragene Aufgabe, das Arbeitsleben durch TV sinnvoll zu ordnen, im Einzelfall nicht allein erfüllen können und die soziale Schutzbedürftigkeit einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppe oder ein sonstiges öffentliches Interesse ein Eingreifen des Staates erforderlich machen (so BVerfGE 44, 322, 342). Die AVE tritt also als "Gesetzesersatz" (so Wank in: Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 5 Rdnr. 6) an die Stelle einer "eigentlich" erforderlichen gesetzlichen Regelung. Mit der AVE sollte den Beschäftigten im Bereich des Einzelhandels ein bestimmtes Entgelt niveau garantiert und gleichzeitig für alle Unternehmen des Einzelhandels gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die Klägerin hat sich über die durch die TV geschaffene Rechtslage durch Zahlung einer untertariflichen Vergütung hinweggesetzt. Ob sie sich arbeitsrechtlich gegenüber Lohnnachforderungen der Beigeladenen 1) auf die Verfallklausel des § 24 Abs. 1 MTV berufen könnte (vgl. dazu Wank, a.a.O., § 4 Rdnr. 787 ff) kann dahinstehen. Angesichts des öffentlichen Interesses an der vollständigen Erhebung von Einnahmen in der Sozialversicherung (§ 76 Abs. 1 SGB IV) ist ein Vertrauen darauf, dass der Rechtsverstoß sich (auch) beitragsrechtlich "auszahlt", nicht schutzwürdig; vielmehr ist es geboten, die bereits in der Vergangenheit entstandenen Beitragsansprüche durchzusetzen, nachdem der höhere Entgeltanspruch als Bemessungsgrundlage für die Beiträge erkannt worden ist.
IV. 1. Die Beklagte durfte bei der Betriebsprüfung die Wirksamkeit der einzelvertraglichen Lohnabsprache zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) überprüfen. Soweit bezweifelt wird, dass die Rentenversicherungsträger bei Betriebsprüfungen die Gültigkeit arbeitsrechtlicher Regelungen uneingeschränkt überprüfen dürfen (so Schmiedl NZS 2001, 638, 639f), geht diese Ansicht von der – wie dargelegt – unzutreffenden Ansicht aus, das BSG habe das Zuflussprinzip nur insoweit aufgegeben, als es um die Vermeidung "krasser sozialer Nachteile" gehe. Im Übrigen räumt auch diese Ansicht den Rentenversicherungsträgern in einem gewissen Umfang ein Überprüfungsrecht ein. Die hierfür genannten Voraussetzungen liegen hier vor. Wenn entgegen den Bestimmungen eines zwingend geltenden (§ 4 Abs. 1 TVG) allgemeinverbindlich erklärten TV ein untertariflicher Lohn gezahlt wird, ist die vom TV abweichende Individualabrede "evident unwirksam". Da nach dem Tarifvertragsrecht weder für den Arbeitnehmer nachteilige Abmachungen (§ 4 Abs. 3 TVG) noch ein Verzicht auf entstandene Rechte möglich sind (§ 4 Abs. 4 TVG), drängt sich die Unwirksamkeit der individualvertraglichen Vereinbarung eines untertariflichen Lohnes auch sofort auf, so dass ein Überprüfungsrecht der Beklagten in Fällen dieser Art nicht in Frage gestellt werden kann.
Soweit geltend gemacht wird, die Arbeitnehmer seien nach dem Tarifvertragsgesetz nicht verpflichtet, tarifvertragliche Ansprüche geltend zu machen und Außenstehende seien von sich aus nicht legitimiert, die Ansprüche von tarifgebundenen Personen zu verfolgen, berührt dieser Gesichtspunkt die Beitragsnachforderung nicht. Die Beklagte macht keine privatrechtlichen, auf dem TV beruhenden Ansprüche geltend, sondern sie hat lediglich Beiträge nach dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt berechnet und verfolgt die sich daraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Beitragsansprüche.
2. Der Anwendung der TV im vorliegenden Fall steht nicht entgegen, dass sowohl die Lohn- und Gehalts-TV vom 29.06.1998 als auch die Nachfolge-TV vom 07.08.1999 mit rückwirkender Wirkung für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Eine Rückwirkung der AVE ist zulässig, wenn der Außenseiter mit der Rückwirkung rechnen musste. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein früher für allgemeinverbindlich erklärter TV erneuert oder geändert wird (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAGE 84, 147; s.a. Wank, a.a.O. Rdnr. 105). Da die Lohn- und Gehalts-TV für den Einzelhandel in NRW bereits seit 1982 fortlaufend für allgemeinverbindlich erklärt worden waren, musste die Klägerin angesichts dieser bestehenden Übung davon ausgehen, dass die jeweils geschlossenen Lohn- und Gehalts-TV ab ihrem Inkrafttreten wiederum für allgemeinverbindlich erklärt und entsprechende tarifvertragliche Lohnansprüche begründen würden. Soweit erstmals die AVE der ab 01.04.2000 geltenden Lohn- und Gehalts-TV abgelehnt worden ist (Bekanntmachung vom 10.04.2001, BAnz Nr. 87 vom 10.05.2001, Seite 9 170), kann daraus nicht abgeleitet werden, dass auch schon im streitbefangenen Zeitraum die Klägerin mit der Ablehnung der AVE hätte rechnen dürfen.
Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, die in den TV festgesetzten Löhne und Gehälter seien für ländliche Gebiete zu hoch. Die AVE setzt ein öffentliches Interesse voraus (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG). Die Arbeitgeber haben die Möglichkeit, sich vor der Entscheidung über die AVE schriftlich und mündlich zu äußern (§ 5 Abs. 2 TVG). Der von der Klägerin genannte Aspekt kann im Rahmen dieses Verfahrens vorgebracht und gewürdigt werden. Wird der TV gleichwohl für allgemeinverbindlich erklärt, liegt es dann aber nicht mehr im Belieben des einzelnen Arbeitgebers, die Tariflöhne zu unterschreiten, weil er sie für zu hoch hält.
3. Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Beiträge sind der Beklagten bei der Anwendung der TV Fehler unterlaufen, die aber im Ergebnis die Klägerin nicht beschweren.
a) Die Beklagte hat der Beitragsberechnung den niedrigsten Tariflohn für gewerbliche Arbeitnehmer, also nach den jeweils geltenden Lohn-TV (s. deren § 1) zugrunde gelegt. Nach dem Arbeitsvertrag war die Beigeladene zu 1) aber als Verkäuferin und damit als kaufmännische Angestellte tätig, so dass der für alle kaufmännischen und technischen Angestellten geltende Gehalts-TV (in der jeweils geltenden Fassung) Anwendung findet. Bei Anwendung des Gehalts-TV würde sich jedoch ein höheres beitragspflichtiges Entgelt ergeben, als die Beklagte im Bescheid zugrunde gelegt hat: Auch wenn die Beigeladene zu 1) nicht über eine abgeschlossene kaufmännische oder sonstige Ausbildung verfügte, war sie im fraglichen Zeitraum mindestens in die Gehaltsgruppe I 5. Berufsjahr der Gehalts-TV mit einem Monatslohn von 2.962,– DM (Gehalts-TV vom 29.06.1998) bzw. ab 01.07.1999 von 3.051,– DM (Gehalts-TV vom 07.08.1999) einzugruppieren. Selbst wenn der Beigeladenen zu 1) zunächst als Angestellter ohne kaufmännische Ausbildung nur ein gemäß § 3 A der Gehalts-TV reduziertes Gehalt zugestanden hätte, wären aufgrund ihrer Beschäftigung seit 01.01.1994 die für die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe I erforderlichen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 Buchstabe c) des Gehalts-TV (in allen Fassungen) erfüllt gewesen, weil der zweijährigen kaufmännischen Ausbildung eine kaufmännische Berufstätigkeit von drei Jahren überwiegend im Verkauf gleich gesetzt wird. Da die Beigeladene zu 1) vor Aufnahme der Tätigkeit am 01.01.1994 das 25. Lebensjahr vollendet hatte, war für die Berechnung ihres (reduzierten) Gehalts nach § 3 Abs. 1 des Gehalts-TV zunächst das Tarifgehalt der Gehaltsgruppe I 4. Berufsjahr maßgeblich. Mit Beginn des 4. Tätigkeitsjahres (d.h. der Gleichstellung mit der kaufmännischen Ausbildung) war sie dann nach § 3 Abs. 2 des Gehalts-TV (in allen Fassungen) in die Gehaltsgruppe I 5. Berufsjahr mit den oben genannten Monatslöhnen einzugruppieren. Die Beklagte hat demgegenüber Monatslöhne in Höhe von 2.680,– DM bzw. 2.760,– DM zugrunde gelegt. Sowohl nach dem Lohn-TV (§ 2 Abs. 2 in allen Fassungen) als auch nach dem Gehalts-TV (§ 2 Abs. 5 in allen Fassungen) beträgt der Stundenlohn 1/163 des Monatsentgeltes.
b) Auch bei der anteiligen Berechnung des Urlaubsgeldes sind der Beklagten Fehler unterlaufen. Insoweit ist maßgeblich der TV über Sonderzahlungen vom 20.06.1996, der im Jahr 2000 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 28.11.1997 galt. Im Jahre 1999 betrug nach § 1 Abs. 1 des TV über Sonderzahlungen das Urlaubsgeld 55 % des tariflichen Entgeltanspruches für das letzte Berufsjahr der Gehaltsgruppe I des Gehalts-TV am Stichtag 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres. Das nach dieser Bestimmung 1999 maßgebliche Entgelt betrug 3.349,– DM, so dass das Urlaubsgeld für einen Vollzeitbeschäftigten 1.841,95 DM betragen hätte und nicht wie von der Beklagten zugrunde gelegt 1.474,– DM. Zutreffend ist die Berechnung hinsichtlich der anteiligen Berücksichtigung des Urlaubsgeldes für die Teilzeitbeschäftigten. Nach § 1 Abs. 4 des TV über Sonderzahlungen haben Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf ein anteiliges Urlaubsgeld entsprechend dem Verhältnis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit. Die tarifliche Wochenarbeitszeit betrug 37,5 Stunden (§ 2 Abs. 1 MTV), so dass die Klägerin bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden (gerundet) 37 % der tariflichen Arbeitszeit gearbeitet hat.
Im Jahr 2000 betrug das Urlaubsgeld nach der Vereinbarung zu I. des TV zur Änderung der Ergänzung des TV über Sonderzahlungen vom 28.11.1997 nur noch 50 % des Tarifgehaltes für das letzte Berufsjahr der Gehaltsgruppe I am Stichtag 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres. Das maßgebliche Tarifgehalt belief sich am 01.01.2000 auf 3.449,– DM, so dass das volle Urlaubsgeld demnach 1.724,50 DM betrug. Die Beklagte hat demgegenüber in ihrem Bescheid ein Urlaubsgeld von 1.841,95 DM angesetzt. Zutreffend ist wiederum die anteilige Berechnung des (Teil)Urlaubsgeldes für die Beschäftigung bis 31.03.2000, denn nach § 1 Abs. 6 des TV über Sonderzahlungen bestand der Urlaubsgeldanspruch anteilig dem Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat in dem Kalenderjahr, in dem das Arbeitsverhältnis endet.
Im Jahr 1999 hat die Beklagte also der Entgeltberechnung sowohl ein zu niedriges laufendes Entgelt als auch eine zu niedrige Sonderzahlung zugrunde gelegt. Der Fehler bei der Bestimmung der Sonderzahlung im Jahr 2000 wirkt sich im Ergebnis nicht zu Lasten der Klägerin aus, denn die Beklagte hat für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2000 ein Gesamtentgelt von 2.047,– DM zugrunde gelegt. Wenn man richtigerweise vom Gehalts-TV und (nur) einem Tarifgehalt von 3.051,– DM (Gehaltsgruppe I 5. Berufsjahr) ausgeht, ergibt sich schon ohne das Urlausgeld ein weit höheres Entgelt von 3.369,20 DM (Stundenlohn 18,71 DM x 180 Stunden). Für die Beschwer der Klägerin ist nur das im Bescheid zugrunde gelegte Gesamtentgelt maßgeblich, nicht aber die einzelnen Berechnungsfaktoren.
4. Auf der Grundlage der von der Beklagten ermittelten Entgeltansprüche sind zutreffend die Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung festgesetzt worden (§§ 123 Abs. 2, 226 Abs. 1 SGB V, 161, 162 Nr. 1 SGB VI, 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 SGB V, 341 Abs. 3, 342 SGB III). Für die Beitragsansprüche ist unerheblich, ob die Entgeltansprüche aufgrund der Verfallklausel des § 24 Abs. 1 MTV untergegangen sind (BSGE 75, 61, 66).
Die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages ergibt sich aus § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Hinsichtlich der geforderten Beiträge zu den Umlagen U 1/U 2, für deren Bemessung die gleiche Grundlage wie für die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend ist (§ 14 Abs. 2 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG)), folgt die Zahlungspflicht der Klägerin aus § 14 Abs. 1 LFZG.
V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis 01.01.2002 geltenden Fassung. § 197 a SGG in der seit 02.01.2002 geltenden Fassung findet keine Anwendung, da das neue Kostenrecht nur in den Verfahren anzuwenden ist, die nach dem Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes anhängig geworden sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24; zuletzt BSG, Urteil vom 28.11.2002 – B 7/1 A 2/00 R). Da sich die Beigeladene zu 1) nicht am Verfahren beteiligt hat, hat der Senat davon abgesehen, ihre Kosten der Klägerin aufzuerlegen
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 08.09.2004
Zuletzt verändert am: 08.09.2004