Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.04.2012 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die am 00.00.1977 geborene Antragstellerin zu 1) und der am 00.00.1967 geborene Antragsteller zu 2) sind nach eigenen Angaben Eltern des am 00.00.2008 geborenen Antragstellers zu 3). Sie sind bulgarische Staatsangehörige und reisten nach vorherigem Aufenthalt in Belgien im Oktober 2010 in das Bundesgebiet ein. Die Antragsteller zu 1) und 2) verfügen über unbefristete Freizügigkeitsbescheinigungen gem. § 5 des Freizügigkeitsgesetzes/EU mit dem jeweiligen Vermerk, wonach zur Aufnahme einer unselbständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung-EU erforderlich sei.
Die Antragstellerin hatte vom 09.03.2011 bis zur Abmeldung am 24.03.2011 ein Gewerbe "Reinigung nach Hausfrauenart", vom 29.03.2011 bis zur Abmeldung am 02.08.2011 ein Gewerbe "Garten- und Landschaftsbau" angemeldet, der Antragsteller vom 08.02.2011 bis zur Abmeldung aus gesundheitlichen Gründen am 29.09.2011 ein Gewerbe im Baubereich. Gegenüber dem Antragsgegner hat der Antragsteller zu 2) zuletzt im Juni 2011 450,00 EUR Betriebseinnahmen angegeben, denen monatliche Aufwendungen von 110,00 EUR gegenüberstanden. Die Antragstellerin zu 1) hat keinerlei Einkünfte gemeldet.
Der Antragsgegner bewilligte den Antragstellern bis einschließlich März 2012 Leistungen nach dem SGB II i.H.v. zuletzt monatlich 960,40 EUR und lehnte den am 29.02.2012 gestellten Fortzahlungsantrag mit Bescheid vom 15.03.2012 und der Begründung ab, die Antragsteller hielten sich seit Gewerbeabmeldung des Antragstellers zu 2) am 29.09.2011 mit dem alleinigen Aufenthaltszweck der Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland auf und seien daher nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom Bezug von Leistungen nach diesem Gesetz ausgeschlossen.
Hiergegen haben die Antragsteller mit Schreiben vom 02.04.2012 Widerspruch eingelegt und am 03.04.2012 beim Sozialgericht die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt. Die Antragsteller seien bedürftig, ihre Unterkunft gefährdet. Als Staatsangehörige der Europäischen Union könnten sie sich auf sämtliche Rechte berufen, die aus ihrer EU-Zugehörigkeit folgten. Die europarechtliche Zulässigkeit des Leistungsausschlusses innerhalb des SGB II bei Vorliegen des alleinigen Aufenthaltszweckes der Arbeitsuche sei umstritten, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes seien daher Leistungen im Wege der Interessenabwägung zu gewähren. Ein Leistungsanspruch der Antragsteller ergebe sich insbesondere auch aus der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004).
Dieser Argumentation ist das Sozialgericht nicht gefolgt und hat mit Beschluss vom 30.04.2011 sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch die zugleich beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Antragstellerin hielten sich alleine zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik auf und seien vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfasst. Sie genössen kein fortwirkendes Aufenthaltsrecht aus einer selbständigen Tätigkeit (mehr). Der Leistungsausschluss verstoße nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA), dem Bulgarien nicht angehöre. Auch verstoße der Leistungsausschluss im Falle der Antragsteller weder gegen primäres noch insbesondere gegen sekundäres Recht der Europäischen Union. Insoweit sei die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II i.V.m. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 EG als gegenüber der VO (EG) 883/2004 speziellere Regel anwendbar. Mangels eines originären Leistungsrechts der Antragsteller zu 1) und 2) habe der Antragsteller zu 3) keinen Anspruch auf Sozialgeld.
Gegen den am 09.05.2012 zugestellten Beschluss richtet sich die bereits am 03.05.2012 gegen die Ablehnung des Antrags in der Sache sowie gegen die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe gerichtete Beschwerde, für deren Durchführung gleichfalls Prozesskostenhilfe beantragt wird. Die Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei höchstrichterlich nicht geklärt, bis zu einer solchen Klärung seien im Wege der Folgenabwägung Leistungen nach dem SGB II zu gewähren oder bei Versagung der zuständige Leistungsträger nach dem SGB XII beizuladen. Jedenfalls stehe den Antragstellern im Hinblick auf die Komplexität der Rechtslage Prozesskostenhilfe zu.
Der Antragsgegner hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Antragsteller haben weder Anspruch auf die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB II noch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchsetzung eines solchen Anspruches im Antrags- und Beschwerdeverfahren.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Hinsichtlich der geltend gemachten Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im Sinne eines konkret und bald drohenden Wohnungsverlustes( vgl. z. B. Beschlüsse des LSG NRW vom 04.09.2009 – L 12 B 69/09 AS ER, vom 02.03.2012, – L19 AS 163/12 B ER).
Die Antragsteller haben zudem einen Anordnungsanspruch im Sinne eines im Hauptsacheverfahren voraussichtlich durchsetzbaren Anspruches nicht glaubhaft gemacht. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen Prüfungsdichte besteht vielmehr kein Leistungsanspruch ab Antragsstellung bei Gericht am 03.04.2012.
Bei nicht ausgeräumten Zweifeln am gewöhnlichen Aufenthalt der Antragsteller i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II (1.) spricht mehr für das Eingreifen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als dagegen (2.). Ansprüche nach dem SGB II folgen nicht aus der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ( VO(EG) 883/2004) (3.)
Ein Anspruch der Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II ergibt sich nicht bereits aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (vgl. hierzu BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R), weil Bulgarien nicht zu den Unterzeichnerstaaten dieses Abkommens zählt. (http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=014&CM=8&DF=9/17/2006&CL=GER)
1.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist Leistungsvoraussetzung, dass ein Leistungsberechtigter seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs. 1 SGB I Bezug genommen (vgl. BT-Drucks 15/1516 S 52; BSG Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 14/10 R = juris Rn 13). Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er sich an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend aufhält. Dieser Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht einheitlich für sämtliche Bücher des SGB ausgelegt, sondern ist jeweils nach der konkreten rechtlichen Bedeutung und dem Sinn und Zweck der Norm, die den Begriff verwendet, auszulegen (Einfärbungslehre). Entscheidungen und Begriffsbestimmungen zum gewöhnlichen Aufenthalt, die aus anderen Gesetzen stammen oder sich auf andersgeartete Materien beziehen, können nach dieser Rechtsprechung nur mit einer gewissen Zurückhaltung auf weitere Sachgebiete übertragen werden. Die Frage, wann ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ist vom BSG ungeachtet der vereinheitlichenden Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I für den Bereich verschiedener Sozialgesetze unterschiedlich beantwortet worden (z.B. BSG Urteil vom 27.01.1994 – 5 RJ 16/93 – mit Anführung der Fallgruppen; siehe die kritischen Anmerkungen in der Literatur zur Einfärbungslehre im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt und den ausdrücklichen Vorbehalt abweichender Regelungen nach § 37 SGB I: Seewald, Kasseler Kommentar, Stand der 68. Erg.-Lfg. 2010, § 30 SGB I Rn. 11 f.; Schlegel in jurisPK, § 30 SGB I, 50 f.).
Für den hier einschlägigen Bereich der Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II hat das BSG mit Urteil vom 16.05.2007 (B 11b AS 37/06 R = juris Rn. 22) entschieden, dass Ausländer nur dann ihren gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II in Deutschland haben, wenn sie über einen Aufenthaltstitel verfügen, der den persönlichen Aufenthalt zulässt. Hieran habe auch die Neufassung von § 7 Abs. 1 SGB II ab dem 01.04.2006 nichts geändert (Kritik bei Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rn. 11; ausdrücklich offengelassen im Urteil des BSG vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R = juris Rn. 13). Nach Auffassung des Senats spricht vieles dafür, den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts bei der Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II bereichsspezifisch dahin auszulegen, dass ein prognostisch auf Dauer gesicherter Aufenthalt zu fordern ist, der ein Erreichen des Regelungszieles des SGB II – Beseitigung der Bedürftigkeit durch die Aufnahme einer Tätigkeit mit existenzsicherndem Ertrag – vgl. § 1 Abs. 1 SGB II -, ungefährdet erscheinen lässt.
Diese Voraussetzungen sind bei den Antragstellern zweifelhaft. Ihnen steht weder nach nationalem Recht (a) noch europarechtlich (b) ein Aufenthaltsrecht zu. Als Angehörige des Vertragsstaates Bulgarien bedürfen sie zudem zur legalen Ausübung einer Tätigkeit der vorherigen Genehmigung (c).
a)
Nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) vom 30.07.2004 (BGBl. I 1950), hier anzuwenden i.d.F. des Gesetzes vom 12.04.2011, BGBl. I 610), sind die Antragsteller – zumindest für Zeit ab Antragstellung bei Gericht am 03.04.2012 – nicht freizügigkeitsberechtigt.
Nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.
Nach Aktenlage in Verbindung mi ihren eigenen Angaben sind die Antragsteller nicht aufenthaltsberechtigt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU.
Die Antragstellerin zu 1) hält sich in der Bundesrepublik nicht zur Berufsausbildung auf. Sie ist weder als Arbeitnehmerin tätig noch übt sie eine selbständige Tätigkeit aus. Im streitigen Zeitraum, der ab der Antragstellung bei Gericht am 03.04.2012 beginnt, ist sie auch nicht als Arbeitssuchende freizügigkeitsberechtigt. Es besteht trotz Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II Anlass, am Vorhandensein ihres Willens zur Arbeitssuche zu zweifeln. Denn in den bei Antragstellung zurückliegenden 18 Monaten ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik ist sie weder im Rahmen ihrer vorübergehenden Gewerbeanmeldungen aktenkundig selbständig arbeitend in Erscheinung getreten noch abhängig beschäftigt gewesen.
Mit Erklärung vom 02.04.2012 hat sie angegeben, sie habe wegen Kinderbetreuung bislang weder Arbeit suchen noch aufnehmen können. Der sich insoweit aufdrängenden Frage, ob beide Gewebeanmeldungen vielleicht nur zum Schein erfolgten, ist nicht weiter nachzugehen, bereits deshalb nicht, weil es an einer "Niederlassung" im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU gänzlich fehlt. Die bloße Anmeldung eines Gewerbes begründet kein Aufenthaltsrecht (BSG im Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R = juris Rn.19). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird der Begriff "Niederlassung" als die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit als Haupt- oder (selbstständige oder unselbstständige) Zweigniederlassung definiert (HK-Ausländerrecht/Hoffmann, § 2 FreizügG/EU, Rn. 14 mit zahlreichen Nachweisen; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 29.11.2010, L 34 AS 1001/10 B ER = juris Rn. 36). Voraussetzung ist damit eine selbständige Tätigkeit in einem Umfang, welcher eine tatsächliche Verbindung zum Arbeits- bzw. Gütermarkt der Bundesrepublik Deutschland belegt (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.05.20011 – L 28 AS 566/11 B ER – unter Bezugnahme auf EuGH Urteil vom 04. Juli 2009, C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras/Koupatantze). Dies wird hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) nicht einmal behauptet.
Selbst wenn ein Wille zur Arbeitsaufnahme bei der Antragstellerin zu 1) angenommen wird, besteht das Aufenthaltsrecht zwecks Arbeitssuche nicht uneingeschränkt und nun nicht mehr.
Das FreizügG/EU legt für die Arbeitssuche keine Frist fest, sondern bestimmt, dass jedenfalls für die ersten drei Monate ein Aufenthaltsrecht auch ohne Zweckbindung besteht (§ 2 Abs. 5 FreizügG/EU). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist ein arbeitssuchender EU-Bürger so lange freizügigkeitsberechtigt wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht. Dem Betroffenen muss ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden, um im Aufnahmemitgliedsstaat von Stellenangeboten, die seinen beruflichen Qualifikationen entsprechen, Kenntnis nehmen und sich ggf. bewerben zu können. Das Gemeinschaftsrecht regelt die Länge des Zeitraums nicht. Es verwehrt einem Mitgliedsstaat nicht, einen Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, unbeschadet einer Klagemöglichkeit auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH Urteil vom 26.02.1991 – C 292/89 – Antonissen; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 2 FreizügG/EU Rn 56).
Nach Akteninhalt und unter Zugrundelegung ihrer eigenen Angaben gegenüber dem Antragsgegner hat sich Antragstellerin zu 1) seit ihrer Einreise im Oktober 2010 nicht um einen Arbeitsplatz bemüht. Danach ist es der Antragstellerin zu 1) in einem Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren seit der Einreise – gerechnet bis zur Antragstellung beim Sozialgericht – nicht gelungen, auf dem Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Fuß zu fassen. Konkrete Bewerbungen und aktuell noch wahrzunehmende Arbeitsangebote hat sie im Verfahrensverlauf nicht vorgetragen. Deshalb hält der Senat die Annahme für gerechtfertigt, dass das Freizügigkeitsrecht der Antragstellerin zu 1) wegen Arbeitssuche i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FreizügG/EU nicht mehr besteht.
Auch beim Antragsteller zu 2) sind weder die Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zur Arbeitssuche i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FreizügG/EU noch als Nachwirkung der mindestens formell bis zur Gewerbeabmeldung am 29.09.2012 ausgeübten selbständigen Tätigkeit glaubhaft gemacht. Eigenangaben hierzu liegen nicht vor, insbesondere nicht zur "Niederlassung", vgl. vorstehend. Die tatsächliche Ausübung einer solchen Tätigkeit ist bereits zweifelhaft, da nach Aktenlage völlig offen erscheint, ob und in welchen Zeiträumen der Antragsteller zu 2) selbständig oder abhängig beschäftigt tätig geworden ist. Nach einer Niederschrift in der Verwaltungsakte des Antragsgegners (Bl.65) hat die Antragstellerin zu 1. am 22.08.2012 angegeben, den Antragsteller zu 2), der "ohne Papiere" gearbeitet habe, seit Monaten nicht gesehen zu haben. Das Unternehmen, das vom Antragsteller zu 2) wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles – was an sich eher auf abhängige Beschäftigung hindeutet – in Anspruch genommen wurde, ist der zuständigen Berufsgenossenschaft unbekannt (Bl. 54 VA). Es besteht damit die Möglichkeit, dass der Antragsteller – ohne die hierfür auch europarechtlich erforderliche Arbeitsgenehmigung – abhängig beschäftigt "schwarz" gearbeitet hat. Eine solche Tätigkeit vermittelt kein Aufenthaltsrecht (vgl. Beschluss des Senats vom 15.06.2012 – L 19 AS 834/12 B ER; ebenso bezüglich nicht legaler selbständiger Tätigkeit Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 05.03.2012 – L 29 AS 414/12 B ER).
Letztlich mag jedoch offen bleiben, ob der Antragsteller zu 2) tatsächlich abhängig oder selbständig tätig war. Denn nach § 2 Abs. 3 S.1 Nr.2 FreizügG/EU bleibt das aufgrund einer Tätigkeit erworbene Aufenthaltsrecht auch bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit oder Aufgabe nur nach mehr als einjähriger Tätigkeit bestehen.
Dieses Zeitmaß war zum Zeitpunkt der am 16.09.2011 (Bl. 68 VA) mitgeteilten Beendigung der Tätigkeit des Antragstellers zu 2) – weder gerechnet ab der gemeldeten Wohnsitznahme im Oktober 2010 noch ab Gewerbeanmeldung am 08.02.2011 – erfüllt.
Auch aus der Vorschrift § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU lässt sich ein Aufenthaltsrecht der Antragsteller nicht ableiten. Danach genießen nicht erwerbstätige Unionsbürger ein Aufenthaltsrecht, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen (§ 4 FreizügG/EU). Wegen der im vorliegenden Verfahren behaupteten Bedürftigkeit der Antragsteller als Voraussetzung eines Leistungsanspruches nach dem SGB II liegen diese Voraussetzungen offensichtlich nicht vor.
Anhaltspunkte für die zwischenzeitliche Entstehung eines Daueraufenthaltsrechts der Antragstellerin zu 1) i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU sind nicht ersichtlich. Sie hat sich bei Antragstellung am 23.09.2011 weder seit fünf Jahren ständig rechtmäßig in der Bundesrepublik aufgehalten (§ 4a Abs. 1 FreizügG/EU) noch eine Erwerbstätigkeit mit der erforderlichen Dauer i.S.v. § 4a Abs. 2 FreizügG/EU) ausgeübt.
Ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU besteht daher nicht.
b)
Ein aktuelles Aufenthaltsrecht der Antragsteller ergibt sich ebenfalls nicht aus der Freizügigkeitsrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, Amtsblatt L 229/35). Die Richtlinie sieht in Art. 6 ein generelles Aufenthaltsrecht von bis zu drei Monaten vor, ein darüber hinausgehendes Aufenthaltsrecht in Art. 7 als Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedsstaat (Art. 7 Abs. 1a), ferner nur bei Vorhandensein ausreichender Mittel und Sicherstellung des Krankenversicherungsschutzes (Art. 7 Abs. 1b). Diese Voraussetzungen liegen, wie bereits ausgeführt, nicht vor. Insbesondere ist auch die Dreimonatsfrist abgelaufen. Ein Daueraufenthaltsrecht steht erst nach rechtmäßigem fünfjährigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Aufnahmemitgliedsstaat zu (Art. 16 Abs. 1). Auch hieran fehlt es.
Ein Aufenthaltsrecht der Antragsteller, das einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II begründen könnte, besteht daher weder nach dem FreizügG/EU noch nach der durch dieses Gesetz umgesetzten Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG. Ein Aufenthaltsrecht bestünde alleine bei Vorhandensein ausreichender Mittel zur Existenzsicherung und Sicherstellung des Krankenversicherungsschutzes (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 4 FreizügG/EU, Art. 7 Abs. 1b Freizügigkeitsrichtlinie).
Dieses Ergebnis steht mit der Rechtsprechung des EuGH zum Aufenthaltsrecht der Unionsbürger und zum Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Einklang. Der EuGH hat im Urteil vom 07.09.2004 (C 456/02 – Trojani) ausgeführt, Art. 18 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV, entspricht Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)), erkenne jedem Unionsbürger das Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten unmittelbar zu. Dieses Recht gelte nicht absolut, sondern bestehe nur vorbehaltlich der im EGV und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bestimmungen. So könnten die Mitgliedsstaaten nach Art. 1 der Richtlinie 90/364 von dem Angehörigen eines (anderen) Mitgliedsstaats, der das Recht zum Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet wahrnehmen wolle, verlangen, dass dieser für sich und seine Familienangehörigen über eine ausreichende Krankenversicherung sowie über genügende Existenzmittel verfügten, durch die sichergestellt sei, dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedsstaats in Anspruch nehmen müssten. Bei einem Mangel an Mitteln, die eigene Existenz zu sichern, erwächst deshalb aus Art. 18 EGV (grundsätzlich) kein Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates.
c)
Gegen das Bestehen eines rechtmäßigen Aufenthalts der Antragsteller ohne den Zusammenhang mit der Aufnahme und Ausübung einer im Einzelfall erlaubten Tätigkeit spricht insbesondere ihre besondere Rechtsstellung als Staatsangehörige des neuen Mitgliedsstaates Bulgarien unter Berücksichtigung der für dessen Staatsangehörige aktuell noch geltenden Übergangsbestimmungen. Diese beschränken einstweilen das Freizügigkeitsrecht bulgarischer Arbeitnehmer. Bulgarien ist – wie die Republik Rumänien – zum 01.01.2007 der EU beigetreten (Vertrag vom 25.04.2005, BGBl. II, 2006, S. 46). Nach Art. 1 Abs. 3 des EU-Beitrittsvertrages (Amtsblatt vom 21.06.2005, L 157/11) sind Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme in einem beigefügten Protokoll festgelegt. Nach Art. 20 des Protokolls über die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumänien in die Europäische Union (Amtsblatt vom 21.06.2005, L 157/29) gelten für die Beitrittsstaaten bestimmte Maßnahmen unter im Einzelnen festgelegten Bedingungen. In der Liste nach Art. 23 der Beitrittsakte ist geregelt, dass Freizügigkeit nur vorbehaltlich der im Einzelnen aufgeführten Übergangsbestimmungen gilt. Nach diesen Übergangsbestimmungen können die Mitgliedsstaaten bis zum Ende eines Übergangszeitraumes von längstens sieben Jahren nach dem Tag des Beitritts arbeitsmarktbeschränkende Maßnahmen anwenden.
Die Bundesregierung hat von dieser Übergangsbestimmung zunächst für den Zeitraum bis zum 31.12.2011 Gebrauch gemacht (vgl. Bekanntmachung vom 17.12.2008 – Bundesanzeiger Nr. 198 vom 31.12.2008, S. 4807) und auch die weitere Möglichkeit einer Verlängerung bis zum 31.12.2013 genutzt (Erklärung der Bundesregierung vom 07.12.2011, www.bundesregierung.de/content/DE/Artikel/2011/12).
Danach bedürfen bulgarische Staatsangehörige (auch weiterhin) einer Arbeitserlaubnis-EU/Arbeitsberechtigung-EU nach § 284 SGB III, die nur unter den einschränkenden Voraussetzungen von § 39 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), d.h. insbesondere in Abhängigkeit vom Nichtvorhandensein bevorrechtigter Arbeitnehmer (§ 39 Abs. 2 Satz 1 b AufenthG) erteilt werden kann. Die Regelung ist als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet (Düe in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 284 Rn. 6). Das FreizügG/EU trägt dem in § 13 FreizügG/EU Rechnung, wonach das Freizügigkeitsgesetz Anwendung finden soll, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 284 Abs. 1 SGB III genehmigt wurde. Das nach dem Wortlaut der Vorschrift immerhin mögliche Verständnis, Bestimmungen des FreizügG/EU könnten nur nach bereits erfolgter Erteilung der Arbeitserlaubnis zur Anwendung kommen, dürfte europarechtlich ausgeschlossen sein (Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.11.2010 – L 34 AS 1001/10 B ER). Bei im Einzelnen umstrittenem Regelungsgehalt (vgl. Dienelt, a.a.O., § 13 FreizügG/EU) ist im Ergebnis anzunehmen, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit von Staatsangehörigen der neuen Mitgliedsstaaten nach § 13 FreizügG/EU während des Übergangszeitraumes (abgesehen von den ohnehin erlaubten selbstständigen Tätigkeiten und Dienstleistungen) nur in Bezug auf die Suche und die Aufnahme bzw. der Ausübung hiernach erlaubter Tätigkeiten bestehen kann und insofern stark eingeschränkt ist. Den Zeitraum, dem das FreizügG/EU Unionsbürger zur Arbeitssuche eingeräumt hat, hatten die Antragsteller aber bei Antragstellung schon längst ausgeschöpft.
Ob schließlich etwas anderes aus dem Umstand folgt, dass die Antragsteller zu 1) und 2) über Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU verfügen (zu deren Bedeutung vgl. BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R), erscheint im Hinblick auf das jeweilige Erfordernis einer Arbeitserlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zweifelhaft. Dies kann aber letztlich ebenso wie die Bedeutung des Umstands dahinstehen, dass der Aufenthalt von Staatsangehörigen der neuen Mitgliedsstaaten auch während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 6 und 7 FreizügG/EU, d.h. nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, beendet werden kann (Dienelt, a.a.O., Rn. 57 f., 61).
Denn dem Anordnungsanspruch steht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II durchgängig entgegen (vgl. hierzu LSG NRW, Beschlüsse vom 28.06.2011 – L 19 As 317/11 B ER und vom 18.11.2011 – L 7 AS 614/11 B ER).
2.
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, vom Leistungsbezug ausgenommen. Zweck dieser durch das Gesetz vom 24.03.2006, (BGBl. I 558) zum 01.04.2006 eingeführten gesetzlichen Neuregelung war der Ausschluss von Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche infolge der Umsetzung der in Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4d der Richtlinie 2004/38/EG bestehenden Regelungen ergibt (BT-Drucks 16/688, 13). Die Antragsteller sind als bulgarische Staatsbürger Ausländer; ein anderer Aufenthaltszweck als der der Arbeitssuche ist nicht ersichtlich. Die Antragsteller sind demnach vom Leistungsanspruch nach dem SGB II ausgeschlossen.
Die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht der EU ist in Rechtsprechung, Kommentierung und inzwischen reichhaltiger Judikatur umstritten (exemplarisch aus jüngerer Zeit: LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 09.09.2010 – L 10 AS 1023/10 B ER – und vom 29.11.2010 – L 34 AS 1001/10 B ER, LSG NRW Beschlüsse vom 04.10.2010 – L 19 AS 942/10 B – und vom 17.05.2011 – L 6 AS 356/11 B ER – m.w.N.). Der Streit besteht im Wesentlichen vor dem Hintergrund der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers durch den Vorbehalt des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG gedeckt ist, weil es sich bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II um Sozialhilfeleistungen handelt, oder ob es sich um Leistungen der sozialen Sicherheit bzw. zur Eingliederung in Arbeit handelt, die freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern unter Verstoß gegen das Verbot der Differenzierung nach Staatsangehörigkeit und/oder das allgemeine Differenzierungsverbot vorenthalten werden. Sowohl der EuGH als auch das BSG haben die Frage in jüngeren Entscheidungen offen gelassen (EuGH Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras/Koupatantze; BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R). Der Senat hat die Frage bislang als weiterhin ungelöst angesehen und vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SBG II betroffenen freizügigkeitsberechtigten Alt-EU-Bürgern und Bürgern der neuen EU-Staaten nach Ablauf der für die jeweiligen Staaten geltenden einschränkenden Übergangsregelungen einstweilig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gewährt (z.B. Beschluss vom 17.02.2010 – L 19 B 392/09 AS ER betreffend eine britische Staatsangehörige im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU).
Die auf das Verbot der Ausländerdiskriminierung bei uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zurückzuführenden Zweifel an der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Primärrecht bestehen bei den Antragstellern zu 1) und zu 2) nicht.
Denn sie sind nicht uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigt und ohne vorherige Genehmigung nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet berechtigt. Ihr Freizügigkeitsrecht beruhte auf der zum Zwecke der Arbeitssuche erfolgten Einreise unter den einschränkenden Voraussetzungen des FreizügG/EU sowie der Freizügigkeitsrichtlinie. Wegen erstmaliger Zuwanderung zur Arbeitssuche dürfte sich der gemeinschaftsrechtliche Anspruch der Antragsteller auf Gleichbehandlung schon ohne Beachtung ihrer Sonderstellung als bulgarische Staatsangehörige nur auf Gleichheit im Zugang zur Beschäftigung richten. In dieser Hinsicht hat der EuGH im Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 Collins – daran erinnert, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zwischen Angehörigen der Mitgliedsstaaten zu unterscheiden ist, die im Aufnahmemitgliedsstaat, in dem sie eine Beschäftigung suchen, noch kein Arbeitsverhältnis eingegangen sind und denen, die dort bereits arbeiten und die dort gearbeitet haben, aber nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis stehen und gleichwohl als Arbeitnehmer gelten. Während für Angehörige der Mitgliedsstaaten, die zuwandern, um eine Beschäftigung zu suchen, der Grundsatz der Gleichbehandlung nur für den Zugang zur Beschäftigung gilt, genießen diejenigen, die bereits Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben, die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer. Der Gleichheitsanspruch der Antragsteller dürfte sich – der Senat lässt dies im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes dahingestellt – daher nur auf den Zugang zu einer Beschäftigung richten, der ihr aufgrund der für bulgarische Staatsbürger geltenden Einschränkungen ohnehin erschwert ist.
Insbesondere betrifft jedoch – soweit ersichtlich – die gesamte Aufarbeitung der zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gesehenen Probleme Fallgestaltungen, in denen uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger sich auf der Grundlage eines aus ihrem Status abgeleiteten Aufenthaltsrechts erlaubterweise im Zuzugsstaat aufhielten und zudem nicht durch das die Antragsteller betreffende Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt nach § 284 SGB III hinsichtlich ihrer Integrierbarkeit in den Arbeitsmarkt beeinträchtigt waren. Die Antragsteller haben nicht den gleichen Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt wie deutsche Arbeitssuchende, solange sie nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung-EU sind. Hiernach besteht auch unter Beachtung des allgemeinen primärrechtlichen Diskriminierungsverbotes ein objektiver Grund, sie von den Leistungen auszuschließen (vgl. auch Husmann, NZS 2009, 652 f., 657).
Bulgarische Staatsangehörige in der Situation der Antragsteller nicht als vom Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach SGB II ausgeschlossen anzusehen, hieße im Übrigen, den Willen der vertragschließenden Parteien des Beitrittsvertrages sowie den Willen der Bundesregierung bei Ausübung der Vorbehaltsrechte zu ignorieren. Die Nichtanwendung bzw. Außerkraftsetzung der allgemeinen Regeln und Prinzipien des EU-Freizügigkeitsrechts für Arbeitnehmer im Beitrittsvertrag hat im Wesentlichen zwei Gründe. Der erste ist die Situation der nationalen Arbeitsmärkte. Der zweite Grund liegt in der befürchteten Belastung mit zusätzlichen Sozialausgaben, weil Arbeitnehmertätigkeit und soziale Sicherung in den meisten Ländern eng miteinander verknüpft sind (Fuchs, ZESAR 2007, 97 f., 102). Vor diesem Hintergrund erscheint ein Verständnis der Rechtslage dahin, dass Freizügigkeit und Zugang zu den nationalen Arbeitsmärkten vorübergehend nur eingeschränkt eröffnet, Sozialleistungen jedoch uneingeschränkt zugänglich gemacht werden sollten, ausgeschlossen.
Der Senat sieht danach keine Veranlassung, den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der vorliegenden Fallkonstellation europarechtlich in Frage zu stellen oder gar von seiner Anwendung abzusehen, solange jedenfalls keine eindeutigen Hinweise auf die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung in der Judikative des Bundesverfassungsgerichts bzw. des EuGH gegeben werden (vgl. auch Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.12.2012 -L 20 AS 2247/11 B ER; vom 05.03.2012 -L 29 AS 414/12 B ER).
3.
Ein Leistungsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II steht den Antragstellern auch nicht der Argumentation ihres Prozessbevollmächtigten folgend, wegen des Gleichbehandlungsgebotes nach Art.4 der VO(EG)883/2004 zu.
Die Antragsteller unterfallen zwar als bulgarische Staatsangehörige dem persönlichen Geltungsbereich des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung, wonach diese für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedsstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen gilt.
Auch kommt eine Qualifizierung der begehrten Leistungen nach §§ 20, 22 und 28 SGB II als Leistungen bei Arbeitslosigkeit bzw. Familienleistungen i.S.d. Beschreibung des sachlichen Geltungsbereiches der Verordnung (Art. 3 Abs. 1 h), j) in Betracht. Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II mit Ausnahme der im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld I zustehenden Zusatzleistungen nach § 24 SGB II sind besondere beitragsunabhängige Geldleistungen i.S.v. Art. 70 VO (EG) 883/2004 (Art. 70 Abs. 2 c) i.V.m. Anhang X VO (EG) 883/2004; Urteil des BSG vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R noch zur VO (EG) 1408/71 m.w.N.) und ausdrücklich in den sachlichen Geltungsbereich einbezogen (Art. 3 Abs.3 VO (EG) 1408/71).
Insoweit stützt sich die Antragsbegründung (sinngemäß) auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 VO (EG) 883/2004, wonach Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates (Art. 4 zweiter Halbsatz VO (EG) 883/2004).
Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liegt zur Überzeugung des Senats jedoch nicht vor.
Die der Argumentation der Antragsteller (wohl) zugrundeliegende Annahme, bereits aus ihrer Unionsbürgerschaft lasse sich ein Anspruch auf leistungsrechtliche Gleichbehandlung herleiten, teilt der Senat schon im Hinblick auf die bereits erwähnte, nach Einführung der Unionsbürgerschaft (durch den Vertrag von Maastricht vom 07.02.1992) ergangene Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 Collins, vgl. oben) nicht.
Vor diesem Hintergrund erscheinen insbesondere auch die Einschränkungen bzw. nun der Ausschluss von Ansprüchen der Antragsteller nach dem SGB II im Hinblick auf ihre eingeschränkte Freizügigkeit als Neu-EU-Bürger unionsrechtlich gerechtfertigt. Denn für die Antragsteller als bulgarische Staatsangehörige gelten nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.06.2005, L 157/18) Einschränkungen der Freizügigkeit, (Beschluss des LSG NRW vom 18.11.2011 – L 7 AS 614/11 B ER, vgl. weiter vorstehend 1.c) sowie 2.)
Soweit gleichwohl erwogen wird, der Gleichbehandlungsanspruch betreffe auch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ( z.B. aus jüngerer Zeit die Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 10.05.2012 – L 18 AS 1013/12 B ER -, des SG Berlin vom 08.05.2012 – S 91 AS 8804/12 ER), steht dieser Annahme zudem die Beobachtung eines dann auftretenden Wertungswiderspruches mit der Möglichkeit eines Leistungsausschlusses nach Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.04.2004) entgegen, weil nicht anzunehmen ist, dass das Europäische Parlament und der Rat am selben Tag sich widersprechende Regelungswerke in Kraft setzen wollten ( vgl. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.02.2012 – L 20 AS 2347/11 B ER).
Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b dieser Richtlinie einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens zu gewähren. Da mit zeitgleicher Einführung der VO(EG)883/2004 die Koordinierung der Sozialsysteme (vgl. den Titel der Verordnung selbst) aber gerade nicht die Vereinheitlichung der materiellen Standards bezweckt war, kann die Absicht einer Aushöhlung der Möglichkeit des mitgliederstaatlichen Leistungsausschlusses auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie durch die Regelungen der VO(EG)883/2004 nicht angenommen werden (LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.m.w.N.).
Es liegt vielmehr nach den unterschiedlichen Zielrichtungen beider Rechtsquellen unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch in der vorhergehenden Verordnung ( Art. 10a, Anlage IIA der Verordnung (EWG) Nr.1408/71) Grundsicherungsleistungen als besondere beitragsunabhängige Leistungen erfasst waren, die Annahme nahe, dass ein Spezialitätsverhältnis vorliegt, in dessen Rahmen Art. 4 der VO(EG)883/2004 die allgemeine koordinationsrechtliche Regelung enthält, Art. 24 Abs. 1 der Richtline 2004/38/EG die mit der Einschränkung nach Abs.2 geltende und insbesondere auch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II anwendbare (Urteil des EuGH vom 04.06.2009, C-22/08, C-23/08) spezielle Regelung ( Beschlüsse des LSG Berlin -Brandenburg vom 03.04.2012 – L 5 AS 2157/11 B ER, L 5 AS 2177/11 B PKH m.w.N., des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.05.2012 – L 9 AS 347/12 B ER).
Entgegen der Beschwerdebegründung folgt aus dem Ausschluss des Leistungsanspruches nach dem SGB II keineswegs ein Anspruch auf Leistungen auf anderer Rechtsgrundlage, z.B. nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) bzw. verfahrensrechtlich auf Beiladung des hierfür zuständigen Trägers.
Den Antragstellern ist nicht aufgrund der aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und dem Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. GG) folgenden Verpflichtung des Staates, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, ein Anspruch auf vorläufige Leistungen – und sei es auch nur im Umfang geminderter Leistungen analog § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes (vgl. Beschluss des LSG NRW vom 30.05.2011 – L 19 AS 431/11 B ER m.w.N.) zuzubilligen (a.A. wohl Strick, NJW 2005, 2182, 2185). Denn dies würde gerade dazu führen, dass der von der Rechtsordnung und nach den Grundsätzen des Beitrittsvertrages der EU nicht erwünschte Aufenthalt der Antragsteller in Deutschland verlängert würde. Aus Art. 1 Abs. 1 GG lässt sich daher nur die Verpflichtung zur Gewährung solcher Leistungen herleiten, die notwendig sind, um den Antragstellern eine Rückkehr in ihr Heimatland zu ermöglichen, vgl. Beschluss des Senats vom 28.06.2011 – L 19 AS 317/11 B ER sowie vom 16.04.2007 – L 19 B 13/07 AS ER). Ein solcher Anspruch ist jedoch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens (ebenso Beschluss des Senats vom 07.10.2011 – L 19 AS 1560/11 B ER).
Von einer Beiladung des für Leistungen nach dem SGB XII zuständigen Leistungsträgers war auch deshalb abzusehen, weil hinsichtlich einer Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB II schon kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist. Nach ständiger Rechtsprechung auch des hier befassten Senats ist ein Anordnungsgrund i.S.d. Notwendigkeit gerichtlichen Eingreifens nur dann glaubhaft gemacht, wenn zuvor alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, das erstrebte Ziel auch ohne Einschaltung des Gerichts zu erreichen. Zu diesen Möglichkeiten zählt insbesondere die vorherige Kontaktaufnahme mit dem für die begehrte Leistung zuständigen Verwaltungsträger. Dies ist hinsichtlich möglicher Leistungen nach dem SGB XII im Hinblick auf § 18 Abs. 1 SGB XII um so zwingender, als hiernach der Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen den frühestmöglichen Zeitpunkt für das Einsetzen der Hilfe nach dem SGB XII darstellt (zu einem Vergleichsfall Beschluss des Senats vom 07.12.2011 – L 19 AS 1956/11 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
Prozesskostenhilfe steht den Antragstellern weder für das Antrags- noch für das Beschwerdeverfahren zu, weil es der beabsichtigten Rechtsverfolgung nach Vorstehendem an hinreichender Erfolgsaussicht i.S.v. §§ 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) mangelt.
Soweit in der Vergangenheit in Vergleichsfällen Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die Schwierigkeit und Intransparenz der Rechtslage gewährt worden ist, besteht hierzu keine Veranlassung mehr. Seit mehr als einem Jahr und soweit ersichtlich einhellig entscheiden die für Leistungen nach dem SGB II zuständigen Senate des LSG NRW, dass weder abhängig noch selbständig beschäftigten Unionsbürgern der neuen Mitgliedsstaaten Rumänien und Bulgarien bis zum Ablauf der für diese Staaten geltenden Übergangsfristen Leistungen nach dem SGB II zustehen, wenn sie vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II betroffen sind und in eine Folgenabwägung nur dann einzutreten ist, wenn besondere Umstände vorliegen (vgl. z.B. Beschlüsse vom 30.05.2011 – L 19 AS 388/11 B ER, vom 28.06.2011 – L 19 AS 317/11 B ER, vom 07.10.2011 – L 19 AS 1516/11 B ER, vom 18.11.2011 – L 7 AS 614/11 B ER, L 7 AS 615/11 B; vom 07.12.2011 – L 19 AS 1956/11 B ER, vom 16.05.2012 – L 19 AS 719/12 B ER, vom 23.05.2012 – L 7 AS 2252/11 B ER, vom 15.06.2012 – L19 AS 834/12 AS ER, überwiegend zugänglich unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind entsprechend § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist endgültig, § 177 SGG.
Erstellt am: 28.06.2012
Zuletzt verändert am: 28.06.2012