Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 17.02.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren sind. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen auch im Beschwerdeverfahren. Den Antragstellerinnen wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin U, L beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. Die im Jahr 1987 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der beiden am 00.00.2013 geborenen Antragsteller zu 2) und 3). Die Antragstellerin zu 1) hält sich nach eigenen Angaben seit September 2012 in Deutschland auf. Sie ist schwanger, der berechnete Entbindungstermin ist der 09.05.2015.
Am 10.12.2013 sprach sie beim Antragsgegner vor und gab an, seit ihrer Ankunft in Deutschland bei Verwandten zu wohnen. Sie sei schwanger und habe ihren Lebensunterhalt bislang durch das Sammeln von Flaschen bestritten. Außerdem habe sie ca. 900 EUR von der Bundesstiftung "Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens" erhalten. Über weitere finanzielle Mittel verfüge sie nun nicht mehr. Nach Ablehnung des Antrags mit Bescheid vom 11.12.2013 verpflichtete das Sozialgericht Köln den Antragsgegner mit Beschluss vom 16.12.2013 zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe des Regelbedarfs für die Dauer von sechs Monaten.
Zum 01.01.2014 bezogen die Antragsteller eine 72 m² große Wohnung zu einem Mietzins i.H.v. 650,00 EUR inklusive Nebenkosten. Am 06.03.2014 erließ der Antragsgegner einen Bescheid, mit dem er vorläufig Leistungen in Höhe der Regelbedarfe für die Zeit vom 11.12.2013 bis zum 10.06.2014 bewilligte. Die Vorläufigkeit der Bewilligung erfolge wegen der Klärung der Leistungsberechtigung in einem etwaigen Verfahren vor dem Sozialgericht.
Am 09.05.2014 stellten die Antragsteller einen Weiterbewilligungsantrag, der mit Bescheid vom 14.05.2014 unter Berufung auf den Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II abgelehnt wurde. Im anschließenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Köln erklärte der Antragsgegner, dass er die Zahlung der Regelleistung für die Antragsteller vorläufig für die Dauer von sechs Monaten ohne Anerkennung einer Rechtspflicht wieder aufgenommen habe. Das Verfahren wurde daraufhin von den Antragstellern für erledigt erklärt. Der am 26.05.2014 gegen den Bescheid vom 14.05.2014 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2015 zurückgewiesen.
Am 16.01.2015 stellten die Antragsteller einen weiteren Weiterbewilligungsantrag, der mit Bescheid vom 20.01.2015 unter Berufung auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II abgelehnt wurde. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2015 zurück.
Am 03.02.2015 haben die Antragsteller erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Köln gestellt.
Am 09.02.2015 haben die Antragsteller gegen den Bescheid vom 20.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2015 Klage erhoben.
Mit Beschluss vom 17.02.2015 hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 03.02.2015 bis zum 02.08.2015 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sei umstritten. Die Komplexität dieser Rechtsfrage lasse eine abschließende Beurteilung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu, so dass anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden sei. Diese falle zu Gunsten der Antragstellerinnen aus.
Mit der dagegen am 25.02.2015 erhobenen Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, dass die Frage der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Dano entschieden sei. Im Übrigen lasse der Tenor der Entscheidung des Sozialgerichts keine Beschränkung hinsichtlich der Dauer und auf den Regelbedarf erkennen. Jedenfalls hinsichtlich der Kosten der Unterkunft liege kein Anordnungsgrund vor.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 17.02.2015 zu ändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerinnen halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Recht dazu verpflichtet, den Antragstellerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu zahlen.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO -).
Der Anordnungsanspruch liegt vor. Der Senat kann offen lassen, ob der Antragstellerin zu 1) ein Daueraufenthaltsrecht gem. § 4 a Abs. 1 FreizüG/EU zusteht. Der Senat kann weiter offen lassen, ob – wie der Antragsgegner meint – der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dem Anspruch entgegensteht oder ob die Vorschrift nach der vom Senat vertretenen Auffassung deshalb nicht greift, weil der Ausschluss in dieser umfassenden Form wegen Verstoßes gegen EU-Recht nicht anwendbar ist (s. LSG NRW Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris). Denn dem Antragsteller stehen die beantragten vorläufigen Leistungen jedenfalls auch nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu (im Ergebnis ebenso LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 27.05. 2014 – L 34 AS 1150/14 B ER – juris, mwN).
Nach der über § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II anwendbaren Vorschrift des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III kann über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist.
Die Ablehnung von Leistungen durch Bescheid vom 20.01.2015 steht der Bewilligung vorläufiger Leistungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III nicht entgegen.
Der von den Antragstellerinnen angefochtene Bescheid ist nicht bestandskräftig. Die ablehnende Entscheidung als solche lässt den Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III nicht bereits aus rechtssystematischen Gründen entfallen. Einer entsprechenden in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung (LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.03.2014 – L 29 AS 514/14 B ER – juris; vom 17.03.2014 – L 20 AS 502/14 B ER – juris; Aubel in jurisPK-SGB II, § 40 Rz. 61.1) schließt sich das Gericht nicht an.
Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach Leistungsbescheide über vorläufige Leistungen (vorläufige Leistungsbescheide) durch die endgültige Festsetzung (endgültige Leistungsbescheide) ersetzt werden und sich dann auf sonstige Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigen (BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R – juris; vgl. auch LSG NRW Urteil vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11 – juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.03.2014 – L 29 AS 514/14 B ER – juris; vom 17.03.2014 – L 20 AS 502/14 B ER – juris, Aubel in jurisPK-SGB II aaO). "Auf andere Weise erledigen" kann sich ein vorläufiger Leistungsbescheid in diesem Zusammenhang aber nur dann, wenn die Voraussetzungen für seinen Erlass nicht mehr vorliegen (vgl BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R – juris; LSG NRW Urteil vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11 – juris). Dem folgend entfällt der Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III bei Erlass eines Ablehnungsbescheides erst dann, wenn kein Vorlageverfahren mehr anhängig ist (oder durch die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides feststeht, dass keine Leistungen zustehen). Denn § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III ermächtigt dazu, eine "Zwischenregelung" zu treffen, bis die Rechtsfragen, die zu Grund, Höhe oder Dauer des Anspruchs entscheidungserheblich sein müssen, geklärt sind (vgl etwa Düe in Brand SGB III 6. Aufl. § 328 Rdnrn 2, 12). Gerade wenn der Leistungsträger nach einfachgesetzlicher Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, ein Anspruch bestehe nicht, nicht in dieser Höhe oder nicht in diesem zeitlichen Umfang, beginnt der Anwendungsbereich des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III. Denn der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift eine Handhabe bieten wollen, die Leistungen für den Berechtigten kurzfristig verfügbar zu machen und Härten zu vermeiden, die mit längeren Bearbeitungs- oder Zeiten der Unsicherheit über die Rechtslage verbunden sind (Düe aaO Rdnr 2, 5). Für die Dauer des Vorlageverfahrens bleibt jedenfalls, solange der Ablehnungsbescheid nicht bestandskräftig geworden ist, Raum für eine Ermessensentscheidung, ob und ggfs in welcher Höhe dennoch Leistungen gewährt werden. Im Unterschied zu § 42 SGB I setzt § 328 Abs. 1 Nr. 1 (und im Übrigen auch Nr. 2) SGB III nicht voraus, dass der Anspruch (dem Grunde nach) besteht. Gerade die durch Vorlageverfahren zu klärende Unsicherheit über entscheidungserhebliche Rechtsfragen (Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht) macht den selbstständigen Anwendungsbereich der Vorschrift aus, der einer Erledigung nach § 39 Abs. 2 SGB X entgegen steht. Anwendungsbereich des und Anspruch aus § 328 Abs. 1 Nr. 1 SGB III werden nicht dadurch eingeschränkt, dass der Leistungsträger seine – nach einfachgesetzlicher Rechtslage dann auch regelmäßig zutreffende – Auffassung durch einen Ablehnungsbescheid bereits verlautbart hat. Folgt man dieser Ansicht nicht, hätte der Leistungsträger es in der Hand, bei gleichgelagerter Bedarfs- und Interessenlage die Möglichkeit, vorläufige Leistungen in Anspruch zu nehmen, zu steuern.
Die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs nach dem SGB II sind glaubhaft gemacht. Ungeachtet des Umstandes, dass die vorläufige Leistung gemäß § 328 SGB III ein aliud gegenüber der endgültigen Bewilligung darstellt (BSG Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R – BSGE 108, 86-97), ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass eine vorläufige Bewilligung sowohl vom Antragsteller beantragt worden ist, als auch Gegenstand der Verwaltungsentscheidung des Antragsgegners war. Bereits mit der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II mit dem Hinweis darauf, dass keinerlei Einkommen und Vermögen vorhanden sind, haben die Antragstellerinnen hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich in einer wirtschaftlichen Notsituation befinden, die eine unmittelbare Leistungsbewilligung erforderlich macht. Spätestens mit der Beantragung gerichtlichen Eilrechtsschutzes haben die Antragstellerinnen endgültig zu verstehen gegeben, dass sie (weiterhin, zumindest) die Bewilligung vorläufiger Leistungen begehren. Vor diesem Hintergrund und mit dem Wissen, dass die Frage der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht Gegenstand eines Vorlageverfahrens beim EuGH ist, kann die Leistungsablehnung des Antragsgegners nur so verstanden werden, dass damit auch keine vorläufigen Leistungen bewilligt werden sollten. Die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen (§§ 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 – 4; 8, 9 SGB II zum Alter, zur Erwerbsfähigkeit, zum gewöhnlichen Aufenthalt und zur Hilfebedürftigkeit) erachtet das Gericht für glaubhaft gemacht.
In der Person der Antragstellerinnen sind tatbestandlich die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfüllt. Die Vereinbarkeit dieses Leistungsausschlusses mit europäischem Gemeinschaftsrecht ist Gegenstand der Vorlage des BSG gemäß Art. 267 AEUV (BSG Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – ZFSH/SGB 2014, 158-164). Die Fragen, die das BSG dem EuGH zur Europarechtskonformität bzw zur Europarechtswidrigkeit dieses Ausschlusses vorgelegt hat, sind auch nach dem Urteil des EuGH vom 11.11.2014 – C 333/13 (in Sa. Dano) weiterhin von entscheidungserheblicher Bedeutung. So hat das BSG mit Blick auf die Entscheidung des EuGH in Sa. Dano durch Beschluss vom 11.02.2015 – B 4 AS 9/13 R – das Verfahren lediglich bezogen auf die Vorlagefrage I.1. für erledigt erklärt. Im Übrigen betraf die Entscheidung des EuGH mit einer Antragstellerin, die nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts und des EuGH keine Arbeit suchte, eine andere Fallgestaltung; sie enthält Ausführungen zur Anwendbarkeit der VO 883/2004 und der URL (s auch Senatsurteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 103/13), nicht aber zur Europarechtskonformität des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Bei dem hier in Rede stehenden Arbeitslosengeld II handelt es sich um eine (Geld-) Leistung, auf die bei zutreffender Beurteilung des Ermessens nach Maßgabe des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III ein Rechtsanspruch besteht.
Unabhängig von der Zielrichtung der Geldleistungen dürfte es regelmäßig pflichtwidrig sein, bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 und 2 SGB III jegliche vorläufige Leistung abzulehnen (so auch Düe in Brand, SGB III, 6. Auflage 2012, § 328 Rn 18). Angesichts des existenzsichernden Charakters des Arbeitslosengeldes II sowohl in Gestalt der Regelleistung als auch der Kosten der Unterkunft und des aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfG Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris Rn. 62) wird nach Überzeugung des Senats der Ermessensspielraum weiter eingeengt und im Ergebnis auf Null reduziert, so dass ein Anspruch auf die vorläufige Bewilligung des Arbeitslosengeldes II in voller Höhe besteht (vgl. Eicher aaO; s auch LSG Thüringen Beschluss vom 25.04.2014 – L 4 AS 306/14 B ER – juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 27.05.2014 – L 34 AS 1150/14 B ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Halle/Saale Beschluss vom 30.05.2014 – S 17 AS. 2325/14 ER – juris, mwN jeweils zur Ermessensreduzierung auf Null bei existenzsichernden SGB II-Leistungen).
Für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung der Leistungen besteht auch ein Anordnungsgrund. Den Antragstellerinnen drohen ohne eine einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewendet werden können.
Hinsichtlich des Regelbedarfs folgt dies für die in der Vergangenheit hingenommenen und für die in Zukunft abzuwendenden Beeinträchtigungen schon aus dem unmittelbaren Grundrechtseingriff (Art. 1 Abs. 1 GG), der durch die Verweigerung der zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel entsteht.
Im Kern gilt dies auch für den Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten der Unterkunft. Soweit der Senat in der Vergangenheit die Auffassung vertreten hat, dass ein Anordnungsgrund regelmäßig erst mit der Erhebung der Räumungsklage anzunehmen sei, da erst dann konkret Wohnungslosigkeit drohe, die in einem bestimmten Zeitfenster des Klageverfahrens durch die vorläufige Gewährung (auch) von Kosten der Unterkunft (vgl. §§ 543 Abs. 2 S. 2; 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) abgewendet werden könne, hat er diese Auffassung mit dem Beschluss vom 29.01.2015 (L 6 AS 2085/14 B ER) aufgegeben. Schon zu einem früheren Zeitpunkt können wesentliche Nachteile zu gewärtigen sein, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lassen.
Neben der andauernden Beeinträchtigung wegen fehlender Kosten der Unterkunft als Teil der ein menschenwürdiges Existenzminimum sichernden Leistung (Alg II) (Art. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 1 GG) kann die Wohnung schon früher als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet und damit das Grundrecht aus Art. 13 GG so beeinträchtigt sein, dass eine Regelungsanordnung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang den Blick auf die Erhebung der Räumungsklage zu fokussieren, hält der Senat nicht mehr für ausreichend. Wenn auch die Zahlung von Unterkunftskosten zur Abwendung der außerordentlichen Kündigung noch nach Erhebung der Räumungsklage möglich ist, gilt dies doch nicht mit vergleichbar zuverlässiger Vorhersehbarkeit für die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Durch die Nachzahlung der Rückstände wird die Kündigung nicht unwirksam, da §§ 543 Abs. 2 S. 2, 569 Ab. 3 Nr. 2 BGB im Rahmen dieser Kündigung nicht anwendbar ist (BGH Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12). Die danach entscheidende Frage, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, indem er in einem zur fristlosen Kündigung berechtigendem Ausmaß mit der Mietzahlung deshalb in Verzug ist, weil die Kosten der Unterkunft nicht (rechtzeitig) vom Jobcenter gezahlt worden sind (vgl. hierzu AG Lichtenberg Urteil vom 19.12.2013 – 17 C 33/13 – Rdnr 22; BGH Urteil vom 21.10.2009 – VIII ZR 64/09 – juris; LSG NRW Beschluss vom 19.05.2014 – L 19 AS 805/14 B ER – juris mwN; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 22.07.2014 – L 10 AS 1393/14 B ER – juris), ist jüngst vom BGH dahingehend beantwortet worden, dass das Ausbleiben existenznotwendiger Sozialleistungen dem Verzug des Mieters nicht entgegensteht (Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14). Angesichts der regelmäßig kurzen Kündigungsfrist nach § 573c Abs. 1 BGB droht hier bereits innerhalb weniger Wochen ein Wohnungsverlust. Die Rechtsverteidigung gegenüber einer Räumungsklage ist zudem dadurch erschwert, dass die dort beklagten Antragsteller grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe erhalten können, da der Zahlungsrückstand besteht. Der Leistungsträger dürfte sich aber regelmäßig nicht in der Pflicht sehen, die Kosten der Rechtsverteidigung zu übernehmen. Ist damit die Gefahr des Wohnungsverlustes nicht abgewendet, wird hier auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie unter dem Blickwinkel der eigenbestimmten Gestaltung von Rechtsverhältnissen gefährdet.
Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten, den wesentlichen Nachteil als Anordnungsgrund unabhängig von einem bestimmten Zeit- und Verfahrensfenster unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können nicht nur Umstände im Zusammenhang mit dem Verlust der alten Wohnung, sondern auch nicht zuletzt finanzielle Aspekte bei der Beschaffung neuen Wohnraums von Bedeutung sein, wie etwa die allgemeine Situation auf dem örtlichen Wohnungsmarkt, finanzielle Nachteile in Form von Mahnkosten und Zinsen direkt aus dem Mietverhältnis und Versorgungsverträgen, die fortwirkende Störung des Vertrauensverhältnisses bezogen auf das Miet- als Dauerschuldverhältnis, Kosten der (einer) Räumungsklage, Umzugskosten ggfs Einlagerungskosten, Verlust von sozialen Bindungen uVm.
In der Gesamtwürdigung hält der Senat hier den Anordnungsgrund für gegeben. Die Antragstellerinnen haben mit Einlegung einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung angegeben, die Wohnungsmiete bereits seit drei Monaten nicht bezahlt zu haben. Dies hätte den Vermieter bereits zur außerordentlichen und ordentlichen Kündigung berechtigt. Angesichts des Umstandes, dass die Voraussetzungen des Anordnungsanspruch ohne weiteres glaubhaft gemacht sind und der Anspruch sich auf Kosten der Unterkunft ebenfalls als einen Teil einer existenzsichernden Leistung richtet, sieht der Senat bereits diese Gefahr einer ordentlichen Kündigung, die bei weiterem Ausbleiben von Mietzahlungen sich immer weiter verdichtet, als drohenden wesentlichen Nachteil an, der durch die Entscheidung des SG abzuwenden war.
Wegen des Fehlens einer entsprechenden einschränkenden Regelung im angefochtenen Beschluss war die Dauer der Verpflichtung des Antragsgegners auf die Zeit bis zu einer endgültigen Entscheidung über den Bescheid vom 20.01.2015 zu beschränken.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 15.05.2015
Zuletzt verändert am: 15.05.2015