Auf die Beschwerde des Klägers vom 25.06.2012 wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.05.2012 geändert. Dem Kläger wird für die Zeit ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F, E, bewilligt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der Kläger begehrt im Hauptsacheverfahren für die Zeit vom 01.08.2008 bis 30.11.2008 die Gewährung eines zusätzlichen monatlichen Betrages in Höhe von 183,76 Euro für die Kosten der Unterkunft (KdU).
Der am 00.00.1950 geborene Kläger bezieht laufend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er lebt aktuell mit seiner am 00.00.1958 geborenen Ehefrau sowie seinem Sohn O (geb. 00.00.1987) in einer Haushalts-/Bedarfsgemeinschaft. Für den Zeitraum vom 01.08.2008 bis zum 30.11.2008 ist streitig, ob zusätzlich der Sohn C (geb. am 19.02.1982) mit im Haushalt des Klägers lebte. Der Beklagte berücksichtigte den Sohn C, der über eigenes Einkommen verfügte, als sog. Haushaltszähler, so dass die im streitigen Zeitraum gewährten KdU um den für diesen anzusetzenden Kopfteil geringer festgesetzt worden sind. Der Kläger machte demgegenüber bei dem Beklagten im Rahmen seiner Widersprüche gegen die Bewilligungs- und Änderungsbescheide zum streitigen Zeitraum (Bescheide vom 10.07.2008 und 19.12.2008) geltend, dass sein Sohn C zwar am 01.12.2008 zu seiner Freundin gezogen sei. Er sei jedoch bereits am 01.08.2008 aus der elterlichen Wohnung ausgezogen. Als Beleg überreichte er eine Erklärung des N H, wonach C N bei ihm in der Zeit vom 01.08.2008 bis zum 30.11.2008 gewohnt habe.
Der Beklagte wies die Widersprüche des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2010 zurück. Soweit der Zeitpunkt des Auszuges des Sohnes C streitig sei, fänden sich keinerlei Hinweise in den Leistungsakten, dass der Kläger seinen Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten nachgekommen sei und einen Auszug seines Sohnes im Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse zum 01.08.2008 angezeigt hätte. Auch über die angegebene persönliche Vorsprache des Klägers fänden sich keine Aktenvermerke. Die vorgelegte Bestätigung des N H vermöge an der Bewertung nichts zu ändern. Da der Kläger ansonsten stets schriftlich und mit größter Sorgfalt die Veränderungen in seinen Verhältnissen angezeigt habe, überwögen die Zweifel an dieser Bestätigung. Die schriftliche Erklärung sei eine Schutzbehauptung.
Der Kläger hat am 02.06.2010 Klage erhoben. Mit dieser verfolgt er sein Begehren weiter.
Die zeitgleich mit der Klageerhebung beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes hat das Sozialgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 29.05.2012 abgelehnt. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Sohn C habe die Wohnung im streitigen Zeitraum zumindest insoweit genutzt, als er dorthin seine Post bekommen und diese abgeholt habe. Damit liege eine teilweise Nutzung der Wohnung vor. Die Intensität der Nutzung spiele nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keine Rolle. Darüber hinaus sei die Ummeldung in eine neue Wohnung erst zum 01.12.2008 erfolgt. Aufgrund dieses Umstandes und desjenigen, dass der Sohn seine Post weiterhin bei der alten Wohnung abgeholt habe, sei belegt, dass die alte Wohnung zunächst beibehalten und auch weiter genutzt worden sei.
Gegen den am 11.06.2012 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 25.06.2012 Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, dass eine lediglich teilweise Nutzung der Wohnung als Postzugangsadresse nicht für die Berücksichtigung im Rahmen der KdU genüge.
Der Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) ist nach § 73a Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rz. 7a; st. Rspr. des erkennenden Senats, z.B. Beschluss vom 23.03.2010, L 6 B 141/09 AS). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht überspannt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 73a Rz. 7). Das PKH-Verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Ein Fachgericht, das § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren "durchentschieden" werden können, verkennt damit die Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit (vgl. BVerfG vom 14.06.2006 – 2 BvR 626/06 -, vom 08.11.2004 – 1 BvR 2095/04 – und 04.02.2004 – 1 BvR 596/03 – alle juris). Eine Beweisantizipation ist in engen Grenzen möglich. Kommt eine Beweisaufnahme jedoch ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde, ist PKH in der Regel zu gewähren (BVerfG Beschluss vom 29.09.2004 – 1 BvR 1281/04 juris Rn 14 – NJW-RR 2005, 140).
In Anwendung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts vorliegend zu bejahen. Denn dem Klageverfahren kann nicht von vornherein jegliche Erfolgsaussicht abgesprochen werden. Für den streitigen Zeitraum ist vielmehr zu ermitteln, ob der Sohn C im Haushalt des Klägers gelebt hat. Dieser Sachverhalt ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht als geklärt anzusehen und kann auch nicht mit der Begründung des Sozialgerichts im Ergebnis dahinstehen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt die Aufteilung der KdU nach Köpfen voraus, dass die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen genutzt wird. Entscheidend ist mithin, dass neben dem Hilfebedürftigen die Wohnung den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf weiterer Personen abdeckt (vgl. BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R – juris Rz. 19). Die Frage, ob der in dem Zeitraum August 2008 bis November 2008 für den Sohn C bestehende Unterkunftsbedarf durch die Wohnung des Klägers abgedeckt worden ist, lässt sich weder aus der postalischen Nutzung noch aus der erst zum 01.12.2008 erfolgten Ummeldung beantworten. Das zeigt ein Blick auf die Definition des Wohnsitzes in § 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Einen Wohnsitz hat danach jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Auf die ordnungsbehördliche Meldung eines Wohnsitzes beim Einwohnermeldeamt kommt es hierbei nicht an (vgl. Schlegel in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 30 SGB I, Rz. 44). Auch die allein postalische Nutzung einer Wohnanschrift – ungeachtet der Frage, ob die Post persönlich abgeholt oder von dem Kläger zur neuen Wohnung gebracht wird – ersetzt nach Auffassung des Senats nicht die Feststellung, ob eine Wohnung tatsächlich genutzt worden ist, die es rechtfertigt, gegenüber den weiteren Mitgliedern der Haushalts-/Bedarfsgemeinschaft einen Kopfteil bei den KdU in Abzug zu bringen. Insoweit liegt eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der auf Anforderung des Sozialgerichts von dem Kläger bereits benannten Zeugen nahe. Mit Blick auf die erforderliche Beweisaufnahme kann eine Erfolgsaussicht nicht von vornherein verneint werden.
Der Kläger ist ausweislich seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und angesichts seines fortdauernden Leistungsbezuges bedürftig. Er verfügt über kein im Rahmen des § 115 ZPO einzusetzendes Einkommen oder Vermögen, so dass ihm (ratenfrei) Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 19.12.2012
Zuletzt verändert am: 19.12.2012