Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestützt auf § 25 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) die Erstattung von Aufwendungen für die stationäre Krankenhausbehandlung des XXX (im Folgenden: Patient).
Die Klägerin betreibt als juristische Person des Privatrechts das XXX (im Folgenden: Krankenhaus) im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Der am 26.07.1950 geborene, damals in Bochum wohnhafte und unter gesetzlicher Betreuung und im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) stehende Patient wurde dort am 12.11.2010 wegen eines Infekts unklarer Ursache und eines ketoazidotischen Komas bei Diabetes mellitus notfallmäßig aufgenommen. Unter dem 05.12.2010 verstarb er im Krankenhaus an den Folgen dieser Erkrankungen. Gegenüber dem Krankenhaus hatte der Patient angegeben, bei der XXX Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit privat krankenversichert zu sein.
Am 20.01.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Patienten. Es sei keine Kostenerstattung durch die private Krankenversicherung des Patienten erfolgt.
Mit Bescheid vom 19.05.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenerstattung ab. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 25 SGB XII lägen nicht vor, weil die persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Patienten nicht überprüft werden konnten.
Hiergegen legte die Klägerin am 07.06.2011 Widerspruch ein. Von der wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit des Patienten sei aufgrund des Leistungsbezugs nach dem SGB II auszugehen, so dass die Anspruchsvoraussetzungen vorlägen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2012 als unbegründet zurückgewiesen. § 25 SGB XII erfordere u.a., dass der Patient einen Anspruch auf entsprechende Leistungen der Sozialhilfe gehabt hätte. Der Patient habe jedoch einen gegenüber der Sozialhilfe vorrangigen Anspruch gegen seine private Krankenversicherung gehabt. Selbst wenn die diesbezügliche Mitteilung des gesetzlichen Betreuers des Patienten zutreffe und die Krankenversicherung wegen Beitragsschulden zwischenzeitlich geruht haben sollte, stehe dies einem vorrangigen Anspruch gegen die Krankenversicherung im Ergebnis nicht entgegen. Denn gem. § 193 Abs. 6 Satz 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) habe das Ruhen spätestens geendet, als der Patient hilfebedürftig im Sinne des SGB II geworden sei. Vor diesem Hintergrund verhelfe dem Widerspruch auch nicht zum Erfolg, dass bis zum heutigen Tage keine Kostenerstattung durch die Krankenversicherung erfolgt sei. Die Klägerin habe sich bisher nicht in ausreichendem Maße bemüht, ihre Aufwendungen für die stationäre Versorgung des Patienten bei dessen privater Krankenversicherung geltend zu machen. Die Klägerin erhob keine Klage gegen diese Entscheidung.
Am 09.12.2013 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.01.2012 nach § 44 SGB X und erneut die Übernahme der Aufwendungen für die stationäre Krankenhausbehandlung des Patienten. Zwischenzeitlich habe sich herausgestellt, dass ein gegenüber der Sozialhilfe vorrangiger Anspruch gegen die private Krankenversicherung des Patienten nicht bestehe, weil der diesbezügliche Versicherungsvertrag von Anfang an nichtig sei. Der Patient habe die bei ihm bestehende Hyperglykämie bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus der privaten Krankenversicherung vor Vertragsschluss nicht mitgeteilt und deshalb die ihm gestellten Gesundheitsfragen falsch beantwortet. Aufgrund der darin liegenden Anzeigepflichtverletzung (§ 19 Abs. 1 VVG) sei die auf den Abschluss des Versicherungsvertrages mit dem Patienten gerichtete Willenserklärung der Versicherung von dieser mit Schreiben vom 07.12.2012 gem. § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 19 Abs. 2 VVG wegen arglistiger Täuschung angefochten und zusätzlich der Rücktritt vom Versicherungsvertrag gem. § 19 Abs. 2 VVG erklärt worden.
Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 08.01.2014 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag und die Übernahme der Aufwendungen für die stationäre Krankenhausbehandlung des Patienten ab. Die diesbezüglich aus § 44 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 116a SGB XII folgende Jahresfrist sei bereits abgelaufen.
Mit ihrem Widerspruch vom 23.01.2014 machte die Klägerin geltend, dass § 116a SGB XII auf § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X verweise, welcher Sozialleistungen und Beiträge betreffe. Bei dem Nothelferanspruch gem. § 25 SGB XII handele es sich jedoch weder um eine Sozialleistung, noch um Beiträge, sondern um einen Erstattungsaufwand. § 116a SGB XII sei daher nicht einschlägig. Ergänzend werde auf § 44 Abs. 2 SGB X verwiesen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2014 als unbegründet zurückgewiesen. Wegen § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 116a SGB XII seien für die Zeit des Krankenhausaufenthaltes des Patienten keine Leistungen nach den Vorschriften des SGB XII mehr zu erbringen. § 116a SGB XII sei auch einschlägig. Insoweit werde auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.12.2013, Az. B 8 SO 13/12 R verwiesen, indem das BSG ausgeführt habe, dass vieles dafür spreche, den Nothelferanspruch aus § 25 SGB XII als Sozialleistung einzuordnen, zumal der Nothelfer zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehöre.
Am 09.05.2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Dortmund Klage erhoben.
Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Vertiefend führt sie aus, dass die Ausführungen der Beklagten nicht eindeutig belegten, dass es sich bei dem Nothelferanspruch gem. § 25 SGB XII um eine Sozialleistung handele. Unabhängig davon betreffe § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X nur laufende Sozialleistungen. Beim geltend gemachten Anspruch aus § 25 SGB XII handele es sich jedoch zweifelsohne um eine einmalige Leistung. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB XII könne deshalb – ebenso wie der diesen modifizierende § 116a SGB XII – auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 08.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.01.2012 aufzuheben und an die Klägerin 27.146,51 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 08.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Rücknahme des Bescheids vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.01.2012 und auf Zahlung von 27.146,51 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
1. Verfahrensfehler, die die streitgegenständlichen Bescheide formell rechtswidrig machen würden, liegen nicht vor. Insbesondere war eine Beteiligung sozial erfahrener Dritter im Widerspruchsverfahren nicht erforderlich. Schon bei einem unmittelbar gegen die Ablehnung eines Antrags auf Leistungen nach § 25 SGB XII gerichteten Widerspruch bedarf es der Beteiligung sozial erfahrener Dritter nicht, weil es sich dabei nicht – wie dies das Gesetz in § 116 Abs 2 SGB XII verlangt – um einen Widerspruch gegen die "Ablehnung von Sozialhilfe" des Hilfebedürftigen handelt, sondern um einen Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers (BSG, Urteil vom 12.12.2013, Az. B 8 SO 13/12 R, juris-Rn 13). Dann ist eine Beteiligung sozial erfahrender Dritter erst Recht nicht erforderlich, wenn – wie hier – ein Nothelferanspruch nach § 25 SGB XII im Gewand eines Antrags nach § 44 SGB X (erneut) geltend gemacht wird.
2. Die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten misst sich hinsichtlich des Anspruchs auf Rücknahme des Bescheids vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.01.2012 an § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der auch im Sozialhilferecht Anwendung findet (vgl. nur BSG, Urteil vom 29.09.2009, Az. B 8 SO 16/08 R, juris-Rn 10 f. m.w.N.). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht sind.
Ein Rücknahmeanspruch der Klägerin aus § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X scheidet vorliegend jedoch nach Treu und Glauben und unabhängig davon aus, ob alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfüllt sind. Die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ist nämlich treuwidrig und deshalb ausgeschlossen, wenn die Aufhebung des betreffenden Verwaltungsakts sinnlos ist, weil der Betroffene durch die Rücknahme keine Vorteile mehr erlangen kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn – wie hier (vgl. sogleich 3.) – die begehrte Leistung wegen § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X (hier: i.V.m. § 116a SGB XII) ohnehin nicht mehr erbracht werden muss (vgl. aus neuerer Zeit nur BSG, Urteil vom 28.02.2013, Az. B 8 SO 4/12 R, juris-Rn 13 und Urteil vom 13.02.2014, Az. B 4 AS 19/13 R, juris-Rn 16; LSG NRW, Urteil vom 06.11.2014, Az. L 7 AS 534/13, juris-Rn 29 sowie Baumeister, in: jurisPK-SGB X, § 44 Rn 110 jeweils m.w.N.).
3. Dem im Wege des § 44 SGB X geltend gemachten etwaigen Anspruch aus § 25 SGB XII auf Zahlung von 27.146,51 Euro als Ersatz für die anlässlich der stationären Krankenhausbehandlung des Patienten bei der Klägerin angefallenen Aufwendungen steht § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 116a SGB XII entgegen. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme eines Verwaltungsaktes erbracht, wenn der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Der Zeitraum der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Abs. 4 Satz 2). Für die Berechnung tritt nach Satz 3 an die Stelle der Rücknahme der Antrag, wenn dieser zur Rücknahme führt. Diese Regelungen werden durch § 116a SGB XII in der Weise modifiziert, dass – für nach dem 01.04.2011 gestellte Überprüfungsanträge (vgl. § 136 SGB XII i.d. bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung) – anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Die Klägerin hat ihren Antrag außerhalb der in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X liegenden materiellen Ausschlussfrist (Baumeister, aaO., § 44 Rn 25; Schütze, in: von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 6. Auflage 2008, § 44 Rn 28 m.w.N.) gestellt, die entgegen der Auffassung der Klägerin auch auf den von ihr zur Entscheidung gestellten Sachverhalt anzuwenden ist.
a) Die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 19.05.2011 und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 SGB XII unterstellt, wäre der in der Sache geltend gemachte Nothelferanspruch nach § 25 SGB XII wegen §§ 40 Abs. 1, 41 SGB I mit der Antragstellung (vgl. § 25 Satz 2 SGB XII) im Jahr 2011 – und damit außerhalb der Jahresfrist nach § 116a SGB XII – entstanden und fällig geworden. Denn die Frist nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird durch § 116a SGB X allein hinsichtlich der Länge modifiziert, während für die Fristberechnung die Sätze 2 und 3 des § 44 SGB X unverändert gelten (Greiser in: jurisPK-SGB XII, § 116a Rn 26; vgl. zur Parallelnorm des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II Aubel in: jurisPK-SGB II, § 40 Rn 34 f.). Deshalb wird die Jahresfrist vom Beginn des Jahres an zurückgerechnet, in dem der Überprüfungsantrag gestellt wurde, so dass für die Zeit vor Beginn des Jahres, das dem Jahr vorausgeht, in dem der Überprüfungsantrag gestellt wurde, keine Leistungen nachzuzahlen sind (BT-Drs. 17/3404, S. 129; Aubel, aaO., § 40 Rn 35 zur Parallelnorm des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II; zur Fristberechnung allgemein vgl. Waschull in: LPK-SGB XII, 3. Auflage 2011, § 44 Rn 62). Die Klägerin hat den Überprüfungsantrag am 09.12.2013 gestellt, so dass nach den obigen Ausführungen eine rückwirkende Erbringung von Leistungen über den 01.01.2012 hinaus nicht in Betracht kommt.
b) Die Bedenken der Klägerin gegen die Anwendung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB XII auf den Nothelferanspruch aus § 25 SGB XII greifen zur Überzeugung der Kammer nicht durch.
Sofern die Klägerin sich darauf beruft, dass § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB XII allein auf laufende Sozialleistungen Anwendung finde, nicht aber auf Einmalleistungen wie den Nothelferanspruch, lässt sich dem Wortlaut der Norm eine derartige Einschränkung nicht entnehmen. Vor dem Hintergrund des insoweit offenen Wortlauts ist im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Norm vielmehr davon auszugehen, dass § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X auch auf Einmalleistungen anzuwenden ist. Denn die Einführung des § 44 Abs. 4 SGB X war ausdrücklich eine Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 04.12.1974, Az. 5 RKnU 29/73) zum Entfallen der Verjährung bei rückwirkender Aufhebung eines Verwaltungsaktes nach § 627 Reichversicherungsordnung (BT-Drs. 8/2034, S. 34 zu § 42 Abs. 4 des Gesetzesentwurfs). Wenn der Gesetzgeber aber eine generelle Abkehr von dieser – nach den Entscheidungsgründen unterschiedslos auch auf Einmalleistungen anwendbaren – Rechtsprechung wollte, macht die Unterscheidung zwischen laufenden und einmaligen Leistungen keinen Sinn und ist die Norm unterschiedslos auf laufende wie einmalige Sozialleistungen anwendbar (so im Ergebnis BSG, Beschluss vom 26.10.1994, Az. 8 BH (Kn) 1/94, juris-Rn 12 ff.; Steinwedel in: Kasseler Kommentar, Stand: 1.12.2014 – 84. Erg.Lief., § 44 Rn 51; Schütze, aaO., § 44 Rn 28; a.A. unter Hinweis auf den Unterhaltscharakter laufender Sozialleistungen Waschull, aaO., § 44 Rn 66; zweifelnd BVerwG, Urteil vom 0519.1999, Az. 5 C 27/98, juris-Rn 20).
Auch der Einwand der Beklagten, bei dem Nothelferanspruch aus § 25 SGB XII handele es sich nicht um eine Sozialleistung, so dass § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X (i.V.m. § 116a SGB XII) nicht anwendbar sei, greift zur Überzeugung der Kammer nicht durch. Unabhängig davon, ob der Anspruch aus § 25 SGB XII eine Sozialleistung i.S.d. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ist, muss er jedenfalls wie eine solche behandelt und § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf ihn angewandt werden. Weil der Nothelfer im Rahmen des § 183 SGG als Empfänger von Sozialleistungen behandelt (vgl. BSG, Beschluss vom 11.06.2008, Az. B 8 SO 45/07 B, juris-Rn 8 ff. m.w.N.) und der Anspruch aus § 25 SGB XII auch im Rahmen des § 16 Abs. 1 SGB I als Sozialleistung eingeordnet bzw. wie eine solche behandelt wird (BSG, Beschluss vom 13.02.2014, Az. B 8 SO 58/13 B, juris-Rn 8; LSG NRW, Urteil vom 25. August 2014, Az. L 20 SO 411/12 –, juris-Rn 37) käme es ansonsten nämlich zu nicht hinnehm- und erklärbaren Wertungswidersprüchen (vgl. in diese Richtung wohl BSG, Urteil vom 12.12.2013, Az. B 8 SO 13/12 R, juris-Rn 14 sowie Waldhorst-Kahnau in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 25 Rn 69). Nur so kann (und muss einheitlich) berücksichtigt werden, dass der Nothelferanspruch unabhängig von seiner Funktion als spezielle sozialhilferechtliche Form der Geschäftsführung ohne Auftrag jedenfalls eine einer Sozialleistung vergleichbare Funktion hat, weil der Anspruch aus § 25 SGB XII sich letztlich als Fortwirkung des ursprünglichen Sozialhilfeanspruchs des Hilfeempfängers darstellt (BSG, Beschluss vom 11.06.2008, Az. B 8 SO 45/07 B, juris-Rn 9 m.w.N.). Überdies macht der Gesetzgeber schon durch das Tatbestandsmerkmal "die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären" deutlich, dass der Nothelfer nicht schlechter, aber eben auch nicht besser stehen soll, als der Sozialhilfeempfänger selbst. Diese Wertung muss über die unmittelbare Anwendung des § 25 SGB XII hinaus auch bei der an der Einordnung des Nothelferanspruchs als Sozialleistung festzumachenden Frage der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 4 SGB X auf den Nothelferanspruch zur Geltung kommen. Dabei ist diese Auslegung im Rahmen des § 44 SGB X insgesamt auch nicht unbillig, obwohl sie sich im Hinblick auf § 44 Abs. 4 SGB X für den Nothelfer ungünstig auswirken kann. Denn zugleich gereicht ihm die Behandlung seines Anspruchs als Sozialleistung jedenfalls im Rahmen des § 44 Abs. 1 SGB X zum Vorteil, weil ihm dadurch ein gebundener Anspruch auf eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit statt eines Anspruchs auf (nur) ermessensfehlerfreie (Aufhebungs-)Entscheidung zusteht, wie sie § 44 Abs. 2 SGB X für andere als Sozialleistungen ("im Übrigen") vorsieht. Schließlich wird durch diese Auslegung des § 44 SGB X auch die Erreichung des Zwecks des § 25 SGB XII – die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken (vgl. Waldhorst-Kahnau in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 25 Rn 69 m.w.N.) – nicht (unangemessen) beeinträchtigt. Denn der Nothelfer muss gegen eine seinen Anspruch unmittelbar ablehnende Entscheidung die ebenfalls fristgebundenen Rechtsbehelfe von Widerspruch und Klage einlegen, ohne dass dies im Hinblick auf den Gesetzeszweck als problematisch angesehen wird. Dann kann aber auch die Beschränkung der rückwirkenden Geltendmachung der Rechtswidrigkeit eines Leistungsversagungsbescheids auf einen Zeitraum von – wegen der Art und Weise der Fristberechnung – maximal fast zwei Jahren im Hinblick auf die Erreichung des Gesetzeszwecks nicht als unangemessen angesehen werden. Dies umso mehr, weil durch diese Beschränkung letztlich auch die im Interesse der Allgemeinheit liegende Rechtssicherheit erreicht und in einen angemessenen – und auch bei Anwendung der kürzeren Frist des § 116a SGB XII verfassungsgemäßen (vgl. nur Sächsisches LSG, Urteil vom 06.11.2014, Az. L 7 AS 534/13, juris-Rn 18 und LSG NRW, Urteil vom 19.09.2013, Az. L 7 AS 1050/13 juris-Rn 22 jeweils zur Parallelnorm des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II) – Ausgleich mit der im Interesse des Betroffenen liegenden materiellen Gerechtigkeit gebracht wird.
4. Ein Anspruch auf (Prozess-)Zinsen aus § 44 SGB I oder §§ 284, 285, 288 oder 291 BGB kommt für den Nothelfer von vornherein nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 19/12 R, juris-Rn 30) und scheidet vorliegend im Hinblick auf die obigen Ausführungen ohnehin aus.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG (zur Anwendbarkeit des § 183 SGG vgl. BSG, Beschluss vom 11.06.2008, Az. B 8 SO 45/07 B, juris-Rn 8 ff.).
Erstellt am: 03.06.2015
Zuletzt verändert am: 03.06.2015