NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.06.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsbescheides streitig.
Die am 00.00.1992 geborene Klägerin ist marokkanische Staatsangehörige und mit Herrn C verheiratet. Die Klägerin reiste nach ihrer Eheschließung im März 2014 nach Deutschland ein und lebte zunächst von dem Erwerbseinkommen ihres Ehemanns. Zum 30.06.2014 endete das Beschäftigungsverhältnis ihres Ehemanns. Die Klägerin und ihr Ehemann beziehen seitdem fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Bei einem Meldetermin am 07.01.2016 erschienen die Klägerin und ihr Ehemann sowie für den Beklagten die Teamleiterin T und die Integrationsfachkraft T. Es sollte unter anderem eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden, da der vorherige Eingliederungsbescheid vom 24.03.2016 durch Zeitablauf (Geltungsdauer vom 24.03.2016 bis zum 23.09.2016) gegenstandslos geworden war. Eine Einigung der Beteiligten über den Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung kam nicht zustande, u.a. weil der Ehemann der Klägerin in deren Beisein den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung als "Zeitverschwendung" und "reine Schikane" ansah, die Integrationsfachkraft des Beklagten als befangen bezeichnete und äußerte, die Klägerin sei nicht verpflichtet, etwas zu unterschreiben. Daher erließ der Beklagte am 08.11.2016 einen Eingliederungsbescheid für den Zeitraum vom 08.11.2016 bis 06.04.2017. Als Integrationsziel wurde die Aufnahme einer bedarfsdeckenden Beschäftigung in Köln und Umgebung (Tagespendelbereich) gesetzt. Der Beklagte verpflichtete sich, der Klägerin Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, ihr Bewerberprofil anonym in einer Jobbörse zu veröffentlichen sowie Bewerbungskosten mit einem Betrag von fünf EUR je schriftlicher Bewerbung, grundsätzlich 130 EUR in sechs Monaten und nachgewiesene Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen nach vorheriger Abklärung mit dem Beklagten zu erstatten. Eine darüber hinausgehende Erstattung von Kosten nach zusätzlichem vorherigem Antrag wurde ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Der Beklagte stellte fest, dass aufgrund der bisher in den Gesprächen mangelnden Bereitschaft, Angaben zu beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten zu machen, derzeit nur das Ziel der Beschäftigungsaufnahme verfolgt werden könne. Eine weitere Spezifizierung von Förderangeboten sei aufgrund des nicht durchführbaren Profilings nicht möglich. Die Klägerin wurde verpflichtet, ihre Bewerbungsunterlagen zu vervollständigen und entsprechende Unterlagen zum nächsten Beratungstermin vorzulegen, monatlich mindestens vier Bewerbungsbemühungen zu unternehmen (einschließlich befristete Stellen und Zeitarbeitsunternehmen) und entsprechende Nachweise zum 15. eines jeden Monats vorzulegen.
Zu dem Meldetermin am 11.11.2016 erschien die Klägerin mit ihrem Ehemann. Die Einzelheiten des Gesprächsinhalts sind zwischen den Beteiligten streitig.
Mit Bescheid vom 25.11.2016 erließ der Beklagte gegen die Klägerin einen Sanktionsbescheid für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.03.2017 iHv monatlich 10 % des maßgebenden Regelbedarfs (36,40 EUR), weil die Klägerin zu dem Meldetermin am 11.11.2016 nicht erschienen sei.
Die Klägerin widersprach dem Eingliederungsbescheid vom 08.11.2016 mit Schreiben vom 28.11.2016 und dem Sanktionsbescheid vom 25.11.2016 mit Schreiben vom 01.12.2016.
Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 22.12.2016 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin vom 28.11.2016 (gegen den Eingliederungsbescheid) und 01.12.2016 (gegen den Sanktionsbescheid) als unbegründet zurück.
Gegen die Widerspruchsbescheide vom 22.11.2016 haben die Klägerin und ihr Ehemann am 24.01.2017 Klage bei dem SG Köln erhoben. Eine Grundlage für einen Meldepflichtverstoß am 11.11.2016 sei nicht gegeben, da die Klägerin zum Termin erschienen sei. Auch lägen die Voraussetzungen zum Abschluss eines Eingliederungsbescheides nicht vor.
Die Klägerin und ihr Ehemann haben beantragt,
1. festzustellen, dass der eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt vom 08.11.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2016 rechtswidrig gewesen ist,
2. den Bescheid vom 25.11.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen für die Monate Januar bis März 2017 vollständige Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Mit Urteil vom 13.06.2017 hat das SG die Klagen des Ehemanns der Klägerin mangels Beschwer als unzulässig verworfen und die Klagen der Klägerin abgewiesen. Der Eingliederungsbescheid sei weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden. Die Meldepflichtsanktion nach § 32 SGB II sei rechtmäßig, da ein bloßes Erscheinen nicht ausreichend sei. Das SG hat in der Rechtsmittelbelehrung aufgeführt, das Urteil könne nur dann mit der Berufung angefochten werden, wenn die Berufung nachträglich durch Beschluss des LSG zugelassen wird.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 10.07.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.08.2017 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Mit Beschluss vom 06.10.2017 (L 19 AS 1570/17 NZB) hat das LSG Nordrhein-Westfalen die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 08.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2016 als unzulässig verworfen, da die Berufung kraft Gesetzes zulässig sei. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 25.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2016 hat das LSG Nordrhein-Westfalen als unbegründet zurückgewiesen.
Am 16.11.2017 hat die Klägerin gegen die Abweisung der Klage gegen den Eingliederungsbescheid Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.06.2017 aufzuheben und festzustellen, dass der eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt vom 08.11.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2016 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt er auf das Urteil des Sozialgerichts Bezug.
Mit Bescheid vom 07.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 28.04.2017 hat der Beklagte gegen die Klägerin eine 100 %-Sanktion unter Einschluss des Regelbedarfs und der kopfteiligen Unterkunftsbedarfe verhängt, weil sich die Klägerin entgegen ihrer Obliegenheiten aus dem Eingliederungsbescheid vom 08.11.2016 nicht im November 2016 ausreichend beworben bzw. dies nicht nachgewiesen habe. Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht eine weitere Klage vor dem SG Köln erhoben (S 40 AS 2252/17). Mit Urteil vom 17.05.2018 hat das SG Köln der Klage 07.02.2017 stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt, die vor dem erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen L 7 AS 1063/18 anhängig ist.
Nach Unterbrechung der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2018 für eine Zwischenberatung des Senats und eine Besprechung der Klägerin mit ihrem Bevollmächtigten hat der Ehemann der Klägerin (persönlich) als deren Beistand den Senatsvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil dieser willkürlich handele. Mit Beschluss vom 06.12.2018 hat der Senat nach Unterbrechung der mündlichen Verhandlung ohne Beteiligung des abgelehnten Richters den Antrag abgelehnt. Unmittelbar nach Verkündung des Beschlusses und Fortsetzung der Verhandlung durch den Senatsvorsitzenden hat der Ehemann der Klägerin als deren Beistand den gesamten Senat "wegen Befangenheit" abgelehnt und einen schriftlichen Ablehnungsantrag vorgelegt, den er verlesen wollte. Der Senatsvorsitzende hat die Verlesung untersagt und den Ablehnungsantrag mit dem gesamten Senat zur Kenntnis sowie zu den Akten genommen.
Die Klägerin hat die Ablehnung des Senats wie folgt begründet:
1. Der abgelehnte Richter L habe zwei Justizbedienstete angewiesen, den schwerbehinderten C und seine Ehefrau zu verfolgen.
2. Der abgelehnte Richter L sei nicht in der Lage gewesen, zwischen der Klägerin und Herrn C1 zu unterscheiden.
3. Der abgelehnte Richter L "und seine vier Unterstützer" hätten versucht, die Klägerin zu erpressen, ihre Klage zurückzunehmen.
4. Der abgelehnte Richter L und die übrigen Berufsrichter des Senats hätten, um den schwerbehinderten Beistand der Klägerin zu quälen das Verfahren verschleppt und zwei weitere Verhandlungen vorgeschoben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der geschäftsplanmäßigen Besetzung über die Berufung entscheiden, ohne gegen das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) zu verstoßen.
Das (erste) Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am LSG L ist zurückgewiesen worden. Das weitere Ablehnungsgesuch gegen die Berufsrichter des Senats ist unzulässig, da es rechtsmissbräuchlich ist. Es hindert den Senat daher nicht, unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden (BVerfG Beschluss vom 20.07.2007 – 1 BvR 2228/06; BSG Beschlüsse vom 19.10.2018 – B 8 SO 54/17 BH und vom 19.01.2018 – B 11 AL 13/09 C; für den Strafprozess vgl. § 26a StPO).
Ein Ablehnungsgesuch ist rechtsmissbräuchlich, wenn die Begründung zur Rechtfertigung völlig ungeeignet ist, weil keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden bzw. nur Tatsachen, die die Befangenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen können und das Ablehnungsgesuch damit für sachfremde Zwecke – Verhinderung einer gerichtlichen Entscheidung – eingesetzt werden soll. Im Rahmen der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs ist das Gericht in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen, da das Gericht andernfalls tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung eintritt (BVerfG Beschluss vom 02.06.2005 – 2 BvR 625/01; BSG Beschlüsse vom 31.08.2015 – B 9 V 26/15 B und vom 10.12.2010 – B 4 AS 97/10 B). Durch die grundsätzliche Zuweisung der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch an einen anderen Spruchkörper bzw. den Spruchkörper in anderer Besetzung soll verhindert werden, dass ein Richter in eigener Sache über eigenes Verhalten entscheidet (BVerfG Beschluss vom 20.07.2007 – 1 BvR 2228/06). Eine völlige Ungeeignetheit eines Ablehnungsgesuchs in diesem Sinne ist daher nur anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Ist hingegen eine – wenn auch nur geringfügige – Befassung mit dem Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet eine Ablehnung als unzulässig aus. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen. Diese Voraussetzungen für eine Selbstentscheidung des abgelehnten Richters über den ihn betreffenden Befangenheitsantrag sind verfassungsrechtlich durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorgegeben (BSG Beschluss vom 17.12.2009 – B 3 KR 32/09 B).
Auch unter Berücksichtigung dieser strengen Maßstäbe stellt sich das zweite Ablehnungsgesuch als rechtsmissbräuchlich dar. Soweit die Klägerin moniert, der Senatsvorsitzende habe zwei Justizbeamte angewiesen, sie und ihren Beistand zu "verfolgen", trifft dies bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu, da die Anweisung, den Beistand der Klägerin im Gerichtsgebäude durch zwei Sicherheitskräfte zu begleiten, durch den Präsidenten des LSG im Rahmen seines Hausrechts und nicht als sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden erlassen worden ist. Soweit die Klägerin den Ablehnungsantrag damit begründet, dass der Vorsitzende – was zutrifft – einmalig den Namen ihres Beistands mit dem Namen eines vormaligen Bevollmächtigten ihres Beistands verwechselt hat, ist dieser Umstand bereits im Ansatz ungeeignet, die Besorgnis einer Voreingenommenheit des Vorsitzenden zu begründen. Die Klägerin hat nicht einmal dargelegt, weshalb diese einmalige ersichtlich versehentliche und sofort korrigierte Verwechslung bei ihr die begründete Befürchtung ausgelöst haben soll, dass der Vorsitzende ihr gegenüber nicht unvoreingenommen entscheidet. Gleiches gilt für die Begründung des Ablehnungsantrags mit dem (ebenfalls zutreffenden) Umstand, dass die Streitsache der Klägerin nach dem ersten Ablehnungsantrag erst nach der Verhandlung von zwei ebenfalls am Terminstage anberaumten Verhandlungen weiter verhandelt worden ist. Die Uhrzeit der Terminierung einer Streitsache ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände jedenfalls während der – wie hier – üblichen Geschäftsstunden von vornherein kein Gesichtspunkt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unbefangenheit des Gerichts zu begründen. Die Behauptung der Klägerin, die Unterbrechung habe dazu gedient, ihren Beistand "zu quälen", ist aus der Luft gegriffen und durch nichts belegt, zumal die Unterbrechung der Verhandlung der Streitsache der Klägerin auch für diese ersichtlich allein dazu diente, die schon entstandenen Wartezeiten der Beteiligten der folgenden Verfahren und der Klägerin in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen.
Soweit die Klägerin den Ablehnungsantrag darauf stützt, der Vorsitzende habe versucht sie zu "erpressen", ihre Klage zurückzunehmen, stützt sich dieses Vorbringen auf Umstände vor dem ersten Ablehnungsantrag. Damit ist es bereits Gegenstand der Senatsentscheidung über den ersten Ablehnungsantrag gewesen und als bloß wiederholendes Vorbringen unzulässig (allg. Meinung, vgl. nur Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl., § 60 Rn. 16).
Die Ablehnung der übrigen Berufsrichter des Senats als "Unterstützer" des Vorsitzenden ist ebenfalls unzulässig. Die pauschale Ablehnung aller Mitglieder eines Spruchkörpers, ohne auf das individuelle Verhalten der einzelnen Richter einzugehen, ist nicht zulässig (BSG Beschluss vom 19.01.2010 – B 11 AL 13/09 C).
Soweit das Vorbringen der Klägerin darauf abzielt, die Berufsrichter des Senats (ohne den Vorsitzenden) abzulehnen, weil diese an dem vorhergehenden Beschluss über das erste Ablehnungsgesuch mitgewirkt haben, ist dies ebenfalls unzulässig. Eine Vorbefassung allein rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht. Das geltende Verfahrensrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter grundsätzlich auch dann unbefangen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er bereits früher mit der Sache befasst war. Ausnahmen hiervon hat der Gesetzgeber in § 60 SGG iVm § 41 Nr. 6 ZPO abschließend normiert. Mit der gesetzlichen Wertung des abschließenden Charakters dieses Ausschlussgrundes wäre es nicht vereinbar, wenn der bloße Umstand der Vorbefassung eines Richters mit der Sache geeignet wäre, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Vielmehr müssten besondere zusätzliche Umstände hinzutreten, um in den Fällen der Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (BSG Beschluss vom 19.01.2010 – B 11 AL 13/09 C). Derartige Umstände hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
Der Vorsitzende konnte die mündliche Verhandlung schließen und der Senat konnte in der Sache entscheiden, ohne dem Beistand der Klägerin die beantragte Gelegenheit zu geben, den zweiten Ablehnungsantrag vom 06.12.2018 zu verlesen. Die Schließung der mündlichen Verhandlung erfolgt nach genügender Erörterung der Streitsache (§ 121 Satz 1 SGG). Die mündliche Verhandlung darf erst geschlossen werden, wenn den Beteiligten ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden ist (Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl., § 121 Rn. 2). Dem Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör bezüglich ihres zweiten Ablehnungsgesuchs ist dadurch genügt worden, dass der Senat den Schriftsatz vom 06.12.2018 zur Kenntnis genommen hat. Eine Verlesung des Schriftsatzes durch die Klägerin oder ihren Beistand ist prozessual nicht geboten (§§ 202 SGG, 137 Abs. 3 ZPO). Die Vorlesung von Dokumenten findet gemäß §§ 202 SGG, 137 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur insoweit statt, als es auf ihren wörtlichen Inhalt ankommt, was hier nicht der Fall ist.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Da die Belehrung über das statthafte Rechtsmittel durch das SG fehlerhaft war, konnte die Berufung gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG innerhalb eines Jahres seit Zustellung des angefochtenen Urteils erhoben werden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den Eingliederungsbescheid vom 08.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2016 abgewiesen.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG zulässig. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat und der Verwaltungsakt sich vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat. Hier hatte sich der Eingliederungsbescheid vom 08.11.2016, der die Kriterien des § 31 Satz 1 SGB X erfüllt, nach Klageerhebung aber vor der gerichtlichen Entscheidung durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X), weil dessen Geltungsdauer (entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II) lediglich bis zum 06.04.2017 befristet war. Der Umstand, dass der Beklagte auf den Eingliederungsbescheid die Annahme einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin stützt und die deshalb festgestellte Sanktion (Bescheid vom 07.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2017) noch nicht bestandskräftig, sondern Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 AS 1063/18 ist, steht der Annahme einer Erledigung durch Zeitablauf nicht entgegen (abweichend LSG Nordrhein-Westfalen Urteile 31.08.2017 – L 2 AS 488/17 und vom 26.02.2016 – L 19 AS 1536/17). Die Regelung zur Erledigung in § 39 Abs. 2 SGB X bezieht sich auf die Regelung zur inneren Wirksamkeit des Verwaltungsakts in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Hiernach wird ein Verwaltungsakt mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Die innere Wirksamkeit meint, dass die mit dem Verwaltungsakt verbundenen Rechtsfolgen und Rechtswirkungen eintreten, wie sie in der Ermächtigungsnorm vorgegeben sind (Pautsch, in: JurisPK § 43 VwVfG Rn. 4). Die Ermächtigungsnorm zum Erlass eines Eingliederungsbescheides (§ 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II) enthält die Befugnis des Leistungsträgers, die in § 15 Abs. 2 SGB II vorgesehenen Regelungen durch Verwaltungsakt festzulegen. Der Leistungsträger ist damit ermächtigt, für einen bestimmten Zeitraum (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II) Bemühungen festzulegen, die der erwerbsfähige Leistungsberechtigte zur Eingliederung in Arbeit mindestens zu unternehmen hat und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Nach Ablauf der Geltungsdauer (zu diesem Begriff BSG Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 195/11 R) enden die durch den Eingliederungsbescheid festgelegten Obliegenheiten. Die Festlegung einer Sanktion wegen einer Verletzung der Obliegenheiten (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II) ist ein hiervon zu unterscheidender eigenständiger Vorgang, der zwar an die Regelungen des Eingliederungsbescheides anknüpft, dessen Geltungsdauer aber nicht verlängert. Für diese Annahme spricht auch, dass gem. § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II die Feststellung der Minderung des Leistungsanspruchs (Sanktion) innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig ist. Ein Sanktionsverfahren kann damit auch nach Ablauf der Geltungsdauer des Eingliederungsbescheides noch eingeleitet werden. Es wäre schon mit § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem er ihm bekannt gegeben wird, nicht vereinbar, zunächst bei Ablauf der Geltungsdauer von einer Erledigung durch Zeitablauf auszugehen und bei Feststellung einer auf den Eingliederungsbescheid gestützten Sanktion ein Wiederaufleben der Wirksamkeit anzunehmen. Für die hier vertretene Auffassung spricht zudem die besondere Rechtsnatur des Eingliederungsbescheides. Dieser tritt an die Stelle einer nicht zustande gekommenen Eingliederungsvereinbarung. Die Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag (hierzu BSG Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R) unterfällt der Regelung des § 39 SGB X, der sich nur auf Verwaltungsakte bezieht, nicht. Die Wirksamkeit der Eingliederungsvereinbarung richtet sich damit ausschließlich nach der vereinbarten Geltungsdauer. Aufgrund des durch den Gesetzgeber angestrebten Gleichklangs zwischen Eingliederungsvereinbarung und Eingliederungsbescheid (BSG Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R) scheidet eine unterschiedliche Bewertung der Wirksamkeitsdauer aus.
Die Klägerin hatte unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr und angesichts des Umstands, dass auf den Eingliederungsbescheid die 100 %-Sanktion vom 07.02.2017 gestützt wurde, ein Feststellungsinteresse (vgl. zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei Eingliederungsbescheiden BSG Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 195/11 R). Die Klägerin hat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den Eingliederungsbescheid und ist nicht auf vorrangigen Rechtsschutz gegen die auf den Eingliederungsbescheid gestützten Sanktionsbescheide verwiesen. Denn die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den Eingliederungsbescheid reicht weiter, als eine Klage gegen den Sanktionsbescheid, da mit letzterem nur die Rechtmäßigkeit der der Sanktion zugrunde liegenden Obliegenheit geprüft wird, während die Klage gegen den Eingliederungsbescheid umfassend die Rechtmäßigkeit der hierin festgelegten Eingliederungsmaßnahmen insgesamt geprüft wird.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unbegründet. Der Eingliederungsbescheid ist rechtmäßig.
Ermächtigungsgrundlage für den Eingliederungsbescheid ist § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II. Der Senat lässt offen, ob es sich hierbei um eine reine Verfahrensvorschrift handelt und der Grundsicherungsträger selbst entscheiden kann, welchen Weg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wählt (so BSG Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 13/09 R; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 02.05.2011 – L 19 AS 344/11 B ER, L 19 AS 345/11 B ER) oder die Regelung einen Vorrang der konsensualen Lösung durch eine in gegenseitigem Einvernehmen geschlossene Vereinbarung vor dem Ersatz der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt anordnet (so BSG Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 195/11 R; vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 29.01.2015 – L 7 AS 1305/14). Auch nach letztgenannter Ansicht wären die Voraussetzungen für den Erlass des Eingliederungsbescheides gegeben, weil die Klägerin in Übereinstimmung mit den durch ihren Ehemann abgegebenen Erklärungen in dem Beratungsgespräch beim Beklagten am 07.10.2016 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Verhandlung über die Vereinbarung einer Eingliederungsvereinbarung für eine Zeitverschwendung erachtet und daher ablehnt.
Der Eingliederungsverwaltungsakt ist materiell rechtmäßig.
Ersetzt das Jobcenter eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt, sind die ersetzenden Regelungen im Rahmen pflichtgemäßem Ermessens nach denselben Maßstäben zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, wie sie für die konsensuale Eingliederungsvereinbarung gelten. Die Ersetzungsentscheidung ist daher an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden Eingliederungsvereinbarung verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der Eingliederungsvereinbarung zu wahren sind. Auch die Regelungen eines Eingliederungsbescheides müssen danach den Anforderungen genügen, die je für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II abzuleiten sind. Zu beachten sind zudem weiter die Maßgaben, die aus der Vertragsform der zu ersetzenden Eingliederungsvereinbarung resultieren. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag unterliegt der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Muss danach die Gegenleistung, zu der sich der Vertragspartner der Behörde verpflichtet, den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen, so gilt nichts anderes, wenn das Jobcenter die Regelungen durch Verwaltungsakt zu ersetzen hat; auch in dieser Handlungsform wahrt die verbindliche und ggfs. die Sanktionsfolgen nach §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II auslösende Konkretisierung der Eigenbemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorgegebenen Rahmen nur, wenn ihr eine iS der Vorschrift den Umständen nach angemessene Bestimmung der vertraglichen Leistung der Behörde, also der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, gegenübersteht. Die Eingliederungsvereinbarung soll in Konkretisierung des Sozialrechtsverhältnisses zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Jobcenter sicherstellen, dass einerseits das Jobcenter Angebote unterbreitet, die den individuellen Bedürfnissen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechen, und zugleich soll mit jedem Leistungsberechtigten vereinbart werden, welche Anstrengungen von ihm selbst im Rahmen des Eingliederungsprozesses erwartet werden. Die Regelungen in Eingliederungsbescheiden müssen maßgeschneidert und wechselbezüglich sein (BSG Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R).
Diese Vorgaben werden durch den angegriffenen Eingliederungsbescheid eingehalten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es der Klägerin unzumutbar oder es für ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht zielführend sein könnte, ihre Bewerbungsunterlagen zu aktualisieren und diese vorzulegen sowie vier Bewerbungen monatlich zu unternehmen und nachzuweisen (zur grundsätzlichen Zumutbarkeit, monatlich sechs Bewerbungen zu verlangen, ohne dass eine zumutbare Anzahl von Bewerbungen generell und pauschal angenommen werden kann BSG Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R). Die Vorgabe von mindestens vier Bewerbungen ist auch für den Teilmonat November ab dem 08.11.2016 nicht unzumutbar. Überdies hat die Klägerin in dem Parallelverfahren L 7 AS 1063/18 selbst mit Schriftsatz vom 01.08.2017 dargelegt, dass sie sich im November bei mindestens 17 Firmen beworben habe. Auch vor diesem Hintergrund kann eine Überforderung der Klägerin nicht erkannt werden. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, es sei auf einen Pflegeaufwand ihres erkrankten Ehemannes Rücksicht zu nehmen, kann die Klägerin dies selbst bei der Auswahl der Stellen, bei denen sie sich bewirbt, berücksichtigen. Soweit eine entsprechende Klausel bislang keinen Eingang in den Eingliederungsbescheid gefunden hat, liegt dies ausschließlich an dem Verhalten der Klägerin, die bislang in Zusammenwirken mit ihrem Ehemann einen konstruktiven Dialog mit dem Beklagten verweigert hat.
Die Regelungen des Eingliederungsbescheides sind hinreichend bestimmt, konkret und an dem Ziel der Eingliederung in Arbeit ausgerichtet (zu diesen Voraussetzungen LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 03.02.2010 – L 10 AS 84/07; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21.12.2015 – L 12 AS 1884/15). Die Pflichten des Beklagten und die Obliegenheiten der Klägerin stehen in einem angemessenen wechselbezüglichen Verhältnis, der Beklagte hat die im Ermessenswege zuzusprechenden Integrationsbemühungen, soweit es angesichts des Verhaltens der Klägerin möglich war, individuell ausgestaltet. Sachfremde Erwägungen und Obliegenheiten sind nicht zu erkennen, zumal der Beklagte in dem Eingliederungsbescheid zutreffend dargelegt hat, dass eine umfassende Potenzialanalyse nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II maßgeblich an der mangelnden Mitwirkung der Klägerin im Rahmen der Meldetermine gescheitert ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe iSv § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 11.02.2020
Zuletzt verändert am: 11.02.2020