Der Antrag des Antragstellers, die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 08.12.2014 einstweilen auszusetzen, wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner.
Gründe:
Nach § 199 Abs. 2 SGG kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen, wenn das Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.
Der Aussetzungsantrag ist zulässig. Der vom Antragsteller mit der Beschwerde angefochtene Beschluss des Sozialgerichts vom 08.12.2014 ist ein vollstreckbarer Titel (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Er enthält die Verpflichtung des Antragstellers zu Erbringung vorläufiger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 17.-11.2014 bis zum 31.05.2015. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (s § 175 Satz 1 und 2 SGG).
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Anordnung nach § 199 Abs. 2 SGG, die Vollstreckung einstweilen auszusetzen, ist eine Ermessensentscheidung (s BSG SozR 4-1500 § 154 Nr. 1; LSG BW Beschluss vom 26.01.2006 – L 8 AS 403/06 ER; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 10. Aufl. § 199 Rdnr 8 mwN; aA BSG SozR 3-1500 § 199 Nr. 1). Sie erfordert regelmäßig eine Abwägung des Interesses des Gläubigers an der Vollziehung mit dem Interesse des Schuldners, nicht vor der Beendigung des Instanzenzuges zu leisten (s Leitherer aaO mwN). Bei der Bewertung der Umstände des Einzelfalls können auch die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels von Bedeutung sein (s BSG SozR 4 aaO). Für die einstweilige Aussetzung der Vollstreckung bedarf es aber regelmäßig besonderer rechtfertigender Umstände, die über die Nachteile hinausgehen, die für den Antragsteller mit der Zwangsvollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Titel als solcher regelmäßig verbunden sind. Dies folgt aus der Entscheidung des Gesetzgebers, dass die Rechtsmittel Berufung und Beschwerde schon grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung haben (§ 154 Abs. 1 iVm § 86 a; § 154 Abs. 2 SGG (Berufung); § 175 Satz 1 und 2 SGG (Beschwerde)) (vgl. hierzu auch BSG Beschluss vom 05.09.2001 – B 3 KR 47/01 R) und – bezogen auf die hier eingelegte Beschwerde – keiner der in § 175 Satz 1 und 2 SGG aufgeführten Tatbestände gegeben ist, der ausnahmsweise die aufschiebende Wirkung nach sich zieht.
In einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Antragsteller mit dem Aussetzungsantrag ebenfalls eine nur vorläufige Regelung über die Aussetzung der Vollstreckung bis zur Beendigung des Instanzenzuges erstrebt. Ist aber schon das in der Hauptsache geführte Eilverfahren im Sinne eines nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 4 SGG effizienten Rechtsschutzes darauf gerichtet, durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Beeinträchtigungen abzuwenden, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können (s etwa BVerfG Beschluss vom 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03; BVerfG aaO), so bedarf es für eine vorläufige Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG im Eilverfahren der Glaubhaftmachung weiterer schwerwiegender Nachteile, die nicht anders abwendbar sind als in dem schmalen Zeitfenster bis zur Entscheidung über die Beschwerde (zur Glaubhaftmachung s Bay LSG Beschluss vom 08.02.2006 – L 10 AS 17/06 ER; LSG BW Beschluss vom 24.06.2008 – L 7 AS 2955/08 ER). Damit ist der Anwendungsbereich des § 199 Abs. 2 SGG auch und gerade in Eilverfahren von vorneherein auf wenige Fallgestaltungen beschränkt.
In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Antrag keinen Erfolg. In dem eher kurz bemessenen Zeitraum bis zur endgültigen Entscheidung im Eilverfahren sind keine zusätzlichen Nachteile erkennbar, die über die Gefahr des Ausfalls der Rückforderung hinausgehen und durch die Aussetzung nach § 199 Abs. 2 SGG abgewendet werden könnten. Die Abwägung des Interesses des Gläubigers an der Vollziehung mit dem Interesse des Schuldners, nicht vor der Beendigung des Instanzenzuges zu leisten, ergibt hier einen offenkundigen Vorrang der Interessen der Antragsgegner.
Als Nachteil auf Seiten des Antragstellers ist lediglich zu berücksichtigen, dass er – würde die Zwangsvollstreckung nicht einstweilen ausgesetzt – eine etwaige Rückforderung ggfs. nicht realisieren kann, wenn auf die Beschwerde hin der angefochtene Beschluss ganz oder teilweise geändert wird. Das Interesse des Antragsgegners hingegen ist auf die Zahlung vorläufig zuerkannter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gerichtet. Dabei handelt es sich um existenzsichernde Leistungen. Ihre Gewährung entspricht einer verfassungsrechtlichen, dem Schutz der Menschenwürde dienenden Pflicht des Staates (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). In dieser Konstellation sind Interessen des Antragstellers kaum denkbar und auch hier nicht ersichtlich, die gegenüber der existenzsichernden Funktion der zuerkannten Leistungen überhaupt und zudem deutlich überwiegen. Zudem verfügt die hochschwangere Antragsgegnerin zu 1), die sich stationärer Behandlung befindet, nur über eingeschränktere Möglichkeiten sich selbst und ihren Sohn, den Antragsgegner zu 2), zu versorgen.
Es liegt auch kein Fall vor, der ausnahmsweise eine andere Gewichtung gebieten könnte. Insbesondere handelt es sich bei dem angefochtenen Beschluss nicht um eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen offensichtlich gesetzeswidrige Entscheidung, an der der Antragsteller nicht zumutbar festgehalten werden dürfte (zur Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels bei Entscheidungen nach § 199 Abs. 2 SGG vgl. BSG Beschluss vom 09.05.2001 – B 3 KR 47/01 R; Leitherer in Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller aaO). Nach der im Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG gebotenen summarischen Überprüfung sieht das Gericht jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Im Gegenteil: Das Hauptsacheverfahren dürfte vorbehaltlich weiterer Erkenntnisse tatsächlicher Art voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Zutreffend hat das Sozialgericht die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs (§ 7 Abs. 1 SGB II) als glaubhaft gemacht bejaht; dem widerspricht auch der Antragsteller nicht. Ob die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegeben sind und ob der Ausschluss in dieser Form nicht europarechtskonform ist mit der Folge, dass ein Leistungsanspruch unmittelbar aus Art. 4 VO 883/2004 besteht (LSG NRW Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 103/13), kann im Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG und wohl auch im Beschwerdeverfahren offen bleiben. Denn jenseits der europarechtlichen Problemstellungen dürfte der Antragsteller verpflichtet sein, Regelleistung und KdU in voller Höhe nach Maßgabe des § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III zu zahlen (vgl etwa Düe in Brand SGB III 6. Aufl. 2012 § 328 Rdnr 18 mwN). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind wohl erfüllt, da die Vorlagefragen in dem Beschluss des BSG vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R auch nach dem Urteil des EuGH vom 11.11.2014 – C 333/13 (in Sachen Dano) weiterhin von entscheidungserheblicher Bedeutung bleiben. Die Entscheidung in Sa. Dano betraf mit einer Antragstellerin, die nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts und des EuGH keine Arbeit suchte, eine andere Fallgestaltung; sie enthält Ausführungen zur Anwendbarkeit der VO 883/2004 und der URL (s auch Senatsurteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 103/13), nicht aber zur Europarechtskonformität des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Damit ist der Antragsteller außerhalb des Eilverfahrens verpflichtet, eine vorläufige Leistung zu erbringen, die der im einstweiligen Rechtsschutz zuerkannten vorläufigen Leistung entspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Erstellt am: 05.02.2015
Zuletzt verändert am: 05.02.2015