Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.12.2014 geändert. Den Antragstellern wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt T, N, bewilligt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) sind verheiratet. Sie besitzen die bulgarische Staatsangehörigkeit. Im September 2014 zogen die Antragsteller zu 3) bis zu 5), die minderjährigen Kinder des Ehepaares, in die Bundesrepublik nach.
Der Antragsteller zu 2) war seit dem 17.02.2014 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er bezog für die Zeit vom 11.09.2014 bis zum 29.10.2014 Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis wurde arbeitgeberseitig wegen unentschuldigten Fehlens fristlos zum 21.10.2014, hilfsweise fristgerecht gekündigt.
Durch Bescheid vom 17.07.2014 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1) und dem Antragsteller zu 2) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zum 31.12.2014 unter Anrechnung des Erwerbseinkommens des Antragstellers zu 2). Für die Antragsteller zu 3) bis zu 5) zahlte der Antragsgegner für die Monate September und Oktober 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus.
Durch Bescheid vom 06.11.2014 hob der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Antragstellerin zu 1) und den Antragsteller zu 2) mit Wirkung zum 01.12.2014 ganz auf. Am 20.11.2014 beantragte die Antragstellerin zu 1) die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 01.12.2014. Diese lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 20.11.2014 ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin zu 2) am 24.11.2014 Widerspruch.
Am 17.11.2014 haben die Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihnen über den 30.11.2014 hinaus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Durch Beschluss vom 03.12.2014 hat das Sozialgericht Düsseldorf den als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 06.11.2014 ausgelegten Eilantrag und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da der Aufhebungsbescheid rechtmäßig sei. Auf die weiteren Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den am 09.12.2014 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 12.12.2014 Beschwerde eingelegt. Nachdem der Antragsgegner einen Leistungsanspruch ab 12.01.2015 anerkannt hatte, haben die Antragsteller ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Eilantrages für erledigt erklärt und wenden sich nun noch gegen die Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Die von den Antragsstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung – Erlass einer Regelungsanordnung betreffend die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab dem 01.12.2014 – hat zumindest zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts über den Prozesskostenhilfeantrag am 03.12.2014 betreffend die Regelleistungen nach § 20 SGB II hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 ff. ZPO geboten.
Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer in Ansehung der einschlägigen gesetzlichen Regelung und bereits vorliegenden Rechtsprechung schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Gleiches gilt für den Fall, dass eine entscheidungserhebliche Tatsache zwischen den Beteiligten im Streit steht und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine durchzuführende Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers zu 2) ausgehen würde (BVerfG, Beschlüsse vom 08.01.2009 – 1 BvR 2733/06 m.w.N. und vom 09.10.2014 – 1 BvR 83/12 m.w.N.).
Die Antragsteller haben im erstinstanzlichen Verfahren den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG betreffend die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab dem 01.12.2014 begehrt.
Dieses Rechtsschutzbegehren hat das Sozialgericht unzutreffend um das Leistungsbegehren für die Zeit ab dem 01.01.2015 verkürzt und unter Verletzung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. hierzu BSG Urteil vom 28.03.2013 – B 4 AS 47/12 R m.w.N.) als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid vom 06.11.2014 ausgelegt. Mit dieser Antragsauslegung wird zugleich das Begehren der Antragsteller zu 3) bis zu 5) verkannt, da sie auch bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid vom 06.11.2014 keinen Anspruch hätten. Leistungen wurden ihnen bislang nicht bewilligt, insbesondere auch nicht durch den teilweise aufgehobenen Bescheid vom 17.07.2014.
Des Weiteren hat das Sozialgericht ganz offensichtlich übersehen, dass gegen den Aufhebungsbescheid vom 06.11.2014 weder ein Widerspruch eingelegt, noch eine Klage anhängig gemacht worden war, vielmehr – noch vor seiner Entscheidung – infolge der Einlegung des Widerspruchs gegen die Ablehnung des Antrags für die Zeit ab dem 01.12.2014 durch Bescheid vom 20.11.2014 eine relevante Änderung der Sachlage eingetreten war.
Auch unabhängig von Vorstehendem kann der beabsichtigten Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO nicht abgesprochen werden.
Nach summarischer Prüfung der Sachlage haben die Antragsteller das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II bzw. § 7 Abs. 2 SGB II glaubhaft gemacht. Bei der Frage, ob zu Ungunsten der Antragsteller der Leistungssauschluss des § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB II eingreift, handelt es sich – auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom 11.11.2013 – C-333/13 (Dano) – um eine höchstrichterlich ungeklärte und schwierige Rechtsfrage.
Selbst wenn der Antragsteller zu 2) alleine ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ab dem 08.12.2014 (Gesetz vom 02.12.2014, BGBl I, 1922 – n.F.). bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 a.F. FreizügG/EU hatte und die übrigen Antragsteller damit ein Aufenthaltsrecht nach § 3 FreizügG/EU, läge Klärungsbedürfnis vor.
Dabei hat sich das Sozialgericht mit der für die Anwendung des Leistungsausschlusses unabdingbar abzuhandelnden Frage, ob überhaupt ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche bestand, überhaupt nicht auseinandergesetzt, sein Bestehen nicht einmal festgestellt (vgl. zu den Voraussetzungen dieses Aufenthaltsrechts: OVG Sachsen Beschluss vom 07.08.2014 – 3 B 507/13 -, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.06.2014 – OVG 2 N 38.12 -; VGH Bayern Beschluss vom 11.02.2014 – 10 C 13.2241 m.w.N.).
Selbst wäre dies geschehen, ist entgegen der kargen Begründung des angefochtenen Beschlusses durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof in der Rechtsache Dano für den vorliegenden Fall keineswegs geklärt, ob der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II für Unionsbürger mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche mit europäischem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit Art. 18 und 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) und mit VO (EG) 883/2004 vereinbar und anzuwenden ist (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 17.07.2014 – L 19 AS 997/14 B ER).
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Dano mit gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vereinbar, sofern es um Leistungsansprüche von Unionsbürgern geht, die kein materielles Aufenthaltsrecht geltend machen können, also insbesondere nicht tatsächlich und aktiv Arbeit suchen. Eine Entscheidung betreffend tatsächlich Arbeit suchende Unionsbürger hat der Europäische Gerichtshof dagegen bislang nicht getroffen. Vielmehr ist zu dieser Frage noch eine Vorlageverfahren (BSG Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R) anhängig. Insoweit wird daher in der Rechtsprechung vertreten, dass auch nach der Entscheidung in der Rechtsache Dano eine abschließende Klärung der seit Jahren und in mehrerlei Hinsicht umstrittenen Frage, ob der Leistungsausschluss für Ausländer, die sich ausschließlich zur Arbeitssuche im Inland aufhalten, rechtmäßig und anzuwenden ist, ist in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahrenen nicht möglich ist und weiterhin im Rahmen einer Folgenabwägung zu entscheiden ist (vgl. hierzu LSG NRW Beschlüsse vom 22.01.2015 – L 7 AS 21262/14 B ER und vom 14.01.2015 – L 19 AS 2186/14 B ER; LSG Hessen Beschluss vom 07.01.2015 L 6 AS 815/14 B ER; vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER).
Selbst wenn nämlich die ausgebliebene Prüfung ergeben hätte, dass den Antragstellern kein materielles Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zusteht und Aufenthaltsrechte aus anderen Gründen nicht in Betracht kommen (vgl. BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 37/12 R zu einem solchen Fall), ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Dano höchstrichterlich keineswegs geklärt, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in diesem Fall eingreift. Zwar ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Fall von Unionsbürgern ohne materielles Aufenthaltsrecht nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften verstößt. Ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II allerdings (nach nationalem Recht) auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht überhaupt Anwendung findet, ist in der Rechtsprechung weiterhin umstritten:
Zu einem wird vertreten, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht keine Anwendung findet, weil der Wortlaut der Vorschrift nur auf das Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche abstelle und wegen des Ausnahmecharakters des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II einer erweiternde Auslegung im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" nicht zugängig sei (Urteile des Senats vom 05.05.2014 – L 19 AS 430/13 Revision anhängig B 14 AS 33/14 R und vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13, Revision B 4 AS 64/13 R; LSG Thüringen Beschluss vom 25.04.2014 – L 4 AS 306/14 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13; LSG Hessen Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12, Revision B 14 AS 15/14 R).
Zum anderen wird vertreten und im Wege teleologischer Auslegung von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II begründet, dass die Vorschrift neben Unionsbürgern mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auch Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht erfasst (LSG NRW Beschlüsse vom 09.01.2015 – L 12 AS 2209/14 B ER und vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER; LSG Hamburg Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER m.w.N.; siehe auch LSG Hessen Beschluss vom 11.12.2014 – L 7 AS 528/14 B ER, wonach die in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II aufgeführten Anspruchsvoraussetzungen um die ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung des Bestehens eines Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik Deutschland zu erweitern seien).
Auch war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts ein Anordnungsgrund zumindest hinsichtlich der Regelleistungen für die Zeit ab dem 01.12.2014 glaubhaft gemacht, da die Antragsteller seinerzeit über kein Einkommen oder zu berücksichtigendes Vermögen verfügt haben, sodass bei zutreffender Sachbehandlung eine zusprechende Entscheidung des Sozialgerichts durchaus in Betracht gekommen wäre.
Die Rechtsverfolgung der Antragsteller war daher auch nicht mutwillig. Sie sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gänzlich außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 115 ZPO). Es ist ihnen daher ratenfreie Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 05.03.2015
Zuletzt verändert am: 05.03.2015