Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 04.06.2008 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 18.04.2008 bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz als Barleistung anstelle der bisher gewährten Gutscheinleistung unter Anrechnung der bisher erbrachten Leistungen zu gewähren. Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht sowie für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt C X, H, zu ihrer Vertretung beigeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin bezieht von der Antragsgegnerin sog. Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Sie begehrt die Leistungsgewährung in Form von Bargeld anstelle von Wertgutscheinen.
Mit Antrag vom 18.04.2008 hat sie zunächst die einstweilige Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG anstelle solcher nach § 3 AsylbLG begehrt.
Die Antragsgegnerin hat daraufhin mitgeteilt, die Antragstellerin beziehe aufgrund eines Abhilfebescheides vom 30.01.2008 bereits seit Oktober 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG. Diese würden i.H.v. 73,28 EUR als Direktauszahlung an den Vermieter der Antragstellerin, i.H.v. 40,90 EUR als Barleistung und i.H.v. 237,10 EUR als Wertgutscheine geleistet. Insofern seien gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG die Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) entsprechend angewandt worden. Diese Regelung beziehe sich nach Ansicht der Antragsgegnerin "vorwiegend auf die Höhe und nicht auf die Form der zu gewährenden Leistung." Der Empfänger von Analogleistungen werde nicht zum Sozialhilfeempfänger. Der Gesetzgeber habe dies nicht gewollt; anderenfalls hätte er die nach § 2 Abs. 1 AsylbLG Berechtigten den Sozialhilfeempfängern gleichstellen können. Wertgutscheine seien "eine Art der Geldleistung"; eine Regelung, dass ausschließlich eine Bargeldleistung zu erfolgen habe, treffe § 2 AsylbLG nicht. Im Übrigen drohten der Antragstellerin keine existenziellen Nachteile, so dass es ihm zuzumuten sei, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Lokale Geschäfte seien mit der Einlösung von Wertgutscheinen vertraut und nähmen diese problemlos an.
Die Antragstellerin hat daraufhin die Gewährung von Geldleistungen nach § 2 AsylbLG in Anrechnung bereits erbrachter Leistungen ab dem 18.04.2008 beantragt. Sie hat vorgetragen, der Anspruch auf Leistungen in Form von Geldleistungen ergebe sich aus § 10 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 AsylbLG. Dass Sachleistungen an sie i.S. der Norm besser oder wirtschaftlicher das Ziel der Sozialhilfe erreichen könnten, sei nicht ersichtlich. Dann aber gebe es keinen sachlichen Grund, sie als Bezieherin von Analogleistungen schlechter zu stellen als Sozialhilfeempfänger. Analogleistungsberechtigte seien nur deshalb zu Sozialhilfeberechtigten bestimmt worden, um die Einschränkungsmöglichkeiten nach § 1a AsylbLG bzw. das Leistungsregime des § 3 AsylbLG für den Fall des Rechtsmissbrauchs offen zu halten. Die Gewährung nur von Gutscheinleistungen sei eine unverhältnismäßige Schikanierung von Analogleistungsberechtigten. Da die Handlungsweise der Antragsgegnerin offensichtlich rechtswidrig sei, bestehe auch ein Anordnungsgrund. Bei Warengutscheinen könnten Ansparungen kaum gebildet werden; ein Bankkonto könne nicht in der üblichen Weise, u.a. mit Zahlungsverkehr mittels Geld- oder Girokarte, geführt werden, und die Handlungsfreiheit werde ohne sachlichen Grund eingeschränkt.
Mit Beschluss vom 04.06.2008 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es bestehe jedenfalls kein Anordnungsgrund; es stelle keinen wesentlichen Nachteil dar, wenn die Antragstellerin vorübergehend auf Wertgutscheine angewiesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen den am 06.06.2008 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 07.07.2008 (Montag) Beschwerde eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, wenn die Klärung der vorliegend streitigen Frage in einem Hauptsacheverfahren ggf. bis zu einem Revisionsverfahren durchgeführt werden müsse, könne dies mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Ein Abwarten sei nicht zumutbar, da jedenfalls rückwirkend Geldleistungen wegen der Bedarfsdeckung durch Gutscheinleistungen nicht mehr zustünden. Sie müsste deshalb bei einem Abwarten der Hauptsache ggf. über Jahre gravierende Nachteile hinnehmen, weil sie über einen wesentlichen Teil ihres Lebensunterhalts nicht frei verfügen könnte. Dies sei schon mit Art. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar, zumal sie bei erfolgreicher, sich allerdings derzeit schwierig gestaltender Passbeschaffung einen Aufenthaltstitel nach § 104a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erhalten könne und ihr auch kein Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden könne.
Die Antragsgegnerin hält demgegenüber ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für zumutbar. Es bestehe auch kein Anordnungsanspruch; die Annahme, jeder nach § 2 Abs. 1 AsylbLG Berechtigte könne über die entsprechende Anwendung des SGB XII zwingend Geldleistungen beanspruchen, sei mit den Besonderheiten des AsylbLG nicht vereinbar.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.
Zu Unrecht gewährt die Antragsgegnerin ihr Leistungen in weiten Teilen in Form von Wertgutscheinen. Die Antragstellerin kann vielmehr Leistungen in der Form von Geldleistungen beanspruchen.
Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 10 Abs. 3 SGB XII:
Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen für die Gewährung dieser sog. Analogleistungen erfüllt.
Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 SGB XII hat die Geldleistung Vorrang vor der Sachleistung, soweit nicht das SGB XII etwas anderes bestimmt oder die Sachleistung das Ziel der Sozialhilfe erheblich besser oder wirtschaftlicher erreichen kann oder die Leistungsberechtigten es wünschen (Satz 1). Nach der ausdrücklichen Regelung in Satz 2 der Vorschrift gehören Gutscheine und andere unbare Formen der Verrechnung zu den Sachleistungen.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin erfasst der Verweis in § 2 Abs. 1 AsylbLG auch den in § 10 Abs. 3 Satz 1 SGB XII geregelten Vorrang von Geldleistungen vor Sachleistungen. Dass Besonderheiten des AsylbLG dagegen sprächen, ist aus dem Gesetz nicht ersichtlich. Nach einem Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG über einen Zeitraum von 48 Monaten geht das Gesetz vielmehr davon aus, dass Berechtigte nach dem AsylbLG angesichts einer bereits erfolgten Eingewöhnung in die hiesigen Lebensverhältnisse und eines erhöhten Integrationsbedarfes in die hiesige Gesellschaft auf dem Niveau des (erst mit Leistungen nach dem SGB XII erreichten) sog. soziokulturellen Existenzminimums leben und wirtschaften können sollen. Dies bezieht sich nicht nur auf die Leistungshöhe, sondern mangels jeglicher gegenteiliger gesetzlicher Anhaltspunkte auch auf die Leistungsform, die das SGB XII in § 10 Abs. 3 grundsätzlich als Geldleistung bestimmt. Die Antragsgegnerin hat denn für ihre abweichende Ansicht auch lediglich angeführt, die Besonderheiten des AsylbLG sprächen gegen eine Geldleistung; welche konkreten Besonderheiten sie damit im Auge hat, hat sie nicht dargelegt. Die grundsätzliche Leistungsform der Sachleistung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AsylbLG kann insoweit jedenfalls keine Berechtigung zur Sachleistung begründen; denn § 2 Abs. 1 AsylbLG sieht Analogleistungen gerade "abweichend von den §§ 3 bis 7" AsylbLG vor, ohne bei dem Verweis auf die entsprechende Anwendung des SGB XII § 10 Abs. 3 dieses Gesetzes von dem Verweis auszunehmen. Analogleistungen sind mithin (sofern nicht eine bei entsprechender Anwendung aus § 10 Abs. 3 SGB XII selbst begründete Ausnahme vorliegt, die im Falle der Antragstellerin weder ersichtlich noch von der Antragsgegnerin behauptet worden ist) als Geldleistungen und nicht als Sachleistungen zu erbringen (soweit ersichtlich allg. Ansicht: ausführlich Hohm, GK-AsylbLG, Stand April 2008, § 2 Rn. 204 ff; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 2 AsylbLG Rn. 8 m.w.N.; Birk, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 2 AsylbLG Rn. 5; Fasselt, in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl. 2005, § 2 AsylbLG Rn. 8; Adolph, in: Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Juni 2008, § 2 AsylbLG Rn. 27). Auch in den Gesetzesmaterialien ist (zu § 1a der Ausschussempfehlung, also zum späteren § 2 AsylbLG) ausgeführt, dass sich die Analogleistungen nach den Bestimmungen des (damaligen) Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über Art, Form und Maß der Leistung richten sollten (BT-Drucks. 12/5008, S. 15). Der Senat geht deshalb – wie bereits die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu Zeiten der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes – davon aus, dass das AsylbLG das auf den Personenkreis des § 2 Abs. 1 AsylbLG entsprechend anzuwendende SGB XII nicht dahingehend modifiziert, dass die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht als Geldleistung zu gewähren wäre. Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte des § 2 AsylbLG, darüber hinaus auch nicht der Sinn und Zweck des AsylbLG, geben einen Anhaltspunkt für die gegenteilige (von der Antragsgegnerin vertretene) Auffassung (vgl. BayVGH, Urteil vom 20.03.2006 – 12 BV 05.1845, m.N. entsprechender früherer Rspr. dieses Gerichts).
Im Übrigen zeigt auch ein systematischer Vergleich von § 2 Abs. 1 AsylbLG mit Abs. 2 der Vorschrift, dass jedenfalls bei Berechtigten, die – wie die nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft lebende Antragstellerin – nicht unter den Anwendungsbereich des Abs. 2 fallen, eine Gewährung von Sachleistungen regelmäßig nicht in Betracht kommt. Nach § 2 Abs. 2 AsylbLG bestimmt (nur) bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Abs. 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft die zuständige Behörde die Form der Leistung aufgrund der örtlichen Umstände. Kann also bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft eine Erbringung von Sachleistungen aufgrund der örtlichen Umstände in Frage kommen, folgt daraus zugleich, dass eine andere als die entsprechend § 10 Abs. 3 SGB XII vorgesehene Leistungsform ohne die Voraussetzungen des Abs. 2 gerade nicht in Betracht kommt. Selbst im Rahmen des § 2 Abs. 2 AsylbLG wird im Übrigen davon ausgegangen, dass der Regelfall der Hilfeleistung entsprechend § 10 Abs. 3 SGB XII die Geldleistung bleibt und der Leistungsträger nur bei Besonderheiten aufgrund der örtlichen Umstände (z.B. das Entstehen sozialer Spannungen in der Gemeinschaftsunterkunft bei unterschiedlicher Leistungsform) die Form der Leistung nach seinem Ermessen frei wählen kann (Adolph, a.a.O., Rn. 30; Hohm, a.a.O., Rn. 225; ders., in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 2 AsylbLG Rn. 31; Fasselt, a.a.O. Rn. 13; Wahrendorf, a.a.O., Rn. 16; unklar insoweit Birk, a.a.O., Rn. 6; vgl. auch BayVGH, a.a.O.).
Besteht danach ein Anordnungsanspruch und ist ein Unterliegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren äußerst unwahrscheinlich, kann sie entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Antragsgegnerin auch nicht zumutbar auf ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache verwiesen werden. Denn ein solches Hauptsacheverfahren dauert bei Ausschöpfen des sozialgerichtlichen Instanzenzuges möglicherweise mehrere Jahre. Gleichzeitig wäre eine Geldleistungsgewährung wegen der bereits erfolgten Bedarfsdeckung durch Sachleistung in Form von Gutscheinen (§ 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 2 SGB XII) auch nicht mehr nachholbar. Das mit der Analogleistungsberechtigung vom Gesetz berücksichtigte erhöhte Integrationsbedürfnis und die bereits über längere Zeit erfolgte Anpassung an die hiesigen Lebensverhältnisse machen jedoch das Bedürfnis nach eigenverantwortlichem Wirtschaften mit Bargeld unmittelbar nachvollziehbar; ohne ein solches Wirtschaften ist etwa ein vorausschauendes Ansparen für größere Anschaffungen schwer möglich, und eine Einsatzmöglichkeit von Bargeld in allen Lebensbereichen dürfte mit Wertgutscheinen ebenso nicht erreicht werden können. Im Übrigen ist auch eine mögliche stigmatisierende Wirkung bei einem über längere Zeit notwendigen Einkaufen mit Gutscheinen nicht auszuschließen.
Der Senat hat die Verpflichtung der Antragsgegnerin wegen ihrer Vorläufigkeit auf das Ende des Monats seiner Entscheidung beschränkt. Er geht jedoch davon aus, dass die Antragsgegnerin bei unveränderter Sach- und Rechtslage auch darüber hinaus Geld- anstelle von Sachleistungen erbringen wird. Anderenfalls stünde es der Antragstellerin offen, erneut sozialgerichtlichen Eilrechtsschutz zu suchen. Eine Anrechnung bereits erfolgter Leistungen ist wegen der durch die Gutscheingewährung erfolgten Bedarfsdeckung geboten, auch wenn dies dazu führen mag, dass für die Vergangenheit nachträglich keine Geldleistungen mehr zu erbringen sind.
Hat die Antragstellerin mit ihrem Begehren Erfolg, so steht ihr in Anwendung von § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung für beide Rechtszüge Prozesskostenhilfe zu.
Die Kostenentscheidung in der Hauptsache folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Hinsichtlich der Beschwerde wegen der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe sind Kosten nach § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 05.11.2008
Zuletzt verändert am: 05.11.2008