Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.04.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.
1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
2. Vor diesem Hintergrund hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit dem angegriffenen Beschluss vom 06.04.2009 den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Denn ihre Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die eine Anspruchsvoraussetzung darstellt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II), lässt sich einstweilen nicht feststellen.
a) Die Antragstellerin kann ihren Lebensunterhalt durch die Kündigung ihres Bausparvertrages sichern. Der Bausparvertrag hat nach der von der Antragstellerin vorgelegten Auskunft der X Bausparkasse vom 05.03.2009 (zum damaligen Zeitpunkt) ein Guthaben von 11.980,62 Euro. Er stellt damit Vermögen gemäß § 12 Abs. 1 SGB II dar.
b) Die Antragstellerin hat einstweilen nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Bausparvermögen gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Fall 1 SGB II als Vermögen nicht zu berücksichtigen ist. Hierfür trägt sie jedoch die materielle Beweislast, da diese Regelung eine Ausnahme von der anspruchshindernden bzw. -vernichtenden Einwendung des § 12 Abs. 1 SGB II ist.
Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Fall 1 SGB II sind als Vermögen Sachen nicht zu berücksichtigen, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist. Dies ist der Fall, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht (BSG, Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 66/06 R, Rn. 22).
aa) Das Bundessozialgericht (BSG) hat bei Lebensversicherungen den Rückkaufswert der Lebensversicherung in Anlehnung an seine Rechtsprechung zum Recht der Arbeitslosenhilfe mit der Summe der eingezahlten Beiträge verglichen und Zweifel an der Zumutbarkeit der Verwertung bislang erst bei einer Differenz von 18,5 % erhoben (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 66/06 R; BSG Urteil vom 15.04.2008, B 14 AS 27/07 R). Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit ist vom BSG dagegen verneint worden bei einem Verlust von 5,95 % (BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14/7b AS 52/06 R),
– 8,49 % (BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14 AS 27/07 R),
– mehr als 10 % (BSG, Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 17/06 R),
– von 11,48 % (BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14/7b AS 52/06 R) sowie
– 12,9 % (BSG, Urteil vom 6. September 2007, B 14/7b AS 66/06 R).
bb) Zum Recht der Arbeitslosenhilfe hat das BSG mit Urteil vom 25.05.2005 (B 11a/11 AL 73/04 R) offen gelassen, ob und inwieweit die Ausführungen zur Verwertbarkeit einer Lebensversicherung auf einen Bausparvertrag übertragbar sind. Die Verwertung durch Kündigung des Bausparvertrages sei jedenfalls offensichtlich unwirtschaftlich, wenn der Zwang zur Verwertung des Bausparvertrages die eingezahlten Beträge in einem nennenswerten Umfang entwerten würde (BSG a.a.O., Rn. 21). Eine Vermögensreduzierung von 3,6% des Vermögenswertes durch eine Gebühr für die Kündigung eines Bausparvertrages sei nicht so erheblich, dass von einer Unwirtschaftlichkeit ausgegangen werden könne.
Der Bausparvertrag der Antragstellerin hat, wie bereits ausgeführt, nach der Auskunft der X Bausparkasse vom 05.03.2009 (zum damaligen Zeitpunkt) ein Guthaben von 11.980,62 Euro. Bei einer Kündigung des Vertrages und der sofortigen Überweisung des Guthabens erhält die Antragstellerin nach der Auskunft der X Bausparkasse einen Betrag von ca. 11.900,00 EUR. Die Differenz beträgt mithin 80,62 EUR, also weniger als 1 % des (zum damaligen Zeitpunkt) aktuellen Guthabens. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit ist damit derzeit nicht zu erkennen.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass die von der Antragstellerin monatlich eingezahlten Beträge von der Bausparkasse in der Ansparphase, in der sich der Vertrag der Antragstellerin auch derzeit noch befindet, verzinst worden sind. So weist der von der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren vorgelegte Kontoauszug 2008 der X Bausparkasse AG für dieses Jahr "Zinsen für Sparguthaben" in Höhe von 256,52 EUR aus. Da der Vertragsbeginn dort mit dem 18.07.1997 angegeben ist, hat die Klägerin, wenn auch rückblickend in degressiver Höhe, jährliche Zinsen erwirtschaftet, die Teil ihres vorgenannten Guthabens geworden sind. Rechnet man die Zinsen aus dem Guthaben heraus, dürften die eingezahlten Beträge bei einer vorzeitigen Vertragskündigung, soweit dies anhand der bislang vorgelegten Vertragsunterlagen zu beurteilen ist, in voller Höhe auszuzahlen sein.
Dass die Antragstellerin bei vorzeitiger Kündigung des Bausparvertrages den Schlussbonus (2.519,68 EUR) nicht erzielen kann, ist bei summarischer Prüfung im Rahmen der "Wirtschaftlichkeitsprüfung" des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Fall 1 SGB II nicht relevant. Der Schlussbonus ist ein Anreiz für den Bausparenden, die Ansparphase nicht vorzeitig zu beenden, und kompensiert im Ergebnis die in der Ansparphase vergleichbar niedrige Verzinsung der eingezahlten Beträge. Eine solche "Gewinnaussicht" dürfte bei der Frage, ob eine Verwertung "offensichtlich unwirtschaftlich" ist gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Fall 1 SGB II nicht von Bedeutung sein, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, jedenfalls solange – wie hier der Fall – die vorzeitige Beendigung des Bausparvertrages nicht mit einem nennenswerten bzw. spürbareren Verlust der eingezahlten Beiträge einhergeht. Gleiches gilt für die Nichterstattung der "Abschlussgebühr" (hier 409,03 EUR).
c) Die 1971 geborene Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Bausparvermögen für ihre Altersvorsorge bestimmt ist im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II.
d) Die Antragstellerin hat damit einstweilen nicht glaubhaft gemacht, dass ihr die Verwertung des Bausparvertrages durch dessen Kündigung des Vertrages nicht zumutbar ist. Die endgültige Klärung dieser Frage muss dem sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die Antragstellerin hat keine Gründe vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass ihr dieses Abwarten nicht zugemutet werden kann. Sie hat zudem bis zum 04.03.2009 die Sozialleistung des Arbeitslosengeldes nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezogen und nicht mitgeteilt, wovon wie seitdem ihren Lebensunterhalt bestritten hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 06.07.2009
Zuletzt verändert am: 06.07.2009