Auf die Beschwerden der Antragsstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.02.2015 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Regelleistungen ab 06.02.2015 bis 31.07.2015, längstens jedoch bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Antragstellerin wird für beide Rechtszüge Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T aus E beigeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Gewährung von SGB II-Leistungen seitens des Antragsgegners.
Die Antragstellerin besitzt die syrische Staatsangehörigkeit. Laut ihren eigenen Angaben flüchtete sie in die Bundesrepublik. Sie bezog bis 31.10.2014 Leistungen des Jobcenters M. Laut ihren eigenen Angaben hielt sie sich wöchentlich wechselnd sowohl in M, als auch in E auf, wo ihr religiös angetrauter Ehemann wohnt. Die Ehe ist in Deutschland nicht anerkannt. Seit dem 16.08.2014 ist die Antragstellerin in E gemeldet. Ihre Wohnung in M gab sie zum 31.10.2014 auf. Seitdem hält sie sich nach eigenen Angaben dauerhaft in E auf. Mit Bescheid vom 14.10.2014 hat das Jobcenter M die Bewilligung von SGB II-Leistungen mit Wirkung vom 01.11.2014 aufgehoben. Grund für die Aufhebung der Entscheidung sei der Umzug und der dadurch bedingte Wechsel der Zuständigkeit. Zurzeit ist sie schwanger. Voraussichtlicher Entbindungstermin ist der 26.08.2015. Die Antragstellerin wohnt bei ihrem religiös angetrauten Ehemann, der gegenwärtig aufstockend Leistungen seitens des Antragsgegners bezieht. Seit dem 15.10.2014 erhält dieser ein Einkommen aus einer Teilzeitbeschäftigung. Beide besitzen ein eigenes Konto.
Ende Oktober 2014 erhielt der religiös angetraute Ehemann der Antragstellerin ein Gehalt in Höhe von 383,28 EUR. Zum 01.10.2014 sind die Antragstellerin und ihr religiös angetrauter Ehemann ohne Zustimmung des Antragsgegners umgezogen. Die Miete beträgt 440,00 EUR zzgl. 125,00 EUR Nebenkosten einschließlich Heizung. Das Wasser wird über die Heizung erwärmt.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte einen subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Asylverfahrensgesetz fest. Daraufhin erteilte die Stadt M mit Bescheid vom 02.02.2015 der Antragstellerin einen Aufenthaltstitel. Dieser Aufenthaltstitel enthielt die Nebenbestimmung "Wohnsitznahme Sachsen". Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin Widerspruch erhoben, über den bislang nicht entschieden worden ist.
Am 04.11.2015 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner, die Gewährung von SGB II-Leistungen. Mit Bescheid vom 28.01.2015 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen mit der Begründung ab, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Aufenthaltstitels ihren Wohnsitz nur in Sachsen nehmen dürfe und somit ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in E habe könne. Der Jobcenter E sei der zuständige Träger.
Hiergeben erhob die Antragstellerin Widerspruch am 06.02.2015 mit der Begründung dem Widerspruch gegen die Nebenbestimmung komme aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO zu. Damit habe die Nebenbestimmung bereits seit Antragstellung und bis auf Weiteres keinen Bestand. Mit Fax vom 02.02.2015 teilte die Stadt M dem Prozessbevollmächtigten mit, dass sie dem Widerspruch gegen die Wohnsitzauflage nicht abhelfe. Sie würde dies an die Landesdirektion Sachsen als zuständige Widerspruchsbehörde abgeben.
Am 06.02.2015 beantragte die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Düsseldorf.
Mit Beschluss vom 23.02.2015 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt mit der Begründung, vorliegend sei kein Rechtsschutzbedürfnis ersichtlich nach der Rechtsprechung des LSG NW (Beschluss vom 25.04.2013 – L 2 AS 454/13 B ER -). Die Antragstellerin könne durch einfache Zurückverlegung ihres Wohnsitzes die Aufnahme der Leistungen in M erreichen. Auf Leistungen in E sei sie somit zur Beseitigung ihrer Notlage nicht angewiesen.
Am 09.03.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hiergegen Beschwerde erhoben mit der Begründung der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf sei rechtswidrig. Die vom Gericht zitierte Rechtsprechung finde keine Anwendung auf die Antragstellerin. Auf die Einzelheiten diesbezüglich wird Bezug genommen. Ein weiterer Unterschied sei, dass die Antragstellerin in diesem Verfahren Widerspruch gegen ihre Nebenbestimmung eingelegt habe, die nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung habe, so dass tatsächlich keine Zurückverlegung des Wohnsitzes nach M durch die Stadt E erfolgen könne. Aktuell sei die Antragstellerin lediglich im Besitz eines nationalen Aufenthaltstitels, welcher es ihr erlaube, im gesamten Bundesgebiet Wohnsitz zu nehmen. Einen solchen Widerspruch habe der Antragsteller in dem vom Sozialgericht zitierten Fall nicht erhoben. Des Weiteren sei der Antragstellerin es nicht zumutbar, ihren Wohnsitz zu verlegen, da sie schützenswerte Interessen habe. Sie begehre das Zusammenleben mit ihrem kirchlich angetrauten Ehemann. Auf die Einzelheiten wird verwiesen. Abgesehen davon, sei die Antragstellerin auch schwanger und der deutschen Sprache noch nicht mächtig, so dass sie dringend in vielen Lebenslagen auf die Unterstützung ihres Ehemannes angewiesen sei.
Der Antragsgegner trägt vor, ihn könnten die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten, wonach ein geänderter Sachverhalt zur zitierten Entscheidung vorliege, nicht überzeugen. Er verweist auf einen Beschluss des LSG vom 10.02.2015 – L 7 SF 7/15 ER -. Darüber hinaus gebe er zu bedenken, dass durch eine anderweitige Entscheidung auch in die originäre Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit (= ausländerrechtliche Aufenthaltsbeschränkung) eingegriffen würde und auch das Gewaltenteilungsprinzip (Stichworte: Zweck der Wohnsitzauflage; Exekutiventscheidung) einem Erfolg der Beschwerde entgegen stünde. Die Beteiligten seien im hiesigen Verfahren an die ausländerrechtliche Aufenhaltsbeschränkung gebunden. Diese Ansicht sei auch durch das Bundessozialgericht (B 14 AS 8/13 R – vgl. aktueller Terminsbericht) explizit bestätigt.
Hierzu entgegnet der Prozessbevollmächtigte, dass es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um die aufenthaltsrechtliche Frage der Zulässigkeit von wohnsitzbeschränkenden Auflage ginge. Diese Frage sei aktuell allein durch die Ausländerbehörde M zu entscheiden, bei welcher der Widerspruch gegen die Nebenbestimmung des Aufenthaltstitels eingelegt worden sei. Der mit diesem Widerspruch einhergehende Suspensiveffekt gelte dann aber Rechtsgebiet übergreifend. Ein Eingriff in das Gewaltenteilungsprinzip sei daher fernliegend. Die zitierte Bundesozialgerichtsrechtsprechung betreffe die Frage, ob Ausländer mit einem Aufenthalt nach § 25 Abs. 5 AufenthG leistungsberechtigt seien nach dem SGB II; dies habe mit dem zugrundeliegenden Verfahren nichts zu tun. Die zitierte Rechtsprechung des LSG vom 7. Senat sei nicht im Internet zu finden. Der Prozessbevollmächtigte vermute jedoch, dass hier – einmal mehr – vom Antragsgegner "Äpfel mit Birnen" verglichen würden.
II.
Die zulässigen Beschwerden der Antragstellerin sind auch zum Teil begründet.
1. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund in Bezug auf die Gewährung von vorläufigen Regelleistungen ab 06.02.2015 bis 31.07.2015, längstens jedoch bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, glaubhaft gemacht.
Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Regelleistungen liegen bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung vor.
a. Die Antragstellerin erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II.
Sie ist nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen, denn sie verfügt über einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthaltsG. Ihr ist der sog. internationale subsidiäre Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylVfG zuerkannt worden. Für diese Fälle ist es gegenwärtig umstritten, ob wohnsitzbeschränkende Maßnahmen zulässig sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit den Beschlüssen vom 19.08.2014 (BVerwG 1 C.1.14; 1 C 3.14; 1 C 7.14) diese Frage dem EuGH vorgelegt. Die dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen betreffen die Auslegung der Richtlinie 2011/95/EU der Europäischen Union vom 13.12.2011 (Qualifikationsrichtlinie). Diese dient u.a. dazu, einheitliche Regelungen über den Schutz zu treffen, den anerkannte Flüchtlinge und Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz innerhalb der Europäischen Union genießen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinie mit Wirkung zum 01.12.2013 umgesetzt.
Die Kläger der Ausgangsverfahren vor dem BVerwG stammen ebenfalls aus Syrien und sind in den Jahren 1998 und 2001 nach Deutschland eingereist. Ihnen wurde zwar nicht die Flüchtlingseigenschaft, wohl aber der Status von Personen mit subsidiärem Schutz zuerkannt. Wegen des Bezuges von Sozialleistungen nach dem SGB II wurde ihre Aufenthaltserlaubnis mit der Auflage verbunden, ihren Wohnsitz in einer bestimmten Stadt bzw. in einem bestimmten Landkreis zu nehmen. Die Beklagten haben die verfügten Wohnsitzauflagen auf die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums des Innern gestützt, wonach mit Hilfe einer regionalen Bindung u.a. eine übermäßige finanzielle Belastung einzelner Länder und Kommunen verhindert werden soll. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hält derartige Wohnsitzauflagen für unvereinbar mit Unionsrecht. Ihnen stünden die Regelungen der Qualifikationsrichtlinie entgegen, die sich auf die Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet (Art. 33) und auf die Gewährung von Sozialhilfe beziehen (Art. 29). Für Personen mit subsidiärem Schutzstatus gelte insoweit nichts anderes als für anerkannte Flüchtlinge, bei denen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Genfer Flüchtlingskonvention derartige Auflagen verbiete. Demgegenüber hält das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Wohnsitzauflagen für vereinbar mit Unionsrecht. Die maßgeblichen Regelungen in der Qualifikationsrichtlinie wichen inhaltlich von der Genfer Flüchtlingskonvention ab und blieben im Schutzniveau dahinter zurück. Daher dürften Wohnsitzauflagen gegenüber subsidiär Schutzberechtigten verfügt werden. Die Vereinbarkeit von Wohnsitzauflagen für subsidiär Schutzberechtigte mit der Richtlinie 2011/95/EU wirft europarechtliche Zweifelsfragen auf. Der 1. Revisionssenat hat daher eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union beschlossen. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs hat das Bundesverwaltungsgericht die Revisionsverfahren ausgesetzt.
b. Unabhängig dieser Rechtsfrage vertritt der Senat die Überzeugung, dass es der Antragstellerin gegenwärtig erlaubt ist, sich im gesamten Bundesgebiet aufzuhalten.
Die Nebenbestimmung des Aufenthaltstitels – für die weitere Prüfung unterstellt, eine solche Nebenbestimmung sei dem Grunde nach zulässig – ist nicht wirksam. Denn die Nebenbestimmung ist ein eigenständiger Verwaltungsakt, der isoliert anfechtbar ist. Der erfolgte Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.02.2015 der Stadt M im Hinblick auf die Nebenbestimmung "Wohnsitznahme Sachsen" hat eine aufschiebende Wirkung zur Folge. Diese ergibt sich aus der allgemeinen Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO. Die Sondervorschrift des § 84 Abs. 1 AufenthG, die in den enumerativ aufgeführten Fällen wieder die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage grundsätzlich entfallen lassen kann, trifft hier für den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Denn sie zählt nicht die Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen, die den Wohnsitz betreffen, auf (so bereits entschieden: VG Darmstadt, Beschluss vom 09.12.2012 – 5 L 1258/12 DA -).
c. Der Antragsgegner ist auch zuständig.
Dessen Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB II an die Antragstellerin ergibt sich aus § 36 Sätze 1, 2 und 4 SGB II. Nach dieser Vorschrift ist örtlich zuständig die Agentur für Arbeit bzw. der kommunale Träger, in dessen Gebiet die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, wobei im Zweifel auf den tatsächlichen Aufenthalt abzustellen sei, § 36 S. 4 SGB II. Auch im Rahmen von § 36 SGB II ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I (einheitlich) zu bestimmen. Nach dieser Bestimmung hat die Antragstellerin nicht nur ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, sondern auch in E, also im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners, begründet. Denn sie lebt dort mit ihrem religiös angetrauten Ehemann in der L Straße, E. Sie erwarten ihr gemeinsames Kind. Die Antragstellerin hat auch den Willen, sich dort dauerhaft niederzulassen. Die örtliche Zuständigkeit knüpft allein an den gewöhnlichen Aufenthalt an, ohne dass es auch hier auf den möglicherweise ordnungsrechtlichen Verstoß gegen die Wohnsitzauflage ankommt (vgl. Aubel, in: jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 36 Rn. 15 und 18 m. w. N.). Selbst wenn man aber davon ausgehen sollte, dass es an einem gewöhnlichen Aufenthalt fehle, weil die Ausländerbehörde gegebenenfalls berechtigt sei, den Wohnsitz der Antragstellerin zwangsweise nach Sachsen zu verlegen, also nicht zu erwarten ist, dass die Antragstellerin sich dauerhaft in E aufhält, so ist der Antragsgegner jedenfalls nach § 36 Satz 4 SGB II zuständig, denn die Antragstellerin hält sich tatsächlich in E auf und das im Übrigen wohl berechtigt, denn es ist allein die Wohnsitznahme, nicht aber der Aufenthalt, auf Sachsen beschränkt.
Aus diesen genannten bereits durchgreifenden Gründen im Hinblick auf das Vorliegen des Anordnungsanspruchs, verzichtet der Senat auf eine Folgenabwägung, die hier auch zugunsten der Antragstellerin ausgehen müsse. Denn sie ist nicht in der Lage, "einfach" – wie es die 1. Instanz im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses ausführt – ihren Wohnsitz, zurückzuverlegen. Die Antragstellerin ist bereits seit 16.08.2014 in E gemeldet. Ihre Wohnung in M gab sie zum 31.10.2014 auf. Sie erwartet mit ihrem religiös angetrauten Ehemann im August dieses Jahres ihr gemeinsames Kind.
2. An einem Anordnungsgrund fehlt es allerdings, soweit die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt wird.
Hierfür reicht es nicht aus, dass Mietrückstände aufgelaufen wären oder der Vermieter die Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen hätte. In einem solchen Fall fehlt es am erforderlichen Anordnungsgrund in Gestalt eines unaufschiebbaren eiligen Regelungsbedürfnisses zur Bewilligung von Kosten der Unterkunft bzw. Übernahme von Mietschulden durch Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil gegenwärtig weder Wohnungs- noch Obdachlosigkeit droht (vgl. exemplarisch LSG NRW vom 17.02.1015 – L 12 AS 47/15 B ER – und LSG NRW, Beschluss vom 24.03.2015 – L 2 AS 165/15 B ER und L 2 AS 166/15 B – sowie LSG NRW, Beschluss vom 05.05.2014 – L 19 AS 632/14 B ER -). Selbst bei Erhebung und Zustellung einer Räumungsklage verbleiben im Regelfall noch zwei Monate Zeit, den Verlust der Wohnung abzuwenden. Denn nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird die auf Mietrückstände gestützte Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (LSG NRW, Beschluss vom 14.07.2010 – L 19 AS 912/10 B ER -). Diese Heilungswirkung von § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfasst auch solche ordentlichen Kündigungen nach § 573 BGB, welche auf eben jenen Sachverhalt gestützt werden, der die nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geheilte fristlose Kündigung begründete (so AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 17.10.2013 – 23 C 126/13 -). Im Übrigen enthält bei Vorliegen einer Räumungsklage die Vorschrift des § 22 Abs. 9 SGB II Regelungen zur Sicherung der Unterkunft (LSG NRW, Beschluss vom 25.05.2011 – L 12 AS 351/11 B ER -). Der Senat hält an diesem Obersatz auch angesichts der in diesem Punkt geänderten Rechtsprechung des 6. Senats des LSG NRW (vgl. LSG NRW 6. Senat, Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER -) fest, wobei darauf hingewiesen wird, dass in eng begrenzten Ausnahmefällen auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats ein Abwarten der Räumungsklage als nicht zumutbar angesehen wird. Dies mag zum Beispiel dann der Fall sein, wenn der Leistungsempfänger die Heilungsmöglichkeit nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB bereits einmal genutzt hat und die weitere fristlose Kündigung unmittelbar droht, die Wohnung auch im Übrigen schützenswert erscheint und eine nachträgliche Zahlung ein geeignetes Mittel darstellt, den Wohnungsverlust abzuwenden.
Vorliegend ist jedoch nichts dahingehend vorgetragen worden, dass die gemeinsame Unterkunft mit dem religiös angetrauten Ehemann in E gefährdet ist. Es werden auch keine Mietrückstände dargetan. Eine Kündigung durch den Vermieter ist ebenfalls nicht angedroht.
3. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für beide Rechtszüge, da die Rechtsverfolgung aus den oben genannten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. v. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO bietet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
5. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 13.05.2015
Zuletzt verändert am: 13.05.2015