Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.07.2018 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben auch im Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Bescheid der Beklagten vom 03.11.2017, mit der sie dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.08.2017 wegen mangelnder Mitwirkung versagte.
Der Kläger stand seit Mai 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Er selbst ist der Ansicht, dass er aus gesundheitlichen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Er leide unter einer Störung in seinem Schlaf-Wach-Rhythmus, so dass es ihm unmöglich sei, regelmäßig zu festen Zeiten Maßnahmen zu besuchen bzw. eine Arbeitsstelle anzutreten. Seit Ende 2014 bemüht sich die Beklagte daher, die Erwerbsfähigkeit des Klägers ärztlich feststellen zu lassen. Zunächst lud die Beklagte den Kläger mehrfach zu einer Begutachtung durch den ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit ein. Der Kläger verweigerte diese Untersuchung jedoch, da er diesen Arzt nicht für unabhängig erachtete. Auch auf sämtliche Folgeeinladungen, die das Ziel der Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit verfolgten, reagierte er nur mit Widersprüchen und Klagen, die stets dieselbe Begründung hatten. Mit keiner seiner Klagen war der Kläger erfolgreich. Im Verlauf des Jahres 2015 wies die Beklagte ihm auch zwei Mal durch einen eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt eine Eingliederungsmaßnahme zu, die zum Ziel hatte, sein gesundheitliches Restleistungsvermögen herauszuarbeiten. In allen Schreiben an den Kläger bot die Beklagte das persönliche Gespräch zur Klärung aller weiteren Fragen an und erläuterte ihm auch schriftlich ausführlich, welche Schritte zur Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit notwendig seien. Schließlich bot die Beklagte dem Kläger – entgegen ihrer rechtlichen Verpflichtung – sogar an, selbst einen Arzt zu benennen, der die notwendigen Untersuchungen durchführen solle. Auch dies verweigerte der Kläger. Die einzigen bei der Beklagten vorliegenden ärztlichen Unterlagen über den Kläger datieren aus dem Jahr 2006. Der Kläger selbst gab an, seitdem nicht mehr in ärztlicher Behandlung zu sein.
Mit Bewilligungsbescheid vom 21.01.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger zuletzt Leistungen auch für die Zeit vom 01.08.2016 bis zum 31.01.2017 in Höhe von monatlich insgesamt 923,68 EUR.
Mit Schreiben vom 04.05.2016 forderte die Beklagte den Kläger erneut auf, sich am 02.06.2016 um 10 Uhr beim ärztlichen Dienst vorzustellen und vorab einen ausgefüllten Gesundheitsfragebogen und eine Schweigepflichtentbindungserklärung einzureichen. Der Kläger kam der Aufforderung zur Vorstellung beim ärztlichen Dienst nicht nach. Stattdessen legte er unter dem 19.05.2016 Widerspruch gegen das Aufforderungsschreiben ein. Diesen begründete er insbesondere damit, dass er selbst bei seiner ursprünglichen Antragstellung im Mai 2005 dargelegt habe, dass er dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe und an einer Vermittlung nicht interessiert sei. Durch die Annahme dieses Leistungsantrages und die fortlaufende Leistungsgewährung habe die Beklagte diese Bedingung akzeptiert, so dass für ihn keine weiteren Mitwirkungspflichten bestünden. Ferner fehle die genaue Benennung des Arztes und die Mitteilung der genauen Fragestellung an diesen. Die Beklagte solle ein Gutachten nach Aktenlage erstellen.
Am 20.05.2016 reichte der Kläger die angeforderten Unterlagen ein. Die Beklagte prüfte daraufhin, ob eine Überleitung in das SGB XII auch ohne persönliche Vorsprache möglich sein könnte (vgl. Vermerk vom 23.05.2016). Der sozialmedizinische Gutachter der Agentur für Arbeit Dr. F prüfte die vom Kläger eingereichten Unterlagen. In seiner gutachterlichen Stellungnahmen vom 23.06.2016 stellte dieser fest, dass eine Einschätzung der vorliegenden leistungsrelevanten Funktionsstörungen anhand der Unterlagen (von 2006 und 2008) alleine nicht erfolgen könne, da sich der Kläger seit 2006 nicht mehr in ärztlicher Behandlung befinde. Eine aktuelle Untersuchung sei daher zwingend erforderlich. Auf die Einzelheiten der gutachterlichen Stellungnahme wird verwiesen.
Mit weiterem Schreiben vom 02.06.2016 forderte die Beklagte den Kläger zu einem neuen Untersuchungstermin am 21.06.2016 auf. Auch gegen dieses Schreiben legte der Kläger mit Schreiben vom 15.06.2016 Widerspruch ein und erschien nicht zum Untersuchungstermin.
Daraufhin entzog die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18.07.2016 die Leistungen vollständig für den Zeitraum vom 01.08.2016 bis zum 31.01.2017. Dabei stützte sie sich auf eine Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) durch den Kläger. Ein gegen den Bescheid vom 18.07.2016 durch den Kläger angestrengtes Widerspruchsverfahren blieb ebenso erfolglos wie ein nachfolgendes Gerichtsverfahren (S 41 AS 4287/16; L 2 AS 2152/17).
Am 02.01.2017 reichte der Kläger bei der Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag ein. Die Beklagte forderte ihn mit Schreiben vom 13.01.2017 zur Mitwirkung durch Vorstellung beim ärztlichen Dienst am 13.02.2017 zwecks Klärung seiner Erwerbsfähigkeit auf. Am 30.01.2017 beantragte der Kläger bei dem erkennenden Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 41 AS 450/17 ER). Zu dem Termin beim ärztlichen Dienst am 13.02.2017 erschien der Kläger ebenso wenig wie zu einem Untersuchungstermin, den das erkennende Gericht für den Kläger bei Herrn Dr. L, SMD N, im Zuge des Eilverfahrens ermöglicht hatte. Das Eilverfahren blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos (L 2 AS 598/17 B ER). Daraufhin versagte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15.02.2017 die beantragten Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.01.2017 wegen seines Nichterscheinens zum Termin beim ärztlichen Dienst vollständig. Ein nachfolgendes Widerspruchsverfahren bleib erfolglos, ebenso ein Gerichtsverfahren (S 41 AS 3363/17; L 12 AS 596/18).
Nachdem der Kläger am 16.08.2017 einen neuen Weiterbewilligungsantrag gestellt hatte, forderte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 08.09.2017 erneut zur Mitwirkung dergestalt auf, einen Termin beim ärztlichen Dienst am 20.09.2017 um 11 Uhr zwecks Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit wahrzunehmen. Auch zu diesem Termin erschien der Kläger nicht. Daraufhin erlies die Beklagte am 03.11.2017 den angefochtenen Bescheid, mit dem sie ihm die begehrten Leistungen ab dem 01.08.2017 ganz versagte. Mit Schreiben vom 27.11.2017 erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2017 als unbegründet zurückwies. Am 04.01.2018 erhob der Kläger Klage vor dem erkennenden Gericht.
Der Kläger verweist in seiner Klage auf seine Widerspruchsbegründung vom 27.11.2017. Darin führt er aus, aus "Gewissensgründen" sei er willentlich erwerbsunfähig und stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Er leide unter einem desynchronen Schlaf-Wach-Rhythmus. Die von der Beklagten geplante ärztliche Untersuchung sei unverhältnismäßig. Bevor er untersucht werden könne, müsse ein bestimmtes Prozedere zwingend eingehalten werden, wobei ihm als erstes der Regelsatz zu gewähren sei. Im Anschluss daran habe die Beklagte einen Arzt für die Begutachtung zu benennen, zu dem er dann u.a. durch die Zusendung eines Fragebogens Kontakt zur Herstellung vertrauensbildende Maßnahmen aufnehmen werde. Er werde dann entscheiden, ob er den Arzt als ethisch vertrauenswürdig ansehe. Dann könne ein Verfahren gem. § 44a SGB II stattfinden.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2017 aufzuheben und ihm ab dem 01.08.2017 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zuzüglich Zinsen zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 19.07.2018 die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit sie als Leistungsklage, gerichtet auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, erhoben sei. Denn die Beteiligten stritten über einen Versagungsbescheid der Beklagten gegenüber dem Kläger. Im Falle der Versagung nach § 66 SGB I entscheide die Behörde nicht über den Leistungsanspruch als solchen. Gegen einen solchen Versagensbescheid sei nur die Anfechtungsklage eröffnet. Die gegen den Versagungsbescheid vom 03.11.2017 erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) sei zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Versagungsbescheid der Beklagten vom 03.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2017 sei rechtmäßig und verletze den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 1, Abs. 2 SGG. Die Beklagte habe dem Kläger zu Recht die begehrten Leistungen nach § 66 SGB I versagt. Denn nach § 61 SGB I solle jeder, der Sozialleistungen beantrage oder erhalte, auf Verlangen des Leistungsträgers zur mündlichen Erörterung des Antrages oder zur Vornahme anderer für die Entscheidung über die Leistung notwendiger Maßnahmen persönlich erscheinen. Nach § 62 SGB I solle sich jeder, der Sozialleistungen beantrage oder erhalte, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen oder psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich seien. Der Kläger sei der Einladung der Beklagten vom 08.09.2017 zu dem Untersuchungstermin beim ärztlichen Dienst am 20.09.2017 zur Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit nicht gefolgt. Ein Grund im Sinne des § 65 SGB I, aus dem die Untersuchung für den Kläger unzumutbar sein könnte, läge nicht vor. Den Befürchtungen des Klägers, dass der begutachtende Arzt nicht unabhängig sein könnte, werde durch die üblichen Rechtschutzmöglichkeiten gegen die aus der Untersuchung folgenden Entscheidungen der Beklagte ausreichend Rechnung getragen. Entgegen der Ansicht des Klägers war und sei die Beklagte auch nicht verpflichtet, das von ihm vorgegebene Prozedere zur Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit einzuhalten. Dies sei gesetzlich nicht vorgesehen. Der von dem Kläger behauptete desynchrone Schlaf-Wach-Rhythmus sei durch nichts belegt und könne schon aus diesem Grund keinen wichtigen Grund im Sinne des § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I darstellen. Das Prozedere sei dem Kläger aus der Vergangenheit hinlänglich bekannt (vgl. in aller Deutlichkeit betreffend den Kläger auch LSG NRW Beschluss vom 12.09.2017, L 6 AS 889/17 B ER). Auf die Einzelheiten wird Bezug genommen.
Die Rechtsfolge einer fehlenden Mitwirkung stehe gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I im Ermessen der Behörde. Der Leistungsträger könne die beantragte Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen. Das Gericht dürfe gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG Ermessensentscheidungen nur auf Ermessensfehler hin überprüfen. Ermessensfehler könne das Sozialgericht nicht erkennen. Die Beklagte habe ihre umfangreichen Bemühungen um eine Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in dem Bescheid vom 03.11.2017 ausführlich dargelegt. Sie habe sich auch bemüht, diese anhand der Aktenlage feststellen zu lassen, was jedoch nicht möglich gewesen sei. Auch hierauf gehe sie in dem Bescheid vom 03.11.2017 ein. Ohne die Mitwirkung des Klägers sei eine Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit nicht möglich. Auch wenn es vorliegend grundsätzlich denkbar erscheint, dass der Kläger unter einer erheblichen psychischen Erkrankung leide und es auch möglich erscheine, dass die Verweigerung der Mitwirkungshandlungen auf der psychischen Erkrankung des Klägers beruhe, sei dies ohne eine Untersuchung des Klägers durch einen Arzt nicht zu klären. Es gehe bei der Frage, ob der Kläger Leistungen der Sozialhilfe oder Leistungen nach dem SGB II erhalte, nicht nur darum, von welchem Träger die Leistungen zu zahlen seien, sondern es gehe um die Vergabe öffentlicher Mittel aus Steuergeldern, die nach dem SGB II mit ganz anderen Pflichten verbunden sei, als nach dem SGB XII. Im Sinne einer Gleichbehandlung mit anderen Hilfebedürftigen sei die Beklagte verpflichtet, alle ihr von Gesetzes wegen zustehenden Möglichkeiten auszuschöpfen und den Kläger zu allen ihm möglichen Mitwirkungshandlungen anzuhalten. Dies gelte gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Kläger meine, dem Arbeitsmarkt aufgrund eines "Gewissensentscheids" nicht zur Verfügung zu stehen, da dies auf eine mögliche erhebliche psychische Erkrankung hindeute. Aus diesem Grund sei das Handeln der Beklagten auch nicht rechtsmissbräuchlich, sondern dringend angezeigt. Auf die Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen.
Gegen das dem Kläger am 27.07.2018 zugestellte Urteil hat er am 22.08.2018 unter Wiederholung seines Vortrages in erster Instanz Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil auf seine Richtigkeit zu überprüfen und ggf. eine Korrektur vorzunehmen durch Zurückweisung an das Sozialgericht oder der Klage stattzugeben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Mit Schreiben vom 05.09.2018 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt. Der Senat habe dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts nichts hinzuzufügen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, da er die Berufung für unbegründet und deshalb eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden. Dabei ist ihnen unter Setzung einer Frist Gelegenheit gegeben worden, sich zu dieser Absicht zu äußern.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und schließt sich vollinhaltlich den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die er nach eigener Prüfung für zutreffend erachtet, an (§ 153 Abs. 2 SGG). Der Senat sieht keinen Anlass den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Das Sozialgericht hat im Detail ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten im Einklang mit der Rechtslage steht. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, wird hierauf Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 160 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Maßgeblich für die Entscheidung sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 12.11.2019
Zuletzt verändert am: 12.11.2019